Entscheidungsdatum
31.01.2020Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W241 2117434-2/3E
W241 2227685-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HAFNER über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.12.2019, Zahlen 1.) 1042019610/BMI-BFA_B_II, 2.) 1145453310/170313413/BMI-BFA_B_II, zu Recht:
A)
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführer (in der Folge: BF) sind Staatsangehörige von Afghanistan. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) ist laut eigenen Angaben der Bruder des Zweitbeschwerdeführers (BF2).
1. Der BF1 stellte am 22.10.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. In weiterer Folge wurde ihm mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.09.2016, W121 2117434-1, der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
2. Am 10.03.2017 richteten die griechischen Behörden betreffend den BF2 unter Bezugnahme auf dessen Angaben ein auf Art. 8 Dublin III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an Österreich. Der BF2 sei ein unbegleiteter Minderjähriger und wünsche eine Überstellung zu seinem Bruder nach Österreich. Mit Antwort vom 09.05.2017 lehnte das BFA das griechische Aufnahmeersuchen mit der Begründung ab, dass die Minderjährigkeit des BF2 nicht erwiesen sei, und ersuchte um Übermittlung entsprechender Unterlagen.
Am 30.05.2017 langte eine Remonstration der griechischen Behörden ein, in der sie vorbrachten, dass die vom BFA angeführten Angaben des BF1 zu seinem Bruder für die Minderjährigkeit sprechen würden und der BF2 über keine Dokumente verfüge.
Mit Schreiben vom 20.07.2017 lehnte das BFA das griechische Ersuchen erneut ab. Begründend wurde ausgeführt, dass sich aus den Angaben des BF1 nicht eindeutig auf die Minder- oder Volljährigkeit des BF2 schließen lasse. Es weder um Übermittlung von Identitätsdokumenten oder eines Altersfeststellungsgutachtens ersucht.
Am 09.08.2017 langte ein Schreiben der griechischen Behörden ein, in dem mitgeteilt wurde, dass ein Altersfeststellungsgutachten des BF2 in Auftrag gegeben werde. Es werde ersucht, den Fall bis zur Übermittlung des Ergebnisses offen zu halten.
Mit Schreiben vom 30.08.2017 übermittelten die griechischen Behörden das Ergebnis eines Altersfeststellungsgutachtens, wonach der BF2 17,5 Jahre alt sei.
Mit Schreiben vom 18.01.2018 lehnte das BFA das Aufnahmeersuchen der griechischen Behörden erneut ab. Begründend wurde ausgeführt, dass aus dem Gutachten nicht ersichtlich sei, wie das Alter des BF2 bestimmt worden sei. Offenbar sei lediglich ein Handwurzelröntgen durchgeführt worden, was keine eindeutige Altersfeststellung erlaube.
Mit Schreiben vom 08.02.2018 teilte die griechischen Behörden mit, dass eine multifaktorielle Altersfeststellung durchgeführt werde, und ersuchten das BFA den Fall offen zu halten. Am 16.04.2018 wurde das multifaktorielle Altersfeststellungsgutachten übermittelt.
Mit Schreiben vom 15.05.2019 lehnte das BFA das Aufnahmeersuchen erneut mit der Begründung ab, dass keine eindeutigen Beweise für die Minderjährigkeit des BF2 vorliegen würden.
3. Mit Schriftsatz ihres bevollmächtigten Vertreters vom 23.07.2019 beantragten die BF
1.) die Erlassung von Feststellungsbescheiden zu den ablehnenden Antwortschreiben des BFA vom 20.07.2017, 18.01.2018 und 15.05.2019, wonach das BFA einer Aufnahme des BF2 nicht zustimmt, weil Österreich nicht zur Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz nach Art. 8 Dublin III-VO zuständig sei,
2.) in eventu, dass dem griechischen Aufnahmeersuchen zugestimmt werde, und
3.) die Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht, dass der Aufnahme des BF2 vorläufig zugestimmt werde, damit dieser vorläufig nach Österreich überstellt würde.
4. Das BFA wies mit den gegenständlich angefochtenen Bescheiden vom 17.12.2019 in Spruchpunkt I. die Anträge der BF vom 24.07.2019 auf Erlassung von Feststellungsbescheiden zu den Ablehnungen der Aufnahmegesuche und Remonstrationen Griechenlands zurück. Ebenso wies das BFA in Spruchpunkt II. die Eventualanträge auf Zustimmung zu den griechischen Aufnahmegesuchen nach der Dublin III-VO zurück. In Spruchpunkt III. wurden die Anträge auf Erlassung von einstweiligen Anordnungen nach dem Unionsrecht auf vorläufige Zustimmung zum griechischen Aufnahmegesuch nach der Dublin III-VO zwecks vorläufiger Überstellung nach Österreich zurückgewiesen.
Begründend wurde zu Spruchpunkt I. und II. im Wesentlichen ausgeführt, dass die Dublin III-VO ein geschlossenes Rechtsschutzsystem darstelle und kein subjektives Recht auf Feststellung der Zuständigkeit bzw. Unzuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates bestehe. Es bestehe auch kein subjektives Recht auf Zustimmung zu einem Aufnahmegesuch nach der Dublin III-VO, da das Zuständigkeitsprüfungsverfahren ein rein zwischenstaatliches Verfahren zwischen dem ersuchenden und dem ersuchten Mitgliedstaat sei. Ein Rechtsbehelf könne nur gegen die Unzuständigkeit des Mitgliedstaates erhoben werden, in den überstellt werden solle. Könnten sich die Mitgliedstaaten nicht einigen, so bestehe auf Initiative eines der beteiligten Mitgliedstaaten die Möglichkeit der Schlichtung nach Art. 37 Dublin III-VO, wobei auch diese kein subjektives Recht des betroffenen Drittstaatsangehörigen darstelle.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs komme ein Feststellungsbescheid über die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats im Sinne der Dublin III-VO nicht in Betracht, da dies nur mit Bescheiden nach § 5 AsylG und § 61 FPG erfolgen könne. Daran würden auch die Bestimmungen der Art. 8 und Art. 47 GRC nichts ändern, da die Dublin III-VO ein in sich geschlossenes Rechtsschutzsystem habe. Nur im Fall der Nichtprüfung- und Überstellung sei im Verwaltungsverfahren zu entscheiden, wobei mit Rechtsmittel gegen derartige Bescheide die behördliche Entscheidung über die Unzuständigkeit und Überstellung angefochten werden könne.
Da auch das innerstaatliche Recht keine Feststellungsbescheiderlassung im Fall der Ablehnung von Aufnahmegesuchen vorsehe, sei aus dem Äquivalenzgrundsatz, der für den Vollzug von unionsrechtlichen Angelegenheiten denselben Rechtsschutz wie für innerstaatliche Angelegenheiten vorsehe, nichts gewonnen.
Mangels Rechtsgrundlage sowie aufgrund eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Wegs der Feststellung der Unzuständigkeit Österreichs (nämlich nach § 5 AsylG und § 61 FPG) würden sich die Anträge auf Erlassung von Feststellungsbescheiden als unzulässig erweisen; auf die Frage, ob die Ablehnung des griechischen Aufnahmegesuchs durch das BFA rechtsrichtig erfolgt sei, komme es hierbei nicht an.
Zu Spruchpunkt III. wurde ausgeführt, dass die Haupt- und Eventualanträge der Beschwerdeführer nicht zulässig seien und dies dementsprechend auch für ihre Anträge auf eine einstweilige Anordnung gelte. Im Übrigen würde eine Stattgebung der Anträge auf einstweilige Anordnungen faktisch Entscheidungen in der Hauptsache sein, da Österreich diesfalls den griechischen Aufnahmegesuchen zustimmen und Griechenland eine Nichtprüfungs- und Überstellungsentscheidung im Sinne des Art. 26 Dublin III-VO erlassen müsste; eine einstweilige Anordnung wäre somit nicht von einer Stattgebung ihrer Eventualanträge zu unterscheiden, was ebenfalls dafür spreche, dass diese unzulässig seien. Da jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch über unzulässige Anträge zu entscheiden sei, seien ihre Anträge auf Erlassung von einstweiligen Anordnungen nach dem Unionsrecht ebenfalls mit Bescheid zurückzuweisen.
11. Mit Schreiben vom 15.01.2020 erhoben die BF wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit (insbesondere Unionsrechtswidrigkeit) fristgerecht Beschwerde und wiederholten im Wesentlichen ihre bisherigen Ausführungen und führten diese näher aus.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt wird der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensablauf ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt im Zusammenhalt mit dem Parteienvorbringen.
3. Rechtliche Beurteilung:
A) Zur Abweisung der Beschwerden:
3.1. Anzuwendendes Recht:
Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:
Art. 8
Minderjährige
(1) Handelt es sich bei dem Antragsteller um einen unbegleiteten Minderjährigen, so ist der Mitgliedstaat zuständiger Mitgliedstaat, in dem sich ein Familienangehöriger oder eines der Geschwister des unbegleiteten Minderjährigen rechtmäßig aufhält, sofern es dem Wohl des Minderjährigen dient. Ist der Antragsteller ein verheirateter Minderjähriger, dessen Ehepartner sich nicht rechtmäßig im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufhält, so ist der Mitgliedstaat zuständiger Mitgliedstaat, in dem sich der Vater, die Mutter, oder ein anderer Erwachsener - der entweder nach dem Recht oder nach den Gepflogenheiten des Mitgliedstaats für den Minderjährigen zuständig ist - oder sich eines seiner Geschwister aufhält.
(2) Ist der Antragsteller ein unbegleiteter Minderjähriger, der einen Verwandten hat, der sich rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, und wurde anhand einer Einzelfallprüfung festgestellt, dass der Verwandte für den Antragsteller sorgen kann, so führt dieser Mitgliedstaat den Minderjährigen und seine Verwandten zusammen und ist der zuständige Mitgliedstaat, sofern es dem Wohl des Minderjährigen dient.
(3) Halten sich Familienangehörige, Geschwister oder Verwandte im Sinne der Absätze 1 und 2 in mehr als einem Mitgliedstaat auf, wird der zuständige Mitgliedstaat danach bestimmt, was dem Wohl des unbegleiteten Minderjährigen dient.
(4) Bei Abwesenheit eines Familienangehörigen eines seiner Geschwisters oder eines Verwandten im Sinne der Absätze 1 und 2, ist der Mitgliedstaat zuständiger Mitgliedstaat, in dem der unbegleitete Minderjährige seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, sofern es dem Wohl des Minderjährigen dient.
(5) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Ermittlung von Familienangehörigen, Geschwistern oder Verwandten eines unbegleiteten Minderjährigen; die Kriterien für die Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung; die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit eines Verwandten, für den unbegleiteten Minderjährigen zu sorgen, einschließlich der Fälle, in denen sich die Familienangehörigen, Geschwister oder Verwandten des unbegleiteten Minderjährigen in mehr als einem Mitgliedstaat aufhalten, delegierte Rechtsakte zu erlassen. Bei der Ausübung ihrer Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte geht die Kommission nicht über den in Artikel 6 Absatz 3 vorgesehenen Umfang des Wohls des Kindes hinaus.
(6) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Art. 10
Familienangehörige, die internationalen Schutz beantragt haben
Hat ein Antragsteller in einem Mitgliedstaat einen Familienangehörigen, über dessen Antrag auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, sofern die betreffenden Personen diesen Wunsch schriftlich kundtun.
Art. 21
Aufnahmegesuch
(1) Hält der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, einen anderen Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags für zuständig, so kann er so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung im Sinne von Artikel 20 Absatz 2, diesen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen.
Abweichend von Unterabsatz 1 wird im Fall einer Eurodac- Treffermeldung im Zusammenhang mit Daten gemäß Artikel 14 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 dieses Gesuch innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Treffermeldung gemäß Artikel 15 Absatz 2 jener Verordnung gestellt.
Wird das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb der in Unterabsätzen 1 und 2 niedergelegten Frist unterbreitet, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für die Prüfung des Antrags zuständig.
(2) Der ersuchende Mitgliedstaat kann in Fällen, in denen der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, nachdem die Einreise oder der Verbleib verweigert wurde, der Betreffende wegen illegalen Aufenthalts festgenommen wurde oder eine Abschiebungsanordnung zugestellt oder vollstreckt wurde, eine dringende Antwort anfordern.
In dem Gesuch werden die Gründe genannt, die eine dringende Antwort rechtfertigen, und es wird angegeben, innerhalb welcher Frist eine Antwort erwartet wird. Diese Frist beträgt mindestens eine Woche.
(3) In den Fällen im Sinne der Unterabsätze 1 und 2 ist für das Gesuch um Aufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat ein Formblatt zu verwenden, das Beweismittel oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen und/oder sachdienliche Angaben aus der Erklärung des Antragstellers enthalten muss, anhand deren die Behörden des ersuchten Mitgliedstaats prüfen können, ob ihr Staat gemäß den in dieser Verordnung definierten Kriterien zuständig ist.
Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für die Erstellung und Übermittlung von Aufnahmegesuchen fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Art. 22
Antwort auf ein Aufnahmegesuch
(1) Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers innerhalb von zwei Monaten, nach Erhalt des Gesuchs.
(2) In dem Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats werden Beweismittel und Indizien verwendet.
(3) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten die Erstellung und regelmäßige Überprüfung zweier Verzeichnisse, in denen die sachdienlichen Beweismittel und Indizien gemäß den in den Buchstaben a und b dieses Artikels festgelegten Kriterien aufgeführt sind, fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
a) Beweismittel:
i) Hierunter fallen förmliche Beweismittel, die insoweit über die Zuständigkeit nach dieser Verordnung entscheiden, als sie nicht durch Gegenbeweise widerlegt werden;
ii) Die Mitgliedstaaten stellen dem in Artikel 44 vorgesehenen Ausschuss nach Maßgabe der im Verzeichnis der förmlichen Beweismittel festgelegten Klassifizierung Muster der verschiedenen Arten der von ihren Verwaltungen verwendeten Dokumente zur Verfügung;
b) Indizien:
i) Hierunter fallen einzelne Anhaltspunkte, die, obwohl sie anfechtbar sind, in einigen Fällen nach der ihnen zugebilligten Beweiskraft ausreichen können;
ii) Ihre Beweiskraft hinsichtlich der Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz wird von Fall zu Fall bewertet.
(4) Das Beweiserfordernis sollte nicht über das für die ordnungsgemäße Anwendung dieser Verordnung erforderliche Maß hinausgehen.
(5) Liegen keine förmlichen Beweismittel vor, erkennt der ersuchte Mitgliedstaat seine Zuständigkeit an, wenn die Indizien kohärent, nachprüfbar und hinreichend detailliert sind, um die Zuständigkeit zu begründen.
(6) Beruft sich der ersuchende Mitgliedstaat auf das Dringlichkeitsverfahren gemäß Artikel 21 Absatz 2, so unternimmt der ersuchte Mitgliedstaat alle Anstrengungen, um die vorgegebene Frist einzuhalten. In Ausnahmefällen, in denen nachgewiesen werden kann, dass die Prüfung eines Gesuchs um Aufnahme eines Antragstellers besonders kompliziert ist, kann der ersuchte Mitgliedstaat seine Antwort nach Ablauf der vorgegebenen Frist erteilen, auf jeden Fall ist die Antwort jedoch innerhalb eines Monats zu erteilen. In derartigen Fällen muss der ersuchte Mitgliedstaat seine Entscheidung, die Antwort zu einem späteren Zeitpunkt zu erteilen, dem ersuchenden Mitgliedstaat innerhalb der ursprünglich gesetzten Frist mitteilen.
(7) Wird innerhalb der Frist von zwei Monaten gemäß Absatz 1 bzw. der Frist von einem Monat gemäß Absatz 6 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.
Art. 27
Rechtsmittel
(1) Der Antragsteller oder eine andere Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d hat das Recht auf ein wirksames Rechtsmittel gegen eine Überstellungsentscheidung in Form einer auf Sach- und Rechtsfragen gerichteten Überprüfung durch ein Gericht.
(2) Die Mitgliedstaaten sehen eine angemessene Frist vor, in der die betreffende Person ihr Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Absatz 1 wahrnehmen kann.
(3) Zum Zwecke eines Rechtsbehelfs gegen eine Überstellungsentscheidung oder einer Überprüfung einer Überstellungsentscheidung sehen die Mitgliedstaaten in ihrem innerstaatlichen Recht Folgendes vor:
a) dass die betroffene Person aufgrund des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung berechtigt ist, bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats zu bleiben; oder
b) dass die Überstellung automatisch ausgesetzt wird und diese Aussetzung innerhalb einer angemessenen Frist endet, innerhalb der ein Gericht, nach eingehender und gründlicher Prüfung, darüber entschieden hat, ob eine aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung gewährt wird; oder
c) die betreffende Person hat die Möglichkeit, bei einem Gericht innerhalb einer angemessenen Frist eine Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung zu beantragen. Die Mitgliedstaaten sorgen für einen wirksamen Rechtsbehelf in der Form, dass die Überstellung ausgesetzt wird, bis die Entscheidung über den ersten Antrag auf Aussetzung ergangen ist. Die Entscheidung, ob die Durchführung der Überstellungsentscheidung ausgesetzt wird, wird innerhalb einer angemessenen Frist getroffen, welche gleichwohl eine eingehende und gründliche Prüfung des Antrags auf Aussetzung ermöglicht. Die Entscheidung, die Durchführung der Überstellungsentscheidung nicht auszusetzen, ist zu begründen.
(4) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die zuständigen Behörden beschließen können, von Amts wegen tätig zu werden, um die Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung auszusetzen.
Art. 37
Schlichtung
(1) Können sich die Mitgliedstaaten in Fragen, die die Anwendung dieser Verordnung betreffen, nicht einigen, können sie das Schlichtungsverfahren in Absatz 2 in Anspruch nehmen.
(2) Das Schlichtungsverfahren wird auf Ersuchen eines der an der Meinungsverschiedenheit beteiligten Mitgliedstaaten an den Vorsitzenden des durch Artikel 44 eingesetzten Ausschusses eingeleitet. Mit der Inanspruchnahme des Schlichtungsverfahrens verpflichten sich die beteiligten Mitgliedstaaten, die vorgeschlagene Lösung weitestgehend zu berücksichtigen.
Der Ausschussvorsitzende benennt drei Mitglieder des Ausschusses, die drei nicht an der Angelegenheit beteiligte Mitgliedstaaten vertreten. Diese Ausschussmitglieder nehmen die Argumente der Parteien in schriftlicher oder mündlicher Form entgegen und schlagen nach Beratung, gegebenenfalls nach Abstimmung, binnen eines Monats eine Lösung vor.
Der Ausschussvorsitzende oder sein Stellvertreter führt bei diesen Beratungen den Vorsitz. Er kann sich zur Sache äußern, darf an der Abstimmung aber nicht teilnehmen.
Die vorgeschlagene Lösung ist endgültig und kann ungeachtet dessen, ob sie von den Parteien angenommen oder abgelehnt wurde, nicht angefochten werden."
Art. 5 der Verordnung der Kommission (EG) 1560/2003 vom 2. September 2003, "Durchführungsverordnung", sieht folgendes vor:
Art. 5
Ablehnende Antwort
(1) Vertritt der ersuchte Mitgliedstaat nach Prüfung der Unterlagen die Auffassung, dass sich aus ihnen nicht seine Zuständigkeit ableiten lässt, erläutert er in seiner ablehnenden Antwort an den ersuchenden Mitgliedstaat ausführlich sämtliche Gründe, die zu der Ablehnung geführt haben.
(2) Vertritt der ersuchende Mitgliedstaat die Auffassung, dass die Ablehnung auf einem Irrtum beruht, oder kann er sich auf weitere Unterlagen berufen, ist er berechtigt, eine neuerliche Prüfung seines Gesuchs zu verlangen. Diese Möglichkeit muss binnen drei Wochen nach Erhalt der ablehnenden Antwort in Anspruch genommen werden. Der ersuchte Mitgliedstaat erteilt binnen zwei Wochen eine Antwort. Durch dieses zusätzliche Verfahren ändern sich in keinem Fall die in Artikel 18 Absätze 1 und 6 und Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe b) der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vorgesehenen Fristen.
3.2. Zu den (zurückweisenden) Spruchpunkten I. bis III. der angefochtenen Bescheide:
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs darf ein Verwaltungsgericht auf Grund einer gegen eine Zurückweisung erhobenen Beschwerde nur über die Rechtmäßigkeit des Zurückweisungsbescheides, nicht hingegen über den Antrag selbst entscheiden (vgl. dazu etwa VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115, mit Verweis auf VwGH 29.04.2015, 2013/08/0136). "Sache" im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG und demnach Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht ist im vorliegenden Fall die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung der Anträge durch das BFA.
3.2.1. Zu Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide (Zurückweisung der Anträge auf Erlassung eines Feststellungsbescheides zur Ablehnung des Aufnahmegesuches und Remonstrationen Griechenlands):
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 26.03.2019, Ro 2018/19/0005-0010, zu einem gleich gelagerten Fall ausgeführt, dass weder das AsylG 2005 noch eine andere nationale Rechtsvorschrift die Erlassung eines Feststellungsbescheides darüber vorsieht, ob Österreich nach der Dublin III-VO der zuständige Mitgliedstaat zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz ist und daher einem (Wieder-)Aufnahmegesuch zuzustimmen oder es abzulehnen hat.
Die BF haben diesbezüglich auch aus dem Unionsrecht kein Feststellungsinteresse:
Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO prüfen die Mitgliedstaaten jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
Nach Art. 7 Abs. 1 Dublin III-VO finden die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats in der in Kapitel III genannten Rangfolge Anwendung.
Nach Art. 10 Dublin III-VO ist dann, wenn ein Antragsteller in einem Mitgliedstaat einen Familienangehörigen hat, über dessen Antrag auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, sofern die betreffenden Personen diesen Wunsch schriftlich kundtun.
Nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO ist, wenn auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 22 Abs. 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt wird, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.
Nach Art. 21 Abs. 1 Dublin III-VO kann der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, einen anderen Mitgliedstaat so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, wenn er diesen anderen Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrages für zuständig hält. Im Fall einer Eurodac-Treffermeldung im Zusammenhang mit Daten gemäß Art. 14 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 wird dieses Gesuch innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Treffermeldung gemäß Art. 15 Abs. 2 jener Verordnung gestellt. Wird das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb der entsprechenden Frist unterbreitet, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für die Prüfung des Antrags zuständig.
Nach Art. 22 Abs. 1 Dublin III-VO nimmt der ersuchte Mitgliedstaat die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Aufnahme innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt des Gesuchs. Wird innerhalb dieser Frist keine Antwort erteilt, ist nach Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird.
Sofern der ersuchte Mitgliedstaat die Aufnahme ablehnt, ist der ersuchende Mitgliedstaat, wenn er die Auffassung vertritt, dass die Ablehnung auf einem Irrtum beruht oder er sich auf weitere Unterlagen berufen kann, nach Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Durchführungsverordnung) berechtigt, vom ersuchten Mitgliedstaat eine neuerliche Prüfung seines Gesuchs um Aufnahme zu verlangen (Remonstrationsverfahren). Diese Möglichkeit muss binnen drei Wochen nach Erhalt der ablehnenden Antwort in Anspruch genommen werden. Der ersuchte Mitgliedstaat erteilt binnen zwei Wochen eine Antwort.
Nach Art. 26 Abs. 1 Dublin III-VO setzt der ersuchende Mitgliedstaat, wenn der ersuchte Mitgliedstaat der Aufnahme oder Wiederaufnahme eines Antragstellers oder einer anderen Person im Sinne von Art. 18 Abs. 1 lit. c oder d zustimmt, die betreffende Person von der Entscheidung in Kenntnis, sie in den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, sowie gegebenenfalls von der Entscheidung, ihren Antrag auf internationalen Schutz nicht zu prüfen.
Nach Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO hat der Antragsteller oder eine andere Person im Sinne von Art. 18 Abs. 1 lit. c oder d das Recht auf ein wirksames Rechtsmittel gegen eine Überstellungsentscheidung in Form einer auf Sach- und Rechtsfragen gerichteten Überprüfung durch ein Gericht.
Nach Art. 37 Dublin III-VO können die Mitgliedstaaten ein Schlichtungsverfahren in Anspruch nehmen, wenn sie sich in Fragen, die die Anwendung dieser Verordnung betreffen, nicht einigen können.
Nach Art. 26 Abs. 1 Dublin III-VO darf eine Überstellungsentscheidung dem Betroffenen erst dann mitgeteilt werden, wenn der ersuchte Mitgliedstaat seiner Aufnahme zugestimmt hat (vgl. EuGH 26.7.2017, A. S., C-490/16, Rn 33). Folglich kann der in Art. 27 Dublin III-VO vorgesehene Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung grundsätzlich nur dann zum Tragen kommen, wenn der ersuchte Mitgliedstaat der Aufnahme entweder ausdrücklich oder implizit stattgegeben hat (vgl. EuGH 26.7.2017, Mengesteab, C-670/16, Rn 60). Hingegen sieht weder Art. 27 noch eine andere Bestimmung der Dublin III-VO ein Rechtsmittel eines Antragstellers auf internationalen Schutz gegen die Ablehnung eines Aufnahmegesuchs durch den ersuchten Mitgliedstaat vor (vgl. den 19. Erwägungsgrund der Dublin III-VO; vgl. auch EuGH 23.01.2019, M.A., S.A., A.Z., C-661/17, Rn 75f, wonach Art. 27 Dublin III-VO nicht ausdrücklich einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung vorsieht, von der in Art. 17 Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehenen Befugnis keinen Gebrauch zu machen). Auch das österreichische Recht sieht ein solches Rechtsmittel nicht vor.
Der EuGH hat mit Urteil vom 13.11.2018, X und X, C-47/17, C-48/17, festgehalten, dass der Unionsgesetzgeber die Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren nach der Dublin III-VO mit einer Reihe zwingender Fristen versehen hat, die entscheidend zur Verwirklichung des im fünften Erwägungsgrund der Dublin III-VO genannten Ziels einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz beitragen, indem sie gewährleisten, dass diese Verfahren ohne unberechtigte Verzögerung durchgeführt werden (aaO, Rn 69). Art. 5 Abs. 2 Durchführungsverordnung, der ein zusätzliches Verfahren vorsieht, ist im Einklang mit den Vorschriften der Dublin III-VO und den mit dieser verfolgten Zielen auszulegen. Ein Verfahren der neuerlichen Prüfung, das mit der Folge unbefristet wäre, dass die Frage, welcher Mitgliedstaat für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, offen bliebe, und dass somit die Prüfung eines solchen Antrags erheblich, potenziell sogar zeitlich unbeschränkt hinausgezögert würde, wäre mit diesem Ziel einer zügigen Bearbeitung unvereinbar (aaO, Rn 73f). Der Ablauf der nach Art. 5 Abs. 2 Durchführungsverordnung vorgesehenen Antwortfrist von zwei Wochen schließt das zusätzliche Verfahren der neuerlichen Prüfung - gleich ob der ersuchte Mitgliedstaat innerhalb dieser Frist auf das Ersuchen um neuerliche Prüfung des ersuchenden Mitgliedstaats geantwortet hat oder nicht - mit der Wirkung endgültig ab, dass der ersuchende Mitgliedstaat nach Ablauf dieser Frist als für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig anzusehen ist (aaO, Rn 86f).
Unter Berufung auf dieses Urteil des EuGH hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 13.12.2018, Ra 2017/18/0110, ausgesprochen, dass die Annahme eines Wiederaufnahmegesuchs durch die italienischen Behörden nach Ablauf der zweiwöchigen Remonstrationsfrist, nachdem diese das Wiederaufnahmegesuch zuvor nach neuerlicher Prüfung im Remonstrationsverfahren bereits fristgerecht abgelehnt hatten, die Zuständigkeit Italiens nicht mehr begründen konnte. Ebenfalls unter Berufung auf dieses Urteil des EuGH hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 23.01.2019, Ra 2017/20/0205, ausgesprochen, dass die Annahme eines Aufnahmegesuchs durch die italienischen Behörden auf Grund eines verspäteten Ersuchens der österreichischen Behörden um neuerliche Prüfung, nachdem die italienischen Behörden das Aufnahmegesuch zuvor fristgerecht abgelehnt hatten, eine Zuständigkeit Italiens nicht mehr begründen konnte.
Für das vorliegende Verfahren bedeutet dies, dass die in Art. 5 Abs. 2 Durchführungsverordnung vorgesehene Remonstrationsfrist - ausgehend vom Einlagen des Ersuchens der griechischen Behörden um neuerliche Prüfung des Aufnahmegesuchs am 30.05.2017 - und damit auch das Remonstrationsverfahren in Bezug auf den BF2 mit Ablauf des 14.06.2017 endgültig endete (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2017/18/0110). Die Zuständigkeit Griechenlands für die inhaltliche Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz des BF2 stand somit zu diesem Zeitpunkt fest. Eine spätere Zustimmung der österreichischen Behörden zum Aufnahmegesuch könnte die Zuständigkeit Österreichs nicht mehr begründen (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2017/18/0110; 23.01.2019, Ra 2017/20/0205).
Die Feststellungsanträge der BF vom 24.07.2019 verfolgen den Zweck, einen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren überprüfbaren Feststellungsbescheid über die richtige Anwendung des Art. 8 Dublin III-VO in Zusammenhang mit der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur inhaltlichen Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz des BF2 zu erwirken. Da jedoch eine Zuständigkeit Österreichs nach Abschluss des diesen betreffenden Remonstrationsverfahrens nicht mehr begründet werden könnte, bestand diesbezüglich jedenfalls auch kein Feststellungsinteresse der BF.
3.2.2. Zu Spruchpunkt II. (Eventualantrag auf Zustimmung zu den griechischen Aufnahmeersuchen):
Wie bereits oben dargelegt, handelt es sich beim Konsultationsverfahren um ein rein zwischenstaatliches Verfahren zwischen dem ersuchenden Mitgliedstaat und dem ersuchten Mitgliedstaat. Lehnt der ersuchte Mitgliedstaat ein Aufnahmeersuchen ab, steht es dem ersuchenden Mitgliedstaat frei, dagegen zu remonstrieren (vgl. Art. 5 Durchführungsverordnung), eine Beteiligung des Drittstaatsangehörigen ist jedoch ebenso wie eine gerichtliche Kontrolle im Konsultationsverfahren nicht vorgesehen. Bei nicht rechtskonformer Ablehnung eines Aufnahmeersuchens kann dies eine nach den allgemeinen Regelungen des Unionsrechts sanktionierbare Rechtsverletzung sein, wobei die Initiative für die Geltendmachung dieser Rechtsverletzung nur beim ersuchenden Mitgliedstaat liegt (Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2014, K3 zu Art. 18).
Dementsprechend kann ein rechtsrichtiges Handeln eines anderen Mitgliedstaats in Form einer Zustimmung durch den betroffenen Drittstaatsangehörigen nicht erzwungen werden (vgl. Filzwieser/Sprung, aaO); insbesondere besteht kein Antragsrecht der BF auf Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaates, sodass die Zurückweisung der eventualiter beantragten Zustimmungen zu den griechischen Aufnahmegesuchen nach der Dublin III-VO hinsichtlich des BF2 vom BFA letztlich zu Recht erfolgt ist.
3.2.3. Zu Spruchpunkt III. (Antrag auf Erlassung von einstweiligen Anordnungen nach dem Unionsrecht):
Die BF beantragten die Erlassung von einstweiligen Anordnungen nach dem Unionsrecht auf vorläufige Zustimmung zum griechischen Aufnahmegesuch nach der Dublin III-VO zwecks vorläufiger Überstellung des BF2 nach Österreich, die vom BFA zurückgewiesen wurden.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes können die nationalen Gerichte einstweilige Anordnungen nur unter solchen Voraussetzungen treffen, die für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Gerichtshof gelten. Zu diesen Voraussetzungen gehören die Glaubhaftmachung der Notwendigkeit der Erlassung der einstweiligen Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (fumus boni iuris), das Feststehen der Dringlichkeit im Sinne der Verhinderung des Eintritts eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens beim Antragsteller und gegebenenfalls die Abwägung aller bestehenden Interessen. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, sodass der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen ist, wenn eine von ihnen fehlt (VwGH vom 29.10.2014, Ro 2014/04/0069).
Einstweilige Anordnungen haben die Funktion, vorläufigen Rechtsschutz bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu gewähren; der Grundsatz der Effektivität verlangt nicht, dass die Rechtsordnung eines Mitgliedstaats die Möglichkeit vorsieht, im Rahmen eines nach dem Recht dieses Mitgliedstaats unzulässigen Antrags den Erlass vorläufiger Maßnahmen durch das zuständige nationale Gericht zu erlangen (VwGH vom 16.09.2010, 2010/12/0126).
Da es sich im gegenständlichen Fall um unzulässige Anträge handelt, wurde auch der Antrag auf einstweilige Anordnungen nach dem Unionsrecht vom BFA zu Recht zurückgewiesen.
Dasselbe gilt auch für die in der Beschwerde im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht beantragten einstweiligen Anordnungen, über welche Anträge sich ein gesonderter Abspruch im Hinblick auf die gegenständlich erfolgte Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht in der Hauptsache erübrigte.
Abgesehen davon aber sei angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf solche einstweiligen Anordnungen durch die Verwaltungsgerichte im Verfahren nach dem VwGVG in seinem Erkenntnis vom 23.10.2015, Fr 2015/21/0012, Folgendes ausgesprochen hat:
"Einstweilige Anordnungen sind im Verfahren nach dem VwGVG - ebenso wie im Revisionsverfahren nach dem VwGG - gesetzlich nicht vorgesehen. Der VwGH hat jedoch - der Rsp des EuGH folgend - bereits mehrmals ausgesprochen, es sei nicht ausgeschlossen, auf Grundlage der unmittelbaren Anwendung von Unionsrecht einstweilige Anordnungen mit der Wirkung zu treffen, dem Antragsteller eine Rechtsposition vorläufig einzuräumen, deren Einräumung mit dem angefochtenen Verwaltungsakt auf der Grundlage einer (möglicherweise dem Unionsrecht widersprechenden) nationalen Rechtsvorschrift verweigert wurde. Die Erlassung einstweiliger Anordnungen nach Unionsrecht kommt nicht nur im Revisionsverfahren, sondern auch im Beschwerdeverfahren nach dem VwGVG in Betracht (vgl. zu den für alle Instanzen geltenden unionsrechtlichen Vorgaben zuletzt etwa das Urteil des EuGH vom 15. Jänner 2013, C-416/10, Kri?an ua, Rz 107: Ein mit einem nach Unionsrecht zu beurteilenden Rechtsstreit befasstes nationales Gericht muss in der Lage sein, vorläufige Maßnahmen zu erlassen, um die volle Wirksamkeit der späteren Gerichtsentscheidung über das Bestehen der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte sicherzustellen).
Die Regelung des einzuhaltenden Verfahrens (einschließlich der Zuständigkeit) überlässt das Unionsrecht im Allgemeinen - das heißt, soweit nicht in den einzelnen unionsrechtlichen Rechtsvorschriften eigenständige Bestimmungen enthalten sind - den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Verfahrensautonomie, wobei das Äquivalenz- und das Effektivitätsprinzip zu beachten sind (vgl. das Urteil des EuGH vom 13. März 2007, C-432/05, Unibet, Rz 80 ff).
Da das VwGVG keine Bestimmungen über die Erlassung einstweiliger Anordnungen enthält, sind, soweit sich aus dem Unionsrecht die Notwendigkeit dafür ergibt, für die Zuständigkeit und das Verfahren die sachnächsten Regelungen sinngemäß heranzuziehen. Als solche sind in der vorliegenden Konstellation in erster Linie die Regelungen des VwGVG über die Gewährung aufschiebender Wirkung anzusehen, geht es doch auch dabei um die Einräumung vorläufigen Rechtsschutzes, um die Effektivität des in der Hauptsache erhobenen Rechtsmittels sicherzustellen (für eine sinngemäße Anwendung der Regelungen über die aufschiebende Wirkung etwa auch Schulev-Steindl in Fischer/Pabel/Raschauer (Hrsg), Verwaltungsgerichtsbarkeit (2014) Rz 21, 53)."
Bescheidbeschwerden kommt grundsätzlich die aufschiebende Wirkung zu, jedoch kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung durch Beschluss ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist (vgl. § 22 Abs. 2 VwGVG).
Im Beschwerdefall ist festzuhalten, dass einerseits die angefochtenen Bescheide einem (aufzuschiebenden) Vollzug nicht zugänglich sind und andererseits die von den BF beantragte einstweilige Zustimmung und einstweilige Überstellung über die Sache der Hauptanträge (die Feststellungen der Ablehnung Österreichs zum griechischen Aufnahmeersuchen) hinausgehen, sodass nicht von der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gesprochen werden kann, sondern damit vielmehr eine Überschreitung der Entscheidung in der Hauptsache vorliegen würde.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; vielmehr konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf die eindeutige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Frage in Ro 2018/19/0005-0010 vom 26.03.2019 stützen.
Schlagworte
einstweilige Anordnung Feststellungsbescheid Unionsrecht Voraussetzungen Wegfall der GründeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W241.2227685.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020