Index
L37152 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §13 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Liberta Hrazdil in Villach, vertreten durch Dr. Albert Ritzberger und Dr. Helmut Binder, Rechtsanwälte in Villach, Widmanngasse 43, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 20. März 1997, Zl. 8 B-BRM-150/5/1996, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadtgemeinde Villach, vertreten durch den Bürgermeister, 2. Herwig Zankl in Villach, vertreten durch Dr. Gerhard Prett und Dr. Klaus Fattinger, Rechtsanwälte in Villach, Ringmauergasse 8/II), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die zweitmitbeteiligte Partei ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 397/3, Baufläche, der Liegenschaft EZ 346, KG Völkendorf, welches im Norden an die Othmar-Crusiz-Straße grenzt. Auf dem rund 18,50 m breiten und über 45 m langen Grundstück ist rund 4 m von der öffentlichen Verkehrsfläche entfernt ein ca. 12 m x 10 m großes Gebäude errichtet, welches von der westlichen Grundstücksgrenze zu Grundstück Nr. 397/5 rund 5 m und von der östlichen Grundstücksgrenze zu dem der Beschwerdeführerin gehörigen Grundstück Nr. 346 3 m entfernt ist. Östlich an dieses Gebäudes ist rund 8 m von der öffentlichen Verkehrsfläche Othmar-Crusiz-Straße entfernt eine (laut Lageplan) 7,30 m lange Garage angebaut, welche 3 m breit ist und somit unmittelbar an die westliche Grundgrenze des Grundstückes Nr. 346 der Beschwerdeführerin angrenzt.
Die vorbezeichneten Grundstücke sind im bestehenden Flächenwidmungsplan als "Bauland-Geschäftsgebiet" ausgewiesen. Für sie gilt der textliche Bebauungsplan der erstmitbeteiligten Gemeinde.
Mit Eingabe vom 19. Juni 1995 beantragte der zweitmitbeteiligte Bauwerber "die Erteilung der Baubewilligung für ein Garagenvordach zur bestehenden Garage Othmar-Crusiz-Straße 17". In der Baubeschreibung wird hiezu ausgeführt:
"An die bestehende Garage soll straßenseitig eine überdachte offene Stahlkonstruktion angebaut werden.
Diese lagert nordseitig auf zwei runden Stahlsäulen und an der Rückseite bei der bestehenden Garage auf.
Die Verankerung der Säulen erfolgt mittels Stahllaschen an
das vorhandene Zaunfundament.
Eindeckung mit Glasplatten."
Diese als "Garagenzubau, Abstellplatz" bezeichnete bauliche Anlage grenzt plangemäß an das obbezeichnete Grundstück der Beschwerdeführerin an und soll 4,25 m breit, 3,40 m hoch und 4 m lang sein (Außenmaße).
Die Beschwerdeführerin erhob rechtzeitig Einwendungen wegen Verletzung der vorgeschriebenen Abstandsflächen und Überschreitung der zulässigen Firsthöhe von 3 m.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Villach vom 5. Dezember 1995 wurde der Antrag des zweitmitbeteiligten Bauwerbers "auf baupolizeiliche Bewilligung für die Änderung des geänderten Garagengebäudes durch Zubau eines Garagenvordaches" abgewiesen.
Der dagegen erhobenen Berufung des zweitmitbeteiligten Bauwerbers wurde mit Bescheid des Stadtsenates der Stadtgemeinde Villach vom 13. März 1996 keine Folge gegeben. Die Bestimmung des § 6 Abs. 10 des textlichen Bebauungsplanes sei gesetzeskonform so auszulegen, daß zwar hinsichtlich der Bauhöhe der Nebengebäude eine von der Bestimmung des § 6 Abs. 2 lit. b der Kärntner Bauvorschriften abweichende (weitergehende) Regelung getroffen werde, im übrigen aber gemäß der Rückverweisung im § 6 Abs. 9 des textlichen Bebauungsplanes die Bestimmungen der Kärntner Bauvorschriften anzuwenden seien. "Durch den projektierten Bau des Garagenvordaches würde das Garagenobjekt mehr als die doppelte Größe des durch § 130 Kärntner Bauvorschriften normierten (Mindest-)Ausmaßes einer Einzelgarage von 2,30 m x 5 m aufweisen." Bei einer Größenüberschreitung von mehr als 100 % könne von einem Objekt ähnlicher Größe nicht mehr gesprochen werden, sodaß zweifelsfrei ein Widerspruch zum Bebauungsplan vorliege.
Mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 24. Juli 1996 wurde der Berufungsbescheid des Stadtsenates der Stadtgemeinde Villach vom 13. März 1996 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Mit hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1997, Zl. 96/05/0226, wurde der dagegen erhobenen Beschwerde der auch im gegenständlichen Beschwerdeverfahren beschwerdeführenden Partei Folge gegeben und der vorzitierte Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Der Gerichtshof vertrat in diesem Erkenntnis die Auffassung, in dem der Beschwerde zugrunde liegenden Verfahren seien bezüglich des Seitenabstandes zum Grundstück der Beschwerdeführerin die Anordnungen der §§ 4 bis 10 Kärntner Bauvorschriften über die Abstandsflächen anzuwenden. Die Vorstellungsbehörde ging in der Begründung ihres Bescheides vom 24. Juli 1996 zutreffend davon aus, daß das hier zu beurteilende Vorhaben im Hinblick auf die funktionelle Selbständigkeit des vom Bewilligungsantrag umfaßten Bauwerkes nicht als Zubau zur bereits bestehenden Garage und damit nicht als Gebäude - ein solches setzt einen nach den Regeln der Baukunst umschlossenen Raum voraus - anzusehen ist. Da nach der Baubeschreibung auch nicht von einem geschlossenen Vorbau auszugehen ist, scheidet im vorliegenden Fall die Anwendung der Sondervorschriften des § 6 Abs. 10 und 11 des textlichen Bebauungsplanes der mitbeteiligten Stadtgemeinde aus. Aufgrund der auch von der zweitmitbeteiligten Partei nicht angezweifelten, durch den Akteninhalt gedeckten Annahme einer offenen Bebauungsweise im Sinne des § 4 Abs. 2 lit. a dieses Bebauungsplanes sind auf das hier zu beurteilende Projekt die Regelungen des § 6 Abs. 2 der Kärntner Bauvorschriften anzuwenden. (Im übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen.)
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 20. März 1997 hat die belangte Behörde den Bescheid des Stadtsenates der Stadtgemeinde Villach vom 13. März 1996 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Stadtgemeinde Villach zurückverwiesen. Die in dem mit der Vorstellung angefochtenen Bescheid der Berufungsbehörde vertretene Auffassung betreffend die Anwendung des § 6 Abs. 10 des textlichen Bebauungsplanes und die Ausführungen, daß durch den projektierten Bau des Garagenvordaches das Garagenobjekt mehr als die doppelte Größe des durch § 130 der Kärntner Bauvorschriften normierten (Mindest-)Ausmaßes einer Einzelgarage von 2,30 m x 5 m aufweisen würde und bei einer Größenüberschreitung von mehr als 100 % von einem Objekt ähnlicher Größe nicht mehr gesprochen werden könne, widersprächen den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes, sodaß unter Berücksichtigung dieser Ausführungen eine neuerliche Beurteilung des gegenständlichen Projektes vorzunehmen sei. Demnach habe auch eine neuerliche Entscheidung über die Berufung zu erfolgen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid "im gesetzlich gewährleisteten Recht auf Einhaltung der Vorschriften des textlichen Bebauungsplanes der Stadt Villach sowie der Abstandsflächenbestimmungen der Kärntner Bauvorschriften verletzt". Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und führt in der Begründung hiezu aus, aus der Baubeschreibung und den Einreichunterlagen des Bauwerbers ergebe sich, daß die als "Garagenzubau, Abstellplatz" bezeichnete bauliche Anlage alle Höchstgrenzen der in lit. a bis d des § 6 Abs. 2 der Kärntner Bauvorschriften genannten baulichen Anlagen überschreite, demnach keine der Ausnahmebestimmungen dieser Gesetzesstelle anwendbar und das Bauvorhaben nicht genehmigungsfähig sei. Weiterer Erhebungen bedürfe es daher nicht. Die Bescheide der Baubehörden erwiesen sich daher im Ergebnis als nicht rechtswidrig. Die belangte Behörde, an deren Rechtsansicht die Baubehörden gebunden seien, führe auch nicht näher aus, welche weiteren Ermittlungen durchzuführen oder Feststellungen zu treffen seien.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Dem Beschwerdeverfahren liegt ein Bauvorhaben zugrunde, auf welches die Regelungen des § 6 Abs. 2 der Kärntner Bauvorschriften anzuwenden sind (vgl. hiezu die im hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1997, Zl. 96/05/0226, wiedergegebenen Rechtsausführungen).
Gemäß § 6 Abs. 2 der Kärntner Bauvorschriften in der Fassung der hier anzuwendenden Novelle LGBl. Nr. 103/93 dürfen in Abstandsflächen nur die nachstehend angeführten Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen errichtet werden, und zwar unabhängig davon, ob sie in Verbindung mit einem Gebäude oder einer sonstigen baulichen Anlage oder für sich allein errichtet werden:
a) bauliche Anlagen, die an keiner Stelle mehr als 1 m hoch sind;
b) ein Gebäude oder eine sonstige bauliche Anlage, das keine Aufenthaltsräume und Feuerstätten enthält, wie eine Einzelgarage oder ein Nebengebäude von ähnlicher Form und Größe oder eine überdeckte, mindestens an zwei Seiten offene Terrasse von höchstens 25 m2 Grundfläche, wenn
aa) es nicht höher als 2,50 m über dem angrenzenden projektierten Gelände liegt,
bb) ein Lichteinfall im Sinne des § 48 Abs. 1 erster und zweiter Satz hinsichtlich des zu errichtenden Vorhabens nicht verhindert und hinsichtlich bestehender Gebäude nicht verschlechtert wird und
cc) Interessen der Sicherheit, der Gesundheit und des Schutzes des Ortsbildes nicht verletzt werden;
c) Dachvorsprünge, Sonnenblenden, Erker, Balkone, Wetterdächer u.ä. bis zu einer Ausladung von 1,30 m;
d) überdeckte, seitlich offene oder an einer Längsseite geschlossene und höchstens 2,00 m breite und 2,50 m hohe Zugänge.
Das hier zu beurteilende, funktionell selbständige Bauwerk ist im Hinblick auf die - aus den dem Bauansuchen zugrunde liegenden Projektsunterlagen ersichtliche - Größe (4,25 m breit, 3,40 m hoch und 4 m lang) unter keinen der Ausnahmetatbestände des § 6 Abs. 2 der Kärntner Bauvorschriften subsumierbar, und kann daher nicht baubehördlich bewilligt werden, weil dessen Lage an der Grundstücksgrenze und demnach nicht unter Einhaltung der Abstandsflächen gemäß § 5 Kärntner Bauvorschriften projektiert ist.
Ein Nachbar besitzt im Rahmen des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens einen Rechtsanspruch darauf, daß im Fall einer Verletzung seiner - von der Baubehörde wahrzunehmenden - Rechte eine Bewilligung nicht erteilt wird (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1985, Slg. Nr. 11.795/A).
Gemäß § 95 Abs. 1 der Kärntner Allgemeinen Gemeindeordnung 1993, LGBl. Nr. 77, kann nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides an die Landesregierung Vorstellung erheben, wer durch einen Bescheid eines Gemeindeorganes in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches aus dem Bereich der Landesvollziehung in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
Gemäß Abs. 4 dieser Gesetzesstelle hat die Landesregierung den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt wurden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurückzuweisen.
Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid über eine Vorstellung des mitbeteiligten Bauwerbers gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadtgemeinde Villach vom 13. März 1996, mit welchem im Instanzenzug sein Antrag vom 19. Juni 1995 über "die Erteilung der Baubewilligung für ein Garagenvordach zur bestehenden Garage Othmar-Crusiz-Straße 17" abgewiesen wurde, entschieden. Aus der Antragsbedürftigkeit der Baubewilligung folgt, daß die Baubehörde über das Parteibegehren, wie es sich aus dem Ansuchen, den Plänen und der Baubeschreibung ergibt, abzusprechen hat (vgl. hiezu Hauer,
Der Nachbar im Baurecht, 4. Auflage, Seite 105, sowie das hg. Erkenntnis vom 19. November 1996, Zl. 96/05/0169). Daß das von den Baubehörden beurteilte und dem Beschwerdeverfahren zugrunde liegende Projekt nicht bewilligungsfähig ist, wurde bereits oben klargelegt.
Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide unter den dort näher beschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen zu begründen. Mängel in dem Teil der Begründung eines Bescheides, der die für den Spruch maßgebende rechtliche Beurteilung zum Gegenstand hat, hängen jedoch mit der Frage der Rechtmäßigkeit des Spruches zusammen. Da der Begründung eines Bescheides im allgemeinen keine normative Kraft zukommt (die bindende Wirkung der tragenden Gründe eines kassatorischen Besheides der Gemeindeaufsichtsbehörde gemäß Art. 119a Abs. 5 B-VG kommt im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Relevanz zu) belastet daher eine unrichtige rechtliche Begründung einen Bescheid, dessen Spruch rechtmäßig ist, nicht mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes (vgl. hiezu Mannlicher/Quell, Das Verwaltungsverfahren, erster Halbband, 8. Auflage, Seite 321, sowie die bei Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Rz 418 ff, Seite 170 f und Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 466, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Der mitbeteiligte Bauwerber konnte daher durch die als mit der Rechtslage übereinstimmende Abweisung seines Ansuchens um Baubewilligung vom 19. Juni 1995 nicht deshalb in einem Recht im Sinne des § 95 Abs. 4 der Kärntner Allgemeinen Gemeindeordnung 1993 verletzt sein, weil in der Begründung des Bescheides des Stadtsenates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 13. März 1996 das beschwerdegegenständliche Projekt als "Zubau eines Garagenvordaches" bezeichnet wurde. Die belangte Behörde hätte daher die Vorstellung des mitbeteiligten Bauwerbers im Grunde des § 66 Abs. 4 AVG abweisen müssen.
Da der Beschwerdeführerin - wie oben aufgezeigt - als Anrainerin gemäß § 21 der Kärntner Bauordnung ein subjektives Recht auf Abweisung des Baubewilligungsansuchens zukommt, wurde sie durch den angefochtenen Bescheid, mit welchem die das Baubewilligungsansuchen des mitbeteiligten Bauwerbers abweisende Entscheidung des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde aufgehoben wurde, in ihren sujektiven Rechten verletzt.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Baubewilligung BauRallg6 Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde Ersatzbescheid Grundsätzliches zur Rechtmäßigkeit und zur Rechtsverletzungsmöglichkeit Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Spruch und BegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997050131.X00Im RIS seit
03.05.2001