TE OGH 2020/7/22 11Os68/20i

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Veröffentlicht am 22.07.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Juli 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen S***** wegen des Verbrechens der sexuellen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 26. Februar 2020, GZ 79 Hv 128/19h-14, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde S***** des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

         Danach hat er am 21. Juli 2019 in K***** T***** außer den Fällen des § 201 StGB mit Gewalt, indem er ihr einen Schlag gegen deren linke Schulter versetzte, wodurch sie zu Boden stürzte, ihr mehrmals gegen den Unterleib und den Bauch- und Rippenbereich trat, ihr Kleid zerriss und an ihrer Unterhose riss, wodurch diese soweit ausgedehnt wurde, dass T***** mit entblößtem Unterleib am Boden lag, und ihr mehrere Faustschläge gegen deren Kopf versetzte, zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er seinen Unterleib an ihrem entblößten Gesäß rieb.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Die prozessordnungsgemäße Geltendmachung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert striktes Festhalten an den tatsächlich getroffenen Urteilskonstatierungen in ihrer Gesamtheit und die auf dieser Grundlage zu führende Darlegung, dass dem Gericht bei Beurteilung des Urteilssachverhalts ein Rechtsirrtum unterlaufen ist. Demgemäß liegt keine prozessordnungsgemäße Darstellung eines derartigen Beschwerdegrundes vor, wenn eine im Urteil konstatierte Tatsache bestritten oder übergangen oder aber ein nicht festgestellter Umstand als gegeben angenommen wird (RIS-Justiz RS0099810).

Die auf Verwirklichung bloß des Vergehens der Körperverletzung (§ 83 Abs 1 StGB) abzielende Subsumtionsrüge (Z 10), die die Unterstellung des festgestellten Reibens des Unterleibs des Angeklagten am entblößten Gesäß des Opfers unter das Tatbestandsmerkmal der „geschlechtlichen Handlung“ als rechtsirrig bekämpft, entspricht dieser Voraussetzung nicht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581 und 584).

Weshalb die inkriminierten Tathandlungen unter Berücksichtigung der insgesamt (auch zum Vor- und unmittelbaren Nachtatverhalten) getroffenen Konstatierungen nicht als sexualbezogen und von einiger Intensität anzusehen sein sollten und warum solcherart kein Reiben des (wenn auch kleidungsmäßig bedeckten) Penis- und Hodenbereichs am nackten Gesäß des Tatopfers vorliegen und trotz dessen körperlicher Gegenwehr bloß von einer intensitätsmäßig unerheblichen Berührung der genannten Körperpartien auszugehen sein soll, wird nicht prozessförmig aufgezeigt (RIS-Justiz RS0078135, RS0095733, RS0095739; Philipp in WK2 StGB § 202 Rz 9; ders aaO § 218 Rz 5 f; Fabrizy, StGB13 § 202 Rz 3 f; Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 § 202 Rz 5).

Der Rechtsmittelwerber übergeht nämlich die Feststellungen, wonach der Angeklagte, der zuvor erfolglos versucht hatte, sich dem Tatopfer mit ersichtlich sexueller Motivation zu nähern, diesem unter massiver Gewalteinwirkung Kleidungsstücke herunterriss, wonach es mit entblößtem Unterleib am Boden lag, und nach Versetzen weiterer Faustschläge sodann seinen Unterleib bzw Unterkörper, zu welcher Körperpartie (erkennbar nach den Feststellungen [Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19]) beim männlichen Angeklagten notorisch dessen Penis und Hoden zu zählen sind, am nackten Gesäß des Tatopfers rieb, letztlich nur aufgrund dessen Gegenwehr von diesem abließ und schließlich zum Lebensgefährten des Tatopfers schrie „ … die gehört gefickt die Schlampe, wenn du das nicht kannst [...] muss ich das halt tun“ (US 3, 4).

Die weitere Kritik (nominell Z 10, dSn Z 5 vierter Fall), aus der (im Übrigen isoliert herausgegriffenen) Begründungspassage, wonach der Angeklagte das Tatopfer schlug und gleichzeitig seinen Unterkörper gegen ihr Gesäß rieb (US 5), lasse sich „keine wie immer geartete Sexualbezogenheit … ableiten“, geht gleichfalls ins Leere.

Wie auch die Tatrichter erwogen haben (US 3 iVm US 5), ist es ohne weiters rechtsstaatlich vertretbar und bei – wie hier – leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht anders möglich, von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen oder Wissen zu schließen (RIS-Justiz RS0098671, RS0116882; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452). Gewaltanwendung und auf geschlechtliche Nötigung gerichtete subjektive Tendenz sind ohne weiters gleichzeitig möglich, sodass die oben referierte Begründungspassage keinem logischen oder empirischen Bedenken begegnet.

In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dazu vom Angeklagten erstatteten Äußerung war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E128907

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0110OS00068.20I.0722.000

Im RIS seit

26.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.08.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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