TE Vwgh Erkenntnis 1998/1/22 96/18/0188

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Veröffentlicht am 22.01.1998
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des M, vertreten durch DDr. Wolfgang Schulter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fleischmarkt 28, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 16. Februar 1996, Zl. SD 1420/95, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 16. Februar 1996 wurde aufgrund des Antrags des Beschwerdeführers, eines kroatischen Staatsangehörigen, gemäß § 54 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhältigen Gründe für die Annahme bestünden, daß er in Kroatien gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, daß er kroatischer Staatsangehöriger serbischer Abstammung wäre. Schon seinerzeit (1992) hätte es Äußerungen anderer Mitbürger in seiner Heimatgemeinde gegeben, daß auch die "Serbischstämmigen" zum Militärdienst eingezogen werden müßten, weil es unverständlich wäre, daß er noch nicht zum Militärdienst eingezogen worden wäre, und auch "der Bürgermeister" hätte ihm gegenüber gesagt, daß er sich persönlich dafür verwenden würde, daß der Beschwerdeführer zum Militärdienst eingezogen würde. Der Beschwerdeführer habe weiters vorgebracht, daß Kroatien mit der "Republik Serbisch-Bosnien" im "Kriegszustand" wäre, daß Waffengänge in bewaffnete Konflikte mündeten und daß es sich daher um eine Einziehung "zum Kriegsdienst" und nicht zum Militär handelte. Bei solchen "bewaffneten Scharmützeln" bestünde die Gefahr, daß der Beschwerdeführer verletzt oder getötet würde.

Dem sei nicht nur entgegenzuhalten, daß derzeit kein bewaffneter Konflikt zischen Kroatien und Bosnien oder Teilen Bosniens bestehe, sondern vor allem auch, daß die Einberufung zum Militärdienst, was auch die allfällige Teilnahme an kriegerischen Auseinandersetzungen nicht ausschließe, grundsätzlich nicht als Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG anzusehen sei. Die Flucht wegen seiner Einberufung könnte nur dann relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der in der "Flüchtlingskonvention" genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen wäre. Im vorliegenden Fall bestehe, auch nach der eigenen Darstellung des Beschwerdeführers, kein Anhaltspunkt dafür, daß dieser bisher zum Militärdienst einberufen worden wäre und daß seine Einberufung, abweichend von der für jeden Kroaten bestehenden Militärdienstpflicht, aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder erfolgen würde. Ein Zusammenhang zwischen seiner Einberufung zum Militärdienst und seiner ethnischen Zugehörigkeit sei nämlich nicht erkennbar, weil es sich eben nicht ergeben habe, daß Serben im Gegensatz zu Kroaten in Kroatien in erheblicher (die Intensität einer Verfolgung erreichender) Weise im Zusammenhang mit einer Einberufung benachteiligt würden. Damit habe sich aber keine, noch dazu aktuelle Bedrohung des Beschwerdeführers im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG ergeben, aber auch nicht, daß dem Beschwerdeführer die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG drohe. Gefahren, die mit der Ableistung des Militärdienstes verbunden seien, fielen jedenfalls nicht darunter. Dem Beschwerdeführer sei es damit jedenfalls nicht gelungen, stichhältige Gründe für eine Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG darzulegen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat auf Antrag eines Fremden die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhältige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht ist.

Nach § 37 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhältige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Nach § 37 Abs. 2 FrG ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhältige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 4. September 1997, Zl. 95/18/0381).

2. Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid ein, er habe sowohl vor der Erstbehörde als auch in seiner Berufung vorgebracht, daß er im Falle einer Abschiebung nach Kroatien "mit Einziehung zum Kriegsdienst" zu rechnen hätte. Diese Einziehung zum Kriegsdienst sei nicht so zu beurteilen wie eine Einberufung zum allgemeinen Wehrdienst in Österreich, vielmehr würden "serb. stämmige Kroaten einer Sonderbehandlung zugeführt"; es handle sich daher um eine "krasse Benachteiligung einer ethnischen Minderheit". Diese Benachteiligung bestünde darin, daß "nicht normale Waffengänge oder Waffenübungen absolviert" würden, sondern man zu einem Kriegsdienst eingezogen würde und durch diese "nicht gesetzmäßige Vorgangsweise" das Leben und die körperliche Integrität extrem gefährdet würden. Es seien daher aufgrund der vom Beschwerdeführer "im Zuge des Verfahrens" getätigten Angaben eindeutig stichhältige Gründe vorhanden, die eine Abschiebung oder Zurückschiebung nach Kroatien unzulässig erscheinen ließen.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Der bloße Hinweis auf die Zugehörigkeit zur serbischen Volksgruppe und die allgemeinen Ausführungen über (behauptete) Benachteiligungen dieser Gruppe im Rahmen des Wehrdienstes in Kroatien reichen nicht aus, eine den Beschwerdeführer individuell betreffende aktuelle Bedrohung oder Gefährdung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG darzutun, zumal der Beschwerdeführer nach den (in der Beschwerde nicht bestrittenen) Feststellungen im angefochtenen Bescheid weder seine Einberufung zum Wehrdienst noch eine ihm dort aktuell drohende Verfolgungssituation durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert hat.

Vor dem Hintergrund des Gesagten ist die Verfahrensrüge, die belangte Behörde hätte aufgrund ihrer Verpflichtung zur Erforschung der materiellen Wahrheit die Angaben des Beschwerdeführers überprüfen müssen, nicht zielführend. Ebenfalls nicht zielführend ist die weitere Verfahrensrüge, die Behörde hätte die von ihr "getätigten Ermittlungen und Beweisergebnisse" dem Beschwerdeführer vorzuhalten und diesem gemäß § 45 Abs. 3 AVG "abschließend das rechtliche Gehör zu gewähren" gehabt, weil die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid den von der Erstbehörde ermittelten Sachverhalt zugrundelegte und der Beschwerdeführer daher Gelegenheit hatte, in seiner Berufung hiezu Stellung zu nehmen.

3. Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996180188.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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