Entscheidungsdatum
22.05.2019Norm
BFA-VG §18Spruch
L504 2218843-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX geb., StA. Türkei, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.04.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 52 Abs 4 u. Abs 9, 46, 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 5, 55 Abs 4 FPG idgF, § 18 BFA-VG idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt III. zu lauten hat: "Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 5 FPG wird gegen Sie ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen".
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrenshergang
Das Bundesamt hat gegen die bP, ein aufenthaltsberechtigter türkischer Staatsangehöriger, nach einer Verurteilung ua. wegen versuchten Mordes ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung samt Einreiseverbot eingeleitet.
Aus dem unbestritten gebliebenen Verfahrensgang des angefochtenen Bescheides ergibt sich Folgendes:
"[...]
- Sie heirateten im Jänner 2014 die österreichische Staatsbürgerin XXXX und reisten legal in das österreichische Bundesgebiet im März 2014 ein.
- Erstbeantragt wurde Ihnen am 24.02.2014 von der BH S. der Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" erteilt. Die Gültigkeit ist mit 26.02.2017 abgelaufen, die Verlängerung wurde am 30.01.2017 beantragt.
- Sie wurden am 06.02.2017 um 19:47 Uhr zeitnah nach der Begehung eines Verbrechens auf der Flucht von Beamten festgenommen.
- Am 08.02.2017 wurden Sie vom LG [...] wegen des Verdachtes des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und wegen des Verdachtes des Vergehens nach § 50 Waffengesetz in Untersuchungshaft genommen, und in die Justizanstalt [...] eingeliefert.
- Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich wurde Ihnen die Beabsichtigung der Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zur Kenntnis gebracht. Gleichzeitig wurde Ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme bezüglich Ihren persönlichen Verhältnissen und den Länderfeststellungen zu Ihrem Herkunftsstaat geboten. Sie haben die Schriftstücke nachweislich am 12.06.2017 übernommen.
- Am 08.07.2017 wurde Ihre Stellungnahme von Ihrer rechtsfreundlichen Vertretung RA Dr. Harthaller wie folgt eingebracht:
Der Antragsteller hat im Jänner 2014 die österreichische Staatsbürgerin N.
T., geb. XXXX .1982, geheiratet, ist Im März 2014 ins Bundesgebiet eingereist und seitdem im Bundesgebiet aufhältig. Mit seiner Ehefrau hat er ein gemeinsames Kind, nämlich XXXX , ebenso österr. Staatsbürgerin. Der Antragsteller verfügt über einen Aufenthaltstitel in Österreich und Ist aufrecht im Bundesgebiet gemeldet.
Der Antragsteller studierte in der Türkei XXXX und übte nach seiner Heirat
und Übersiedlung nach XXXX diesen Beruf zur höchsten Zufriedenheit seiner Arbeit-
geber aus. Er war bei den Firmen XXXX XXXX beschäftigt. Liest man bspw. sein Dienstzeugnis des XXXX vom 24.
Mai 2017, bei welchem er als Leiharbeiter knapp ein Jahr beschäftigt war, finden sich
neben einer hohen fachlichen Wertschätzung eine ganze Reihe von Charaktermerk-
malen wie bspw: hohe Arbeitsbereitschaft, vorbildliche Pflichtauffassung, große Zu-
verlässigkeit, Zielgerichtetheit und ausgesprochen zügiges Arbeiten, Einsatz und
beste Qualität der Arbeitsleistung, beste Anerkennung durch Kunden, freundliches,
korrektes und aufmerksames Verhalten, vorbildlicher Einsatz.
Der Antragsteller ist glücklich verheiratet und hat mit seiner Ehefrau die 3-jährige
P. C., geb. [...], ist aber auch für 2 weitere Kinder seiner Frau,
S. S., geb. XXXX .03 und E. S. geb. XXXX .06, welche im gemein-
samen Haushalt leben, sorgepflichtig und übt für diese eine Vaterfunktion aus. Die
Familie wohnte im Haus der Ehefrau. Der Antragsteller ist sozial voll integriert. Seine
Ehefrau, deren Kinder sowie das gemeinsame Kind sind österreichische Staats-
bürger. Der Antragsteller pflegte auch Freundschaften zu seinen Arbeitskollegen.
Persönliche Bindungen zu seinem Heimatland bestehen, da sich dort seine Eltern und Geschwister befinden. Der Antragsteller bzw. seine Familie hat im Bundesgebiet einen großen Freundeskreis. Bspw. werden die Folgenden genannt: [...]. Darüber hinaus ist er Mitglied im Verein der alevitischen Gemeinde in XXXX . Daten und weitere Bekannte können bei Bedarf natürlich nachgereicht werden.
Der Antragsteller ist gesund und befindet sich in keiner ärztlichen oder medikamentösen Behandlung.
Mittels Urteil des Landesgerichtes XXXX als Geschworenengericht wurde der
Antragsteller der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB
und der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB sowie des Verbrechens des versuchten Mordes nach § 15,75 StGB für schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 14 Jahren verurteilt. Dieses Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Antragsteller hat dagegen Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe sowie Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche erhoben. Ein endgültiges Ergebnis liegt diesbezüglich noch nicht vor und ist auch noch nicht absehbar.
Der Antragsteller wurde bislang weder in seinem Heimatland, noch einem anderen
europäischen Land gerichtlich verurteilt. Er führte bisher ein völlig untadeliges Leben
und trat weder strafrechtlich, noch verwaltungsstrafrechtlich jemals negativ in Erscheinung. Die ihm angelastete Tat entspricht zudem überhaupt nicht seinem Naturell. Darüber hinaus befindet sich seine Familie und deren sowie sein Lebensmittelpunkt in Österreich und ist er hier voll integriert. Der Ausspruch einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot sowie die Verhängung der Schubhaft ist sohin nicht notwendig. Der Antragsteller stellt sohin den Antrag: das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl möge davon absehen, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zu treffen sowie über ihn nach Beendigung seiner Gerichtshaft, die Schubhaft zu verhängen.
- Sie wurden am 08.06.2017 vom LG [...] Zl. [...] gem. § 15 StGB und § 75 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren verurteilt. Sie haben das Verbrechen des versuchten Mordes begangen.
Durch Beschluss des Obersten Gerichtshofes Zl. [...] wurde im Urteil der Schuldspruch 1./ (§ 107 Abs. 1 StGB) und 2./ (§ 83 Abs. 1 StGB) ersatzlos aufgehoben. Das Strafausmaß wurde von 14 Jahre auf 11 Jahre herabgesetzt. Die Verurteilung erwuchs am 19.04.2018 in Rechtskraft.
- Seit 06.09.2018 besteht ein rechtskräftiges Waffenverbot GZ XXXX .
- Mit Datum 03.10.2018 wurden Sie von der JA [...] in die JA [...] zur Verbüßung Ihrer Haftstrafe überstellt. Ihre berechnete Entlassung ist der 04.02.2028.
- Mit Verfahrensanordnung vom heutigen Tag wurde Ihnen ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.
B) Beweismittel
Die Behörde zog die folgenden Beweismittel heran:
Von Ihnen vorgelegte Beweismittel:
- Ihre Stellungnahme vom 08.08.2017
- Dienstzeugnis vom [...] vom 24.05.2017
- Dienstzeugnis von der Fa. D. vom 10.05.2017
Weitere von der Behörde herangezogene Beweismittel:
- Urteilsausfertigung des LG [...] Zl. [...]- rechtskräftig am 19.04.2018
- Urteil des Obersten Gerichtshofes Zl. [...] vom 19.04.2018
- Akteninhalt des vorliegenden Fremdenaktes IFA1002265110
- Auszüge aus dem ZMR und IZR
- Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung
- Länderfeststellungen zu Ihrem Herkunftsland Türkei vom 18.10.2018
- Abschlussbericht des LKA [...]
- Beschuldigtenvernehmungen des LKA OÖ
- Ihre Stellungnahme vom 12.06.2017
- Führerschein der EU Nr. [...] , ausgestellt am 16.12.2014
- Auszug aus der Besucherliste der JA [...] ab Haftbeginn
[...]"
Das Bundesamt hat folglich entschieden:
"I. Gemäß § 52 Absatz 4 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung erlassen.
II. Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig ist.
III. Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 5 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wird gegen Sie ein
- unbefristetes
Einreiseverbot erlassen.
IV. Gemäß § 55 Absatz 4 FPG wird eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt.
V. Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wird gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt."
Dagegen hat die vertretene bP innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Darin wird im Wesentlichen moniert, dass
* die Behörde das Gesamtverhalten der bP außer Acht gelassen habe;
* die bP weitgehend beruflich und sozial in Österreich integriert ist und deren Ehegattin und Kinder als österreichische Staatsangehörige in Österreich leben;
* sie die deutsche Sprache beherrsche und bis zur Haft immer mit ihren Familienangehörigen bei tadellosem Leumund im gemeinsamen Haushalt gelebt habe;
* die Straftat ihrem Naturell widerspreche, was die Dienstzeugnisse belegen würden;
* sie ein gebildeter, verlässlicher Bürger sei und es bisher keinerlei Auffälligkeiten gegeben habe;
* sie nicht eine solche Gefahr für die Öffentlichkeit sei die ein unbefristetes Einreisevorbot rechtfertigen würde;
* sie die Haftzeit benütze um sich weiterzubilden;
* es fraglich erscheine, ob es sie nicht die Rechtstellung nach Art 6 Abs 1 ARB 1/80 und damit eine Begünstigung erlangt habe; die Behörde habe keine Auskunft des AMS eingeholt.
Am 15.05.2019 langte der Verwaltungsakt beim BVwG in Wien ein.
Mit der Beschwerdevorlage wurde eine Stellungnahme zur Rechtsstellung nach ARB 1/80 abgegeben. Die Behörde teilte dabei mit, dass lt. Ansicht des AMS keine begünstigte Rechtsstellung gem. Art 6 und 7 des Beschlusses 1/80 des Assoziationsrates vom 19.09.1980 vorliege.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde Beweis erhoben.
1. Feststellungen (Sachverhalt)
Die bP ist türkischer Staatsangehöriger und die Identität steht fest.
Ihr wurde erstmals am 24.02.2014 bis 24.02.2015 gem. NAG ein Aufenthaltstitel als Familenangehöriger einer österreichischen Staatsangehörigen erteilt. Zuletzt wurde dieser bis zum 26.02.2017 verlängert. Vor Ablauf des Aufenthaltstitels stellte sie am 30.01.2017 einen Verlängerungsantrag. Die Eheschließung fand 2014 in der Türkei statt. Die Kinder sind österreichische Staatsangehörige.
Bis zu Ihrer Verhaftung am 06.02.2017 lebte sie mit ihrer Ehegattin und ihrem leiblichen Kind sowie der beiden minderjährigen Kinder der Ehegattin im gemeinsamen Haushalt.
Die Versicherungszeiten bei der österreichischen Sozialversicherung beginnen mit 14.04.2014 und enden mit 10.01.2016 bei der Fa. D.. Ihr letzter Dienstgeber war die M.Gen. in der Zeit vom 18.01.2016 bis 17.02.2017.
Im Zeitraum 18.01.2016 bis 20.03.2016 bezog sie Arbeitslosenunterstützung.
Seitens früherer Arbeitgeber wird ihr hohe Arbeitsbereitschaft, vorbildliche Pflichtauffassung, große Zuverlässigkeit, Zielgerichtetheit, zügiges Arbeiten, Einsatz und beste Qualität der Arbeitsleistung, beste Anerkennung durch Kunden, freundliches, korrektes und aufmerksames Verhalten sowie vorbildlicher Einsatz bescheinigt.
Sie ist in Österreich Mitglied in einem alevitischen Verein.
Sie hat neben den familiären auch erhebliche private Anknüpfungspunkte. Abgesehen von der na. Straftat war sie bislang unbescholten.
Sie wurde am 19.04.2018 zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren rechtskräftig wegen versuchten Mordes verurteilt und befindet sich derzeit in Strafhaft.
Die bP hatte im Zuge der Verhandlungen im Zusammenhang mit einem Hauskauf den im Urteil namentlich Genannten nach einer verbalen Auseinandersetzung zu töten versucht, indem sie mit einem etwa 25 cm langen, spitzen Messer wuchtig in dessen linke Rumpfseite einstach, wodurch dieser lebensgefährliche Verletzungen der Milz, der Milzarterie, der linken Niere, der Bauchspeicheldrüse und der Zwerchfellkuppe, verbunden mit massivem Blutverlust, erlitt. Sie wurde ursprünglich vom Landesgericht zu 14 Jahren verurteilt. Dieses Urteil wurde vom OGH in teilweiser Stattgebung des Rechtsmittels auf 11 Jahre herabgesetzt. Mildernd wurde der bisherige ordentliche Lebenswandel und, dass die Tat mit dem sonstigen Verhalten der bP in auffallendem Widerspruch stand, der Umstand, dass es beim Versuch blieb und eine erhebliche Schadenswiedergutmachung erfolgte, gewertet. Erschwerend wurde kein Umstand ins Treffen geführt.
Während der Haft wird sie von ihren Familienangehörigen regelmäßig besucht. Sie absolviert in Haft eine Lehre als Bäcker, besucht einen Staplerkurs und hat sich für weitere Kurse angemeldet.
Eine relevante gesundheitliche Beeinträchtigung wurde nicht dargelegt.
Die bP hat nicht vorgebracht, dass sie im Falle einer Rückkehr in die Türkei einer abschiebungsrelevanten Gefährdung ausgesetzt wäre, noch kann dies auf Grund der allgemeinen Lage in der Türkei festgestellt werden.
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:
Das Bundesamt traf auf Basis des aktuellen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation Feststellungen zur entscheidungsrelevanten Lage. Daraus lässt sich nicht erkennen, dass eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit bzw. reale Gefahr für hier maßgebliche Rechtsgüter der bP bestünde und hat dies die bP weder beim Bundesamt noch in der Beschwerde konkret dargelegt. Eine nichtbestehende Rückkehrgefährdung der bP steht damit außer Streit.
2. Beweiswürdigung
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich im Wesentlichen unstreitig aus der Aktenlage der Behörde, den Angaben der bP im Verfahren, dem Gerichtsurteil des LG und des OGH sowie der Beschwerde durch den gewillkürten Vertreter VMÖ sowie der "Stellungnahme" vom 02.05.2019 durch den Rechtsfreund.
3. Rechtliche Beurteilung
Rückkehrentscheidung
Die bP hatte vor Ablauf ihres Aufenthaltstitels gem. NAG einen Verlängerungsantrag gestellt und hielt sich somit gem. § 24 NAG weiterhin noch rechtmäßig im Bundesgebiet auf.
Gemäß § 52 Abs. 4 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,
2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbstständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder
5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.
6. Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet, dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen.
§ 52 Abs. 4 Z 4 liegt in diesem Fall vor:
Gem. § 11 Abs 2 Z 1 NAG dürfen einem Fremden Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet.
Hier wurde die bP wegen versuchten Mordes rechtskräftig strafgerichtlich zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren verurteilt. Aufgrund des der Verurteilung zugrundeliegenden Verhaltens widerstreitet in diesem Fall der Aufenthalt öffentlichen Interessen.
Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung gem. § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens iS des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung jedenfalls begründet, insbesondere darauf, ob diese auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.
Daraus folgt:
Gegenständlich hat die bP - wie sich aus dem Verfahrensgang und den Feststellungen ergibt - unzweifelhaft erheblich familiäre und private Anknüpfungspunkte in Österreich.
Da die Rückkehrentscheidung somit einen Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben darstellt, bedarf es diesbezüglich einer Abwägung der persönlichen Interessen an einem Verbleib mit den öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendung, somit, ob eine Rückkehrentscheidung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist
Im vorliegenden Fall ist der Eingriff gesetzlich vorgesehen und verfolgt gem. Art 8 Abs 2 EMRK legitime Ziele, nämlich
* die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, worunter auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist;
* die Verteidigung der Ordnung und Verhinderung von strafbaren Handlungen;
Unter Zugrundelegung der Abwägungskriterien und der Ermittlungsergebnisse (einschließlich der Beschwerdeangaben) ergibt sich Folgendes:
Für die bP spricht im Wesentlichen, dass sie seit 2014 legal im Bundesgebiet aufhältig ist. Sie verfügt hier über erhebliche familiäre und private Anknüpfungspunkte. Insbesondere lebte sie bis zur Haft mit der Ehegattin und 3 Kindern im gemeinsamen Haushalt und bestand ein intaktes Familienleben. Diese sind österreichische Staatsangehörige. Sie ist beruflich qualifiziert und war bei verschiedenen Arbeitgebern überwiegend erwerbstätig. Bis zur Straftat war die bP unbescholten und attestierte ihr das Strafgericht, dass die Tat ihrem bisherigen Lebenswandel widersprach. In der Haft ist sie bemüht sich weiterzubilden.
Gegen die bP spricht, dass sie 2017 versuchte einen anderen mit dem Messer zu töten, weshalb sie zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren rechtskräftig verurteilt wurde. Hinsichtlich er konkreten Tathandlung wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die Feststellungen verwiesen. Sie zeigte dabei erhebliche Aggression und Brutalität. Die natürliche Hemmschwelle, einem anderen mit einem Messerstich das Leben zu nehmen fehlt der bP offensichtlich, bzw. dürfte gefallen sein, womit die Gefahr für die Allgemeinheit ohne Zweifel vorliegt. Es muss daher von einer aktuellen, gegenwärtigen Gefahr gesprochen werden. Ihr bisheriger Aufenthalt im Bundesgebiet war bislang immer nur befristet. Sie verfügt in der Türkei noch über Familienangehörige. Sie hat ihr überwiegendes Leben in der Türkei verbracht, von einer Entwurzelung kann somit nicht gesprochen werden.
Die bP wusste, dass ihr Aufenthalt lediglich befristet ist und das Familienleben in Österreich von der jeweiligen Verlängerung und dem Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen abhängig ist. Es musste ihr bei der Tathandlung zumindest latent bewusst sein, dass sich die von ihr begangene Tat negativ auf einen Verbleib im Bundesgebiet und damit für ein Führen eines gemeinsamen Familienlebens hier nachteilig auswirken wird. Dessen ungeachtet schritt sie zu diesen drastischen Maßnahmen.
Abgesehen davon, dass dies gar nicht behauptet wurde, hätte sie angesichts ihres Verhaltens
allfällige Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland hinzunehmen.
Dass es durch die Rückkehrentscheidung zu einer Trennung von der Ehegattin und den Kindern kommen kann, sofern diese nicht mitziehen würden, ist angesichts dieses gezeigten Verhaltens bzw. durch die Straffälligkeit durch das hohe öffentliche Interesse hinzunehmen und gerechtfertigt (vgl. VwGH 201.10.2016, Ra 2016/21/0271).
.
Abgesehen davon wurde weder beim Bundesamt noch in der Beschwerde dargetan, dass nicht auch in der Türkei ein Familienleben möglich und zumutbar wäre.
Der im ZMR ersichtlichen Heiratsurkunde nach wurde die Ehe in der Türkei geschlossen. Zumindest wäre ein Kontakthalten auch durch Besuche - wie derzeit in Haft - möglich und zumutbar oder eine Kontaktaufnahme mittels moderner Kommunikationstechnologien. Auch Besuche der bP in Österreich wären gem. § 26a FPG grundsätzlich möglich, wobei das Gericht hier nicht zu prüfen hat, ob die bP tatsächlich in der Lage bzw. gewillt ist die dafür erforderlichen Kriterien zu erfüllen.
Es steht der bP die Möglichkeit offen, durch entsprechende Geldüberweisungen aus dem Ausland finanziell unterstützend tätig zu werden. Ihre Kinder wie auch Ehegattin sind im bekannt hochwertigen Sozial- und Gesundheitssystem Österreichs versorgt. Die persönliche Anwesenheit ist dazu nicht erforderlich. Unterhaltszahlungen an das Kind können - allenfalls in vermindertem Umfang - auch vom Ausland aus erbracht werden (vgl. VwGH vom 16.01.2007, Zahl 2006/18/0482).
Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und unter Einbeziehung der oa. Judikatur der Höchstgerichte ist gegenständlich somit ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung festzustellen, das ihre Interessen an einem Verbleib in Österreich überwiegt. Die Rückkehrentscheidung ist daher als notwendig und nicht unverhältnismäßig zu erachten.
Es erfolgte daher zu Recht die Erlassung einer Rückkehrentscheidung.
Soweit die Beschwerde darlegt, dass es "fraglich" sei, ob die bP angesichts ihrer Beschäftigungszeiten nicht doch eine Rechtsstellung nach Art 6 Abs 1 ARB 1/80 und damit eine Begünstigung erlangt und es die Behörde unterlassen habe eine Auskunft des Ausländerfachzentrums des AMS einzuholen, ist anzumerken, dass die Behörde mit der Aktenvorlage in einer Stellungnahme darlegt, dass lt. Auskunft besagter Dienststelle des AMS keine solche Rechtsstellung gegeben ist. Die bP selbst stellt eine solche nur in den Raum ohne dazu konkrete Angaben zu machen.
Abgesehen davon könnte die bP hier daraus grds. nichts gewinnen, gestattet doch auch Art 14 ARB 1/80 Eingriffe, wenn dies aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist, was das Bundesamt mit dieser Entscheidung auch nachvollziehbar ausführte.
Es kam im Verfahren auch nicht hervor, dass es sich bei der bP um eine begünstigte Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG handeln würde und somit zur Aufenthaltsbeendigung nur eine Ausweisung (§ 66 FPG) oder ein Aufenthaltsverbot (§67 FPG) zulässig wäre. Selbst wenn man hypothetisch davon ausginge, dass es sich bei der bP um einen Türken handelt, welcher eine begünstigte Stellung aus dem Assoziationsabkommen erlangt hätte, wäre nach jüngster Rsp des VwGH vom 04.04.2019, Ra 2019/21/0009, nunmehr eine Rückkehrentscheidung und gegebenenfalls ein Einreiseverbot zur Aufenthaltsbeendigung heranzuziehen.
Zulässigkeit der Abschiebung
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
§ 50 FPG Verbot der Abschiebung
(1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
Die bP hat weder beim Bundesamt noch in der Beschwerde dargelegt, dass sie im Falle einer Rückkehr einer derartigen Gefährdung ausgesetzt wäre und kann dies auch amtswegig nicht festgestellt werden.
Einreiseverbot
Auf Grund des von der bP gezeigten Verhaltens und der daraus resultierenden Strafe in der Höhe von 11 Jahren Freiheitsentzug hat das Bundesamt ein unbefristetes Einreiseverbot gem. § 53 Abs 3 Z 5 FPG erlassen.
§ 53 Einreiseverbot
(1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)
(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;
4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;
7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;
8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder
9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.
(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn
1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;
3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;
4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;
5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);
7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;
8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder
9. der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.
(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.
(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 15.12.2011, Zahl 2011/21/0237 zur Rechtslage vor dem FPG idgF (in Kraft seit 01.01.2014) erwogen, dass bei der Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes nach dem FrÄG 2011 eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (vgl ErläutRV, 1078 BlgNR 24. GP 29 ff und Art 11 Abs 2 Rückführungs-RL) sei. Dabei hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchen zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 9 des § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 anzunehmen.
In den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 8 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit indiziert, was dann die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Dauer von bis zu zehn Jahren und, liegt eine bestimmte Tatsache im Sinne der Z 5 bis 8 vor, von unbefristeter Dauer ermöglicht. Zudem ist festzuhalten, dass - wie schon nach bisheriger Rechtslage (vgl. VwGH 20.11.2008, 2008/21/0603) - in Bezug auf strafgerichtliche Verurteilungen nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern immer auf das zugrunde liegende Verhalten (arg.: Einzelfallprüfung) abzustellen ist. Maßgeblich sind Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild; darauf kommt es bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots an.
§ 53 Abs. 3 FPG idgF hat im Vergleich zur Rechtslage vor dem 01.01.2014 keine inhaltliche Änderung erfahren. Daraus ist zu schließen, dass auch in Bezug auf die vom VwGH statuierten (obgenannten) Kriterien, die bei der Verhängung des Einreiseverbots und seiner Dauer zur Anwendung gelangen sollen, kein Wandel stattgefunden hat. Aus diesem Grund erachtet das Bundesverwaltungsgericht diese auch nach wie vor als anwendbar. Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 3 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 umschriebene Annahme gerechtfertigt ist (VwGH 2012/18/0230, 19.02.2013)
Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
Gegenständlich wurde die bP wegen versuchten Mordes zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 11 Jahren rechtskräftig verurteilt, womit die Voraussetzungen des § 53 Abs 3 Z 5 erfüllt sind. Bei der von ihr gesetzten Tathandlung - auf die diesbezüglichen Feststellungen und Ausführungen bei der Rückkehrentscheidung wird hiermit verwiesen - handelt es sich jedenfalls um Tatsachen die die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt der bP eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Dies schlägt sich auch in der gerichtlichen Strafhöhe klar nieder.
Das Bundesamt vertrat die Ansicht, dass hier die Höchstdauer, nämlich ein unbefristetes Einreiseverbot, angemessen wäre. Dem wird in der Beschwerde mit den oa. Argumenten entgegen getreten.
Angesichts des vor der Tat untadeligen Lebenswandels, der mit der geahndeten Handlung im Widerspruch steht, was auch das Strafgericht als strafmildernd wertete, und vor allem auf Grund der ganz erheblichen familiären Anknüpfungspunkte, nämlich insbesondere die Ehegattin und die minderjährigen Kinder, die allesamt österreichische Staatsangehörige sind, ist vor allem zum Wohle der Kinder das unbefristete Einreiseverbot nach Ansicht des BVwG zu weit gegriffen und wird daher auf die Dauer von 10 Jahren herabgesetzt bzw. befristet.
Aberkennung der aufschiebenden Wirkung; keine Frist für die freiwillige Ausreise
Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde vom Bundesamt einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt, weil "die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist".
Die Behörde argumentierte weiter, dass ein Verbleib in Österreich eine gegenwärtige, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Die sofortige Ausreise ist nach der Haftentlassung dringend erforderlich, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die bP wiederum straffällig würde.
Für die Behörde stand fest, dass für die bP bei Rückkehr in den Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben ist. Es sei in diesem Fall davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der fremdenpolizeilichen, aufenthaltsbeendenden Maßnahme im öffentlichen Interesse geboten ist.
Aus der Aktenlage ergeben sich keine Umstände die gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sprechen würden. Insbesondere steht auch der Zeitpunkt der Haftentlassung nicht im Einflussbereich des Bundesamtes bzw. des BVwG, weshalb aus fremdenpolizeilicher Sicht solche Vorkehrungen für das zu wahrende Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu treffen waren.
Gem. § 55 Abs 4 FPG hatte das Bundesamt daher von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, weil die aufschiebende Wirkung gem. § 18 Abs 2 BFA-VG aberkannt wurde.
Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung
Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde vom Bundesamt vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben und ist bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch als aktuell und vollständig zu erachten. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keine hinreichenden Anhaltspunkte die einer nochmaligen Anhörung der bP und Ergänzung des Verfahrens bedurft hätte.
Das Bundesamt hat die, die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt und hat das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung geteilt.
In der Beschwerde wurde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender, für die Beurteilung relevanter Sachverhalt konkret und substantiiert behauptet. Das BVwG hat die von der bP im Beschwerdeverfahren für sie ins Treffen geführten Angaben als glaubhaft erachtet und so der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt.
In eindeutigen Fällen wie diesem, bei dem bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für die Abwägung nach Art 8 EMRK auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das VwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0052).
Eine Verhandlung konnte daher entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung - Entfall Einreiseverbot Einreiseverbot rechtmäßig Haft Herabsetzung Interessenabwägung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben Rückkehrentscheidung Rückkehrentscheidung rechtmäßig StraffälligkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L504.2218843.1.01Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020