TE Vwgh Beschluss 2020/6/16 Ra 2019/19/0559

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Veröffentlicht am 16.06.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2019/19/0560
Ra 2019/19/0561

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in den Revisionssachen 1. des A S, 2. der T K, und 3. des S S K, alle in W, alle vertreten durch Mag. Gabriela Jesacher-Hrabec, Rechtsanwältin in 2500 Baden, Wiener Straße 44/11, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. November 2019, Zlen. 1. W169 2103970-2/11E, 2. W169 2103966-2/11E und 3. W169 2168897-2/7E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind die Eltern des in Österreich geborenen Drittrevisionswerbers, alle sind Staatsangehörige Afghanistans und Angehörige der Glaubensgemeinschaft der Sikh. Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin stellten am 21. Mai 2015 für sich und am 12. Juli 2017 für den Drittrevisionswerber je einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachten die Revisionswerber Verfolgung aufgrund ihres Glaubens sowie Probleme, die die Zweitrevisionswerberin aufgrund ihrer Eigenschaft als Frau erlitten habe, vor.

2        Mit Bescheid vom 3. März 2015 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Revisionswerber zur Gänze ab, erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ je eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan jeweils zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 31. Juli 2018 als unbegründet abgewiesen und die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

4        Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Oktober 2019, Ra 2019/19/0387-0389, wurde die dagegen erhobene Revision, soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten wendete, zurückgewiesen. Im Übrigen wurde das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

5        Bereits zuvor hatten die Revisionswerber am 20. Februar 2019 jeweils einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt. Begründend brachten sie vor, dass die alten Fluchtgründe nach wie vor aufrecht seien, sich die Lage für Angehörige der Sikhs jedoch weiter verschlechtert habe. Auch der Gesundheitszustand der Zweitrevisionswerberin und des Drittrevisionswerbers habe sich verschlechtert. Zudem verwies die Zweitrevisionswerberin darauf, im Fall einer Rückkehr Eingriffe in ihre sexuelle Integrität zu fürchten und deutete an, dass es bereits vor ihrer Flucht aus Afghanistan zu derartigen Vorfällen gekommen sei.

6        Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 6. Juni 2019 wurden diese Anträge wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, je eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan jeweils zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt und angeordnet, dass die Revisionswerber an einer näher genannten Adresse Unterkunft zu nehmen hätten.

7        Mit Erkenntnis des BVwG vom 15. November 2019 wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, aufgrund der sich ständig verändernden Lage in einem von Aufständischen umkämpften Staat wie Afghanistan könne nach einem Zeitablauf von mehr als sechs Monaten niemals von einer gleichen Sachlage ausgegangen werden, insbesondere, wenn ethnische und religiöse Motive für die Verfolgung vorliegen würden. Es könne somit keine res iudicata vorliegen. Außerdem müsse bezüglich des „glaubhaften Kerns“ im Sinne der Judikatur zu § 68 AVG eine Beweislastumkehr gelten, sodass die Behörde nachzuweisen habe, dass das Vorbringen der Revisionswerber nicht sachgerecht sei. Die „Bürde der Beweislast für die Glaubwürdigkeit des Vorbringens“ könne nicht ohne Weiteres auf die Revisionswerber abgeschoben werden, weil es für die Behörde leichter sei, die erforderlichen Ermittlungen anzustellen und sie überdies eine umfassende Nachforschungspflicht betreffend die allgemeine Lage treffe.

12       Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (VwGH 5.4.2018, Ra 2018/19/0154).

13       Soweit die Revision vermeint, ein Antrag auf internationalen Schutz könne nach einem Zeitablauf von sechs Monaten bei stark umkämpften Ländern niemals eine res iudicata gemäß § 68 AVG darstellen, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei einem Folgeantrag zu prüfen ist, ob im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren eine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist (vgl. VwGH 12.7.2017, Ra 2017/18/0220 bis 0224, mwN). Bei wiederholten Anträgen auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhalts die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, dem Relevanz zukommt (vgl. VwGH 12.10.2016, Ra 2015/18/0221, mwN).

14       Die Revision verabsäumt es allerdings aufzuzeigen, aus welchen Gründen die Beurteilung des BVwG, die Revisionswerber hätten keine derartige Änderung des Sachverhalts vorgebracht, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme, unzutreffend erfolgt wäre.

15       Auch mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen, es könne den Revisionswerbern nicht abverlangt werden, dass sie nachweisen müssten, ob die ihnen bekannten Informationen der Richtigkeit entsprechen, wird nicht aufgezeigt, auf welche konkreten Punkte des BVwG-Erkenntnisses sie sich bezieht. Insoweit die revisionswerbenden Parteien ausführen, die Bürde der Beweislast für die Glaubwürdigkeit des Vorbringens über Fluchtgründe könnten „nicht so ohne weiteres auf sie abgeschoben werden“, ist darauf zu verweisen, dass das österreichische Asylrecht lediglich die Glaubhaftmachungeiner Verfolgungsgefahr verlangt und nicht den Beweis (vgl. VwGH 8.9.2015, Ra 2015/18/0113; 27.5.2019, Ra 2019/14/0153). Aus der Revision geht auch nicht hervor, welche Feststellungen oder Aspekte der Beweiswürdigung durch das BVwG in diesem Zusammenhang zu Unrecht erfolgt wären. Soweit die Revision auf die Aktualität der Länderfeststellungen verweist, bringt sie nicht vor, welche konkreten Länderfeststellungen das BVwG heranzuziehen gehabt hätte, um eine für § 68 AVG wesentliche Sachverhaltsänderung zu begründen.

16       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

Wien, am 16. Juni 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019190559.L00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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