Entscheidungsdatum
31.05.2019Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L525 2201397-2/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , alias XXXX , alias XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , StA: Pakistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.4.2019, Zl. XXXX , beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Soweit für das gegenständliche Verfahren von Bedeutung stellt sich der Verfahrensgang wie folgt dar:
Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 23.10.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde er am 24.10.2012 einer Erstbefragung unterzogen. Als Ausreisegrund gab der Beschwerdeführer an, er habe Pakistan vor ca. drei Jahren verlassen, da er mit einem Mädchen eine Liebensbeziehung gehabt habe. Die Familie des Mädchens sei mit dieser Beziehung nicht einverstanden gewesen, weshalb sie im Sommer 2009 auf den Beschwerdeführer und dessen geschossen hätten. Dies sei zwei Tage vor seiner Ausreise passiert und sei dabei niemand verletzt worden. Zur Polizei sei der Beschwerdeführer diesbezüglich nicht gegangen. Andere Probleme, etwa mit der Polizei oder den Behörden in seiner Heimat, habe es nicht gegeben. Weiters sei die allgemeine Lage in Pakistan sehr schlecht.
Der Beschwerdeführer wurde durch das BAA am 31.10.2012 und am 14.12.2012 niederschriftlich einvernommen. Abermals zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der Beschwerdeführer konkretisierend aus, der Vorfall sei im Juli 2009 passiert, weswegen er und seine drei Brüder das Heimatdorf hätten verlassen müssen. Dabei habe die Familie des Mädchens in die Luft geschossen. Die Reise habe der Beschwerdeführer unter anderem mit dem Verkauf seiner fünf Kühe und zwei Kälber finanziert. Bezüglich des Vorfalles, dabei sei auch ein Hund auf den Beschwerdeführer gehetzt worden, habe ein Cousin Anzeige erstattet, jedoch habe die Familie des Mädchens die Polizei bezahlt, weswegen die Polizei nicht reagiert habe.
Der Antrag wurde vom Bundesasylamt (BAA) mit Bescheid vom 9.11.2012 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen und wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan verfügt. Das BAA kam zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer die Verfolgung durch die Familie des Mädchens zwar plausibel und nachvollziehbar vorgebracht habe, jedoch könne sich der Beschwerdeführe der Verfolgung dadurch entziehen, als dass er sich in andere Teile seines Heimatlandes begebe. Darüber hinaus handle es sich um eine Verfolgung durch private Personen, dass der pakistanische Staat nicht fähig bzw. unwillig sei dem Beschwerdeführer Schutz zu bieten, sei nicht ersichtlich.
Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde an den Asylgerichtshof, welcher die Beschwerde mit Erkenntnis vom 9.4.2013, Zl. E5 433.775-1/2013/6E als unbegründet abwies. Der Asylgerichtshof schloss sich den Ausführungen der belangten Behörde an, wonach der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden könne, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers keine Asylrelevanz entfalten würde. Soweit der Beschwerdeführer ausführte, er hätte den staatlichen Schutz nicht annehmen können, so sei darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer seinen Angaben folgend selbst keine Anzeige bei der Polizei erstattet habe, sohin gar nicht den Versuch unternommen habe den Schutz seines Heimatstaates in Anspruch zu nehmen. Der Asylgerichtshof hielt fest, dass bei Zugrundelegung des Fluchtvorbringens, eine Verfolgung durch Drittpersonen, eine Asylrelevanz nur dann vorliegen würde, wenn der Staat nicht willig bzw. fähig sei dem Beschwerdeführer Schutz zu gewähren. Weder könne aufgrund der Länderberichte davon ausgegangen werden, dass die pakistanischen Behörden generell schutzunfähig oder schutzunwillig wären, noch hätten sich im konkreten Fall des Beschwerdeführers Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die pakistanischen Behörden untätig geblieben wären und ihn nicht schützen könnten. Eine Integration im Hinblick auf die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers sei nicht hervorgekommen.
Das Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft. Der Beschwerdeführer verblieb weiterhin - rechtswidrig - im Bundesgebiet.
Der Beschwerdeführer stellte am 10.12.2018 abermals einen Antrag auf internationalen Schutz und führte zu seinen neuen Fluchtgründen aus, er befürchte, dass er durch die illegale Ausreise aus Pakistan, insbesondere gegen die Emigration Ordinance verstoßen habe. Es würden Schmiergelder verlang und ohne gültigen Reisepass zurückkehrende würden von der Polizei über mehrere Stunden verhört, wobei die Behandlung der betreffenden zu wünschen übriglasse. Aufgrund des vorliegenden Falles eines Staatsangehörigen aus Pakistan, welcher nach Pakistan abgeschoben worden sei und in ein Gefängnis gekommen sei und angeblich ? 3.000,- Strafe habe zahlen müssen.
Der Beschwerdeführer wurde am 20.12.2018 durch das nunmehr zuständig gewordene Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Zu den nunmehrigen Gründen für seine Antragstellung befragt führte der Beschwerdeführer aus, er sei seit sieben Jahren hier. Wenn die Sachlage in Pakistan besser werde, dann würde er zurückgehen. Er habe auch Kontakt zu seinem Onkel on Pakistan. Dieser habe ihm gesagt, wenn er den B1 Kurs habe, dann könne der Beschwerdeführer in der österreichischen Botschaft in Karachi als Dolmetscher arbeiten. Er habe B1 aber um fünf Punkte nicht bestanden. Er wolle noch seine Augenlider operieren und den B1 Kurs machen. Befragt, was sich nun seit der letzten Entscheidung an den Fluchtgründen geändert habe, führte der Beschwerdeführer aus, seine Mutter habe gesagt, sie würde einen Ortswechsel machen. Seine Probleme seien jetzt besser. In Dornbirn habe er einen Freund gehabt, dieser habe eine Lehre gemacht. Er sei abgeschoben worden und sei in Pakistan ins Gefängnis gekommen und habe eine Strafe zahlen müssen. Der Beschwerdeführer wolle freiwillig ausreisen, damit er in Pakistan keine Strafe bekomme. Befragt, warum er bis dato nicht selbst ausgereist sei, führte der Beschwerdeführer aus, eine Dagmar von der Diakonie habe einen Termin für ihn gemacht. Sie habe gesagt, er solle noch einen Asylantrag stellen, damit er eine Karte bekomme. Befragt was er nun befürchten würde, wenn er jetzt nach Pakistan zurückmüsse, führte der Beschwerdeführer aus, aus Angst habe er einen neuen Asylantrag gestellt. Befragt, welche Angst er nun habe, meinte der Beschwerdeführer, sie seien noch nicht umgesiedelt. Außerdem sei sein Vater gestorben, er könne nicht ? 3.000,- Strafe zahlen.
Der Beschwerdeführer wurde am 4.3.2019 abermals niederschriftlich einvernommen. Abermals zu den neuen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, er habe Kontakt zu seiner Mutter, diese lebe nach wie vor in der gleichen Ortschaft. Sie versuche eine neue Wohnung zu finden, an einem anderen Ort. Wenn das erfolgt sei, würde er zurückkehren. Er habe damals in Thalham bereits gesagt, er würde ausreisen, wenn seine Krankheit behandelt worden sei und er das B1 Niveau geschafft habe. Seine alten Gründe seien immer noch aufrecht. Die Eltern des Mädchens würden immer noch vorbeikommen und belästigen seine Mutter. Sie würden immer nach ihm fragen.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des BFA vom 18.4.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 10.12.2018 wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig ist. Gegen den Beschwerdeführer wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG ein auf acht Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen. Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise.
Begründend führte das BFA aus, die Identität des Beschwerdeführers stehe fest. Der Beschwerdeführer stütze sich auf die gleichen Gründe wie im ersten Asylverfahren, denen bereits die Glaubhaftigkeit abgesprochen wurde. Aus der Einvernahme des Beschwerdeführers zum nunmehrigen Asylverfahren ergebe sich eindeutig, dass der Beschwerdeführer eben keine neuen Gründe vorgebracht habe. Der Beschwerdeführer selbst habe immer wieder selbst vorgebracht, dass er keine neuen Fluchtgründe habe und es dieselben wie im ersten Verfahren wären. Dass gegen den Beschwerdeführer keine Bedrohung vorliege ergebe sich auch dadurch, dass er sich einer geplanten Abschiebung entzogen habe. Würde es eine Bedrohung geben, hätte er bereits in Österreich zeitgerecht einen Folgeantrag gestellt und hätte der Beschwerdeführer nicht seit der letzten inhaltlichen Entscheidung vom 18.4.2013 bis zum 5.12.2018 gewartet, bis er einen neuen - den gegenständlichen - Antrag gestellt hätte.
Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Die Beschwerdevorlage langte am 23.5.2019 beim Bundesverwaltungsgericht in Wien, am 24.5.2019 in der Außenstelle Linz ein und wurde die belangte Behörde davon am 24.5.2019 in Kenntnis gesetzt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer stellte am 23.10.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 9.4.2013, Zl. E5 433.775-1/2013/6E als unbegründet abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer brachte im Zuge der Erstbefragung unter anderem am 10.12.2018 vor, er befürchte, dass er wegen seiner illegalen Ausreise aus Pakistan, insbesondere gegen den Emigration Ordiance verstoßen zu haben und ihn erwarte eine Strafe (AS 989). Ansonsten brachte der Beschwerdeführer vor, dass seine alten Gründe noch aufrecht sind.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Person und zur Herkunft des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen Angaben aus den bisherigen Verfahren und seinen eigenen Angaben. Dass der Beschwerdeführer befürchtet, dass er aufgrund seiner illegalen Ausreise mit einer Strafe zu rechnen habe, brachte der Beschwerdeführer bereits im Zuge der Erstbefragung des nunmehr gegenständlichen Antrages vor (vgl. abermals AS 989).
3. Rechtliche Beurteilung:
ZU A)
Spruchpunkt I - Zurückweisung wegen entschiedener Sache:
§ 68 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 (WV), idF BGBl. I Nr. 161/2013 lautet:
"2. Abschnitt: Sonstige Abänderung von Bescheiden
Abänderung und Behebung von Amts wegen
§ 68. (1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.
(3) Andere Bescheide kann die Behörde, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, oder die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im öffentlichen Interesse insoweit abändern, als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Mißständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist. In allen Fällen hat die Behörde mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen.
(4) Außerdem können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid
1. von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde,
2. einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde,
3. tatsächlich undurchführbar ist oder
4. an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet.
(5) Nach Ablauf von drei Jahren nach dem in § 63 Abs. 5 bezeichneten Zeitpunkt ist eine Nichtigerklärung aus den Gründen des Abs. 4 Z 1 nicht mehr zulässig.
(6) Die der Behörde in den Verwaltungsvorschriften eingeräumten Befugnisse zur Zurücknahme oder Einschränkung einer Berechtigung außerhalb eines Berufungsverfahrens bleiben unberührt.
(7) Auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts steht niemandem ein Anspruch zu. Mutwillige Aufsichtsbeschwerden und Abänderungsanträge sind nach § 35 zu ahnden."
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht die Rechtskraft einer Entscheidung einem neuerlichen Antrag entgegen, wenn keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vorliegt und in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten ist (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122). Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", also durch die Identität der Verwaltungssache, über die bereits mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Identität der Sache als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 68 Abs 1 AVG ist dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat. Im Übrigen ist bei der Überprüfung, ob sich der Sachverhalt maßgeblich verändert hat, vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne dass dabei dessen sachliche Richtigkeit nochmals zu ergründen wäre, weil die Rechtskraftwirkung ja gerade darin besteht, dass die von der Behörde entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Eine andere fachliche Beurteilung unverändert gebliebener Tatsachen berührt die Identität der Sache nicht. In Bezug auf die Rechtslage kann nur eine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften selbst bei der Frage, ob Identität der Sache gegeben ist, von Bedeutung sein, nicht aber eine bloße Änderung in der interpretativen Beurteilung eines Rechtsbegriffs oder einer Rechtsvorschrift bei unverändertem Normenbestand (VwGH 24.06.2014, Ro 2014/05/0050). Als Vergleichsentscheidung ist dabei jene heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783). Erst nach Erlassung des Bescheides hervorgekommene Umstände, die eine Unrichtigkeit des Bescheides dartun, stellen keine Änderung des Sachverhaltes dar, sondern bilden lediglich unter den Voraussetzungen des § 69 AVG einen Wiederaufnahmegrund (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Im Folgeantragsverfahren können - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089). In Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048). Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrages auf Grund geänderten Sachverhalts hat nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen. Im Rechtsmittelverfahren ist ausschließlich zu prüfen, ob die Behörde erster Instanz zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass keine wesentliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist. Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122). Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich bereits aus § 69 Abs 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismittel, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhaltes stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides (bzw. hier: Erkenntnis) entgegensteht (vgl. das Erk des VwGH vom 6.11.2009, Zl. 2008/19/0783, mwN). Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich ein Asylwerber auf sie, so liegt eben kein geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird jener Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein Fortbestehen und Weiterwirken behauptet) über den bereits rechtskräftig abgesprochen wurde (vgl. das Erk. des VwGH vom 20.3.2003, Zl. 99/20/0480).
Zum gegenständlichen Verfahren:
Maßstab der Rechtskraftwirkung bildet im vorliegenden Verfahren das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 9.4.2013, Zl. E5.433.755-1/2013/6E, welches in Rechtskraft erwuchs. Die Beschwerde brachte unter anderem vor, der Beschwerdeführer habe vorgebracht, ihn erwarte aufgrund seiner Ausreise eine Strafe und sei ein Bekannter von ihm nach der Abschiebung nach Pakistan auch verhaftet worden. Darauf gehe die belangte Behörde nicht ein. Damit zeigt die Beschwerde im Ergebnis eine relevante Rechtswidrigkeit auf.
Das erkennende Gericht hält zunächst fest, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid feststellte, dass der Beschwerdeführer in seinem ersten Asylverfahren sein Fluchtvorbringen nicht glaubhaft darstellen habe können (AS 1133) bzw. stütze sich der Beschwerdeführer zur Gänze auf sein bereits als unglaubhaft festgestelltes Vorbringen aus seinem Vorverfahren (AS 1195). Dazu ist festzustellen, dass sich die belangte Behörde mit diesen Ausführungen vom Sachverhalt des rechtskräftig entschiedenen Vorverfahrens entfernt. Sowohl das Bundesasylamt als auch der Asylgerichtshof sprachen dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers damals eben nicht die generelle Glaubhaftigkeit ab, sondern begründeten die Abweisung des Antrages damit, dass dem Beschwerdeführer sowohl eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe als auch damit, dass eine generelle Schutzunwilligkeit bzw. Schutzunfähigkeit der pakistanischen Behörden nicht erkennbar war. Dies stellt aber nun für das gegenständliche Verfahren den Maßstab der Prüfung gemäß § 68 AVG dar, nämlich ob sich die Situation des Beschwerdeführers hinsichtlich der innerstaatlichen Fluchtalternative bzw. der Schutzfähigkeit/Schutzwilligkeit der pakistanischen Behörden dem Beschwerdeführer gegenüber geändert hat. Für die Annahme der belangten Behörde, dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei keine Glaubhaftigkeit zuzubilligen, besteht kein Platz im gegenständlichen Verfahren, zumal eben die grundsätzliche Glaubhaftigkeit des Vorbringens ja bereits rechtskräftig festgestellt wurde.
Der Beschwerdeführer brachte aber auch vor, dass er befürchte, dass ihn eine Strafe wegen seiner illegalen Ausreise erwarte. Damit hat sich die belangte Behörde nicht erkennbar auseinandergesetzt und behauptet der Beschwerdeführer zumindest einen potentiell § 8 AsylG relevanten Sachverhalt. Ob der Sachverhalt bereits während des ersten Verfahrens bestand bzw. warum der Beschwerdeführer dies erst jetzt vorbringt und ob diesem Vorbringen überhaupt in irgendeiner Weise ein glaubhafter Kern zugebilligt werden kann, kann aber durch das erkennende Gericht aufgrund der eingeschränkten Prüfbefugnisse in derartigen Verfahren nicht festgestellt werden, sondern wird dies Aufgabe der belangten Behörde im weiteren Ermittlungsverfahren sein. Ebenso wird sich die belangte Behörde damit auseinander zu setzen haben, ob das Vorbringen des Beschwerdeführers überhaupt mit den einschlägigen Länderberichten zu Pakistan in Einklang zu bringen ist. Daran anknüpfend ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt aber auch nicht, welche Länderfeststellungen die belangte Behörde als Vergleichsmaßstab heranzieht, zumal der Asylgerichtshof in seinem Erkenntnis auf die seitens des BAA verwendeten Länderfeststellungen verwies, der erstinstanzliche Bescheid sich allerdings nicht im vorgelegten Verwaltungsakt befindet und der nunmehr angefochtene Bescheid konkrete Ausführungen zur Vergleichslage hinsichtlich der allgemeinen Situation in Pakistan ebenso vermissen lässt.
Der Beschwerde war daher stattzugeben, der angefochtene Bescheid war zu beheben und wird der Beschwerdeführer zum Asylverfahren zuzulassen sein. Angemerkt wird, dass einer späteren zurückweisenden Entscheidung die Zulassung nicht entgegensteht.
Darüber hinaus hält das erkennende Gericht fest, dass das Bundesverwaltungsgericht bereits im ebenfalls den Beschwerdeführer betreffenden Beschluss vom 16.8.2018, Zl. L516 2201397-1/4E festhielt, dass der Beschwerdeführer die auch im gegenständlichen Verfahren behaupteten "Rückkehrbefürchtungen" vorbrachte, wobei die belangte Behörde auch bereits im letzten Verfahren im Hinblick auf Art 3 EMRK keine weiteren Ausführungen dazu tätigte. Darüber hinaus hält das erkennende Gericht für das fortgesetzte Verfahren fest, dass die Erlassung eines Einreiseverbotes die Auseinandersetzung mit dem konkreten Fehlverhalten des Fremden voraussetzt und die reine Aufzählung von Verurteilungen nicht ausreicht. Auch hier ist eine konkrete Auseinandersetzung mit den Verurteilungen des Beschwerdeführers nicht ersichtlich, sondern führt die belangte Behörde zwar die Verurteilungen an, eine weitere Auseinandersetzung, warum sie nun konkret davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer eine derartige Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, die die Erlassung eines achtjährigen Einreiseverbotes rechtfertigt, sind dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen.
Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Ermittlungsmangel Ermittlungspflicht Ermittlungsverfahren Folgeantrag Gefährlichkeit Gefährlichkeitsprognose Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Kassation mangelnde Feststellungen mangelnde Sachverhaltsfeststellung Straffälligkeit Vorbringen ZurückverweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L525.2201397.2.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020