TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/16 W218 2222599-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.04.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

16.04.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
NSchG Art7
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W218 2222599-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER über die Beschwerde der XXXX , gegen den Bescheid der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen & Bergbau (jetzt: Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau) vom 11.06.2019 betreffend der mitbeteiligte Parteien XXXX , VN XXXX , XXXX , VN: XXXX und XXXX VN: XXXX bezüglich Überprüfung nach dem Nachtschwerarbeitsgesetz (NSchG), zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau (jetzt: Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau) zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen & Bergbau (belangte Behörde) hat mit Bescheid vom 11.06.2019 gemäß § 409 ASVG iVm Art. XII Abs. 1 NSchG ausgesprochen, dass die mitbeteiligten Parteien XXXX , VN XXXX , aufgrund seiner Tätigkeit für die Beschwerdeführerin ab XXXX , XXXX , VN: XXXX , aufgrund seiner Tätigkeit für die Beschwerdeführerin ab XXXX und XXXX , VN: XXXX aufgrund seiner Tätigkeit für die Beschwerdeführerin ab XXXX den Bestimmungen des Art. VII des Nachtschwerarbeitsgesetzes (NSchG) unterlägen.

Begründend wurde ausgeführt, dass die mitbeteiligten Parteien jeweils über einen Arbeitsplatz mit 10 Bildschirmen verfügen, wobei die Tätigkeit als Netzkoordinator quantitativ mit 45% der Tätigkeitsdauer und der Informationskoordinator quantitativ mit zumindest 55% der Tätigkeitsdauer mit Bildschirminteraktion befasst sei und daher die Tätigkeit als Nachtschwerarbeit zu definieren sei.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde und brachte vor, die belangte Behörde habe die Feststellungen aufgrund eines unschlüssigen Gutachtens getroffen. Die Befundaufnahme sei am 18.04.2019 zwischen 20:00 Uhr und 00:15 Uhr erfolgt, eine Vorbesichtigung sei dabei bereits am 10.04.2019 um 13:00 Uhr erfolgt. Da die Arbeitsbelastung ab 00:00 Uhr erheblich abnehme, sei der Sachverständige zu den betriebsschwächeren Zeiten nicht anwesend gewesen, sondern habe die Belastung der intensiveren Arbeitszeit auf die betriebsschwächere Zeit hochgerechnet. In den Nachtstunden gebe es kaum Störungen mit Eingriffserfordernissen, da die Hauptverkehrszeiten zwischen 05:30 Uhr und 09:00 Uhr und zwischen 14:00 Uhr und 19:00 Uhr lägen. In der Nachtzeit handle es sich somit hauptsächlich um Kontrolltätigkeiten ohne Eingriffsnotwendigkeit.

3. Die gegenständliche Beschwerde sowie der bezughabende Verwaltungsakt langten am 20.08.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die mitbeteiligten Parteien sind Dienstnehmer der XXXX und üben dort Nachtschichten aus.

Der Dienstnehmer XXXX übt am Standort der XXXX , die Funktion des XXXX aus. Die Dienstnehmer XXXX und XXXX üben an diesem Standort die Funktion als XXXX aus. Die tägliche Schichtzeit in der Nacht ist von 18:25 Uhr bis 06:35 Uhr und beinhaltet drei bezahlte Pausen für die Dauer von je 10 Minuten.

Die mitbeteiligten Parteien stellten bei der belangten Behörde einen Antrag auf Feststellung des Vorliegens von Nachtschwerarbeit nach dem Nachtschwerarbeitsgesetz.

Die belangte Behörde hat zur Ermittlung des Sachverhaltes ein Gutachten in Auftrag gegeben. Das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten ist nicht schlüssig und kann der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden. Die notwendigen Ermittlungen des maßgeblichen Sachverhaltes wurden nicht ausreichend durchgeführt

Ob Nachtschwerarbeit vorliegt, kann auf Grund des nicht schlüssigen Gutachtens nicht festgestellt werden. Das von der belangten Behörde in Auftrag gegebene Gutachten hat sich zeitlich nicht mit der gesamten anfallenden Tätigkeit während einer oder mehrerer Nachtschichten befasst und lediglich den anfallenden Zeitaufwand aufgrund der teilweise erfassten Tätigkeiten hochgerechnet.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichtes.

Unstrittig ist, dass die mitbeteiligten Parteien im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Nachtarbeit für die Beschwerdeführerin geleistet haben.

Die Feststellungen zu dem Aufgabenbereich des Netzkoordinators, des zentralen Informationskoordinators und der Verkehrsleiter gründen sich auf die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Arbeitsplatzbeschreibungen, welche sowohl dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten eines allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen für Ergonomie und Arbeitsplatzgestaltung sowie dem von der Beschwerdeführerin in Auftrag gegebenem Gutachten eines Sachverständigen für Betriebsberatung, Arbeits- und Betriebsorganisation und Berufskunde zu Grunde gelegt wurden.

Das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten beurteilt die Tätigkeit der drei Tätigkeitsbereiche der mitbeteiligten Parteien aufgrund einer Befundaufnahme am 18.04.2019 zwischen 20:00 Uhr und 00:15 Uhr. Dabei wurden alle drei Tätigkeitsbereiche über einen gewissen Zeitraum mit einem Mitarbeiter der Beschwerdeführerin analysiert. Es erfolgte eine Aufstellung der im Analysezeitraum erfolgten Tätigkeiten der jeweiligen Mitarbeiter des beobachteten Arbeitsplatzes sowie auf dieser Grundlage eine Hochrechnung der getätigten Bildschirmarbeit auf die restliche Arbeitszeit. Die Hochrechnung erfolgte zwar unter Berücksichtigung des Nichtvorliegens des Personenverkehrs ab 01:30 Uhr sowie der Beachtung jener Tätigkeiten, die aufgrund des geringeren Arbeitsaufwandes in die Nachtschicht fallen. Allerdings ist nicht nachvollziehbar, inwiefern dieser geringere Arbeitsaufwand tatsächlich in die Berechnung eingeflossen ist, da diese Berücksichtigung nicht auf Grund der eigenen Wahrnehmung des Gutachters, sondern auf den Angaben der mitbeteiligten Parteien erfolgte. Um ein schlüssiges Bild des Arbeitsaufwandes einer Nachtschicht darstellen zu können, muss eine nachvollziehbare Darstellung der Tätigkeiten vorgenommen werden, zumal unbestritten ist, dass der Arbeitsaufwand nicht gleichbleibend während einer gesamten Nachtschicht ist.

Hinzu kommt, dass aus dem von der belangten Behörde in Auftrag gegebenen Gutachten nicht auf die tatsächliche Eingabetätigkeit geschlossen werden kann und inwiefern tatsächlich die Arbeit über eine reine Kontrolltätigkeit hinausgehend vorliegt. Es muss klargestellt werden, wieviel Zeit in einer durchschnittlichen Nachtschicht in qualitativer "Arbeit mit dem Bildschirmgerät" und in quantitativer Hinsicht "Arbeitszeit an diesem Gerät" verbracht wird. Um dies festzustellen, ist es nicht ausreichend, dass lediglich die Arbeit einer Nacht (noch dazu eine Nacht, an der wegen eines Feiertages ein erhöhtes Verkehrsaufkommen vorlag) dokumentiert wird und von dieser Nacht auch nur die Zeit von 20:00 Uhr bis 0:15 Uhr festgehalten wird.

Das von der Beschwerdeführerin in Auftrag gegebene Gutachten wurde ebenfalls aufgrund einer tatsächlichen Überwachung der verfahrensgegenständlichen Tätigkeitsbereiche in der Nachtschicht erstellt. Auch dieses Gutachten bezieht sich auf die Nachtschicht lediglich einer Nacht und umfasst lediglich den Zeitraum von 20:30 Uhr bis 04:30 Uhr.

Gem. Artikel VII NSchG leistet Nachtarbeit im Sinne dieses Bundesgesetzes ein Arbeitnehmer, der in der Zeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr mindestens sechs Stunden arbeitet, sofern nicht in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt.

Daher wird ein ergänzendes Gutachten sich jedenfalls mit dem Arbeitsaufwand der mitbeteiligten Parteien in genau diesem Zeitraum zu befassen haben, dies ist auch mit dem Schichtdienst der mitbeteiligten Parteien vereinbar, der von 18:25 Uhr bis 06:35 Uhr andauert.

Weiters muss das ergänzende Gutachten an mindestens zwei "durchschnittlichen" Arbeitstagen den Arbeitsablauf festhalten, um zu einer realistischen Betrachtungsweise bzw. Hochrechnung zu gelangen.

Auch ist nicht nachvollziehbar, wie intensiv die Bildschirmarbeit bezüglich der Arbeitsaufträge "Bearbeitung des Management Summary des Netzkoordinators und die Weiterbearbeitung durch den zentralen Informationskoordinator sowie die Bearbeitung des Dienstauftragsbuches, welche zwar nicht täglich notwendig ist, aber aufgrund des erhöhten Verkehrsaufkommens auch in der Nacht gemacht werden" ist. Weiters ist nicht festgehalten, inwiefern die Arbeitnehmer durchschnittlich ununterbrochen mehr als zwei Stunden oder durchschnittlich mehr als drei Stunden in diesem Sinne mit Bildschirmarbeit beschäftigt sind.

Ein ergänzendes Gutachten wird daher die in der Nachtschicht anfallenden Arbeiten detaillierter und nachvollziehbar erfassen müssen und zwar in dem Sinne, dass daraus geschlossen werden kann, wieviel Zeit tatsächlich mit der Bedienung von Dateneingabetastaturen bzw. sonstigen Steuerungseinheiten verbracht wird. Auch muss festgehalten werden, ob diese Einheiten in jedem Nachtdienst mit dem gleichen Aufwand stattfinden oder dies größeren Schwankungen unterliegt und ob durchschnittlich ununterbrochen mehr als zwei Stunden oder durchschnittlich mehr als drei Stunden mit Bildschirmarbeit (über reine Kontrolltätigkeit hinausgehend) verbracht wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Die im gegenständlichen Beschwerdefall von der belangten Behörde herangezogenen Bestimmungen des Bundesgesetzes über Schutzmaßnahmen für Nachtschwerarbeiter durch Änderung des Urlaubsgesetzes, des Arbeitszeitgesetzes und des Arbeitsverfassungsgesetzes sowie durch Maßnahmen zur Sicherung der gesetzlichen Abfertigung, der Gesundheitsvorsorge und Einführung eines Sonderruhegeldes (Nachtschwerarbeitsgesetz - NSchG) in der geltenden Fassung lauten

"ARTIKEL VII

Nachtarbeit und Nachtschwerarbeit

(1) Nachtarbeit im Sinne dieses Bundesgesetzes leistet ein Arbeitnehmer, der in der Zeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr mindestens sechs Stunden arbeitet, sofern nicht in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt.

(2) Nachtschwerarbeit leistet ein Arbeitnehmer im Sinne des Abs. 1, der unter einer der folgenden Bedingungen arbeitet:

1. bis 6. (...)

7. bei Arbeit an Bildschirmarbeitsplätzen (das sind Arbeitsplätze, bei denen das Bildschirmgerät und die Dateneingabetastatur sowie gegebenenfalls ein Informationsträger eine funktionale Einheit bilden), sofern die Arbeit mit dem Bildschirmgerät und die Arbeitszeit an diesem Gerät für die gesamte Tätigkeit bestimmend sind. Sonstige Steuerungseinheiten sind Dateneingabetastaturen gleichgestellt, wenn die Voraussetzungen des ersten Satzes erfüllt sind und die Bedienung dieser Steuerungseinheiten durch die Vielfältigkeit und Menge der je Zeiteinheit zu verarbeitenden Informationen und die Häufigkeit und Dichte aufeinanderfolgender Teilaufgaben oder sonstige Arbeitsbedingungen (zB Störeinflüsse, Beleuchtung) für die dort beschäftigten Arbeitnehmer eine entsprechende Erschwernis darstellen;

8.-11. (...)

(3) bis (4) (...)

(5) Die zuständigen Krankenversicherungsträger haben auf Antrag des Arbeitgebers, des Arbeitnehmers oder des zuständigen Organs der Arbeitnehmerschaft durch Bescheid im Einzelfall die erschwerenden Arbeitsbedingungen im Sinne des Abs. 2 oder 4, einer Verordnung nach Abs. 3 oder eines Kollektivvertrages gemäß Abs. 6 festzustellen. An einem solchen Verfahren hat der Krankenversicherungsträger das zuständige Arbeitsinspektorat zu beteiligen.

(6) Durch Kollektivvertrag können sonstige Arbeiten im Sinne des Abs. 1 der Nachtschwerarbeit gleichgestellt werden, wenn sie eine außergewöhnliche Beanspruchung mit sich bringen oder wenn Arbeitnehmer der Einwirkung durch Schadstoffe oder Strahlen ausgesetzt sind.

Artikel XII

Verfahren

(1 Feststellungsverfahren im Sinne des Art. VII Abs. 5 und Streitigkeiten über das Vorliegen der Voraussetzungen nach Art. VII Abs. 2 oder 4, einer Verordnung nach Art. VII Abs. 3 oder eines Kollektivvertrages gemäß Art. VII Abs. 6, über den Beginn und das Ende der Nachtschwerarbeit sowie über den Nachtschwerarbeits-Beitrag gelten als Verwaltungssachen im Sinne des § 409 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes.

(2) Auf das Verfahren in Verwaltungssachen im Sinne des Abs. 1 sind die Bestimmungen des Siebenten Teiles des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes anzuwenden.

(3) Im Verfahren über Leistungssachen darf über das Vorliegen der Voraussetzungen nach Art. VII Abs. 2 oder 4, einer Verordnung nach Art. VII Abs. 3 oder eines Kollektivvertrages gemäß Art. VII Abs. 6 als Vorfrage nicht entschieden werden. Der Versicherungsträger oder der nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz zuständige Gerichtshof hat vielmehr die Einleitung des Verfahrens beim zuständigen Krankenversicherungsträger zu beantragen und das eigene Verfahren bis zur Rechtskraft der Entscheidung auszusetzen (zu unterbrechen).

Artikel XIV

Inkrafttreten

(1) Dieses Bundesgesetz tritt, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt wird, am 1. Juli 1981 in Kraft."

Ebenfalls relevant ist die Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales über den Schutz der Arbeitnehmer/innen bei Bildschirmarbeit (Bildschirmarbeitsverordnung - BS-V) idgF

Geltungsbereich

§ 1. (1) Der 2. Abschnitt gilt für Bildschirmarbeitsplätze im Sinne des § 67 Abs. 1 zweiter Satz ASchG, ausgenommen die in § 67 Abs. 5 ASchG genannten Einrichtungen und Geräte.

(2) Der 3. Abschnitt gilt für Bildschirmarbeit, das ist die Ausführung von Tätigkeiten wie Datenerfassung, Datentransfer, Dialogverkehr, Textverarbeitung, Bildbearbeitung oder CAD/CAM - Arbeiten an Bildschirmarbeitsplätzen im Sinne des § 67 Abs. 1 zweiter Satz ASchG unter Verwendung von Bildschirmgeräten im Sinne des § 67 Abs. 1 ASchG.

(3) Der 4. Abschnitt gilt für die Beschäftigung von Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen an Bildschirmarbeitsplätzen im Sinne des Abs. 1.

(4) Ein nicht unwesentlicher Teil der normalen Arbeit im Sinne des § 68 Abs. 3 ASchG liegt vor, wenn Arbeitnehmer/innen

1.durchschnittlich ununterbrochen mehr als zwei Stunden oder

2.durchschnittlich mehr als drei Stunden

ihrer Tagesarbeitszeit mit Bildschirmarbeit beschäftigt werden.

Arbeitsmittel

§ 2. Als Arbeitsmittel im Sinne dieser Verordnung gelten Bildschirmgeräte, Eingabe- und Datenerfassungsvorrichtungen sowie unbedingt erforderliche Zusatzgeräte.

Es ist unbestritten, dass die mitbeteiligten Parteien im Betrieb der Beschwerdeführerin tätig sind und dabei Nachtschichten zwischen 18:00 und 06:00 Uhr versehen. Strittig ist, ob es sich bei dieser Nachtarbeit wegen der Arbeit an einem Bildschirmarbeitsplatz auch um Schwerarbeit im Sinne des Nachtschwerarbeitsgesetzes handelt.

Der Verwaltungsgerichtshof tätigte in seinem Erkenntnis vom 07.08.2002, Zl. 99/08/0101, auf das auch die belangte Behörde verwiesen hat, folgende hier auszugsweise wiedergegebene Ausführungen:

"Art. VII Abs. 2 Z 7 NSchG fordert für die Annahme von Schwerarbeit zunächst (Nacht)Arbeit an einem Bildschirmarbeitsplatz. Das Vorliegen dieser Voraussetzung wird von keiner der Verfahrensparteien bestritten.

Weiter muss die "Arbeit mit dem Bildschirmgerät" (somit in qualitativer Hinsicht) und die "Arbeitszeit an diesem Gerät" (also in quantitativer Hinsicht) für die gesamte Tätigkeit bestimmend sein.

Das NSchG umschreibt zwar das Wesen eines Bildschirmarbeitsplatzes, lässt aber den Inhalt des Begriffes der Bildschirmarbeit offen. Allerdings enthalten Regelungen im Bereich des Arbeitnehmerschutzes, die ähnliche Zielsetzungen wie das NSchG im Auge haben, solche Begriffsbestimmungen.

Etwa findet sich in dem in Umsetzung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (Bildschirmrichtlinie) in Kraft gesetzten ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, BGBl. Nr. 450/1994 (ASchG), Folgendes:

" Bildschirmarbeitsplätze

§ 67. (1) Bildschirmgerät im Sinne dieser Bestimmung ist eine Baueinheit mit einem Bildschirm zur Darstellung alphanumerischer Zeichen und zur Grafikdarstellung, ungeachtet des Darstellungsverfahrens. Bildschirmarbeitsplätze im Sinne dieser Bestimmung sind Arbeitsplätze, bei denen das Bildschirmgerät und die Dateneingabetastatur oder sonstige Steuerungseinheit sowie gegebenenfalls ein Informationsträger eine funktionale Einheit bilden.

...

Besondere Maßnahmen bei Bildschirmarbeit

§ 68. (1) Im Rahmen der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren ist auch auf die mögliche Beeinträchtigung des Sehvermögens sowie auf physische und psychische Belastungen besonders Bedacht zu nehmen. Auf Grundlage dieser Ermittlung und Beurteilung sind zweckdienliche Maßnahmen zur Ausschaltung der festgestellten Gefahren zu treffen, wobei das allfällige Zusammenwirken der festgestellten Gefahren zu berücksichtigen ist."

In § 1 Abs. 2 der auf Grund der §§ 67 und 68 ASchG erlassenen Verordnung BGBl. II Nr. 124/1998 (Bildschirmarbeitsverordnung) wird Bildschirmarbeit als Ausführung von Tätigkeiten wie Datenerfassung, Datentransfer, Dialogverkehr, Textverarbeitung, Bildbearbeitung oder CAD/CAM-Arbeiten an Bildschirmarbeitsplätzen im Sinne des § 67 Abs. 1 zweiter Satz ASchG unter Verwendung von Bildschirmgeräten in Sinne des § 67 Abs. 1 ASchG definiert.

§ 68 Abs. 3 ASchG sieht bei Beschäftigung von Arbeitnehmern, die bei einem nicht unwesentlichen Teil ihrer normalen Arbeit ein Bildschirmgerät benutzen, vom Arbeitgeber zu veranlassende Schutzmaßnahmen und besondere Rechte des Arbeitnehmers vor. Ein nicht unwesentlicher Teil der normalen Arbeit liegt gemäß § 1 Abs. 4 der Bildschirmarbeitsverordnung vor, wenn ArbeitnehmerInnen durchschnittlich ununterbrochen mehr als zwei Stunden oder durchschnittlich mehr als drei Stunden ihrer Tagesarbeitszeit mit Bildschirmarbeit beschäftigt werden.

Dem Regelungszweck des NSchG entsprechend ist für den Beschwerdefall nur von Bedeutung, ob die Bildschirmarbeit während der Nacht als besonders erschwerende Arbeitsbedingung anzusehen ist (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum ArbeitnehmerInnenschutzgesetz BGBl. Nr. 450/1994, 1590 Blg. NR XVIII GP, 103).

In qualitativer Hinsicht ist - in Anlehnung an die Beschreibung von Bildschirmarbeit in der Bildschirmarbeitsverordnung - die "Arbeit mit dem Bildschirmgerät" als Kommunikation mit dem Bildschirm über die Dateneingabetastatur zu verstehen; somit einerseits als (richtige) Reaktion auf die vom Bildschirm übertragenen Informationen, andererseits als aktive Benutzung des Bildschirms über die Dateneingabetastatur zur Erreichung eines bestimmten Zweckes, etwa eines Rechenergebnisses. Liegt nur eine reine Kontrolltätigkeit vor, bei der ausschließlich der Bildschirm beobachtet und gegebenenfalls mit vorgegebenen Befehlen korrigierend eingegriffen wird, kann von einer "Arbeit mit dem Bildschirmgerät" keine Rede sein. Dazu kommt, dass die Arbeit mit dem Bildschirmgerät - um erschwerend im Sinne des NSchG zu sein - für die gesamte Tätigkeit und den Arbeitsablauf bestimmend sein muss (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur Novellierung von Artikel VII NSchG, BGBl. Nr. 473/1992, 597 Blg. NR XVIII GP, 8).

Dazu hat die belangte Behörde im angefochtenen Verfahren nur ansatzweise Ermittlungen geführt.

Wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt, ist das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten nicht schlüssig und nachvollziehbar, vor allem befasst es sich nicht ausreichend mit der Frage, ob die gesamte Nachtschicht in überwiegender Hinsicht bestimmend mit dem Bildschirm in Kommunikation gestanden wird. Es wird in dem Gutachten festgehalten, dass im Schnitt 10 Bildschirme zu beobachten sind und teilweise eingegriffen werden muss. Grundsätzlich handelt es sich um beobachtenden Tätigkeiten, im Falle einer Störung treten akustische Signale auf. Aus dem Gutachten ist nicht ersichtlich, inwiefern, diese Kontrolltätigkeit tatsächlich über eine reine Kontrolltätigkeit hinausgeht. Noch viel weniger hat sich der Gutachter mit der restlichen Zeit der Nachtschicht befasst, in der kaum mehr ein Zugverkehr stattfindet.

In fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde daher ein ergänzendes Gutachten einzuholen, das sich vor allem unter anderem mit folgenden Fragen auseinandersetzten wird müssen:

* In welchen Punkten besteht tatsächlich eine bestimmende und überwiegende Arbeitszeit am Bildschirm, in der sämtliche Arbeitsvorgänge mit Hilfe des Bildschirms über die Eingabetastatur abgewickelt werden (müssen), sodass bei Betrachtung der Gesamttätigkeit die Arbeit mit dem Bildschirmgerät - im Vergleich zu den ohne Bildschirmgerät verrichteten Arbeiten - dominiert (über eine reine Kontrolltätigkeit hinaus).

* Die Erfassung der Arbeitssituation in mindestens mehr als einer Nachtschicht und während der gesamten Dauer einer Nachtschicht,

* Die Darstellung, ob erschwerende Arbeitsbedingungen in quantitativer Hinsicht vorliegen, nämlich in dem Sinne, wie oft, wie lange und wie intensiv tatsächlich eine aktive Benutzung der Bildschirme über die Dateneingabetastatur erfolgt (über eine reine Kontrolltätigkeit hinaus).

* Es muss genau dargestellt werden, inwieweit tatsächlich Bildschirmarbeit, das ist die Ausführung von Tätigkeiten wie Datenerfassung, Datentransfer, Dialogverkehr, Textverarbeitung, Bildbearbeitung oder CAD/CAM einen nicht unwesentlichen Teil der normalen Arbeit und zwar durchschnittlich ununterbrochen mehr als zwei Stunden oder durchschnittlich mehr als drei Stunden beträgt.

* Die Beurteilung, inwieweit die Belastungen der Bildschirmarbeit im Hinblick auf mögliche Beeinträchtigungen des Sehvermögens sowie auf physische und psychische Belastungen vorliegen, bezogen auf konkrete Beobachtungen der Tätigkeit der mitbeteiligten Parteien.

All diese Punkte fehlen in dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten und hätte dieses daher von der belangten Behörde nicht ohne Ergänzung ihrer Entscheidung zugrunde gelegt werden dürfen. (VwGH vom 08.07.2015, Ra 2015/11/0036)

Die seitens des Entscheidungsorganes erforderliche Überprüfung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ist auf dieser Grundlage nicht möglich. Der eingeholte Sachverständigenbeweis vermag die verwaltungsbehördliche Entscheidung nicht zu tragen.

Das Verwaltungsgericht hat im Falle einer Zurückverweisung darzulegen, welche notwendigen Ermittlungen die Verwaltungsbehörde unterlassen hat. (Ra 2014/20/0146 vom 20.05.2015)

Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren jedenfalls ein ergänzendes Gutachten zu zumindest den oben dargelegten Fragestellungen einzuholen und die Ergebnisse unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen haben.

Von den Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird die Beschwerdeführerin mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen.

Die unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht läge angesichts des gegenständlichen gravierend mangelhaft geführten verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens nicht im Interesse der Raschheit und wäre auch nicht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Zu berücksichtigen ist auch der mit dem verwaltungsgerichtlichen Mehrparteienverfahren verbundene erhöhte Aufwand.

Da der maßgebliche Sachverhalt im gegenständlichen Fall noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rascher und kostengünstiger festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Ermittlungspflicht Gutachten Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Nachtschwerarbeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W218.2222599.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten