Entscheidungsdatum
13.05.2020Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
W154 2205394-3/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin im Verfahren des XXXX , geb. XXXX , StA. Tunesien (tatsächlich ungeklärt), vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst - ARGE Rechtsberatung, betreffend die weitere Anhaltung in Schubhaft aufgrund des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.01.2020, Zl. 830907907 - 191008320, zu Recht:
A)
Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.
B)
Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) vom 10.01.2020, Zl. 830907907 - 191008320, wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet.
Am 13.01.2020 wurde dem Beschwerdeführer der gegenständliche Schubhaftbescheid (noch während der Anhaltung in Strafhaft) zugestellt. Unmittelbar nach Entlassung aus der Strafhaft (am 17.01.2020) wurde der Beschwerdeführer in Schubhaft genommen.
Gegen diesen Bescheid und die daraus erfolgte Anhaltung erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.02.2020, W137 2205394-2/8E, berichtigt durch Beschluss vom 30.04.2020, W137 2205394-2/10Z, wurde die Beschwerde gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft seit 17.01.2020 für rechtmäßig erklärt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 FPG wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen (Spruchpunkt II.).
Die Entscheidung wurde wie folgt begründet:
"3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft
[...]
3.3. Die belangte Behörde begründete die festgestellte Fluchtgefahr im Wesentlichen mit der fehlenden Kooperation des Beschwerdeführers, dem mehrfachen Aufenthalt im Verborgenen sowie dem Fehlen substanzieller sozialer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet und dem fehlenden faktischen Abschiebeschutz samt Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme. Das Bundesamt stützte sich dabei erkennbar auf die Ziffern 1, 3 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG. Dem Vorliegen der Kriterien der Ziffer 1 und 3 wurde in der Beschwerde nicht substanziell entgegengetreten; vielmehr erweist sich deren Vorliegen auch in Zusammenschau mit dem Inhalt der Beschwerde als unstrittig.
3.4. Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid auch auf § 76 Abs. 3 Z 9 FPG, wonach der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen sind und kommt zutreffend zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer weder eine legale Erwerbstätigkeit ausübt, noch über substanzielle soziale oder berufliche Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt. Auch eine gesicherte Unterkunft liege nicht vor. Ebenso wurden keine substanziellen Integrationsschritte während des nunmehr fast sieben Jahre andauernden Aufenthalts im Bundesgebiet vorgebracht.
Für das Bestehen familiärer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet gibt es keinen Hinweis und wurde dies auch nie behauptet. Gleiches gilt für das Fehlen einer beruflichen Integration und einer gesicherten Unterkunft. Soweit der Beschwerdeführer auf Unterstützungsmöglichkeiten des Verein Neustart verweist, hat er diese nach Verbüßung seiner bisherigen Freiheitsstrafen nie in Anspruch genommen. Im Übrigen bedingt diese Unterstützungsleistung nicht schon per se einen gesicherten Wohnsitz.
Die Behörde geht auch richtigerweise von einer aufgrund strafrechtlicher Verurteilungen des Beschwerdeführers abgeleiteten nahezu vollständig fehlenden Vertrauenswürdigkeit und einem besonderen Interesse des Staates an der Sicherstellung der Abschiebung aus.
3.5. Auf Grund dieser Erwägungen ging das Bundesamt im Ergebnis zutreffend davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers insgesamt Fluchtgefahr in einem die Anhaltung in Schubhaft rechtfertigenden Ausmaß besteht.
Dem konnte auch in der Beschwerde nicht wirkungsvoll entgegengetreten werden. Festzuhalten ist insbesondere, dass nach wie vor eine realistische Chance der Erlangung eines Heimreisezertifikats für den Beschwerdeführer innerhalb der zulässigen Anhaltedauer besteht - die diesbezüglichen Schwierigkeiten sind wie dargelegt ausschließlich dem Beschwerdeführer und seinem Verhalten zuzurechnen. Aus eben diesem Grunde ist auch eine vergleichsweise lange (derzeit aber bei weitem noch nicht erreichte) Anhaltung und eine Anhaltung während längerer Ermittlungen eines (potenziellen) Herkunftsstaates verhältnismäßig und zulässig.
Das Bundesamt hat - entgegen dem Vorwurf in der Beschwerde - auch nicht die Erlangung eines Heimreisezertifikats verzögert betrieben. Vielmehr hat der Beschwerdeführer diesbezügliche Schritte - etwa die Durchführung einer Sprachanalyse - während der Strafhaft (und im Hinblick auf die absehbare Haftentlassung) erneut bewusst obstruiert. Vor diesem Hintergrund kann der Vorwurf, das Bundesamt habe nicht auf die kürzest mögliche Anhaltedauer hingewirkt, nicht einmal ansatzweise nachvollzogen werden.
3.6. Auf Grund der festgestellten Fluchtgefahr konnte auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden: Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass sich im Falle des Beschwerdeführers weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen, da sich der Beschwerdeführer insbesondere durch sein vor Anordnung der Schubhaft gezeigtes kriminelles Verhalten, die laufende Verfahrensobstruktion und den Aufenthalt im Verborgenen als nicht vertrauenswürdig erwiesen hat - was aber Voraussetzung für die Anordnung des gelinderen Mittels ist. Auf Grund dieser Umstände und der bestehenden Fluchtgefahr, überwogen daher - wie im angefochtenen Bescheid richtig dargelegt - die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und eines geordneten Fremdenwesens die Interessen des Beschwerdeführers an der Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft und ist diese als ultima-ratio-Maßnahme notwendig.
3.7. Das Bundesamt konnte aus den oben dargelegten Gründen zudem davon ausgehen, dass die Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat in zumutbarer Frist und innerhalb der zulässigen Anhaltedauer möglich ist. Auch die absehbare Dauer der Schubhaft war vor diesem Hintergrund nicht unverhältnismäßig. Abschiebungen nach Tunesien und Algerien (ebenso nach Marokko) finden statt; Heimreisezertifikate werden grundsätzlich unproblematisch und regelmäßig ausgestellt.
Überdies gab es bei Anordnung der Schubhaft - die unmittelbar an eine Strafhaft anschloss - keine erkennbaren Hinweise auf eine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers und wurde sie auch im Beschwerdeverfahren nicht behauptet. [...]
4. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ist festzustellen, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen:
[...]
4.2. Für die Durchsetzung der Rückkehrentscheidung (Abschiebung), die Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats und allenfalls die Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung ist die Anwesenheit des Beschwerdeführers erforderlich. Es ist angesichts seines bisherigen Verhaltens jedoch davon auszugehen, dass er sich dem behördlichen Zugriff durch Untertauchen erneut entziehen würde, sobald sich eine Gelegenheit dazu bietet. Da er zudem über keine feststellbaren beruflichen und familiären sowie substanziellen sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt, ist nicht ersichtlich, was den Beschwerdeführer im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft von einem Untertauchen abhalten sollte. Dies umso mehr, als sich seinen Haftentlassungen während der Vergangenen fast sieben Jahre bisher stets ein Aufenthalt im Verborgenen angeschlossen. Überdies hat er sich durch sein sonstiges Vorverhalten - etwa die unstrittige Suchtmittelkriminalität und die laufende Obstruktion der fremdenrechtlichen Verfahren - als in höchstem Maße nicht vertrauenswürdig erwiesen hat.
4.3. Im gegenständlichen Fall sind die Kriterien der Ziffern 1 und 3 wie dargelegt weiterhin gegeben. Für Ziffer 1 gilt das im Übrigen in mehrfacher Hinsicht und in besonders intensiver Ausprägung (regelmäßiger Aufenthalt im Verborgenen, massive wiederholte Verfahrensobstruktion). Hinsichtlich Ziffer 9 wurde in der Beschwerde kein substanzielles Vorbringen erstattet. In diesem Zusammenhang ist überdies festzuhalten, dass schon nach dem Wortlaut der Bestimmung (einzelne) "soziale Anknüpfungspunkte" für sich alleine nicht ausreichen, der Anordnung einer Schubhaft entgegenzustehen. Vielmehr geht es um den "Grad der sozialen Verankerung in Österreich", wobei familiäre Beziehungen, eine legale Erwerbstätigkeit, Existenzmittel und gesicherter Wohnraum exemplarisch genannt werden. Im gegenständlichen Fall sind diese Anknüpfungspunkte allerdings praktisch vollständig nicht gegeben.
Die Inanspruchnahme allfälliger staatlicher Unterstützungsleistungen für Straftäter nach Haftentlassung stellt im Übrigen nicht einmal ansatzweise eine integrative Leistung des (potenziellen) Leistungsempfängers oder gar einen Hinweis auf eine "soziale Verankerung" im Bundesgebiet dar.
In Zusammenschau mit den obigen Ausführungen besteht damit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall (weiterhin) eine zur Schubhaftanordnung hinreichende Fluchtgefahr seitens des Beschwerdeführers sowie ein hohes staatliches Interesse an der Sicherstellung einer Abschiebung zu bejahen ist.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich auch, dass im gegenständlichen Fall die Anordnung des gelinderen Mittels nicht ausreichend ist, um den Sicherungsbedarf zu erfüllen. Damit liegt auch die geforderte "ultima-ratio-Situation" für die Anordnung/Fortsetzung der Schubhaft vor und erweist sich diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch als verhältnismäßig.
4.4. Hinsichtlich der absehbaren Dauer der Schubhaft ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt davon auszugehen, dass diese in zumutbarer Zeit beendet werden kann.
Für die Annahme einer (zukünftigen) unverhältnismäßig langen Anhaltung gibt es gegenwärtig keinen Anhaltspunkt. Aus heutiger Sicht ist weiter davon auszugehen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers jedenfalls innerhalb der gesetzlich zulässigen Anhaltedauer - mit hoher Wahrscheinlichkeit aber binnen einiger Wochen - erfolgen kann. Darüber hinaus trägt allein er selbst - durch sein obstruktives Verhalten (einer faktisch gänzlich fehlenden Kooperationsbereitschaft) und teils bewusst tatsachenwidrige Behauptungen - die Verantwortung für lange und umständliche HRZ-Verfahren, weshalb die dadurch bedingte (längerfristige) Anhaltung im gegenständlichen Einzelfall auch als verhältnismäßig und ihm zumutbar anzusehen ist.
Der Beschwerdeführer kann im Übrigen die Anhaltedauer in Schubhaft massiv verkürzen, sollte er sich entschließen, im Zusammenhang mit den laufenden HRZ-Verfahren kooperatives Verhalten zu zeigen. Insbesondere behauptete der Beschwerdeführer schon 2013, seine Familie lebe in Tunis und sein Reisepass befinde sich im Herkunftsstaat. Dass er in diesem Zusammenhang keinerlei Schritte zur Erlangung eines Identitätsnachweises gesetzt hat, ist jedoch der offenkundige Beleg, dass er tatsächlich nur das Interesse hat, jegliches Verfahren in Österreich zu obstruieren und zu unterlaufen."
Am 08.05.2020 erfolgte seitens des BFA die verfahrensgegenständliche Aktenvorlage gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG. Im Rahmen der Aktenvorlage erstattete das BFA eine Stellungnahme. Darin führte das BFA nach Darlegung des bisherigen Sachverhaltes im Wesentlichen aus, dass das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates (HRZ) seitens der Behörde weiterhin betrieben werde. Die letzte Urgenz bei der algerischen Vertretungsbehörde zur Erlangung eines HRZ erfolgte am 26.03.2020 (Urgenzliste). Am 26.02.2020 sei durch die Behörde eine Einzelurgenz - mit neuen Fingerabdrücken - bei der marokkanischen Botschaft eingebracht worden. Es seien auch Heimreisezertifikate nach bereits negativer Identifikation - nach neuerlicher Antragstellung - ausgestellt worden. Also indiziere eine einmalige negative Identifikation auf keinen Fall die Aussichtslosigkeit der Erlangung eines Heimreisezertifikates. Somit sei die Erreichung des Zweckes der Schubhaft - die Abschiebung - erreichbar. Die letzte Urgenz bei der marokkanischen Vertretungsbehörde zur Erlangung eines HRZ sei am 19.03.2020 erfolgte. Die Erlangung eines Heimreisezertifikates und in weiterer Folge die Überstellung des Fremden in zumutbarer Frist sei möglich. Auch die absehbare Dauer der Schubhaft sei demnach nicht unverhältnismäßig: Mit der Durchführung der Überstellung sei jedenfalls innerhalb der gesetzlichen Fristen zu rechnen. Mit der Verweigerung der Mitwirkung zur Identifikation und zur Erlangung eines Heimreisezertifikates verstoße die Partei ihn treffende Mitwirkungspflichten den Behörden gegenüber. Es könne nicht sein, dass der Fremde eventuell daraus den Vorteil ziehe nicht abgeschoben zu werden. Durch ein rechtmäßiges Alternativverhalten würde zu jeder Zeit des Verfahrens die Möglichkeit bestehen, dieses wesentlich zu verkürzen und eine ehebaldige Beendigung der Schubhaft durch Ausreise in seinen Herkunftsstaat zu erreichen. Tue er dies nicht, so sei ihm nach Ansicht der Behörde das angemessene Zuwarten einer Klärung im Stande der Schubhaft zumutbar (unter Hinweis auf BVwG 24.2.2017, W171 2148052-1). Es läge im konkreten Fall gänzlich in der Hand des Fremden, durch Mitwirkung am Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates, die im Rahmen der ihn treffenden Mitwirkungspflicht seine Identifikation zu ermöglichen und dadurch die laufende Schubhaft so kurz als möglich zu halten.
Überdies gäbe es auch weiterhin keine erkennbaren Hinweise auf eine Haftunfähigkeit des Fremden. Es läge keine Unzumutbarkeit der Haft aus gesundheitlichen Gründen vor, wobei das Vorleben des Fremden und sein bisheriges Verhalten jedenfalls einen strengen Maßstab bei der Zumutbarkeit erforderlich machen würde.
Wie aus der Gesamtschau der Verurteilungen des Fremden ersichtlich sei, zeige er eine hohe kriminelle Energie, der Fremde sei bereits siebenmal rechtskräftig verurteilt worden. Seitens der Behörde sind keinerlei Anzeichen ersichtlich, dass er dieses Verhaltensmuster abgelegt hätte, wodurch ihm keine positive Zukunftsprognose zugesprochen werden könne und somit jegliche Vertrauenswürdigkeit abgesprochen werden müsse. Auf Grund dieser Erwägungen sei davon auszugehen, dass im Falle des Fremden nach wie vor Fluchtgefahr in einem die Anordnung der Schubhaft rechtfertigenden Ausmaß bestehe.
Die Aufrechterhaltung der Schubhaft sei auch in der aktuellen Situation im Zusammenhang mit dem Corona-Virus (COVID-19) als verhältnismäßig einzustufen. Entsprechend der medialen Berichterstattung würden zwar aktuell die Reisebewegungen weltweit und aus Österreich vermehrt eingeschränkt. Jedoch handle es sich bei den derzeitigen Restriktionen um zeitlich begrenzte Maßnahmen. Dies bedeute, dass im vorliegenden Fall eine Abschiebung zwar vorübergehend nicht möglich sei, jedoch in den kommenden Wochen möglich sein werde. Mit Blick auf die höchstzulässige Schubhaftdauer iSd § 80 FPG zeige sich, dass die voraussichtliche Anhaltung in Schubhaft (in Hinblick auf einen realistischen Abschiebetermin) damit ohnehin deutlich länger andauere, als die Aufrechterhaltung der aktuellen Pandemie-Restriktionen gegenwärtig zu erwarten sei. Das Bundesamt für Fremdenswesen und Asyl werde, sobald die aktuellen Pandemiemaßnahmen zurückgenommen würden und die für eine Abschiebung notwendigen Voraussetzungen vorlägen, die Abschiebung ehestmöglich realisieren.
Die Aufrechterhaltung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung des Beschwerdeführers sei aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers nach wie vor notwendig.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der angeführte Verfahrensgang und die Entscheidungsgründe der Vorentscheidung werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme anlässlich der Aktenvorlage getätigten Ausführungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates.
Auf der Tatsachenebene liegt keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend - vor.
Der BF ist haftfähig, es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig wäre.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere der zitierten Vorentscheidung.
Die Feststellungen zur Erlangung des Heimreisezertifikates ergeben sich aus der ergänzenden Stellungnahme des BFA vom 08.05.2020.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A. - Fortsetzung der Schubhaft
3.1. Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
3.2. Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn 1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.
Hinsichtlich der Fluchtgefahrtatbestände des §76 Abs. 3 FPG hat sich in Hinblick auf das Vorerkenntnis zur gegenständlich zu überprüfenden Schubhaft keine Änderung ergeben, sodass aufgrund unveränderter Lage auf die dortigen Ausführungen verwiesen und diese auch zur gegenständlichen rechtlichen Beurteilung erhoben werden.
Die Schubhaft ist also weiterhin jedenfalls wegen erheblicher Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des Beschwerdeführers - siehe Darstellung im Rahmen des Verfahrensganges und der Feststellungen - mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt.
3.3. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.
Zur Dauer der Schubhaft:
Gemäß § 80 Abs. 4 FPG kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden, wenn ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil
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1.-die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck
der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.-eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht
vorliegt,
3.-der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13)
widersetzt, oder
4.-die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen
oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint.
Gegenständlich ist jedenfalls der Tatbestand der Z.1 verwirklicht. Somit erweist sich die bisherige Anhaltung am soeben angeführten Maßstab als verhältnismäßig, da sie sich immer noch im unteren Rahmen des gesetzlich Erlaubten bewegt.
Der Beschwerdeführer hatte keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund, dass sich die Behörde zügig um ein Heimreisezertifikat bemüht hat, auch verhältnismäßig.
Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit schließt auch weiterhin die Anordnung gelinderer Mittel aus. Es besteht ein grundsätzliches öffentliches Interesse am effizienten Vollzug des Fremdenrechts. In diesem Sinne hat die Behörde sichergestellt, dass das Abschiebeverfahren (immer noch) zeitnah und zweckmäßig durchgeführt wird.
3.4. Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihren Zukunftsbezug keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen.
Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.
Zu Spruchpunkt B. - Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Da keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen sind, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen, war die Revision daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafrechtliche Verurteilung Überprüfung Untertauchen VerhältnismäßigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W154.2205394.3.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020