TE Bvwg Beschluss 2020/5/20 W156 2200183-2

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Veröffentlicht am 20.05.2020
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Entscheidungsdatum

20.05.2020

Norm

ASVG §18b
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §33

Spruch

W156 2200183-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Alexandra KREBITZ als Einzelrichterin im Beschwerdeverfahren der XXXX , vertreten durch Rechtsanwälte PREISL & SCHNEIDER, gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 07.05.2018 XXXX betreffend den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 06.07.2018:

A) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird wegen Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Einlangend am 17.11.2016 brachte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger gemäß § 18b ASVG ein.

2. Am 07.05.2018 erließ die Pensionsversicherungsanstalt (in weiterer Folge: belangte Behörde) einen Bescheid, mit welchem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Selbstversicherung abgewiesen wurde.

3. Die Beschwerdeführerin erhob mit Unterstützung eines Ombudsmannes einer Tageszeitung gegen den Bescheid binnen der Rechtsmittelfrist am 23.05.2018 ein Rechtsmittel - zwar ohne nähere Bezeichnung, aber über die Begriffe Klägerin und Beklagter, eindeutig als Klage zu identifizieren, und brachte dies einlangend am 28.05.2018 beim Landesgericht XXXX als Arbeits- und Sozialgericht ein.

4. Mit Beschluss vom 18.06.2018 wies das Gericht die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück.

5. Mit Schreiben vom 04.07.2018 legte die belangte Behörde die Klage und den Verwaltungsakt dem BVwG samt Stellungnahme und Vorbringen, die Beschwerdeführerin habe bis dato keine Beschwerde bei der belangten Behörde eingebracht, vor. Der Akt wurde der Gerichtsabteilung W229 zugewiesen.

6. Einlangend am 06.07.2018 brachte die Beschwerdeführerin im Wege ihres rechtsfreundlichen Vertreters einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und gleichzeitig die Bescheidbeschwerde bei der belangten Behörde ein. Die Beschwerdeführerin habe sich an den Ombudsmann einer Tageszeitung gewandt und dieser habe daraufhin die Klage beim ASG eingebracht. Die Beschwerdeführerin treffe kein Verschulden bzw nur einen minderer Grad des Verschuldens, da sie dem Ombudsmann - der als überaus kompetent bekannt ist - vertraut hat.

7. Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom 15.04.2020 wurde der Beschwerdeakt der Gerichtsabteilung W156 mit 04.05.2020 zugewiesen.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Zu A.) Zurückweisung wegen Unzuständigkeit

2.1.1. Rechtliche Grundlagen:

§ 33 VwGVG lautet:

(1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(4a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ausfertigung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil auf das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht hingewiesen wurde oder dabei die zur Verfügung stehende Frist nicht angeführt war. Der Antrag ist binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung einer Entscheidung, die einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit eines Antrags auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. Über den Antrag entscheidet das Verwaltungsgericht.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.

2.1.2. Auf den Fall bezogen

Die belangte Behörde übermittelte einlangend am 04.07.2018 das Klagschreiben, welches die Beschwerdeführerin an das ASG gerichtet hatte, samt Verwaltungsakt an das Bundesverwaltungsgericht.

Das ASG hatte sich zuvor zu Recht als unzuständig erklärt und mit Beschluss vom 18.06.2018 wurde über das eingebrachte, wenn auch unrichtige, Rechtsmittel abschließend abgesprochen und das von der Beschwerdeführerin damit dort eingeleitete Verfahren abgeschlossen.

Die Beschwerdeführerin hat unmissverständliche beim Arbeits-und Sozialgericht Klage eingebracht und somit eindeutig dargestellt, dass sie vom ASG eine Entscheidung begehrt.

Für eine Umdeutung dieser Klage besteht nach Auffassung des BVwG daher - auch angesichts des unmissverständlichen Wortlauts der Eingabe - kein Anlass (vgl VwGH vom 17.01.2006, Zl. 2006/11/0071).

Es liegt daher nicht ein bloß unrichtig bezeichnetes, sondern ein gänzlich unrichtiges Rechtsmittel (Klage an das ASG anstatt Beschwerde gegen den Bescheid) vor.

Zudem bringt die belangte Behörde im Schriftsatz vom 04.07.2018 auch vor, dass die Beschwerdeführerin bis zu diesem Zeitpunkt keine Beschwerde an die PVA übermittelt habe.

Somit wurde erstmals eine Beschwerde mit Schriftsatz vom 06.07.2018 in einem mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei der belangten Behörde eingebracht.

Die Übermittlung des Verwaltungsaktes mit 04.07.2018 an das Bundesverwaltungsgericht ist mangels förmlicher Beschwerdeeinbringung jedenfalls nicht als Beschwerdevorlage zu sehen. Übermittelt wurde lediglich die Klage der Beschwerdeführerin, die eindeutig an das ASG gerichtet war und auch bei diesem eingebracht wurde.

Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 28.09.2016 - Ro 2016/16/0013-3 - festgestellt, dass entgegen den ErläutRV zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 33, (2009 BlgNR 24. GP, 8) bei Versäumen der Beschwerdefrist § 33 VwGVG für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die maßgebliche Bestimmung und nicht §§ 71, 72 AVG sei, insbesondere nicht § 71 Abs. 4 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handele (§ 17 VwGVG).

Insbesondere führt er aus, für einen vor Vorlage der Beschwerde gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand weiterhin die belangte Behörde zuständig sei.

[...]

Der Verfassungsgerichtshof vertrete in ständiger Rechtsprechung, Art. 18 iVm Art. 83 Abs. 2 B-VG verpflichte den Gesetzgeber zu einer präzisen Regelung der Behördenzuständigkeit. Es verbiete sich daher offenbar eine Auslegung, die etwa den beteiligten Behörden die Wahl lasse, wer über die Wiedereinsetzung entscheide. Ob eine Vorschrift die erforderliche Bestimmtheit aufweise, hänge nicht zuletzt von den mit ihrer Auslegung verbundenen Folgen ab. Der mögliche unbeabsichtigte Verlust einer Instanz sei ein gewichtiger Gesichtspunkt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. Juni 1994, G 20/94 u.a. = VfSlg. 13.816, betreffend § 63 Abs. 5 AVG idF BGBl. Nr. 357/1990). Übertrage man alleine die Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes aus dem zitierten Erkenntnis vom 24. Juni 1994 auf die Auslegung des § 33 Abs. 4 VwGVG, so verbiete sich eine Auslegung, die es der belangten Behörde überlassen würde, wer über die Wiedereinsetzung zu entscheiden habe. § 33 Abs. 4 VwGVG könne damit verfassungskonform nur die Bedeutung zugemessen werden, dass über Wiedereinsetzungsanträge, die bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde eingebracht werden, von dieser, und über jene, die ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht eingebracht werden, von jenem mit Beschluss zu entscheiden sei.

Im Sinne der obzitierten Judikatur hat daher fallbezogen die belangte Behörde über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entscheiden.

Daher war spruchgemäß zu entscheiden und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurückzuweisen.

2.1.3. Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 3 1. Satz VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung von Amts wegen gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG nicht für erforderlich. Weder kann dem Grundsatz der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs im vorliegenden Fall durch eine mündliche Verhandlung besser und effizienter entsprochen werden, noch erscheint eine mündliche Verhandlung im Lichte des Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC geboten (vgl. mwN Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 5 zu § 24 VwGVG). So erschien der Sachverhalt zur Beurteilung aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt. Auch war der Sachverhalt weder in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Rechtlich relevante und zulässige Neuerungen wurden nicht vorgetragen (vgl. zum Erfordernis einer schlüssigen Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Bescheid und zur Verhandlungspflicht bei Neuerungen VwGH 11.11.1998, 98/01/0308, und 21.01.1999, 98/20/0339; zur Bekämpfung der Beweiswürdigung in der Berufung VwGH 25.03.1999, 98/20/0577, und 22.04.1999, 98/20/0389; zum Abgehen von der erstinstanzlichen Beweiswürdigung VwGH 18.02.1999, 98/20/0423; zu Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens VwGH 25.03.1999, 98/20/0475; siehe auch Ra 2014/20/0017).

3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Unzuständigkeit Wiedereinsetzungsantrag Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W156.2200183.2.00

Im RIS seit

14.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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