Entscheidungsdatum
17.04.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
L517 2226609-2/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. NIEDERWIMMER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , vom XXXX , OB: XXXX , beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 VwGVG, BGBl I Nr 33/2013 idgF, § 9 BVwGG, BGBl I Nr 10/2013 idgF, iVm § 1 Abs 4 Z 3 Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl II Nr 495/2013 idgF, soweit sie sich auf Nichtvornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" bezieht, mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in dieser Angelegenheit zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl Nr 1/1930 idgF, nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
1.0 Kurzsachverhalt:
Die beschwerdeführende Partei (in Folge "bP") stellte am 05.12.2018 einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gem. § 29b StVO sowie gleichzeitig auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass beim Sozialministerium, Landesstelle XXXX (in Folge belangte Behörde bzw. "bB").
Im Laufe des Verfahrens wurden zwei allgemeinmedizinische Gutachten sowie ein orthopädisches Gutachten eingeholt, mit demselben Ergebnis - der Feststellung der "Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel".
In der Gesamtbeurteilung vom 09.12.2019 stellte der Sachverständige auszugsweise fest:
"...
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
allgemeinmedizinisch: es besteht eine Durchblutungsstörung der Beine laut Facharztbefund ohne höhergradige hämodynamische Relevanz bei peripheren Verschlüssen der Wadengefäße, zusätzlich mäßige Herzschwäche und Gefühlsstörung der Unterschenkel und Füße bei Polyneuropathie, keine Lähmungen, keine hochgradigen Herz- oder Luftbeschwerden, kein mobiler Sauerstoff - allgemeinmedizinisch ist eine kurze Wegstrecke möglich (300 - 400 m), er kann Stufen steigen, sich an Haltegriffen und Handläufen anhalten, der sichere Transport ist möglich; orthopädisch: Das Hüft- und Wirbelsäulenleiden schränkt die Mobilität ein, eine kurze Wegstrecke ( 300- 400m ) kann aber aus orthopädischer Sicht, zurückgelegt werden. Die Beweglichkeit der Gelenke ermöglicht das sichere Ein- und Aussteigen und die Beförderung im öffentlichen Verkehrsmittel.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
nein
Gutachterliche Stellungnahme:
allgemeinmedizinisch ist eine kurze Wegstrecke möglich (300 - 400 m), er kann Stufen steigen, sich an Haltegriffen und Handläufen anhalten, der sichere Transport ist möglich;
Aus orthopädischer Sicht liegen keine Befunde vor, die eine kurze Wegstrecke von 300 bis 400 m einschränken würden oder das sichere Ein- oder Aussteigen sowie die Beförderung im öffentlichen Verkehrsmittel nicht möglich machen wurden.
Klinisch zeigt sich eine degenerativ veränderte Wirbelsäule sowie altersgemäße Einschränkungen im Bereich der Schulter und der Hüftgelenke ohne wesentliche Entzündungszeichen.
..."
Sämtliche Gutachten wurden der bP zum Parteiengehör gebracht. Eine Stellungnahme erfolgte nicht.
Mit Bescheid vom XXXX wurde der Antrag der bP auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen.
Dagegen erhob die bP mit Schreiben vom 23.05.2019 Beschwerde und brachte zusammengefasst vor:
Sie habe im Rahmen der stattgefundenen Untersuchung darauf hingewiesen, dass sie betreffend Beine, Herz und Lunge (Atemnot) große Beschwerden habe. Die Beschwerden seien Folgen der 20-jährigen Tätigkeit in der Lackiererei. Die bP habe der Sachverständigen mitgeteilt, dass sie nicht mehr als 40 bis 50 Meter aus eigener Kraft bewältigen könne. Es sei nicht richtig, dass die bP wie im Gutachten angegeben, Strecken von mehr als 400 Meter zurücklegen könne. Eventuell handle es sich hierbei auch um ein Missverständnis, da die bP der deutschen Sprache nicht ganz mächtig sei und keinen Dolmetscher dabeigehabt habe.
Zudem seien die bestehenden Herzbeschwerden nicht richtig im Gutachten berücksichtigt worden. 2015 sei eine Kardioversion durchgeführt worden und im Jahr 2018 sei beidseitig eine Carotis-Makroangiepathie festgestellt worden. Ebenfalls nicht richtig eingestuft worden seien die von der bP täglich einzunehmenden Medikamente.
Mit der Beschwerde vorgelegt wurde eine aktuelle Medikamentenliste vom 19.02.2019 bestätigt durch Dr. Heiserer. Weitere Befunde betreffend Blutgefäße in den Beinen, Fersensporn, Lunge, Herz und Prostata könne die bP auf Verlangen vorlegen.
Am 13.12.2019 erfolgte die Beschwerdevorlage am BVwG.
2.0. Beweiswürdigung:
Bezugnehmend auf das Antragsbegehren der bP geht das ho Gericht davon aus, dass sich die vorliegende Beschwerde ihrem Inhalt nach auch auf die Nichtausstellung des beantragten Parkausweises gem. § 29b StVO bezieht.
3.0. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:
- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl Nr 1/1930 idgF
- Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl Nr 283/1990 idgF
- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl I Nr 10/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl I Nr 33/2013 idgF
- Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl II Nr 495/2013
3.2. Gemäß Art 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; ...
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl Nr 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl Nr 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl Nr 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren, angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt 3.1. im Generellen und die unter Pkt 3.2. ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.
Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Gemäß § 9 BVwGG leitet der Vorsitzende die Geschäfte des Senates und führt das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses.
Gemäß § 45 Abs 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§41 Abs 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
Gemäß § 1 Abs 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen:
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Laut den Bestimmungen des BBG ist das genannte Gericht neben dem Verfahren hinsichtlich der Ausstellung eines Behindertenpasses auch für Verfahren auf Einschätzung des Grades der Behinderung oder auf Vornahme von Zusatzeintragungen berufen.
Gegenständliche Beschwerde richtet sich ihrem Inhalt nach ua. gegen die Nichtvornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist "Sache" des Rechtsmittelverfahrens vor dem Verwaltungsgericht - ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs - jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl dazu für viele VwGH 30.06.2016, Ra2016/11/0044, mwN).
Die Zuständigkeit setzt voraus, dass eine erstinstanzliche Entscheidung vorliegt. Bedingt durch den Umstand, dass keine bescheidmäßige Absprache über den Antrag gem. § 29b StVO erfolgte, ist das ho Gericht mangels entsprechender Kognitionsbefugnis unzuständig und war von einer inhaltlichen Prüfung in der Sache selbst Abstand zu nehmen.
Soweit sich die Beschwerde in ihren Beschwerdepunkten auf die Nichtvornahme der Eintragung der "Unzumutbarkeit" bezog, wurde diese seitens des BVwG mit Erkenntnis 2226609-1 abgewiesen.
Aufgrund der Beschränkung der Sache des Beschwerdeverfahrens ist das Verwaltungsgericht nicht befugt, über von der Behörde nicht behandelte Anträge abzusprechen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde mangels Zuständigkeit des BVwG als unzulässig zurückzuweisen.
3.3. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Diesbezüglich ist die vorliegende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Die Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG waren somit nicht gegeben.
Auf Grundlage der obigen Ausführungen war spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Kognitionsbefugnis Parkausweis Unzuständigkeit ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L517.2226609.2.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020