TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/18 W178 2212651-1

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Veröffentlicht am 18.05.2020
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Entscheidungsdatum

18.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
GSVG §2 Abs1 Z4
Koordinierung Soziale Sicherheit Art11
Koordinierung Soziale Sicherheit Art13

Spruch

W178 2212651-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr.in Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch ARTG Wirtschaftsprüfer & Steuerberater GmbH, gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen, früher Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Wien vom 13.11.2018, Zl. 1 V35/18, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA), nunmehr Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen (SVS) hat mit Bescheid vom 13.11.2018 festgestellt, dass der Beschwerdeführer vom 01.01.2014 bis 31.12.2016 der Pflichtversicherung in der Kranken-und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG unterliege. Zur Begründung wurde angeführt, dass der Beschwerdeführer angegeben habe, dass der Mittelpunkt seiner Tätigkeit und seiner Lebensinteressen in Wien/Österreich liege und er in keinem anderen EWR-Staat einen Sozialversicherungsschutz habe. Die Tätigkeit als Opernsänger umfasse nicht nur Auftritte, sondern vielmehr auch im Vorfeld ein "Einstudieren bzw. Üben" und auch das Management, wobei Österreich als Mittelpunkt anzusetzen sei. Dafür spreche überdies die steuerliche Veranlagung in Österreich und dass der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben in keinem anderen Staat Sozialversicherungsabgaben leisten würde. Bezüglich der Art und Höhe der Einkünfte besteht eine Bindung an die Feststellungen der Steuerbehörde. Sämtliche im EWR-Raum in selbstständiger Erwerbstätigkeit als Opernsänger erzielten Einkünfte unterlegen Summen mit der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG i.V.m. Art. 13 Abs. 2 lit. a der VO (EG) Nr. 883/2004.

2. Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde erhoben. Darin wird zur Begründung vorgebracht, dass zwar richtig angeführt werde, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers seit 15.9.2014 in Österreich liege und er daher hier unbeschränkt steuerpflichtig sei. Unrichtig sei aber, dass er die selbstständige Erwerbstätigkeit in Österreich ausgeübt habe. Es sei zu prüfen, ob überhaupt österreichisches Recht zur Anwendung gelange. Nach Art. 13 Abs. 2 lit. b VO 883/2004 unterliege eine Person, die gewöhnlich in zwei oder mehreren Mitgliedstaaten eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, wenn sie dort einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübte. Bei Anwendung der wesentlichen Kriterien komme man zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer im streitwesentlichen Zeitraum keinen Umsatz und kein Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit in Österreich gehabt habe, er keine Dienstleistungen erbracht habe, keine fixen Einrichtungen für die Dauer seiner Tätigkeit bestanden hätten und dass er für seine gewerblichen Buchungen und Vermittlungen die in Italien angesiedelte " XXXX " engagiert habe. Seine Administration und die Erfüllung seiner Buchhaltungspflichten erfolge zu 100 % durch einen externen Dienstleister. Der einzige Gesangstrainer des Genannten lebe und arbeite in Italien und der Beschwerdeführer absolviere dort mehrmals im Jahr seine Übungseinheiten. Das einzige Kriterium, das einen Anteil der selbstständigen Tätigkeit in Österreich nahelege, wäre der Hauptwohnsitz in Österreich. Dieser würde jedoch tatsächlich nur für private Zwecke sowie für das dem ASVG unterliegende Dienstverhältnis zur Wiener Staatsoper verwendet. Selbst unter der Annahme, dass sich der Beschwerdeführer in seiner Wohnung in Österreich auf Rollen vorbereite, könne keinesfalls von einem 25-prozentigen Anteil die Rede sein. Die unbegrenzte Steuerpflicht in Österreich sei kein sachliches Kriterium, da diese an den Wohnsitz anknüpfe. Im Bescheid sei unrichtig angeführt, dass er in keinem anderen EWR-Staat Sozialversicherungsabgaben entrichte, er habe dies sowohl in Italien als auch in Frankreich getan. Eine zusätzliche Beitragszahlung bei der SVA würde zu einer unsachgemäßen Mehrfachversicherung führen.

3. Am 05.04.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt. Der Bf wurde einvernommen, es wurden Unterlagen über die Dienst- und Auftragsverhältnisse in den Jahren 2014 bis 2016 vorgelegt.

4. Der Bf hat mit 25.04.2019 eine ergänzende Stellungnahme zur mündlichen Verhandlung abgegeben. Er weist darauf hin, dass ein Ruhen der Pflichtversicherung nach dem GSVG in den näher angeführten Zeiträumen eingetreten sei.

5. Die damalige SVA, nunmehr SVS, hat dazu in der Stellungnahme vom 24.05.2019 angeführt, dass eine rückwirkende Ruhendmeldung nicht möglich sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A)

1. Feststellungen:

Der Bf hat im streitgegenständlichen Zeitraum die Tätigkeit eines Opernsängers ausgeübt. Sein "Wohnort" im Sinne des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person; war unstrittig in Wien, XXXX .

Lt. Versicherungsdatenauszug zu VSNR XXXX war er wie folgt unselbstständig beschäftigt.

Osterfestspiel GmbH Salzburg:

27.02.2015 - 06.04.2015

Salzburger Festspielfonds:

21.06.2014 - 16.08.2014

02.07.2016 - 12.08.2016 (VZ 1.6.-31.08.2016)

Wiener Staatsoper GmbH:

19.12. - 20.12.2016

20.10. - 10.11.2016

28.06.2016

25.06.2016

22.06.2016

05.06. - 13.06.2016

14.03. - 26.03.2016

15.12. 04.01.2016

21.10. - 04.12.2015

30.03. - 28.06.2015

01.02. - 20.02.2015

22.10. - 01.11.2014

27.05.2013 - 31.08.2014

Der Beschwerdeführer war in den Jahren 2014 bis 2016 weiters an Opernhäusern in Italien, Frankreich und Großbritannien und außerhalb des EWR-Raumes in den USA (2014) tätig:

Lt. Angaben des Bf hatte er von 22.09.2014 bis 20.10.2014 ein Engagement in Venedig/Italien, im Jahr 2015 von 06.07.2015 bis 07.08.2015 in Rom/Italien und vom 19.08.2015 bis 19.10.2015 in Paris/Frankreich. Im Jahr 2016 war er vom 08.01. bis 05.03.2016 in Paris/Frankreich und vom 13.08. bis 19.10.2016 in London/Großbritannien und vom 04.12. bis 11.12.2016 in Paris/Frankreich, vgl. Beilagen zu den Steuererklärungen.

Die steuerlich bekannt gegebenen selbstständigen Einkünfte wurden in den Jahren 2014, 2015 und 2016 ausschließlich im Ausland erwirtschaftet.

Die Stimmausbildung (Gesangstraining) erfolgte in Verona (Italien); er ließ sich durch das Künstlermanagement " XXXX " mit Sitz in Italien betreuen. In der Steuererklärung 2014 scheint auch die Künstleragentur XXXX (Italien) auf.

Laut der mit der Stellungnahme vom 25.04.2019 vorgelegten Liste der Dienst- und Auftragsverhältnisse hat der Bf in Italien und auch in Frankreich Sozialversicherungsbeiträge abgeführt, nicht aber in Großbritannien. Es wurden lt. Angaben der belangten Behörde auch Entsendebescheinigungen nach der VO (EG) 987/2009 erst nach dem gegenständlichen Zeitraum - ab 01.01.2017 - über die Anwendung der österreichischen Rechtsvorschriften ausgestellt.

Der Bf war von 2014 bis 2016 jedenfalls in Österreich steuerpflichtig; es wurden die Einkünfte im Ausland als selbstständige Einkünfte entsprechend den steuerlichen Abkommen veranlagt; hinsichtlich der Einkommensdaten wird auf den angefochtenen Bescheid verwiesen. Die selbstständigen Einkünfte stammten in diesen Jahren nur aus dem Ausland.

2. Beweiswürdigung:

Der gegenständliche Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Akt der SVA, die Erhebungen durchgeführt hat, aus den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung, aus dem ergänzenden Vorbringen des Bf sowie insbesondere aus den Einkommensteuererklärungen samt Beilagen zu den Einkommenssteuererklärungen bzw. den Einkommenssteuerbescheiden für die Jahre 2014 und 2015, aus dem Versicherungsdatenauszug und dem Überblick über die Dienst- und Auftragsverhältnisse des Bf (vgl. Beilage 1 zur Niederschrift vom 05.04.2019).

Der Sachverhalt ist im Wesentlichen unstrittig, strittig sind die rechtliche Schlussfolgerungen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1 Gesetzliche Grundlagen:

3.1.1 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, anzuwenden ab 01.05.2010:

Nach Artikel 11 Abs 1 dieser VO unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

Artikel 13 der VO (EG) 883/2004

(2) Eine Person, die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt

a) den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats, wenn sie dort einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt, oder

b) den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Tätigkeiten befindet, wenn sie nicht in einem der Mitgliedstaaten wohnt, in denen sie einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt.

(3) Eine Person, die gewöhnlich in verschiedenen Mitgliedstaaten eine Beschäftigung und eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sie eine Beschäftigung ausübt, oder, wenn sie eine solche Beschäftigung in zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt, den nach Absatz 1 bestimmten Rechtsvorschriften.

.....

(5) Die in den Absätzen 1 bis 4 genannten Personen werden für die Zwecke der nach diesen Bestimmungen ermittelten Rechtsvorschriften so behandelt, als ob sie ihre gesamte Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat ausüben und dort ihre gesamten Einkünfte erzielen würden.

---------------------

3.1.2 Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 - in weiterer Folge als Grundverordnung bezeichnet - über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit

Art. 16 dieser VO:

Abs. 8: Bei der Anwendung von Artikel 13 Absätze 1 und 2 der Grundverordnung bedeutet die Ausübung "eines wesentlichen Teils der Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit" in einem Mitgliedstaat, dass der Arbeitnehmer oder Selbständige dort einen quantitativ erheblichen Teil seiner Tätigkeit ausübt, was aber nicht notwendigerweise der größte Teil seiner Tätigkeit sein muss.

Um festzustellen, ob ein wesentlicher Teil der Tätigkeit in einem Mitgliedstaat ausgeübt wird, werden folgende Orientierungskriterien herangezogen:

a) im Falle einer Beschäftigung die Arbeitszeit und/oder das Arbeitsentgelt und

b) im Falle einer selbständigen Erwerbstätigkeit der Umsatz, die Arbeitszeit, die Anzahl der erbrachten Dienstleistungen und/oder das Einkommen.

Wird im Rahmen einer Gesamtbewertung bei den genannten Kriterien ein Anteil von weniger als 25 % erreicht, so ist dies ein Anzeichen dafür, dass ein wesentlicher Teil der Tätigkeit nicht in dem entsprechenden Mitgliedstaat ausgeübt wird.

(9) Bei der Anwendung von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe b der Grundverordnung wird bei Selbständigen der "Mittelpunkt ihrer Tätigkeiten" anhand sämtlicher Merkmale bestimmt, die ihre berufliche Tätigkeit kennzeichnen; hierzu gehören namentlich der Ort, an dem sich die feste und ständige Niederlassung befindet, von dem aus die betreffende Person ihre Tätigkeiten ausübt, die gewöhnliche Art oder die Dauer der ausgeübten Tätigkeiten, die Anzahl der erbrachten Dienstleistungen sowie der sich aus sämtlichen Umständen ergebende Wille der betreffenden Person.

(10) Für die Festlegung der anzuwendenden Rechtsvorschriften nach den Absätzen 8 und 9 berücksichtigen die betroffenen Träger die für die folgenden zwölf Kalendermonate angenommene Situation.

3.2 Im konkreten Fall:

3.2.1 Zur Frage des anwendbaren Rechts:

3.2.1.1 Zu Art. 13 Abs 3 VO (EG) 883/2004

Der Beschwerdeführer hat im streitgegenständlichen Zeitraum in Österreich nicht durchgehend eine (abhängige) Beschäftigung ausgeführt und war entsprechend nach dem ASVG pflichtversichert.

Nach Art. 13 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 unterliegt eine Person, die gewöhnlich in verschiedenen Mitgliedstaaten eine Beschäftigung und eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sie eine Beschäftigung ausübt.

In den Zeiträumen der oben dargestellten (unselbstständigen) Beschäftigung in Österreich bestand somit jedenfalls aus diesem Grund eine österreichische Zuständigkeit.

3.2.1.2 Zu Art. 13 Abs 2 lit a VO (EG) 883/2004

Weiters war der Bf im streitgegenständlichen Zeitraum in mehreren Ländern selbstständig erwerbstätig. Im Konkreten war er in den USA (hier nicht zur Beurteilung heranzuziehen), in Italien, in Frankreich und in Großbritannien an Opernhäusern als Sänger engagiert.

Nach Art. 16 Abs 8 VO(EG) 987/2009 ist eine Tätigkeit dann als wesentlich zu beurteilen, wenn sie mindestens 25% ausmacht.

Der Bf hat seine selbstständige Tätigkeit nicht wesentlich in Österreich ausgeübt. Wie in der mündlichen Verhandlung von der belangten Behörde klargestellt wurde, ist nicht lit. a der Bestimmung hier einschlägig, sondern lit. b leg. cit.

3.2.1.3 Zu Art. 13 Abs 2 lit b VO (EG) 883/2004

Bei der Anwendung von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe b der Grundverordnung nach Abs. 9 leg cit bei Selbständigen wird der "Mittelpunkt ihrer Tätigkeiten" anhand sämtlicher Merkmale bestimmt, die ihre berufliche Tätigkeit kennzeichnen; hierzu gehören namentlich der Ort, an dem sich die feste und ständige Niederlassung befindet, von dem aus die betreffende Person ihre Tätigkeiten ausübt, die gewöhnliche Art oder die Dauer der ausgeübten Tätigkeiten, die Anzahl der erbrachten Dienstleistungen sowie der sich aus sämtlichen Umständen ergebende Wille der betreffenden Person.

Der Bf hatte u.a. zwischen 2014 und 2016 seinen Wohnsitz in Österreich ebenso wie er in Österreich steuerlich veranlagt war. Die Engagements im EU-Ausland hat er zwischen seinen Engagements bei renommierten österreichischen Opernveranstaltungen angetreten. Es wird auf die zutreffenden Argumente der belangten Behörde zur Beurteilung des Mittelpunkts der Tätigkeiten verwiesen.

Es schadet nicht, dass der Bf in Italien Gesangsstunden nahm und die Agentur ihren Sitz in Italien hatte, weil die Vorbereitung auf die ausländischen Engagements überwiegend in seiner Wohnung in Wien erfolgte. Sein künstlerisches Wirken hatte den Mittelpunkt in Wien und hier lag auch die Basis des gesamten künstlerischen Wirkens des Bf.

Unter Berücksichtigung des Art. 11 VO (EG) 883/2004 ist für die sozialversicherungsrechtliche Einbeziehung der gesamten Erwerbstätigkeit einer Person in einem bestimmten Zeitraum nur ein Mitgliedsstaat zuständig. Auch wenn der Bf in den hier zu entscheidenden Zeiträumen einen Teil davon, nämlich das Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit nur im EWR-Ausland erwirtschaftet hat, ohne auch in Österreich selbstständig Einkommen zu lukrieren, ist nach diesem Grundsatz das gesamte Einkommen im Staat des Mittelpunktes der Tätigkeit, nämlich in Österreich zu versichern.

In Bestätigung des Bescheides der belangten Behörde ist daher festzustellen, dass der Bf entsprechend der Koordinationsnorm des Art. 13 Abs 2 lit b der VO (EG) 883/2004 iVm der Durchführungsbestimmung VO (EG) 987/2009 dem österreichischen Sozialversicherungsrecht unterliegt.

Der Umstand, dass der Bf auch in anderen Mitgliedsstaaten der EU, die die VO (EG) 883/2004 anzuwenden haben, zur Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen wurde, kann keine Änderung in der Beurteilung des anwendbaren Rechts herbeiführen.

Zu Klärung dieser Frage wäre nach Rechtskraft des Bescheides die belangte Behörde bzw. die Verbindungsstelle berufen.

4. Innerstaatliches Recht: Prüfung der Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG

4.1 Gesetzliche Grundlagen

Gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG sind auf Grund dieses Bundesgesetzes, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung selbständig erwerbstätige Personen pflichtversichert, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist. Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, ist die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, dass seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die in Betracht kommende Versicherungsgrenze (§ 4 Abs. 1 Z 5 oder Z 6) übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im Nachhinein festzustellen.

Gemäß § 4 Abs 1 Z 5 GSVG sind Personen von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung hinsichtlich ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 ausgenommen, deren Einkünfte (§ 25) aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr das Zwölffache des Betrages nach § 25 Abs. 4 nicht übersteigen; dies gilt nicht für Personen, die eine Erklärung nach § 2 Abs. 1 Z 4 zweiter Satz abgegeben haben;

Gemäß § 4 Abs 1 Z 9 GSVG sind von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung KünstlerInnen nach § 2 Abs. 1 des Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetzes (K-SVFG), BGBl. I Nr. 131/2000, die das Ruhen ihrer selbständigen künstlerischen Erwerbstätigkeit nach § 22a K-SVFG gemeldet haben, für die Dauer der Wirksamkeit des Ruhens nach § 22a Abs. 4 K-SVFG sind ausgenommen.

§ 22a K-SVFG

(1) Nach dem GSVG pflichtversicherte Künstlerinnen/Künstler gemäß § 2 Abs. 1 können dem Fonds das Ruhen der selbständigen künstlerischen Erwerbstätigkeit melden, um die Ausnahme von der Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 9 GSVG zu bewirken. Die vom Fonds aufgelegten Formblätter sind zu verwenden.

(2) Für Personen, die eine Meldung nach Abs. 1 erstattet haben und für die das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 2 Abs. 1 nach § 20 Abs. 1 noch nicht festgestellt wurde, hat der Fonds mit Bescheid festzustellen, ob die Voraussetzungen gemäß § 2 Abs. 1 vorliegen. Die §§ 17 Abs. 3 vorletzter und letzter Satz sowie 20 Abs. 2 sind sinngemäß anzuwenden. Über Beschwerden gegen Bescheide des Fonds entscheidet das Bundesverwaltungsgericht.

(3) Der Fonds übermittelt die Meldung des Ruhens der selbständigen künstlerischen Erwerbstätigkeit von Künstlerinnen/Künstlern gemäß § 2 Abs. 1, die nach dem GSVG pflichtversichert sind, auf elektronischem Wege an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft.

(4) Das Ruhen wird mit Ablauf des Kalendermonats wirksam, für den die Einstellung der künstlerischen Tätigkeit gemeldet wird, wobei eine Rückwirkung vor den Meldezeitpunkt ausgeschlossen ist. Das Ruhen endet mit Ablauf des Tages vor der Wiederaufnahme der selbständigen künstlerischen Erwerbstätigkeit.

(5) Die Künstlerin/der Künstler ist verpflichtet, dem Fonds die Wiederaufnahme der selbständigen künstlerischen Erwerbstätigkeit unverzüglich zu melden. Der Fonds übermittelt diese Meldung auf elektronischem Wege an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft.

4.2. Im konkreten Fall:

Die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Z 4 GSVG liegen aus folgenden Gründen vor:

Unbestritten ist, dass die jeweilige Versicherungsgrenze nach §§ 4 Abs 1 Z 5 iVm mit 25 GSVG jedenfalls überstritten wurde.

Zum Vorbringen des Bf, dass die selbstständige Tätigkeit immer wieder unterbrochen wurde, ist auf Folgendes hinzuweisen: Auch eine Tätigkeit, die einen künstlerischen Inhalt hat, wie die eines Opernsängers, ist im sozialversicherungsrechtlichen Kontext als "betriebliche Tätigkeit" zu sehen, weil sie auch eine Teilnahme am Erwerbsleben beinhaltet.

Das bloße zeitweise Nichttätigsein, wenn noch weitere betriebliche Tätigkeiten beabsichtigt werden, bedeutet nicht die Beendigung der künstlerischen Tätigkeit. Tritt daher zB ein Vortragender immer wieder auf, so ist auch während jener Zeiten eine betriebliche Tätigkeit anzunehmen, in denen er (vorübergehend) keine Vortragstätigkeiten ausübt. Dasselbe würde gelten, wenn jemand nur einmal jährlich für einige Wochen, das aber regelmäßig wiederkehrend, bei Festspielen tätig wird, vgl. VwGH Ra 2019/03/0120, 25.02.2020.Ebenso entschied der VwGH, dass bei einer Autorin, die ein Jahr lang kein Buch veröffentlicht hatte, aber Betriebsausgaben verzeichnete und eine Website betrieb, kein Hinweis auf eine Aufgabe der betrieblichen Tätigkeit vorlag (VwGH 2013/08/0165), vgl. Neumann in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 2 GSVG, Rz. 38ff.

3.4 Zur Frage des Ruhens

Wie die belangte Behörde in der Stellungnahme vom 24.05.2019 richtig anführt, ist im Hinblick auf die eindeutige Gesetzesbestimmung des § 22a Abs 4 K-SVFG iVm § 4 Abs 1 Z 9 GSVG die Möglichkeit einer rückwirkenden Ruhendmeldung auszuschließen.

Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

betriebliche Tätigkeit künstlerische Tätigkeit Lebensmittelpunkt Mitgliedstaat Pflichtversicherung selbstständig Erwerbstätiger Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W178.2212651.1.00

Im RIS seit

14.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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