Entscheidungsdatum
16.01.2020Norm
StVO 1960 §44a Abs3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Weber als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn A, vertreten durch Rechtsanwalt B, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 18.06.2019, Zl. ***, zu Recht:
I.
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
II.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133
Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Am 12.06.2019 teilte der Stadtamtsdirektor C der Stadtgemeinde *** der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha telefonisch mit, dass eine Dame Beschwerde betreffend das Erdbeerland im Zuge der *** geführt habe, da sich beim Linksabbiegen zum Erdbeerland immer wieder gefährliche Situationen ergeben würden und diese Situation eventuell durch eine Geschwindigkeitsbeschränkung entschärft werden könnte.
Mit Schreiben vom 14.06.2019, Zl. ***, teilte die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha der Polizeiinspektion ***, der Stadtgemeinde ***, der Straßenmeisterei *** sowie dem Beschwerdeführer mit, dass sie beabsichtige eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h im Zuge der *** von Kilometer *** bis Kilometer *** sowie ein Gefahrenzeichen mit dem Zusatz „Achtung Linksabbieger“ zu verfügen. Die Behörde ersuchte um Stellungnahme bis 17.06.2019, andernfalls Zustimmung angenommen werde.
Mit Verordnung vom 18.06.2019, Zl. ***, verfügte die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha nachstehende Verkehrsmaßnahme:
„Verordnung
Die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha verfügt gemäß § 44a Abs 1 der
Straßenverkehrsordnung 1960 - StVO 1960 anlässlich der Betreibung eines Bio-
Erdbeergarten im Ortsgebiet von *** nachstehende
Verkehrsmaßnahmen:
Das Befahren der *** ist von km *** bis km *** mit einer höheren
Geschwindigkeit als 70 km/h verboten.
Dieses Verbot ist durch das Aufstellen der Verkehrszeichen gemäß § 52 lit a Z 10a StVO
1960 „Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)“ und § 52 lit a Z
10b StVO 1960 „Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung“ jeweils mit der Aufschrift „70“
kundzumachen.
Zusätzlich ist ein Verkehrszeichen gemäß § 50 Ziff. 16 StVO 1960 "Andere Gefahren“ mit
der Zusatztafel „Linksabbieger“ in Fahrtrichtung *** bei Strkm *** aufzustellen.
Gemäß § 44a Abs 3 StVO 1960 tritt diese Verordnung mit der Aufstellung der
Verkehrszeichen in Kraft.“
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 18.06.2019, Zl. ***, verpflichtete die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha gemäß § 44a Abs. 3 StVO den Beschwerdeführer anlässlich der Betreibung des Bio-Erdbeergartens in *** zu nachstehender Maßnahme:
„Herr A wird verpflichtet, für den Zeitraum der Öffnungszeiten des Bio-
Erdbeergartens im Zuge der ***, die in der beiliegenden Verordnung
(Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h im Bereich Straßen-km *** bis km
***) angeführten Straßenverkehrszeichen im Einvernehmen mit der Polizeiinspektion
*** anzubringen.
Zu den Tages- bzw. Nachtzeiten, wenn kein Verkauf im Bereich des Erdbeergartens
stattfindet, sind die Verkehrszeichen zu entfernen oder abzudecken.
Der genaue Zeitpunkt (Tag und Stunde) der Aufstellung und Entfernung der
vorgeschriebenen Verkehrszeichen ist der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha
mitzuteilen.
Gemäß § 13 Abs 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG
wird die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde ausgeschlossen.“
2. Zum Beschwerdeverfahren:
Dagegen erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter mit Schreiben vom 02.07.2019 fristgerecht eine begründete Beschwerde und führte aus, Betreiber des Bio-Erdbeergartens in *** an der *** zu sein und während der Erdbeersaison dort einen Verkaufsstand zu betreiben. Gemäß § 32 Abs 1 StVO seien die Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergebe, vom Straßenerhalter auf seine Kosten anzubringen und zu erhalten. Gemäß Abs 2 seien die Kosten der Anbringung und Erhaltung von Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs, die wegen des Betriebes eines Unternehmens aus Gründen der Verkehrssicherheit dauernd erforderlich seien oder im Interesse eines solchen Unternehmens angebracht werden müssten, vom Unternehmer zu tragen. Bei den ihm mittels angefochtenen Bescheides auferlegten Maßnahmen handle es sich nur um vorübergehende Verkehrsmaßnahmen, welche auch nicht in seinem Interesse angebracht worden seien, sodass § 32 Abs 2 StVO nicht anzuwenden sei. Zuständig sei der Straßenerhalter. Sollte er vom Verwaltungsgericht dennoch für zuständig erachtet werden, so habe er dem Folgendes zu entgegnen:
Das Verkehrszeichen müsse vor allem zwingend geboten sein. Das sei nicht der Fall, wenn durch die allgemeinen Verhaltensregeln der Straßenverkehrsordnung nach den örtlichen Verhältnissen gewährleistet sei, dass keine besonderen Gefahren entstehen. Die mit einer Teilnahme am Straßenverkehr verbundenen allgemeinen Risiken können einen Anspruch nicht begründen. Es sei nicht ersichtlich, warum neben dem Erdbeerfeld die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h auf 70 km/h herabgesetzt werden solle. Die Straße sei gerade und übersichtlich. Der Betrieb sei nur wenige Wochen im Jahr geöffnet und liege nicht direkt an der Straße. Wenn der gegenständliche Straßenabschnitt als gefährlich erachtet werde, was er definitiv bestreite, dann sei diese Gefährlichkeit das ganze Jahr gegeben und habe jedenfalls nichts mit den Öffnungszeiten des Erdbeergartens zu tun. Im Übrigen sei die Anordnung im angefochtenen Bescheid zu unbestimmt und daher rechtswidrig.
Der Beschwerdeführer stellte den Antrag, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben.
3. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat rechtlich Nachstehendes erwogen:
§ 44a Abs 3 StVO lautet:
„Verordnungen nach Abs. 1 treten mit der Anbringung oder Sichtbarmachung der ihnen entsprechenden Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen in Kraft. Die Behörde hat die Person, Dienststelle oder Unternehmung zu bestimmen, welche die Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen anzubringen oder sichtbar zu machen hat. Die Aufstellung oder Sichtbarmachung der Straßenverkehrszeichen oder die Anbringung der Bodenmarkierungen ist der Behörde unverzüglich zur Kenntnis zu bringen; diese hat den Zeitpunkt der erfolgten Anbringung oder Sichtbarmachung in einem Aktenvermerk (§ 16 AVG) festzuhalten.“
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich stellt fest, dass eine Verordnung nicht entsprechend der Bestimmung des § 44a Abs 3 StVO kundgemacht werden kann, wenn einer Verordnung der zeitliche Geltungsbereich fehlt. Die dennoch vorgenommene Anbringung von Straßenverkehrszeichen entfaltet keine Rechtswirkungen (vgl. VwGH 20.02.1986, Zl. 85/02/0267). Die Zeiten, in denen Verkehrsmaßnahmen wirksam werden sollen, sind bereits in der von der Behörde zu erlassenden Verordnung festzusetzen. Dies darf nicht der Person, Dienststelle oder Unternehmung, welche nach § 44a Abs. 3 StVO die Straßenverkehrszeichen anzubringen oder sichtbar zu machen hat, überlassen werden. Ein Verbot, welches die Wortlaute „Vorübergehend für die Dauer einer Theaterveranstaltung“ bzw. „Während einer Veranstaltung“ aufweist, ist zeitlich zu unbestimmt und kann nicht iSd Abs. 3 kundgemacht werden (vgl. VwGH vom 08.09.1995, Zl. 95/02/0137, VwGH vom 29.03.1996, Zl. 94/02/0299).
Im gegenständlichen Fall hat die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha mit der oben angeführten Verordnung vom 18.06.2019 eine Geschwindigkeitsbeschränkung „Anlässlich der Betreibung eines Bio-Erdbeergartens“ verfügt. Diese Verordnung ist hinsichtlich des zeitlichen Geltungsbereiches unvollständig bzw. zeitlich jedenfalls viel zu wenig bestimmt, um entsprechend wirkungsvoll kundgemacht und in weiterer Folge auch Bescheid mäßig durch die Aufstellung von Verkehrszeichen angeordnet werden zu können.
Es war daher der Beschwerde Folge zu geben und der verwaltungsbehördliche Bescheid ersatzlos zu beheben.
4. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Schlagworte
Verkehrsrecht; Straßenverkehr; Geschwindigkeit; Beschränkung; Verordnung; Bestimmtheit;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.805.001.2019Zuletzt aktualisiert am
18.03.2020