TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/21 96/08/0295

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Veröffentlicht am 21.04.1998
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §25 Abs1 idF 1992/416;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art140 Abs7;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 96/08/0240 E 20. Dezember 2000

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des Dipl.Ing. Dr. H in W, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Schmiedgasse 31, gegen den aufgrund des Beschlusses des Ausschusses in Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 7. Oktober 1996, Zl. LGS600/LA/1218(7022)1996-Mag.FI/S, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als mit ihm dem Beschwerdeführer ein Betrag von S 156.630,-- zur Rückzahlung vorgeschrieben wurde; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes übt der seit 1. September 1989 ohne Unterbrechung Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehende Beschwerdeführer seit 1. Jänner 1990 eine selbständige Erwerbstätigkeit aus. Über seinen Antrag hin wurde ihm - soweit für das Beschwerdeverfahren wesentlich - vom 28. September 1993 bis 26. September 1994 und vom 27. September 1994 bis 25. September 1995 Notstandshilfe zuerkannt. Bei der niederschriftlichen Einvernahme am 27. September 1994 bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Judenburg erklärte der Beschwerdeführer eidesstattlich, daß der Gesamtbetrag seines Umsatzes aus selbständiger Erwerbstätigkeit im Wirtschaftsjahr 1994 "max." S 355.000,-- betragen werde. Weiters wurde die Erklärung von diesem Tag von ihm unterfertigt, wonach er der Einholung von Auskünften beim Finanzamt zur Feststellung des Umsatzes bzw. der Übersendung des Umsatzsteuerbescheides für 1994 zustimmte. Am 15. Juli 1996 langte bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Judenburg der Umsatzsteuerbescheid 1994 betreffend den Beschwerdeführer ein.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Judenburg vom 21. August 1996 wurde ausgesprochen, daß gemäß § 38 i.V.m. § 24 Abs. 2 AlVG der Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum 1. Jänner 1994 bis 31. Dezember 1994 widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt werde und weiters gemäß § 38 i.V.m. § 25 Abs. 1 leg. cit. der Beschwerdeführer zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe von S 156.630,-- verpflichtet werde. In der Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung für den genannten Zeitraum zu Unrecht bezogen, weil laut Einkommensteuerbescheid das Einkommen bzw. 11,1 % vom Umsatz die Geringfügigkeitsgrenze überstiegen habe.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin begehrte er den bekämpften Bescheid dahingehend abzuändern, daß von der Rückzahlung der ausgezahlten Notstandshilfe Abstand genommen werde.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Begründung wurde nach Wiedergabe der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen ausgeführt, daß der Beschwerdeführer im Jahre 1994 durchgehend Notstandshilfe bezogen habe. Er habe niederschriftlich erklärt, daß der Umsatz aus seiner selbständigen Erwerbstätigkeit max. S 355.000,-- betragen würde. Aufgrund des für das Jahr 1994 vorgelegten Umsatzsteuerbescheides, der einen Umsatz von S 1,759.947,92 ausweise, ergäben 11,1 % des auf einen Monat bezogenen Umsatzes S 16.279,52. Dieser Betrag liege weit über der für das Jahr 1994 geltenden Geringfügigkeitsgrenze von S 3.288,--. Arbeitslosigkeit sei sohin nicht gegeben und daher sei auch die ausbezahlte Leistung zurückzuzahlen. Die Einwendungen des Beschwerdeführers in seiner Berufung gegen den bekämpften erstinstanzlichen Bescheid bezüglich seiner schlechten Einkommenssituation, der Marktlage in seinem Berufsbereich und seine dagegen unternommenen Bemühungen, könnten eine andere Entscheidung nicht herbeiführen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend macht und diesen seinem gesamten Umfange nach bekämpft. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, Notstandshilfe für den Zeitraum vom 1. Jänner 1994 bis 31. Dezember 1994 zu erhalten. Die Beschwerde enthält nach der Darstellung des Sachverhaltes unter dem Titel "Begründung" lediglich Ausführungen zu § 25 Abs. 1 dritter Satz AlVG. Die Beschwerde meint, auf den gegenständlichen Sachverhalt sei noch die alte Bestimmung, die nur den Ausdruck Einkommensteuerbescheid enthalte, anwendbar. Die belangte Behörde lege diese Bestimmung extensiv aus und setze den Umsatzsteuerbescheid einem Einkommensteuerbescheid gleich. Erst seit 1. Mai 1995 sei in der genannten Bestimmung der Ausdruck Einkommensteuerbescheid durch den Ausdruck Einkommen- bzw. Umsatzsteuerbescheid ersetzt worden. Bereits aus dieser Änderung gehe eindeutig hervor, daß in der ursprünglichen Version der Umsatzsteuerbescheid eben nicht hätte erfaßt werden sollen. Der dritte Satz des § 25 Abs. 1 AlVG sei eine Ausnahmebestimmung, die keinesfalls extensiv ausgelegt werden dürfe. Im übrigen habe der Beschwerdeführer im vorhinein gar nicht wissen können, wie seine Bescheide ausfallen würden, weshalb Bösgläubigkeit oder ein Verschulden seinerseits keinesfalls angenommen werden könne. Die Tatbestandsmerkmale für die Rückforderbarkeit der Notstandshilfe lägen daher in keinem Fall vor.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die dem Beschwerdeführer im Jahr 1994 gewährte Notstandshilfe widerrufen und er zur Rückforderung des empfangenen Betrages verpflichtet. Der Beschwerdeführer bekämpft zwar den Bescheid dem gesamten Umfange nach, also sowohl den Widerruf als auch die Verpflichtung zur Rückforderung. In der Beschwerde wird aber zum Widerruf dieser Leistung nichts vorgebracht. Soweit sich die Beschwerde gegen den Widerruf der Notstandshilfe richtet, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Rückforderung der Notstandshilfe beurteilte die belangte Behörde nach § 25 Abs. 1 dritter Satz AlVG in der durch das Strukturanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 297/1995, am 1. Mai 1995 in Kraft getretenen Fassung. Der Beschwerdeführer hingegen meint, daß auf den gegenständlichen Sachverhalt § 25 Abs. 1 dritter Satz in der Fassung vor dem Strukturanpassungsgesetz 1995 anzuwenden ist. Damit ist er im Recht. Die Rechtmäßigkeit der Verpflichtung zum Rückersatz der empfangenen Notstandshilfe gemäß § 38 i.V.m. § 25 Abs. 1 AlVG ist - entsprechend der grundsätzlichen Zeitraumbezogenheit von Rückforderungsansprüchen von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. November 1989, Zl. 88/08/0287, und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Juni 1995, G 29, 35/95) - nach der im Zeitraum der Rückforderung geltenden Rechtslage zu prüfen.

Mit der Novelle BGBl. Nr. 615/1987 wurde dem § 25 Abs. 1 AlVG 1977 der dritte Satz mit folgendem Wortlaut angefügt:

"Der Empfänger des Arbeitslosengeldes (der Notstandshilfe) ist auch zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich auf Grund seines bzw. seines Angehörigen nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheides ergibt, daß gemäß § 12 Abs. 6 lit. c bzw. § 36 Abs. 3 lit. A lit. f und lit. B lit. d das Arbeitslosengeld (die Notstandshilfe) nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte."

Der in dieser Bestimmung genannte § 12 Abs. 6 lit. c erhielt durch diese Novelle folgenden Wortlaut:

"Als arbeitslos gilt jedoch, wer auf andere Art selbständig erwerbstätig ist und daraus ein nach Maßgabe des Abs. 9 festgestelltes Einkommen erzielt, das die in § 5 Abs. 2 lit. a bis c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes angeführten Beträge nicht übersteigt."

Der dritte Satz des § 25 Abs. 1 AlVG i.d.F.

BGBl. Nr. 615/1987 wurde durch die Novelle BGBl. Nr. 416/1992 abgeändert und blieb in dieser Fassung bis zum Inkrafttreten des Strukturanpassungsgesetzes BGBl. Nr. 297/1995 mit folgendem Wortlaut in Kraft:

"Der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz ist auch zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich auf Grund seines bzw. seines Angehörigen nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheides ergibt, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte."

Diese - auf den vorliegenden Fall anzuwendende - Bestimmung unterscheidet sich von der Vorgängerbestimmung (i.d.F. BGBl. Nr. 615/1987) nur dadurch, daß anstelle der Aufzählung der einzelnen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung nur allgemein von "einer Leistung nach diesem Bundesgesetz" die Rede ist. Die korrespondierenden Bestimmungen des § 12 Abs. 6 lit. c bzw. § 12 Abs. 9 AlVG wurden mit BGBl. Nr. 416/1992 nicht geändert. Diese Bestimmungen wurden erst durch die Novelle BGBl. Nr. 817/1993 geändert als anstelle des Einkommens der Umsatz als Meßgröße eingeführt wurde. Der dritte Satz des § 25 Abs. 1 AlVG erfuhr durch die Novelle BGBl. Nr. 817/1993 jedoch keine Änderung.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 12. Juni 1995, G 29/95, u.a. ausgesprochen, daß der dritte Satz des § 25 Abs. 1 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 416/1992 verfassungswidrig war. Die als verfassungswidrig erkannte Norm ist im Beschwerdefall anzuwenden, weil dieser kein Anlaßfall ist. Diese Norm kann aber nicht neuerlich Gegenstand eines Gesetzesprüfungsverfahrens sein (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 18. März 1993, Zl. 92/09/0230).

Nach der anzuwendenden Bestimmung des § 25 Abs. 1 dritter Satz AlVG i.d.F. BGBl. Nr. 416/1992 ist der Beschwerdeführer dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich aufgrund seines nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheides ergibt, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Die belangte Behörde nahm jedoch nicht einen vom Beschwerdeführer vorgelegten Einkommensteuerbescheid zum Anlaß der Rückforderung, sondern einen Umsatzsteuerbescheid. Ein solcher kann jedoch nach dieser Gesetzesstelle nicht Grundlage für eine Verpflichtung zum Rückersatz sein.

Soweit mit dem angefochtenen Bescheid die Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Rückzahlung der ihm im relevanten Zeitraum zuerkannten Notstandshilfe ausgesprochen wurde, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Die Behörde wird im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben, ob einer der anderen Rückforderungsgründe vorlag.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996080295.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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