TE Vwgh Beschluss 2020/6/16 Ra 2020/04/0040

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Veröffentlicht am 16.06.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
50/01 Gewerbeordnung

Norm

AVG §1
B-VG Art10 Abs1 Z8
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art15 Abs1
GewO 1994 §77
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/04/0041

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision 1. des K D und 2. der S D beide in L, beide vertreten durch die Dr. Christoph Brenner - Mag. Severin Perschl Rechtsanwälte OG in 3500 Krems, Ringstraße 68, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 28. Februar 2020, Zl. LVwG-AV-1293/001-2017, betreffend gewerberechtliches Betriebsanlagengenehmigungsverfahren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Krems; mitbeteiligte Partei: R GmbH in L), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. September 2017 wurde der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Weinerzeugungsanlage an einem bestimmt bezeichneten Standort unter mehreren Auflagen erteilt.

2        Die Revisionswerber sind Nachbarn dieser Betriebsanlage.

3        2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Landesverwaltungsgericht) die - unter anderem - von den Revisionswerbern erhobene Beschwerde ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

4        In seiner Begründung hielt das Landesverwaltungsgericht - in erster Linie gestützt auf ein schalltechnisches Gutachten - fest, es komme auf den Grundstücken der Nachbarn bei bewilligungsgemäßem Betrieb der zu genehmigenden Anlage zu keiner Veränderung der bestehenden Lärmsituation. Die Betriebsanlage sei an allen die Nachbarn betreffenden Immissionspunkten als irrelevant hinsichtlich der akustischen Auswirkungen zu betrachten. Die durch die Betriebsanlage verursachten Geräuschimmissionen würden auf dem Grundstück der Revisionswerber um 5 dB unter der Vorbelastung liegen.

5        Beweiswürdigend führte das Landesverwaltungsgericht aus, das herangezogene Gutachten stütze sich unter anderem auf Messungen der Umgebungsgeräuschsituation und berücksichtige den landwirtschaftlichen Betrieb als Vorbelastung. Der Gutachter komme zu dem Schluss, dass an allen die Beschwerdeführer betreffenden Immissionspunkten der planungstechnische Grundsatz eingehalten werde. Eine Änderung der Umgebungslärmsituation sei nur bei zwei - die Beschwerdeführer jeweils nicht betreffenden - Immissionspunkten zu erwarten.

6        In rechtlicher Hinsicht führte das Landesverwaltungsgericht aus, im gewerberechtlichen Genehmigungsverfahren seien die Einreichunterlagen zugrunde zu legen und die projektierte Betriebsanlage auf dieser Basis auf ihre Genehmigungsfähigkeit hin zu prüfen. Die behördliche Genehmigung umfasse nur das in den Unterlagen beschriebene Projekt. Auf das Vorbringen der Beschwerdeführer, dass die rein landwirtschaftlich genutzten Teile in Wahrheit eine Einheit mit der eingereichten Betriebsanlage bilden würden, sei daher nicht einzugehen. Es sei dem Verwaltungsgericht auch verwehrt, die von den Beschwerdeführern aufgestellte Behauptung zu überprüfen, wonach in dem verfahrensgegenständlichen Antrag nicht das dargestellt sei, was in der Realität verwirklicht werde. Die Frage, ob eine nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbare Gefährdung von Leib und Leben vermieden werde, sei unter Bedachtnahme auf die in der Umwelt bereits gegebenen Gefährdungen zu beurteilen, wobei die Auswirkungen der veränderten Gesamtsituation maßgeblich seien. Die Feststellung der Genehmigungsvoraussetzungen habe unter Beiziehung eines Sachverständigen zu geschehen. Aus den Feststellungen ergebe sich unter Zugrundelegung des für die Beschwerdeführer ungünstigsten Falles, dass es zu keiner relevanten Veränderung der örtlichen Verhältnisse komme und daher weder eine Gesundheitsgefährdung noch eine unzumutbare Belästigung der Beschwerdeführer zu erwarten sei.

7        3. Gegen diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

8        Diese bringt zur Begründung der Zulässigkeit vor, die angefochtene Entscheidung weiche von der Rechtsprechung ab, wobei insbesondere auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Mai 2019, Ra 2017/04/0056, verwiesen werde.

9        4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12       4.1. Soweit ein Abweichen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet wird, ist konkret darzulegen, in welchen tragenden Erwägungen das Verwaltungsgericht sich von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfernt hätte. Eine Zulässigkeitsbegründung, die bloß pauschale Behauptungen, jedoch keine konkrete Rechtsfrage und auch keine Bezugnahme auf Judikatur enthält, entspricht diesen Anforderungen nicht (vgl. VwGH 22.5.2019, Ra 2019/04/0048, mwN).

13       Der bloße Verweis in der Zulässigkeitsbegründung, das angefochtene Erkenntnis weiche von einer bestimmt bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ab, wird damit den Zulässigkeitsvoraussetzungen schon deshalb nicht gerecht, weil die Revision nicht erwähnt, welche tragende Begründung in der angefochtenen Entscheidung, die das Genehmigungsverfahren auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung behandelt, diesem Judikat widerspreche.

14       Ein Widerspruch zu dem angeführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Mai 2019, Ra 2017/04/0056, ist auch nicht ersichtlich: Es handelt sich dabei um die Entscheidung in einem Revisionsverfahren betreffend eine Verwaltungsübertretung. Der Verwaltungsgerichtshof hatte dort die Frage zu klären, unter welchen Voraussetzungen ein zusätzlich in Betrieb genommener Mitarbeiterparkplatz eine Änderung einer bereits bestehenden und genehmigten Betriebsanlage darstelle. Inwiefern die dortigen Ausführungen der Rechtsansicht im hier angefochtenen Erkenntnis, das die gewerberechtliche Genehmigung einer Betriebsanlage zum Gegenstand hat, widersprechen würden, legt die Revision - wie erwähnt - nicht dar.

15       Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass im gewerberechtlichen Genehmigungsverfahren die Einreichunterlagen zugrunde zu legen und diese auf ihre Genehmigungsfähigkeit zu prüfen sind. Dementsprechend umfasst die behördliche Genehmigung auch nur das in diesen Unterlagen beschriebene Projekt.

16       Schließlich ist die Gewerbebehörde nicht ermächtigt, die Übereinstimmung einer gewerblichen Betriebsanlage mit den im Standort geltenden raumordnungsrechtlichen Vorschriften im Genehmigungsverfahren nach § 77 GewO 1994 zu beurteilen. Ein allenfalls gegebener Widerspruch zu raumordnungsrechtlichen Vorschriften kann daher im gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahren von den Nachbarn auch nicht mit Erfolg geltend gemacht werden (vgl. VwGH 7.7.2015, Ra 2015/04/0049, mwN).

17       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 16. Juni 2020

Schlagworte

sachliche Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020040040.L00

Im RIS seit

10.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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