TE Vfgh Erkenntnis 1996/3/5 V166/95

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Veröffentlicht am 05.03.1996
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsumfang
Flächenwidmungsplan der Gemeinde Gresten. Änderung vom 17.12.90
Nö ROG 1976 §22

Leitsatz

Aufhebung der Abänderung eines Flächenwidmungsplans betreffend die Umwidmung eines Grundstücks als "Bauland-Betriebsgebiet" mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen; keine wesentliche Änderung der Grundlagen; Absicht der Betriebserweiterung als alleiniger Grund der Widmungsänderung

Spruch

Die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Gresten vom 17. Dezember 1990, womit der Flächenwidmungsplan der Gemeinde Gresten abgeändert wird, genehmigt mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 7. März 1991, R/1-R-176/009, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Niederösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B750/92 eine auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde gegen einen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

a) Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Gresten vom 10. Juli 1991 wurde der J W OHG die baubehördliche Bewilligung zum Neubau von Produktionshallen, Sozialräumen und einer Energiezentrale auf dem Grundstück Nr. 2110/1, EZ 724, KG Gresten, unter Vorschreibung bestimmter Auflagen erteilt.

Die von diesem Grundstück gebildete Fläche ist nach dem Flächenwidmungsplan der Gemeinde Gresten, in der Fassung der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Gresten vom 17. Dezember 1990, womit der Flächenwidmungsplan der Gemeinde Gresten geändert wird, als "Bauland-Industriegebiet" gewidmet.

Der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung der nunmehrigen Beschwerdeführer im oben genannten Bescheidprüfungsverfahren, die Anrainer dieses Grundstückes sind, gab der Gemeinderat der Gemeinde Gresten insoweit Folge, als der Bescheid des Bürgermeisters hinsichtlich der Energiezentrale aufgehoben und die Angelegenheit diesbezüglich zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Baubehörde erster Instanz verwiesen wurde; im übrigen wurde der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Die dagegen erhobene Vorstellung der nunmehrigen Beschwerdeführer wies die Niederösterreichische Landesregierung als unbegründet ab.

b) Gegen diesen Bescheid richtet sich die oben genannte, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie der Sache nach die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

c) In diesem Verfahren hat die Niederösterreichische Landesregierung als belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt. Die Gemeinde Gresten ist in einer Stellungnahme des Bürgermeisters der Behauptung der Beschwerdeführer, daß die achtwöchige Auflagefrist für den Entwurf der Veränderung des Flächenwidmungsplanes nicht eingehalten worden sei, entgegengetreten und hat Kopien der diesbezüglichen Kundmachungen vorgelegt. Die J W OHG ist in einer Stellungnahme der Behauptung der Beschwerdeführer entgegengetreten, der Entwurf der Änderung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Gresten sei nicht durch acht Wochen zur allgemeinen Ansicht aufgelegen und verstoße im übrigen gegen tragende Bestimmungen des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976.

2. Aus Anlaß dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG die Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Gresten vom 17. Dezember 1990, mit der der Flächenwidmungsplan der Gemeinde Gresten abgeändert wird, genehmigt mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 7. März 1991, R/1-R-176/009, von Amts wegen zu prüfen.

3. In diesem Verfahren hat die Niederösterreichische Landesregierung in einer Äußerung beantragt, die Verordnung nicht als gesetzwidrig aufzuheben. Die Gemeinde Gresten hat die die Verordnung betreffenden Akten vorgelegt und auf ihre im Verfahren zu B750/92 abgegebene Stellungnahme (vgl. oben Pkt. I. 1. c.) verwiesen. Die Beschwerdeführer behaupten in einer Äußerung die Gesetzwidrigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1.a) In dem das Verordnungsprüfungsverfahren einleitenden Beschluß ging der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß die Beschwerde zulässig sei. Er nahm ferner aus folgenden Erwägungen an, daß er bei der Entscheidung über die Beschwerde die in Prüfung gezogene Verordnung anzuwenden hätte:

"Die belangte Behörde hatte sich in ihrem, die Vorstellung der nunmehrigen Beschwerdeführer als unbegründet abweisenden Bescheid auch mit der Frage auseinanderzusetzen, ob dem bewilligten Bauvorhaben der Flächenwidmungsplan entgegensteht (s. §98 Abs1 lita der NÖ Bauordnung 1976). Für die Beantwortung dieser Frage ist es von ausschlaggebender Bedeutung, ob das Baugrundstück als Bauland gemäß §16 NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 (im folgenden: NÖ ROG 1976) gewidmet ist oder gemäß §19 leg.cit zum Grünland gehört. Der Verfassungsgerichtshof nimmt daher vorläufig an, daß der angefochtene Vorstellungsbescheid (auch) auf der Verordnung des Gemeinderates vom 17. Dezember 1990, mit der der Flächenwidmungsplan der Gemeinde Gresten geändert wird, beruht. Der Verfassungsgerichtshof geht deshalb davon aus, daß auch er bei der Entscheidung über die Beschwerde diese Verordnung anzuwenden hätte."

Den Umfang der in Prüfung gezogenen Bestimmung begründete der Verfassungsgerichtshof wie folgt:

"Im Hinblick darauf, daß die dem Verfassungsgerichtshof vorliegende planerische Darstellung der mit dieser Verordnung festgelegten Änderung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Gresten die Grenzen des Baugrundstückes, GSt.-Nr. 2110/1, EZ 724, KG Gresten, nicht erkennen läßt, mithin die Aufhebung der Verordnung bloß hinsichtlich dieses Grundstückes nicht möglich sein dürfte (vgl. etwa VfSlg. 11807/1988) und auch eine andere zur normativen Abgrenzung taugliche Umschreibung des betreffenden Gebietes nicht möglich erscheint, hat der Verfassungsgerichtshof beschlossen, diese Verordnung zur Gänze in Prüfung zu ziehen (vgl. etwa VfSlg. 12401/1990 mit Hinweisen auf Vorjudikatur)."

b) Das Verfahren hat nichts ergeben, was gegen die Zulässigkeit des Anlaßbeschwerdeverfahrens spricht.

c) Zum Umfang der in Prüfung gezogenen Bestimmung führt die Niederösterreichische Landesregierung in ihrer Äußerung jedoch folgendes aus:

"Im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes betreffend den Flächenwidmungsplan der Gemeinde Hofkirchen (VfSlg. 12401/1990 Punkt II 1b) ist die Niederösterreichische Landesregierung auch im vorliegenden Fall der Meinung, daß sich der präjudizielle Teil des Flächenwidmungsplanes abgrenzen läßt:

So kann die präjudizielle Festlegung (wie auch im Gutachten des Sachverständigen für Raumordnung und Raumplanung vom 23. Jänner 1991 beschrieben; Beilage zu R/2-0-176/011, siehe S. 14) durch die Widmung 'Ggü' (Grünland-Grüngürtel) im Süden als auch im Westen sowie von der Widmung 'VF' (Verkehrsfläche) im Osten entlang der Lokalbahn Ruprechtshofen-Gresten eindeutig auch im Plan eingegrenzt werden. Dies erscheint der Niederösterreichischen Landesregierung als eine zur normativen Abgrenzung taugliche Umschreibung des betroffenen Gebietes und umfaßt somit nicht die mit der Verordnung des Gemeinderates vom 17. Dezember 1990 festgelegten Widmungen 'Grünland-Grüngürtel' und 'Verkehrsfläche'."

Diese Ausführungen sind jedoch nicht geeignet, die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes über die Präjudizialität der gesamten Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Gresten vom 17. Dezember 1990 zu ändern. Die planerische Darstellung der mit dieser Verordnung festgelegten Änderung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Gresten enthält, abgesehen davon, daß sie weder die Parzellennummern der einzelnen Grundstücke noch die Parzellengrenzen erkennen läßt, keine (andere) Ortsbezeichnung, die geeignet wäre, das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan zu lokalisieren. Der Hinweis auf die verbale Umschreibung des Baugrundstückes im Gutachten des Sachverständigen zum Entwurf der Flächenwidmungsplanänderung ändert daran nichts. Insoferne unterscheidet sich aber der vorliegende Fall von jenem, der mit Erkenntnis VfSlg. 12401/1990 entschieden wurde.

d) Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Der Verfassungsgerichtshof begründete im Beschluß über die Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens seine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung wie folgt:

"a) Nach §13 Abs1 NÖ ROG 1976 hat jede Gemeinde ausgehend von den Leitzielen (§1 NÖ ROG 1976) und den Ergebnissen der (in §2 NÖ ROG 1976 geregelten) Grundlagenforschung durch Verordnung ein örtliches Raumordnungsprogramm zu erstellen, das insbesondere einen Flächenwidmungsplan zu enthalten hat (§13 Abs3 NÖ ROG 1976). Im Flächenwidmungsplan sind die Widmungsarten Bauland, Verkehrsflächen und Grünland festzulegen (§15 Abs1 NÖ ROG 1976). Das Bauland ist entsprechend den örtlichen Gegebenheiten in die in §16 Abs1 NÖ ROG 1976 näher umschriebenen Nutzungsarten zu gliedern. Zu diesen Nutzungsarten gehören u.a. Industriegebiete (Z4), die für Baulichkeiten solcher Betriebe bestimmt sind, die eine übermäßige Lärm- oder Geruchsbelästigung oder andere schädliche, störende oder gefährliche Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können oder die sich wegen ihrer Erscheinungsform oder ihrer räumlichen Ausdehnung nicht dem Ortsbild anderer Nutzungsgebiete anpassen. Gemäß §19 Abs1 NÖ ROG 1976 gehören alle nicht als Bauland oder als Verkehrsflächen gewidmeten Flächen zum Grünland.

Gemäß §22 Abs1 Z2 NÖ ROG 1976 darf ein örtliches Raumordnungsprogramm, abgesehen von den übrigen in §22 Abs1 NÖ ROG 1976 angeführten, hier von vornherein nicht in Betracht kommenden Fällen, nur wegen wesentlicher Änderungen der Grundlagen geändert werden.

Für das bei der Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes einzuhaltende Verfahren gelten gemäß §22 Abs3 NÖ ROG 1976 die - das Verfahren bei der Erlassung des örtlichen Raumordnungsprogrammes regelnden - Bestimmungen des §21 NÖ ROG 1976 sinngemäß.

b) Mit der hier in Rede stehenden Änderung (des örtlichen Raumordnungsprogrammes und damit zugleich) des Flächenwidmungsplanes wurde die vom Grundstück Nr. 2110/1, EZ 724, KG Gresten, gebildete Fläche, für die zuvor die Widmung 'Grünland' bestanden hatte, in 'Bauland-Industriegebiet' umgewidmet.

Aus den bisher vorliegenden Akten ist, was die Gründe für diese Änderung betrifft, folgendes ersichtlich:

Dem als 'Änderungsanlaß' bezeichneten, an das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung gerichteten Schreiben des Architekten Dipl. Ing. W, der von der Gemeinde Gresten offenbar mit der Vorbereitung der gegenständlichen Abänderung des Flächenwidmungsplanes befaßt war, vom 30. Oktober 1990 ist folgendes zu entnehmen:

'Der metallverarbeitende Betrieb der Fa. W sieht sich - aufgrund der günstigen betrieblichen Entwicklung - genötigt, sein Betriebsareal wesentlich zu erweitern. Für diese Erweiterung (Bauland-Industriegebiet) ist die - westlich an das bestehende Areal angrenzende, aber durch die Lokalbahn Ruprechtshofen-Gresten getrennte - Parzelle Nr. 2110 vorgesehen. Diese etwa 3,2 ha große, derzeit landwirtschaftlich gewidmete und genutzte Fläche ist derzeit durch Busch- und Baumbestand nach Süden und Westen abgegrenzt. Diese Gehölzstreifen sollen wesentlicher Bestandteil einer künftigen Grüngürtelwidmung werden. Von diesem Gehölzstreifen ausgehend soll weiters ein Grüngürtel längs der Bahnlinie bis zur B 22 hin angelegt werden, der das bereits bestehende Industriegebiet günstiger gegen die südwestlich liegenden Wohnbaulandflächen abgrenzt.

Das künftige Industrieareal soll nicht nur durch einen entsprechenden Bahnübergang (über die mittlerweile nur noch für den Güterverkehr aufrechterhaltene Bahnlinie) mit dem bestehenden Werksgelände verbunden werden, sondern darüber hinaus durch eine zusätzliche Verkehrsanbindung an die B 22 eine neue Erschließungsmöglichkeit auch für den bestehenden Betrieb erhalten. Durch diese Erschließungsstraße soll der Betriebsverkehr zur bzw. von der Fa. W direkter erfolgen und künftig weniger durch Wohnbaulandbereiche geführt werden.

Das durch diese Verkehrsfläche betroffene bestehende Wohnhaus auf Parzelle 2072/2 soll abgelöst werden. Der in der Gemeinderatssitzung vom 28.6.1990 getroffene Beschluß - die Parzellen 2071/2 und 2072/2 im Bauland-Wohngebiet zu belassen - müßte entsprechend revidiert werden.

Die im derzeit gültigen Flächenwidmungsplan aufscheinende ca. 20 m breite, auf Betriebsgelände der Fa. W entlang der Bahnlinie verlaufende Bauland-Betriebsgebietsnutzung müßte entfallen, da sie einerseits durch den Bestand kaum realisiert erscheint, andererseits - künftig zwischen Industriegebietsnutzungen liegend - keine funktionelle Bedeutung bzw. Notwendigkeit besitzt.

Für die an das künftige Betriebsareal nordwestlich angrenzenden Grünlandflächen (Gl) soll ein Güterweg längs der Bahnlinie als Grünlanderschließung dienen.'

In der Verhandlungsschrift über die Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Gresten am 17. Dezember 1990 ist zum Grund für die Änderung des Flächenwidmungsplanes folgendes festgehalten:

'Bgm. A erinnert daran, daß am 17. Oktober 1990 die achtwöchige Auflegung der Änderung des Flächenwidmungsplanes zur Betriebserweiterung der Firma W beschlossen wurde und heute die Auflagefrist zu Ende ist. Bei der Bauausschußsitzung in der Vorwoche lag noch keine Stellungnahme vor, es ist aber nun eine eingelangt, die von der Mehrzahl der Bewohner an der Waidhofner Straße unterzeichnet wurde.

Der Obmann des Bauausschusses, gf. GR M, verliest nun die am 11. Dezember 1990 datierte und am 12. Dezember 1990 eingelangte Stellungnahme.

Bgm. A sagt, daß sich die Gemeindeverwaltung die Entscheidung für diese Umwidmung nicht leicht gemacht hat. Die Firma W hat nun nahezu 20 Jahre ein Zweigwerk in Gresten, und ein gesunder Betrieb ist für jede Gemeinde eine wesentliche Steuereinnahmequelle und damit ein Beitrag für alle Gemeindebürger, damit die Gemeinde ihren Pflichten und Aufgaben nachkommen kann. Es ist ihm klar, daß jeder Hausbau mit Gefahren und Risken verbunden ist. Dem stehen aber 200 neue Arbeitsplätze gegenüber, und es gibt in Österreich keine Vollbeschäftigung. Sicher müßten einige der Unterschriebenen daran denken, daß auch sie nicht an ihrem Wohnort arbeiten.

Er erläutert das Ausmaß der Umwidmung, so soll z.B. eine neue Zufahrtsstraße zum Werksgelände direkt von der B 22 parallel zur Bahnlinie geschaffen werden, um den Verkehr vom Kreuzungsbereich und den Siedlungen an der Wieselburger Straße wegzubringen. Es soll auch ein Grüngürtel gegen die Waidhofner Straße zur Abschirmung errichtet werden. Das neue Objekt wird in bestehende Grünzüge eingebunden. Die Initiative der Anrainer ist verständlich, der Gemeinderat hat vor dieser Entscheidung lange über die Zumutbarkeit beraten. Auf das Argument des Entlohnungsniveaus geht er nicht ein, weil dies nicht Gegenstand einer Flächenwidmung ist. Bezüglich der Laugenabwässer war vor kurzem eine Überprüfung der Kläranlage, und dabei wurde keine unzumutbare Belastung festgestellt.'

c) Aus dem wiedergegebenen Inhalt der die in Rede stehende Umwidmung betreffenden Unterlagen, aber auch aus den sonstigen, dem Verfassungsgerichtshof bisher vorliegenden Akten scheint nicht hervorzugehen, daß im gegebenen Fall im Sinne des §22 Abs1 Z2 NÖ ROG 1976 eine wesentliche Änderung der Grundlagen eingetreten wäre, die die Abänderung (des örtlichen Raumordnungsprogrammes und damit) des Flächenwidmungsplanes gestattet hätte. Im wesentlichen ist nur die Ermöglichung einer Betriebserweiterung der J W OHG als Grund für die Änderung der Widmung erkennbar. (Demgegenüber dürfte auch die vom erwähnten 'Änderungsanlaß' gleichfalls ins Treffen geführte Reduzierung des Betriebsverkehrs zum bzw. vom Gelände der J W OHG durch Wohnbaulandbereiche in den Hintergrund treten.) Dieser Umstand allein dürfte aber, wie der Verfassungsgerichtshof im Rahmen der hier vorzunehmenden vorläufigen Beurteilung annimmt, nicht als eine wesentliche Änderung der Grundlagen zu werten sein, die die Voraussetzung für eine Änderung des Flächenwidmungsplanes zu bilden vermöchte. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. insbesondere die zum niederösterreichischen Raumordnungsgesetz ergangenen Erkenntnisse VfGH 3.12.1992, V239/91 und 1.7.1994, V152/93) von einer 'wesentlichen Änderung der Grundlagen' nicht schon dann gesprochen werden kann, wenn neue Tatsachen bloß punktuell neue Zielsetzungen allgemeiner Art anzustreben."

3. Die Niederösterreichische Landesregierung hält dem folgendes entgegen:

        "... Zusammenfassend führt der Verfassungsgerichtshof in

seinem Beschluß vom 30. September 1995 ... aus, daß 'die

Ermöglichung einer Betriebserweiterung der J W OHG als Grund für die Änderung der Widmung' für sich allein nicht als eine wesentliche Änderung der Grundlagen (gemäß §22 Abs1 Z. 2 NÖ ROG 1976) zu werten sei, die die Voraussetzung für eine Änderung des Flächenwidmungsplanes zu bilden vermöchte.

... Die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verlangt für eine 'wesentliche Änderung der Grundlagen' im Sinn des §22 Abs1 Z. 2 NÖ ROG 1976 neue Tatsachen, die nicht bloß punktuell neue Zielsetzungen rechtfertigen, sondern die es erlauben, neue Zielsetzungen allgemeiner Art anzustreben ...

Die 'strenge Haltung' des Verfassungsgerichtshofes und die - analog zur Rechtskraft individueller Verwaltungsakte bezeichnete - 'Bestandskraft' einmal erlassener Flächenwidmungspläne wird aus dem Prinzip des Vertrauensschutzes abgeleitet, dem die restriktiven gesetzlichen Voraussetzungen für Planänderungen dienen sollen: Der Planadressat soll dadurch geschützt sein, daß seine Dispositionen, die er im Vertrauen auf eine bestimmte Flächenwidmung trifft, nicht ohne wichtigen Grund frustriert werden ...

Im Gegensatz zum 'Fall Pöchlarn' (Erkenntnis vom 1.7.1994, V152/93-12), in dem 'aus dem wiedergegebenen Inhalt der die in Rede stehende Umwidmung betreffenden Unterlagen, aber auch aus den sonstigen, dem Verfassungsgerichtshof bisher vorgelegten Teilen des Verordnungsaktes' ein Änderungsanlaß zum Zeitpunkt des Unterbrechungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art139 Abs1 B-VG nicht erkennbar war, ist nach Meinung der Niederösterreichischen Landesregierung aus den vorliegenden Unterlagen, insbesondere dem Originalakt R/1-R-176/009 zu B750/92-5, ein solcher dokumentiert und erkennbar.

Zu den neuen Tatsachen wird in der Stellungnahme des Arch.Dipl.Ing. B W vom 30. Oktober 1990 (die auch als 'Änderungsanlaß' tituliert ist) ausgeführt:

'Der metallverarbeitende Betrieb der Firma W sieht sich ...

genötigt, sein Betriebsareal wesentlich zu erweitern ... Für

diese Erweiterung (Bauland-Industriegebiet) ist die ... Parzelle

Nr. 2110' (offensichtlich durch den genannten Betrieb) 'vorgesehen.'

Weiters ist aus diesem Bericht erkennbar, daß der Betriebsverkehr der Firma W zum damaligen Zeitpunkt offensichtlich durch Wohnbaulandbereiche geführt wurde. Weiters wird angeführt, daß 'die im derzeit gültigen Flächenwidmungsplan aufscheinende ca 20 m breite, auf Betriebsgelände der Firma W entlang der Bahnlinie verlaufende, Bauland-Betriebsgebietsnutzung ... durch den Bestand kaum realisiert erscheint,...'.

Zu den neuen Tatsachen heißt es auch im Protokoll der Sitzung des Gemeinderates der Marktgemeinde Gresten vom 17. Oktober 1990:

'Der Mehrlärm ist auch durch Platzmangel und den dadurch bedingten Umstand entstanden, daß in mehreren Schichten gearbeitet werden muß.' Und weiter: 'Bgm. A sagt, daß eine Aufschließung über die bestehende Werkgasse nicht möglich ist. Außerdem will die Firma noch mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene bringen. Die ÖBB hat eine Änderung der Gleise auf Normalspur zugesagt.'

Gerade im Vergleich zum Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1994, V152/93-12, zeigt sich nach Meinung der Niederösterreichischen Landesregierung, daß diese neuen Tatsachen nicht bloß punktuell neue Zielsetzungen rechtfertigen, sondern es erlaubt haben, neue Zielsetzungen allgemeiner Art anzustreben ...

Diese neuen Zielsetzungen allgemeiner Art sind nach Meinung der Niederösterreichischen Landesregierung ebenfalls ersichtlich:

Ein Grüngürtel längs der Bahnlinie bis zur B 22 hin soll 'das bereits bestehende Industriegebiet günstiger gegen die südwestlich liegenden Wohnbaulandflächen' abgrenzen. Durch eine neue Verkehrserschließung 'soll der Betriebsverkehr zur bzw. von der Firma W direkt erfolgen und künftig weniger durch Wohnbaulandbereiche geführt werden' (Bericht des Arch.Dipl.Ing. B W vom 30.10.1990).

'Die Firma W hat nun nahezu 20 Jahre ein Zweigwerk in Gresten und ein gesunder Betrieb ist für jede Gemeinde eine wesentliche Steuereinnahmequelle ... Dem stehen aber 200 neue Arbeitsplätze gegenüber, und es gibt in Österreich keine Vollbeschäftigung.'

'So soll z.B. eine neue Zufahrtsstraße zum Werksgelände direkt von der B 22 parallel zur Bahnlinie geschaffen werden, um den Verkehr vom Kreuzungsbereich und den Siedlungen an der Wieselburgerstraße wegzubringen.' Durch die geplante Zufahrt neben der Bahnlinie werde 'eine wesentliche Verbesserung der derzeitigen Situation' erwartet (Sitzungsprotokoll der Sitzung des Gemeinderates der Marktgemeinde Gresten vom 17.10.1990).

Als über den konkreten Einzelfall hinausgehende, allgemeine Zielsetzungen lassen sich also erkennen:

-

Die südwestlich gelegenen Wohnbaulandflächen sollten gegenüber dem bestehenden (und erweiterten) Industriegebiet durch einen Grüngürtel besser abgegrenzt werden.

-

Die unbefriedigende Verkehrssituation durch den Betriebsverkehr, der verstärkt durch Wohnbaulandbereiche geführt wurde, sollte verbessert werden. Zudem sollte der Betriebsverkehr verstärkt 'von der Straße auf die Schiene' gebracht werden.

-

Bestehende Arbeitsplätze sollten erhalten und zusätzliche Arbeitsplätze sollten neu geschaffen werden, was auch im Interesse der Gemeinde gelegen war ('der Verzicht auf diesen Betrieb wäre ein Verzicht auf die Lebensader unseres Ortes', vgl. Sitzungsprotokoll vom 17.10.1990).

-

Letztendlich die Erhaltung eines gesunden Betriebes auch als 'eine wesentliche Steuereinnahmequelle' für die Gemeinde.

Diese allgemeinen Zielsetzungen sind jenen sehr ähnlich, die der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 1. Juli 1994, V152/93-12, als für eine wesentliche Änderung der Grundlagen ausreichend angesehen hat.

Ein Grund für die strenge Haltung des Verfassungsgerichtshofes zur Änderung von Flächenwidmungsplänen ist - wie schon oben angeführt - das Prinzip des Vertrauensschutzes, das den Planadressaten vor unsachlichen Eingriffen in erworbene Rechtspositionen schützt ...

So erkannte der Verfassungsgerichtshof die von der Marktgemeinde Mauerbach erarbeiteten neuen Planungsziele als wesentliche Änderung der Planungsgrundlagen gemäß §22 Abs1 Z. 2 NÖ ROG 1976 an (Erkenntnis vom 3.12.1992, V239/91), führte jedoch aus, daß die bewirkte Umwidmung dennoch 'angesichts der Intensität dieser Beschränkung' der Nutzungsmöglichkeiten einer hinreichenden sachlichen Begründung entbehrte. Entscheidend war in diesem Fall 'die aus der Umwidmung resultierende wirtschaftliche Entwertung' der Liegenschaft.

Ein derartiges Vertrauen der Planadressaten konnte dagegen im vorliegenden Fall nicht enttäuscht werden, zumal der Eigentümer der von der Planänderung betroffenen Liegenschaft (eben die Firma W) an der Betriebserweiterung interessiert war (vgl. S 3 des Sitzungsprotokolles vom 17.10.1990).

Beachtet man jedoch das Vertrauen der betroffenen Anrainer in die bestehende Rechtssituation, so kann festgestellt werden, daß 'einer - rechtmäßigen - Planänderung stets eine Interessenabwägung zugrunde' liegt ... Genau diese Interessenabwägung (Abwägung der allgemeinen Planungsziele der Gemeinde mit den individuellen Interessen und Rechtspositionen der betroffenen Anrainer) wurde seitens der betroffenen Gemeinde durchgeführt (vgl. S. 2 des Sitzungsprotokolles vom 17.10.1990)."

4. Die Beschwerdeführer im Anlaßbeschwerdeverfahren vertreten demgegenüber die folgende Auffassung:

"...

Gemäß §22 Abs1 Zif 2 NÖ ROG 1976 durfte das örtliche Raumordnungsprogramm und somit der verfahrensgegenständliche Flächenwidmungssplan vom Gemeinderat der Gemeinde Gresten nur dann geändert werden, wenn wesentliche Änderungen der Grundlagen eintreten. Eine vom Gesetzgeber geforderte wesentliche Änderung der Grundlagen liegt nicht vor. Die Umwidmung erfolgte einzig und alleine deshalb, um der Bauwerberin die Bauführung zu ermöglichen und für sie ein Industrieareal zu schaffen. Das ergibt sich aus dem Schreiben vom 30.10.1990, das der planende Architekt im Auftrag der Gemeinde Gresten an das Amt der NÖ Landesregierung richtete. Darin bezeichnete er diesen Sachverhalt als 'Änderungsanlaß'. Das ist aber keine wesentliche Änderung der Grundlagen.

Der Bürgermeister der Gemeinde Gresten erklärte dazu in der Sitzung des Gemeinderates am 17.12.1990, die Bauwerberin sei ein gesunder Betrieb und eine wesentliche Steuereinnahmequelle für die Gemeinde. Das ist nicht richtig. Die Steuerleistung des Betriebes der W OHG an die Gemeinde Gresten ist vollkommen unerheblich. Sollte die Gemeinde Gresten trotzdem den Standpunkt vertreten, ihrer Meinung nach sei diese wesentliche Steuereinnahmequelle ein Änderungsanlaß, dann obliegt es ihr, den Nachweis dafür zu erbringen. Aber auch dann, wenn dem so wäre, vertreten wir die Rechtsansicht, daß die Schaffung einer Steuereinnahmequelle in rechtlicher Hinsicht niemals als eine wesentliche Änderung der Grundlagen im Sinne des Gesetzes qualifiziert werden kann.

Grundsätzlich das Gleiche gilt für das Argument des Bürgermeisters, der die Umwidmung in Bauland-Industriegebiet mit dem Hinweis auf 200 neue Arbeitsplätze und darauf rechtfertigen wollte, es würde in Österreich keine Vollbeschäftigung geben. Erstens wurden damit nicht 200 neue Arbeitsplätze geschaffen. Es sind wesentlich weniger. Aber auch dann, wenn die Bauwerberin tatsächlich 200 neue Arbeitsplätze geschaffen hätte, hat das keine Auswirkung auf die Arbeitslosenrate in Österreich. Die Vollbeschäftigung wird dadurch nicht gewährleistet. Aber auch in diesem Zusammenhang vertreten wir die Rechtsansicht, daß sich aus diesen Argumenten des Bürgermeisters - egal ob sie richtig oder unrichtig sind - kein Anhaltspunkt für eine wesentliche Änderung der Grundlagen ergibt. Das Problem der Vollbeschäftigung ist allgemein und österreichweit. Es wird durch die verfahrensgegenständliche Änderung des Flächenwidmungsplanes nicht gelöst. Nicht nur österreichweit sondern auch im südwestlichen Teil Niederösterreichs, in dem die Gemeinde Gresten liegt, gab es bereits vor dem 30.10.1990 genügend Industriegebiete, die der Konsenswerberin die entsprechende Bauführung zur Erschaffung von Arbeitsplätzen ermöglicht hätten. Die vom Bürgermeister angesprochene Problematik ist von allgemeiner Natur und auf dem Hintergrund zu sehen, daß im Geltungsbereich des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes ohnehin genügend Bauland-Industriegebiet schon damals zur Verfügung stand, als er das Argument der Vollbeschäftigung und Erschaffung von Arbeitsplätzen ins Treffen führte. Es bedurfte daher nicht der Verordnung des Gemeinderates der Gemeine Gresten vom 17.12.1990, um einer Lösung der Probleme näher zu kommen, die der Bürgermeister damals aufzeigte.

Offensichtlich wurde einzig und allein deshalb der Flächenwidmungsplan geändert, um der W OHG die Betriebserrichtung zu ermöglichen. Das ist aber keine wesentliche Änderung der Grundlagen. Die Änderung des Flächenwidmungsplanes war weder notwendig zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen noch handelte es sich dabei um eine geeignete Maßnahme zur Gewährleistung der Vollbeschäftigung in Österreich. Wie wir bereits oben ausführten, gab es nicht nur österreichweit, sondern auch in Niederösterreich zum Zeitpunkt der Umwidmung genügend Flächen, die aufgrund ihrer gesetzeskonformen Widmung für eine Betriebsgründung oder Betriebserweiterung geeignet waren, damit neue Arbeitsplätze geschaffen werden und die Vollbeschäftigung in Österreich gewährleistet ist. Ganz abgesehen davon weisen wir aber auf die notorische Tatsache hin, daß eine Volkswirtschaft der Vollbeschäftigung nicht durch die Änderung eines Flächenwidmungsplanes näher kommt, und zwar unabhängig davon, ob die Änderung des Flächenwidmungsplanes gesetzeskonform oder gesetzwidrig ist.

...

Vollkommen unrichtig ist die Behauptung des planenden Architekten in seinem Schreiben vom 30.10.1990, durch eine Erschließungsstraße würde der Betriebsverkehr zur beziehungsweise von der Firma W direkt erfolgen und künftig weniger durch Wohnlandbereiche geführt werden. Tatsächlich kommt es durch die Änderung des Flächenwidmungsplanes weder zu einer Reduzierung des Betriebsverkehrs noch zu einer Entlastung der Wohnbaulandbereiche vom Betriebsverkehr. Im Gegenteil. Wie jede Betriebsgründung und jede Betriebserweiterung führt auch die Betriebserweiterung der W OHG zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen. Nicht nur der LKW-Verkehr nimmt an Zahl und Intensität zu. Auch der Betriebslärm der Diesellok, die auf dem Betriebsgelände der W OHG verkehrt, nimmt zu. Die Behauptung des planenden Architekten ist offenkundig tatsachenwidrig und auch aus der Sicht vom 30.10.1990 vorausschauend als falsch erkennbar. Dem Amt der Niederösterreichischen Landesregierung und dem Bürgermeister samt Gemeinderat Gresten mußte schon vor dem 30.10.1995 notorisch gewesen sein, daß durch die bevorstehende Betriebsführung der W OHG auf den zu Unrecht umgewidmeten Grundstücken eine Zunahme des Verkehrsaufkommens und eine zusätzliche Belastung der Wohnbaulandbereiche durch den Betriebsverkehr zum bzw. vom Gelände der J W OHG erfolgte.

... Richtig ist, daß durch die Zunahme des Betriebsverkehres die uns treffende Lärmimmission unzulässig ist. Deshalb wandten wir uns an den Verwaltungsgerichtshof. Er hob den Betriebsbewilligungsbescheid auf. Die Gewerbebehörde beharrte trotzdem auf ihrer Rechtsansicht, wir hätten die neuen Immissionen zu dulden. Wir wandten uns daraufhin neuerlich an den Verwaltungsgerichtshof, der den Betriebsbewilligungsbescheid neuerlich aufhob.

(Siehe die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.5.1993, Z92/04/0233 und vom 22.11.1994, Z94/04/0129.)"

5. Im Verordnungsprüfungsverfahren ist nichts hervorgekommen, was die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung zerstreuen könnte:

a) Nach §22 Abs1 NÖ ROG 1976 darf ein örtliches Raumordnungsprogramm - das gemäß §13 Abs3 NÖ ROG 1976 insbesondere einen Flächenwidmungsplan zu enthalten hat - nur geändert werden wegen eines rechtswirksamen Raumordnungsprogrammes des Landes oder anderer rechtswirksamer überörtlicher Planungen (Z1), wegen wesentlicher Änderung der Grundlagen (Z2) oder wegen Löschung des Vorbehaltes (Z3 iVm §20 Abs4 NÖ ROG 1976).

b) Es ist offenkundig, daß die in Rede stehende Änderung des Flächenwidmungsplanes nicht erforderlich war, um den Flächenwidmungsplan an ein (allenfalls geändertes) Raumordnungsprogramm des Landes oder an eine andere überörtliche Planung anzupassen, und daß er ebensowenig der Löschung eines Vorbehaltes iS des §20 NÖ ROG 1976 diente.

Aber auch der in §22 Abs1 Z2 NÖ ROG 1976 normierte Tatbestand einer wesentlichen Änderung der Grundlagen ist nicht erfüllt:

aa) Das Gesetz verleiht dem Flächenwidmungsplan, indem es seine Änderung nur unter bestimmt umschriebenen Voraussetzungen gestattet (und dadurch dem pflichtgemäßen Ermessen des Verordnungsgebers überläßt), im Interesse der Rechtssicherheit grundsätzlich erhöhte Bestandskraft (vgl. etwa VfSlg. 11990/1989). Von einer - die Änderung des Flächenwidmungsplanes rechtfertigenden - "wesentlichen Änderung der Grundlagen" kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht schon dann gesprochen werden, wenn neue Tatsachen bloß punktuell neue Zielsetzungen rechtfertigen, sondern erst dann, wenn sie erlauben, neue Ziele allgemeiner Art anzustreben (vgl. die zum niederösterreichischen Raumplanungsrecht ergangenen Erkenntnisse VfGH 1.7.1994, V152/93, und VfSlg. 13282/1992; weiters auch VfSlg. 11374/1987 und VfSlg. 9361/1982).

bb) Mit der hier zu beurteilenden Änderung des Flächenwidmungsplanes wurde eine zuvor als "Grünland" gewidmete Fläche in "Bauland-Industriegebiet" umgewidmet.

   cc) In seinem Beschluß über die Einleitung des

Verordnungsprüfungsverfahrens ist der Verfassungsgerichtshof davon

ausgegangen, daß als Grund für diese Änderung des

Flächenwidmungsplanes "im wesentlichen nur die Ermöglichung der

Betriebserweiterung" der J W OHG "erkennbar" sei. Im

Verordnungsprüfungsverfahren, das diesbezüglich nichts Neues

ergeben hat, verweist die Niederösterreichische Landesregierung

in ihrer Äußerung (vgl. oben Pkt. II. 3.) auf den

"Änderungsanlaß" des entwurfsverfassenden Architekten. Gerade

dieser "Änderungsanlaß", in dem einleitend ausgeführt wird: "Der

metallverarbeitende Betrieb der Firma W sieht sich ... genötigt

sein Betriebsareal wesentlich zu erweitern ... Für diese

Erweiterung (Bauland-Industriegebiet) ist ... Parzelle Nr. 2110

vorgesehen", hatte den Verfassungsgerichtshof aber zu der oben

erwähnten vorläufigen Annahme veranlaßt. In seinem oben erwähnten

Beschluß hat der Verfassungsgerichtshof weiters angenommen, daß

dieser Umstand für sich allein nicht als eine wesentliche

Änderung der Grundlagen zu werten sei, die rechtens die

Voraussetzung für eine Änderung des Flächenwidmungsplanes zu

bilden vermöchte, wobei insbesondere zu berücksichtigen sei, daß

nach der oben zitierten ständigen Rechtsprechung des

Verfassungsgerichtshofes von einer "wesentlichen Änderung der

Grundlagen" nicht schon dann gesprochen werden kann, wenn neue

Tatsachen bloß punktuell neue Zielsetzungen rechtfertigen,

sondern erst dann, wenn sie erlauben, neue Zielsetzungen

allgemeiner Art anzustreben. Im Verordnungsprüfungsverfahren ist

nichts hervorgekommen, was die diesbezüglich gegen die in Prüfung

gezogene Verordnung bestehenden Bedenken des

Verfassungsgerichtshofes zerstreut hätte.

Das Verordnungsprüfungsverfahren hat aber auch nichts ergeben, was den Verfassungsgerichtshof an der weiteren in seinem Beschluß über die Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens vorläufig getroffenen Annahme zweifeln ließe, daß die als Begründung für die Umwidmung ergänzend ins Treffen geführte Reduzierung des Betriebsverkehrs zum bzw. vom Betriebsgelände der J W OHG gegenüber dem Betriebserweiterungszweck in den Hintergrund tritt. Es spricht nichts dafür, daß der Gesichtspunkt der Reduzierung des Betriebsverkehrs von ausschlaggebender Bedeutung für die Widmungsänderung hinsichtlich der vom Baugrundstück gebildeten Fläche gewesen sein könnte. Daher ist auszuschließen, daß darin die - im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung - neue Tatsache bestehen könnte, die es erlaubte, neue Ziele der Raumplanung allgemeiner Art anzustreben. Dieser Gesichtspunkt kann somit den für die Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Umwidmung geforderten Tatbestand der "wesentlichen Änderung der Grundlagen" im Sinne des §22 Abs1 Z2 NÖ ROG 1976 nicht verwirklichen. Sinngemäß das gleiche gilt aber auch für das in der Äußerung der Niederösterreichischen Landesregierung unter Bezugnahme auf das Protokoll der Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Gresten vom 17. Oktober 1990 vorgetragene Argument, die Umwidmung könne der Reduzierung des vom Betrieb der J W OHG ausgehenden Lärms dienen, sowie für das auf den erwähnten "Änderungsanlaß" gestützte Argument, die mit der in Prüfung gezogenen Verordnung verfügte Grüngürtelwidmung würde "das bereits bestehende Industriegebiet günstiger gegen die südwestlich liegenden Wohnbaulandflächen" abgrenzen.

Schließlich muß auch der Hinweis der Niederösterreichischen Landesregierung, daß die fragliche Änderung des Flächenwidmungsplanes der Erhaltung bestehender und der Schaffung neuer Arbeitsplätze dient und für die Gemeinde auch unter dem Gesichtspunkt der Steuereinnahmen von Vorteil sei, als Begründung für die Rechtmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung versagen. Damit ist nämlich nicht dargetan, daß sich für die Flächenwidmungsplanung der Gemeinde Gresten - gegenüber der ursprünglichen Erlassung des Flächenwidmungsplanes im Jahre 1986 - neue Tatsachen ergeben hätten, die es erlaubten, neue Zielsetzungen allgemeiner Art anzustreben.

Vielmehr spricht zusammenfassend alles dafür, daß die der fraglichen Änderung des Flächenwidmungsplanes zugrundeliegende neue Tatsache allein in der Absicht der J W OHG bestand, ihren Betrieb zu erweitern. Nun ist zwar zuzugestehen, daß unter bestimmten Umständen auch die Vorsorge für einen bestimmten Betrieb die Änderung des Flächenwidmungsplanes rechtfertigen kann (vgl. VfGH 1.7.1994, V152/93). Solche Umstände sind aber hier nicht hervorgekommen. Daher konnte die erwähnte Erweiterungsabsicht weder für sich allein noch in der Zusammenschau mit den übrigen für die Änderung des Flächenwidmungsplanes ins Treffen geführten Argumenten den Tatbestand des §22 Abs1 Z2 NÖ ROG 1976 erfüllen.

Insoferne unterscheidet sich der hier vorliegende Fall von jenen, die mit den Erkenntnissen VfGH 1.7.1994, V152/93, und VfSlg. 13282/1992 entschieden wurden. Hier wird - anders als in dem mit dem erstgenannten Erkenntnis entschiedenen Fall - nicht etwa "ein als 'Bauland-Betriebsgebiet' und teilweise als 'Bauland-Industriegebiet' gewidmetes Areal ... abgerundet", sondern vielmehr eine als "Grünland" gewidmete, vom bisherigen Betriebsgebiet der J W OHG deutlich getrennte, im übrigen an "Bauland-Wohngebiet" und "Grünland" angrenzende Fläche in "Bauland-Industriegebiet" umgewidmet. Es liegt aber auch keine neue planerische Zielvorstellung allgemeiner Art vor, die der "Wienerwald-Deklaration" entspräche, die in dem Fall maßgeblich war, der mit dem zweitgenannten Erkenntnis entschieden wurde.

Aus all dem folgt, daß im vorliegenden Fall von einer von §22 Abs1 Z2 NÖ ROG 1976 geforderten wesentlichen Änderung der Grundlagen keine Rede sein kann.

III. Die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Gresten vom 17. Dezember 1990, womit der Flächenwidmungsplan der Gemeinde Gresten abgeändert wird, widerspricht aus diesen Gründen dem §22 Abs1 Z2 NÖ ROG 1976 und ist daher als gesetzwidrig aufzuheben.

Der Ausspruch über die Kundmachung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Abänderung (Flächenwidmungsplan), VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:V166.1995

Dokumentnummer

JFT_10039695_95V00166_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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