TE Vwgh Erkenntnis 1979/6/19 2529/78

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Veröffentlicht am 19.06.1979
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Index

82/05 Lebensmittelrecht

Norm

LMG 1975 §17
LMG 1975 §18

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rath und die Hofräte Mag. Kobzina, Mag. Öhler, Dr. Würth und Dr. Hnatek als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberlandesgerichtsrat Dr. Gerhard, über die Beschwerde der B m.b.H. in K, vertreten durch DDr. Walter Barfuss, Rechtsanwalt in Wien I, Tegetthoffstraße 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 25. August 1978, Zl. IV-448.502/1-5/78, betreffend Zurückweisung einer Anmeldung nach §§ 17, 18 LMG 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 3.160,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Aufwandersatzmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Anmeldung der Beschwerdeführerin betreffend die Produkte „X“ und „Y“ gemäß § 13 Abs. 3 AVG 1950 in Verbindung mit § 17 Abs. 5 und § 18 Abs. 3 des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl. Nr. 86 (LMG 1975), zurück. Begründend wurde ausgeführt, § 13 Abs. 3 AVG 1950 sei dann, wenn es sich nicht um Formgebrechen schriftlicher Eingaben, sondern um eine Fehlerhaftigkeit in materieller Beziehung handle, nicht anzuwenden; ein Auftrag zur Verbesserung sei nämlich ausgeschlossen, weil er zu einer Änderung des Begehrens führen würde. Eingaben mit derartigen Mängeln seien vielmehr als unzulässig zurückzuweisen. Gemäß § 17 Abs. 5 LMG 1975 seien der Anmeldung Warenmuster und jene Unterlagen anzuschließen, die eine Beurteilung im Sinne des Absatzes 1, gemäß § 18 Abs. 3 leg. cit. aber mit der Anmeldung Warenmuster und jene Unterlagen vorzulegen, die eine Beurteilung im Sinne des Absatzes 2 ermöglichten. Mit dem am 30. Juni 1978 eingelangten Schreiben habe die Beschwerdeführerin die genannten Produkte angemeldet und Warenmuster angeschlossen. Sie habe dabei ein Formblatt verwendet, auf dem sowohl die Anmeldung des Produktes nach § 17 LMG 1975 als auch alternativ nach § 18 LMG 1975 angekreuzt gewesen sei, wozu noch ein Antrag nach § 9 leg. cit. für die über den diätetischen Zweck hinausgehenden Angaben komme.

Der Parteienantrag enthalte auch kein bestimmtes Begehren. Die Anmeldung eines Produktes als diätetisches Lebensmittel schließe jedoch eine solche als Verzehrprodukt aus, denn ein- und dasselbe Erzeugnis entspreche entweder den gesetzlichen Anforderungen eines Lebensmittels (dann könne es ein diätetisches sein), wie sie im § 2 LMG 1975 bestimmt seien, oder jenen eines Verzehrproduktes gemäß § 3 des angeführten Gesetzes. Welche der Kriterien jeweils erfüllt seien, sei vom Importeur oder Erzeuger festzustellen, der die Eigenschaften und die Zweckbestimmung eines Erzeugnisses unabhängig von der Anmeldepflicht ja auch für deren Anpreisung beurteilen müsse. Bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten müsse es als unzulässig erachtet werden, entgegen dem erklärten Willen der Partei einem Parteibegehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar erschlossen werden könne, möge auch das Begehren, so wie es gestellt worden sei, von vornherein aussichtslos oder gar unzulässig sein. Da somit Zweifel über die mit dem Anbringen der Partei verfolgte Absicht bestünden, sei die Behörde nicht berechtigt, das Anbringen in dem Sinn zu behandeln, den sie für den (auch im Sinne der Partei) am meisten zweckentsprechenden halte oder einen Verbesserungsauftrag im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG 1950 zu erteilen. Der Auftrag, nach § 9 LMG 1975 sei damit gegenstandslos geworden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht „auf Nichtzurückweisung“ (also auf Sachentscheidung) und auf Einhaltung der Verfahrensvorschriften, insbesondere auf Gewährung von Parteiengehör verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie der Gerichtshof bereits mit Erkenntnis vom 6. Februar 1979, Zl. 965/77, zu § 17 Abs. 4 LMG 1975 ausgesprochen hat - auf dieses Erkenntnis wird im gegebenen Zusammenhang unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen - ist Gegenstand der Prüfung durch die Behörde lediglich die Anmeldungserklärung in Verbindung mit der Ware, auf die sich diese bezog. Fehlen die nach der angemeldeten Produktkategorie vom Gesetz geforderten Eigenschaften (§ 17 Abs. 1, § 18 Abs. 2 LMG 1975), so ist mit Untersagung ohne Rücksicht darauf vorzugehen, ob die tatsachlichen Eigenschaften der Ware eine Unterstellung unter eine andere Produktgattung zuließen, hinsichtlich deren alle gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben waren.

Im vorliegenden Fall erfolgte die Anmeldung derselben Ware sowohl als diätetisches Lebensmittel (§ 17 LMG 1975) als auch als Verzehrprodukt (§ 18 leg. cit.). Es lagen daher der belangten Behörde in Wahrheit zwei voneinander unabhängige, wenn auch in einem Formblatt abgegebene Anmeldungen zur Prüfung gemäß § 17 Abs. 4 und § 18 Abs. 2 LMG 1975 vor. Daß die Nichtuntersagung nach der einen Norm eine solche nach der anderen logisch ausschließt, macht die beiden vorliegenden Anmeldungen nicht unbestimmt. Es kann dem Gesetz auch kein Anhaltspunkt dafür entnommen werden, daß der Importeur oder Erzeuger „festzustellen“ habe, ob die Kriterien für ein Lebensmittel nach § 2 LMG 1975 oder aber für ein Verzehrprodukt nach § 3 leg. cit. vorliegen; vielmehr trifft diese Verpflichtung die Behörde (hier als Grundlage der Prüfung der vorliegenden Anmeldungen nach §§ 17 und 18 LMG 1975 zwecks allfälliger Untersagung). Es trifft also nicht zu, daß durch die vom Gesetz ermöglichte Untersagung als einzige zulässige Sachentscheidung eine Deutung des Parteibegehrens vorgenommen würde, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar erschlossen werden konnte.

Wenn die belangte Behörde in der Gegenschrift der Beschwerdeführerin eine Verletzung des „von jedem Kaufmann zu beachtenden Redlichkeitsgebotes“ vorwirft, „sich zumindest subjektiv darüber Klarheit zu verschaffen“, welcher Art die Waren seien, die er in den Verkehr bringe, so vermag sie nicht darzutun, welche rechtliche Bedeutung dieser „subjektiven Klarheit“ zukäme. Maßgeblich kann nämlich nur eine in dem vom Gesetz jeweils vorgesehenen behördlichen Verfahren gewonnene Klarheit durch den Abspruch in einer nicht mehr weiter bekämpfbaren Entscheidung sein. Nun schließen die Begriffe „diätetisches Lebensmittel“ (gemäß § 17 LMG 1975 als Unterbegriff der Lebensmittel nach § 2 leg. cit.) und Verzehrprodukte (§ 3 leg. cit.) einander zwar gewiß logisch aus, weil sich die der Definition der Verzehrprodukte im § 3 leg. cit. zugrundegelegten Zwecke in der Negation der die Lebensmittel (§ 2 leg. cit.) kennzeichnenden Zwecke erschöpfen. Bei der praktischen Abgrenzung müssen jedoch schon deshalb große Schwierigkeiten auftreten, weil zum Zwecke dieser Abgrenzung zunächst der unbestimmte Gesetzesbegriff „überwiegend zu Ernährungs- und Genußzwecken“ mit einem konkreten Inhalt erfüllt werden muß und die konkreten Verwendungszwecke im Einzelfall wohl sehr variieren. Unter diesen Umständen wird es aber geradezu zur Verpflichtung eines ordentlichen Kaufmannes gehören, dem Vorwurf eines Verstoßes gegen § 17 Abs. 2 bzw. § 18 Abs. 1 LMG 1975 (und damit der Begehung einer Verwaltungsübertretung im Sinne des § 74 Abs. 5 leg. cit.) durch eine Anmeldung in allen in Betracht kommenden Produktkategorien, daher auch nach §§ 17 und 18 LMG 1975, vorzubeugen. Da die belangte Behörde die Zurückweisung der Anmeldung der Beschwerdeführerin also zu Unrecht darauf stützte, daß diese sowohl nach § 17 als auch nach § 18 LMG 1975 erfolgt sei, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 31. Oktober 1977, BGB1. Nr. 542. An Barauslagen waren lediglich die Stempel für die Beschwerde (zweifach) und den nur einfach vorzulegenden angefochtenen Bescheid zuzusprechen.

Wien, am 19. Juni 1979

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1979:1978002529.X00

Im RIS seit

13.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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