Entscheidungsdatum
03.06.2020Norm
BFA-VG §21 Abs7Spruch
I403 2116525-3/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.10.2015, Zl. XXXX, zu Recht:
A)
Die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin stellte am 22.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am XXXX2015 wurde die Tochter der Beschwerdeführerin in Österreich geboren, wobei die Beschwerdeführerin für diese am 04.09.2015 ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz einbracht hat.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) vom 16.10.2015 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs.1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihr gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ihr eine Frist für eine freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt IV.).
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Inhaltlich wurde insbesondere vorgebracht, dass die Tochter der Beschwerdeführerin österreichische Staatsbürgerin sei und deren - ebenfalls mit Bescheid des BFA vom 16.10.2015 verhängte - Abschiebung daher rechtswidrig sei. Im Falle einer Abschiebung würde es zu einer Familientrennung kommen. Ein Staatsbürgerschaftsnachweis der Tochter war dem Beschwerdeschriftsatz angeschlossen.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.11.2015, Zl. I403 2116525-1/5E, wurde die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides vom 16.10.2015 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.). In Bezug auf Spruchpunkt III. wurde der Beschwerde angesichts der österreichischen Staatsangehörigkeit der Tochter der Beschwerdeführerin stattgegeben, eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria auf Dauer für unzulässig erklärt und der Beschwerdeführerin der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt (Spruchpunkt II.). Dieses Erkenntnis erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Am 16.11.2017 wurde der Beschwerdeführerin seitens des Amtes der XXXX Landesregierung ein bis zum 15.11.2018 gültiger Aufenthaltstitel "Niederlassungsbewilligung" gemäß § 43 Abs. 3 NAG erteilt, welcher zuletzt bis zum 15.11.2019 verlängert wurde. Am 13.11.2019 wurde seitens der Beschwerdeführerin beim Amt der XXXX Landesregierung abermals ein Verlängerungsantrag eingebracht, wobei das betreffende Verlängerungsverfahren nach wie vor anhängig ist.
Mit E-Mail vom 06.03.2020 regte die belangte Behörde die Wiederaufnahme des Verfahrens, welches mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.11.2015 rechtskräftig abgeschlossen worden war, an. Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass der Tochter der Beschwerdeführerin die österreichische Staatsbürgerschaft zwischenzeitlich aberkannt und ihre nigerianische Staatsangehörigkeit festgestellt worden sei.
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.06.2020, Zl. I403 2116525-2/2E, wurde gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 VwGVG die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.11.2015, Zl. I403 2116525-1/5E rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens im Umfang des zweiten Spruchpunktes verfügt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.
2. Beweiswürdigung:
Der unter Punkt I. dargelegte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Zl.en I403 2116525-1 (betreffend das Asylverfahren der Beschwerdeführerin) und I403 2116525-2 (betreffend die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens).
Die Feststellungen hinsichtlich des Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung" gemäß § 43 Abs. 3 NAG der Beschwerdeführerin sowie des aktuell anhängigen Verlängerungsverfahrens beim Amt der XXXX Landesregierung ergeben sich aus einer Abfrage im Informationsverbund Zentrales Fremdenregister (IZR).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Anwendbare Rechtsnormen
Abs. 2 Z 2 des mit "Rückkehrentscheidung" betitelten § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF BGBl. I Nr. 27/2020 lautet wie folgt:
"(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. ...,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige."
Abs. 1 Z 2 des mit "Voraussetzung für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet" betitelten § 31 FPG idgF BGBl. I Nr. 27/2020 lautet wie folgt:
"(1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1. ...,
2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;"
Abs. 1 des mit "Verlängerungsverfahren" betitelten § 24 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) idgF BGBl. I Nr. 24/2020 lautet wie folgt:
"(1) Verlängerungsanträge (§ 2 Abs. 1 Z 11) sind vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, frühestens jedoch drei Monate vor diesem Zeitpunkt, bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen; § 23 gilt. Danach gelten Anträge als Erstanträge. Nach Stellung eines Verlängerungsantrages ist der Antragsteller, unbeschadet der Bestimmungen nach dem FPG, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Über die rechtzeitige Antragstellung kann dem Fremden auf begründeten Antrag eine einmalige Bestätigung im Reisedokument angebracht werden, die keine längere Gültigkeitsdauer als drei Monate aufweisen darf. Diese Bestätigung berechtigt zur visumfreien Einreise in das Bundesgebiet. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, Form und Inhalt der Bestätigung durch Verordnung zu regeln."
Abs. 3 Z 3 des mit "Niederlassungsbewilligung" betitelten § 43 NAG idgF BGBl. I Nr. 24/2020 lautet wie folgt:
"(3) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist ein Aufenthaltstitel "Niederlassungsbewilligung" zu erteilen, wenn sie seit zwölf Monaten über,
1. ...,
3. eine "Aufenthaltsberechtigung" gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 oder
verfügen."
3.2. Anwendung im Beschwerdefall
Mit Erlassung des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.06.2020, Zl. I403 2116525-2/2E, trat das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.11.2015, Zl. I403 2116525-1/5E im Umfang von Spruchpunkt II. ex tunc außer Kraft (vgl. Hengstschläger-Leeb, AVG § 70 AVG Rz 6). Daher ist Gegenstand des Verfahrens die Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. und IV. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.10.2015, mit welchen u.a. gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde.
Da das Asylverfahren der Beschwerdeführerin negativ abgeschlossen wurde, hat sich die belangte Behörde im gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 16.10.2015 auf § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gestützt und eine Rückkehrentscheidung erlassen.
Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung (und zwar auch dann, wenn es nicht "in der Sache selbst" entscheidet) an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage auszurichten (vgl. VwGH, 14.12.2016, Ro 2016/19/0005; VwGH, 16.12.2015, Ro 2014/03/0083).
Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrecht nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind (Z 2).
Die Beschwerdeführerin war gegenständlich bis zum 15.11.2019 im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung" iSd § 43 Abs. 3 NAG und stellte am 13.11.2019 einen diesbezüglichen Verlängerungsantrag beim Amt der XXXX Landesregierung, wobei das betreffende Verlängerungsverfahren nach wie vor anhängig ist. Aufgrund des Regelungskonzepts des § 24 Abs. 1 NAG ist sie somit zum gegenwärtigen Zeitpunkt - angesichts der fristgereichten Einbringung eines Verlängerungsantrages vor Ablauf der Gültigkeit ihres Aufenthaltstitels - für die Dauer des nach wie vor anhängigen Verlängerungsverfahrens rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Somit ist die Erlassung einer auf § 52 Abs. 2 FPG gestützten Rückkehrentscheidung nicht zulässig (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/20/0274) und wäre das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Rückkehrentscheidung gegen eine Drittstaatsangehörige wie die Beschwerdeführerin, welche sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, allenfalls am Maßstab des § 52 Abs. 4 FPG zu prüfen.
Das Bundesverwaltungsgericht gelangt sohin zum Ergebnis, dass der Bescheid der belangten Behörde vom 16.10.2015 im Umfang des zweiten Spruchteils von Spruchpunkt III. - mit welchem gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde - zu beheben ist, ebenso wie die darauf aufbauenden übrigen Spruchteile von Spruchpunkt III. sowie Spruchpunkt IV. des Bescheides vom 16.10.2015.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2). Da der Bescheid im gesamten Umfang der Wiederaufnahme des Verfahrens aufzuheben war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Aberkennungsverfahren Aufenthaltsberechtigung Aufenthaltstitel Außerkrafttreten befristete Aufenthaltsberechtigung Behebung der Entscheidung ersatzlose Teilbehebung ex tunc Kassation Niederlassungsbewilligung österreichische Staatsbürgerschaft rechtmäßiger Aufenthalt Rückkehrentscheidung Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Spruchpunktbehebung Verlängerungsantrag WiederaufnahmeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I403.2116525.3.00Im RIS seit
03.09.2020Zuletzt aktualisiert am
03.09.2020