TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/5 96/18/0036

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Veröffentlicht am 05.03.1998
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der M in Wien, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 21. Juni 1995, Zl. SD 318/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 21. Juni 1995 wurde die Beschwerdeführerin, eine bosnische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Bosnische Staatsangehörige seien nach den Bestimmungen des Fremdengesetzes in Verbindung mit dem Sichtvermerksabkommen bis 14. April 1995 zur sichtvermerksfreien Einreise und zu einem sichtvermerksfreien Aufenthalt in der Dauer von drei Monaten berechtigt gewesen, wenn sie bei der Einreise über einen gültigen Reisepaß verfügt hätten. Sie seien darüberhinaus aufgrund der zu § 12 des Aufenthaltsgesetzes ergangenen Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994 zum vorübergehenden Aufenthalt (bis Ende 1995) berechtigt gewesen, wenn sie ihre Heimat wegen der bewaffneten Konflikte verlassen und anderweitig keinen Schutz gefunden hätten und - sofern sie nach dem 30. Juni 1993 nach Österreich eingereist seien - sich der Grenzkontrolle gestellt hätten und ihnen entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet worden sei.

Die Beschwerdeführerin sei nach einem etwa einmonatigen Aufenthalt in Kroatien am 30. Jänner 1994 mit einem gültigen bosnischen Reisepaß und einem Sichtvermerk für die Bundesrepublik Deutschland, der ihr von den deutschen Behörden nach Vorlage einer Verpflichtungserklärung erteilt worden wäre, von Slowenien aus mit einem Autobus sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist. Am 11. Februar 1994 habe sich die Beschwerdeführerin in Wien an die "Bosnienhilfe" gewandt. Schon damals sei ihr mitgeteilt worden, daß sie nur zu einem sichtvermerksfreien Aufenthalt in der Dauer von drei Monaten berechtigt wäre.

Aus der aufgrund § 12 des Aufenthaltsgesetzes ergangenen Verordnung sei für die Beschwerdeführerin deswegen nichts zu gewinnen, weil sie bereits außerhalb ihrer Heimat anderswo (einmonatiger Aufenthalt in Kroatien, Sichtvermerk für die Bundesrepublik Deutschland) Schutz gefunden hätte. Ihr legaler Aufenthalt in Österreich habe daher am 30. April 1994 geendet. Die Beschwerdeführerin halte sich demnach seit dem 1. Mai 1994, also seit mehr als einem Jahr, illegal in Österreich auf. In einem solchen Fall sei ein Fremder mit Bescheid auszuweisen, wenn dem nicht die Bestimmung des § 19 FrG entgegenstehe. Die Eltern und ein Bruder der Beschwerdeführerin lebten in ihrer Heimat. Eine Schwester der Beschwerdeführerin wohne in Wien. Die Beschwerdeführerin lebe "bei einem Freund". Ein relevanter Eingriff im Sinne des § 19 FrG liege daher nicht vor. Die Ausweisung sei daher zu Recht verfügt worden.

2. Gegen diesen Bescheid richtete die Beschwerdeführerin zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde ablehnte (Beschluß vom 28. November 1995, B 2491/95-7) und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluß vom 25. Jänner 1996, B 2491/95-9).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren machte die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde läßt die Beurteilung der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführerin auf der Grundlage der nach § 12 des Aufenthaltsgesetzes ergangenen Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 1038/1994 kein Aufenthaltsrecht in Österreich zukomme und die Beschwerdeführerin sich seit dem 1. Mai 1994 rechtswidrig in Österreich aufhalte, unbekämpft. Aufgrund der von der Beschwerdeführerin nicht bestrittenen (oben unter Punkt I.1. wiedergegebenen) maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen hegt der Gerichtshof gegen diese Beurteilung - zumal sich die Beschwerdeführerin vor ihrer Einreise nach Österreich unbestritten in Kroatien aufgehalten hat - keinen Einwand.

2.1. Die Beschwerdeführerin hält aber den angefochtenen Bescheid im Lichte des § 19 FrG für rechtswidrig.

Die belangte Behörde habe die von ihr gemäß § 19 FrG vorzunehmende Interessenabwägung unterlassen. Die Behörde habe auch keine Gründe angeführt, welche die Erlassung der Ausweisung als dringend geboten gemäß § 19 FrG erscheinen ließe. Weiters wäre diese Interessenabwägung zugunsten der Beschwerdeführerin vorzunehmen gewesen. Die Beschwerdeführerin sei in Österreich integriert, sie habe hier (am 14. Juni 1995) einen bosnischen Staatsangehörigen (der in Österreich zum Aufenthalt berechtigt sei und hier einer Beschäftigung nachgehe) geheiratet und zuvor mit diesem in Lebensgemeinschaft gelebt. Die Behörde habe auch nicht berücksichtigt, daß die Beschwerdeführerin aufgrund der Situation in ihrem Heimatland nicht in der Lage sei, dorthin zurückzukehren, zumal sie dieses "nach der ethnischen Säuberungswelle der Serben" habe verlassen müssen.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid lebt die Beschwerdeführerin bei einem Freund, den sie nach ihrem Berufungsvorbringen heiraten wolle. Wenn auch vom Verwaltungsgerichtshof die dem Bescheid (wegen des Verneinens eines durch die Ausweisung bewirkten relevanten Eingriffs im Sinn des § 19 FrG) unterstellbare Auffassung, eine Lebensgemeinschaft sei vom Schutzbereich des § 19 FrG nicht erfaßt, in dieser Form nicht geteilt wird (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 1997, Zl. 96/18/0135, mwH), verhilft das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerde nicht zum Erfolg. Selbst wenn man im Hinblick darauf sowie aufgrund des etwas mehr als siebzehnmonatigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin annähme, könnte die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, daß § 19 FrG der Ausweisung nicht entgegenstehe, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Einer aus der

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insgesamt nur kurzen - Aufenthaltsdauer (möglicherweise) ableitbaren Integration käme nur ein geringes Gewicht zu, zumal der Aufenthalt der Beschwerdeführerin zum überwiegenden Teil

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nämlich für die Dauer von mehr als dreizehn Monaten - unrechtmäßig war. Dem stünde die Beeinträchtigung des nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) einen hohen Stellenwert aufweisenden öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. November 1997, Zl. 97/18/0373, mwH) infolge des unberechtigten Aufenthaltes der Beschwerdeführerin gegenüber. Die privaten Interessen der Beschwerdeführerin wögen somit jedenfalls nicht schwerer als das dargestellte maßgebliche öffentliche Interesse. Das Vorbringen, die Beschwerdeführerin habe zwischenzeitlich (14 Tage vor Erlassung des angefochtenen Bescheides) ihren Lebensgefährten geheiratet, kann an diesem Ergebnis schon deshalb nichts ändern, weil es sich hiebei um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beachtliche Neuerung handelt (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG); davon abgesehen erfolgte diese Eheschließung zu einem Zeitpunkt, als die Beschwerdeführerin nicht mehr zum Aufenthalt in Österreich berechtigt war, weshalb diese Ehe nicht von wesentlichem Gewicht ist und daher nicht zugunsten der Beschwerdeführerin auszuschlagen vermag (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 12. Juni 1997, Zl. 96/18/0600). Die von der Beschwerdeführerin zur Lage in ihrem Heimatland vorgebrachten Erwägungen wären ebenfalls nicht zielführend; mit diesem Vorbringen verkennt die Beschwerdeführerin, daß mit der Ausweisung lediglich die Verpflichtung des Fremden begründet wird, das Bundesgebiet zu verlassen (siehe § 22 Abs. 1 FrG), nicht aber (auch) ausgesprochen wird, daß er in ein bestimmtes Land auszureisen hat oder daß er (allenfalls) abgeschoben wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 1997, Zl. 96/18/0168, mwH).

3. Die Verfahrensrüge, die belangte Behörde hätte der Beschwerdeführerin Parteiengehör zur Frage der angesprochenen Lebensgemeinschaft und zur Lage in ihrem Heimatland geben müssen, ist vor dem Hintergrund des Gesagten nicht zielführend, sie geht aber auch deshalb fehl, weil die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung vom 20. Februar 1995 hiezu ohnehin im Sinn ihrer Beschwerdeausführungen Stellung genommen hat.

4. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte im Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

5. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996180036.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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