TE Vwgh Beschluss 2020/5/8 Ra 2019/14/0473

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Veröffentlicht am 08.05.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des A B, vertreten durch Mag. Taner Önal, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Kärntner Straße 7B,

1. OG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. August 2019, W156 2188120-1/18E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 2. Februar 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, er habe Probleme aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den Sikh. Sein Vater und seine Frau seien von den Taliban getötet worden. Es habe einen Grundstücksstreit gegeben, aber die Polizei habe trotz Anzeige nicht helfen können.

2 Mit Bescheid vom 29. Jänner 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Der Revisionswerber brachte dagegen zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ein, der die Entscheidung mit Erkenntnis vom 25. Februar 2020, E 3414/2019-12, insoweit behob, als sich diese auf die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und daran anknüpfend auf die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung bzw. Abschiebung in den Herkunftsstaat unter Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise bezieht. Im Übrigen lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. 5 Mit der nunmehr verfahrensgegenständlichen außerordentlichen Revision bekämpft der Revisionswerber das Erkenntnis des BVwG im verbliebenen Umfang, also soweit es ihm den Status des Asylberechtigten nicht zuerkennt.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision zusammengefasst vor, das BVwG sei von der Rechtsprechung zur Erforschung der materiellen Wahrheit abgewichen, indem es die Richtlinien des UNHCR und die Länderberichte, soweit diesen zu entnehmen sei, dass Sikhs Diskriminierungen und Übergriffen, auch in Zusammenhang mit Landstreitigkeiten und illegalen Enteignungen, ausgesetzt seien, außer Betracht gelassen habe. Auch die glaubhaft dargelegten persönlichen Umstände habe das BVwG außer Betracht gelassen. Gerade bei Grundstücksstreitigkeiten, wie etwa auch jenen vom Revisionswerber geschilderten, bestehe für die Sikhs kein staatlicher Schutz. Das BVwG habe keine Feststellungen zum Zusammenhang der vom Revisionswerber geschildeten Übergriffe und der Religionszugehörigkeit seiner Familie getroffen. Zudem sei das Gericht von der ständigen Judikatur zu den Kriterien für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewichen. Selbst wenn man lediglich von krimineller, an sich nicht asylrelevanter Motivation der Täter betreffend den vom Revisionswerber geschilderten Konflikt um die Grundstücke seiner Familie ausgehen würde, wäre zu prüfen gewesen, ob der Konflikt damit zusammenhänge, dass die Opfer Sikhs gewesen seien und aus diesem Grund kein Schutz vor einer weiteren Verfolgung durch die Täter bestehe.

10 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

11 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich - nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen - mit dem Vorbringen des Revisionswerbers auseinandergesetzt und legte im Rahmen einer umfassenden Beweiswürdigung dar, weshalb es zum Ergebnis gelangte, sein Fluchtvorbringen habe sich als nicht glaubhaft erwiesen. Das Gericht legte in seinen beweiswürdigenden Überlegungen auch dar, wie es zu dem Schluss gelangte, der Tod des Vaters und der Ehefrau des Revisionswerbers seien nicht auf die Zugehörigkeit zur Religionsgruppe der Sikh zurückzuführen. Darüber hinaus sei im konkreten Fall auch nicht von einer mangelnden Schutzwilligkeit des Staates auszugehen, die der Revisionswerber bloß darauf stütze, dass kein 24-Stunden-Personenschutz gewährleistet und das Verbrechen nicht innerhalb dreier Wochen aufgeklärt worden sei. 12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 19.2.2020, Ra 2020/14/0066, mwN). Der Revision gelingt es nicht, eine den beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts anhaftende und vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Mangelhaftigkeit aufzuzeigen.

13 Soweit die Revision geltend macht, das BVwG habe sich im Rahmen seiner Beurteilung unzureichend mit Länderberichten und den Richtlinien des UNHCR auseinandergesetzt, behauptet sie Verfahrensmängel. Es reicht aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen. Werden Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungs- und Begründungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 7.6.2019, Ra 2019/14/0114; 19.2.2020, Ra 2020/14/0001; jeweils mwN). Eine solche Darlegung entscheidungswesentlicher Tatsachen enthält die Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht. Sie setzt sich insbesondere nicht mit der Begründung für die Verneinung einer mangelnden Schutzwilligkeit des Staates im konkreten Fall auseinander.

14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen. Wien, am 8. Mai 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019140473.L00

Im RIS seit

16.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.06.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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