TE OGH 2020/1/22 9ObA125/19a

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Veröffentlicht am 22.01.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Harald Kohlruss (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J***** K*****, vertreten durch Celar Senoner Weber-Wilfert Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GesmbH & Co KG, *****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 1.462,85 EUR brutto sA und Feststellungen (hier: Zwischenantrag der beklagten Partei auf Feststellung), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. August 2019, GZ 7 Ra 25/19a-18, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Zwischenurteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 20. Dezember 2018, GZ 25 Cga 54/18w-14, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1. 3. 2000 ausschließlich als Nachtstamm-Expeditarbeiter beschäftigt. Zur Anwendung gelangt der Kollektivvertrag für Expeditarbeiter, Maschinenwarte, Redaktions- und Verwaltungshilfen, Zusteller und Austräger (kurz: KollV). Die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers beträgt 36 Stunden. Darin sind (lt KollV) zwei bezahlte Pausen von 15 Minuten pro Tag enthalten.

Der Kläger leistete von Beginn seines Arbeitsverhältnisses bis 31. 12. 2017 im Rahmen der sogenannten „Montagfrühblatt-Schicht“ auch Dienste an Sonn- und Feiertagen. Diese Schicht, die 3 Stunden dauerte, erhielt der Kläger mit einem Entgelt von 292,57 EUR brutto und einem Zeitausgleich von 5,5 Stunden abgegolten. Seit 1. 1. 2018 vergibt die Beklagte die bei ihren Arbeitnehmern sehr begehrten „Montagfrühblatt-Schichten“ in alphabetischer Reihenfolge an alle ihre Nacht-Stammarbeiter, sodass der Kläger von der Beklagten nicht mehr zu jeder „Montagfrühblatt-Schicht“ eingeteilt werden kann.

Am 27. 6. 2002 (Beil ./C) trafen Geschäftsleitung und Arbeitnehmervertretung in den „Hausvereinbarungen – Expedit“ ua folgende Vereinbarung:

4.11 Überstunden

4.11.1. Ausdrücklich wird festgehalten, dass sämtliche Mehrleistungen (Sonn- und Feiertagsarbeit, Arbeit nach Montagfrühblatt etc) – so wie bisher – unter Berücksichtigung der Anciennität, von der Abteilungsleitung in Abstimmung mit der Betriebsratskörperschaft, eingeteilt werden.

Berechnungsgrundlage = GWL

Als wöchentlicher Normalarbeitszeitdivisor wird wie im Kollektivvertrag vorgesehen generell '36' angewendet.

...

In einem am 22. 12. 2009 zwischen der Geschäftsführung und der Betriebsratskörperschaft der Beklagten abgeschlossenen „Reglement betreffend Verteilung Montag-Frühblätter im Versandbereich“ wurde bezüglich der Nacht-Stammarbeiter ua Folgendes festgehalten:

1. Verfügbare Montag-Frühblätter ab 1. 1. 2010 ohne Beilagenaufkommen dzt. 72. Nacht-Stammarbeiter derzeit ebenfalls 72.

Derzeit kann daher jedem Nacht-Stammarbeiter 1 Montag-Frühblatt wöchentlich garantiert werden. Diese Zusage ist bei Änderung des Personalstandes bzw. Änderung der Auslastung nichtig.

Im schriftlichen Dienstvertrag des Klägers vom 23. 3. 2010 wurde ua Folgendes vereinbart:

6. Tätigkeit und Arbeitszeit:

Ihr Einsatz erfolgt als Nacht-Stammexpeditarbeiter.

Ihre wöchentliche Normalarbeitszeit beträgt derzeit 36 Wochenstunden. Diese Stunden sind entsprechend der im jeweiligen Einsatzbereich gültigen Arbeitszeitregelung zu leisten. Die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes, insbesondere die Höchstgrenzen der Arbeitszeit, Pausen und Ruhezeiten sind striktest einzuhalten.

In den Dienstverträgen, die ab 30. 6. 2002 mit den neu eingetretenen Nacht-Stammexpeditarbeitern abgeschlossen wurden, findet sich folgender Passus: „Grundsätzlich halten wir fest, dass generell kein Anspruch auf Mehrleistungen – insbesondere Leistungen von Montag-Früh-Blättern – besteht. Wenn aufgrund betrieblicher Erfordernisse Mehrleistungen zu erbringen sind, dann erfolgt die Vergabe dieser nach dem bestehenden Reglement in Abstimmung mit der Betriebsratskörperschaft.“

In der zwischen der Geschäftsleitung und den Betriebratskörperschaften der Beklagten am 7. 1. 2015 zur Vereinheitlichung der *****- und *****beginnzeiten getroffenen „Arbeitszeitvereinbarung – Expedit“ wurden folgende einheitliche Arbeitszeiten – mit Wirkung vom 1. 3. 2015 – vereinbart:

Arbeitszeiten Montag bis Freitag

1. Schicht 09.00 Uhr – 16.12 Uhr, Pause 11:00 – 11:30 Uhr

Arbeitszeiten Montag bis Samstag

2. Schicht 16.00 Uhr – 21.30 Uhr, Pause am AZ-Ende

3. Schicht 21.30 Uhr – 03.00 Uhr, Pause am AZ-Ende

Arbeitszeiten am Sonntag

1. Montag Frühblatt Schicht 18:00 - 21:00

2. Montag Frühblatt Schicht 21:00 - 24:00

3. Montag Frühblatt Schicht 24.00 - bis Expeditende

Der Kläger war ausschließlich Nacht-Stammarbeiter mit Schichteinteilung in der 2. oder 3. Schicht. Jeweils in der Vorwoche erstellt der Schichtleiter einen Dienstplan für die darauf folgende Woche. Die freien Tage unter der Woche werden vom Schichtleiter ohne vorherige Absprache mit dem Kläger eingeteilt. Mit dieser Vorgangsweise ist der Kläger einverstanden. Diese Wochenschichtpläne betreffen nicht die „Montagfrühblatt-Schichten“. Die Schichteinteilungen für Sonn- und Feiertage werden in einer eigenen Liste ausgehängt.

Der Urlaubsanspruch des Klägers wird in Werktagen abgerechnet.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger das Entgelt für jene fünf „Montagfrühblatt-Schichten“, zu denen ihn die Beklagte nicht mehr eingeteilt hat sowie die Feststellungen, dass ihm zusätzlich zu seinem bestehenden Zeitguthaben weitere 27,5 Arbeitsstunden als Zeitausgleich gutgeschrieben werden und, dass er künftig unter Berücksichtigung der wöchentlichen Sonntagsschicht zu entlohnen und ihm pro Woche zusätzlich 5,5 Gutstunden gutzuschreiben seien. Sein Begehren stützt der Kläger auf eine einzelvertragliche Vereinbarung und eine betriebliche Übung. Er sei bei der Beklagten im Rahmen einer 6-Tages-Woche, die auch den Sonntag beinhalte, beschäftigt. Die Normalarbeitszeit im Rahmen der vereinbarten 36-Stunden Woche umfasse auch die „Montagfrühblatt-Schicht“ als fixe Schicht. Die Arbeitstage unter der Woche würden variieren.

Die Beklagte bestritt die Klagebegehren und beantragte Klagsabweisung. Mit dem Kläger sei keine Arbeitszeit, die den Sonntag als fixen Arbeitstag beinhalte, vereinbart worden. Jedenfalls habe der Kläger seit der ab 1. 1. 2018 geltenden Betriebsvereinbarung vom 6. 12. 2017 keinen Anspruch auf Einteilung zu jeder „Montagfrühblatt-Schicht“.

In der Tagsatzung vom 20. 12. 2018 stellte die Beklagte den Zwischenantrag auf Feststellung, dass die Arbeiten des Klägers an Sonn- und Feiertagen nicht im Rahmen der Normalarbeitszeit erbracht werden. Dazu brachte sie vor, dass die Normalarbeitszeit des Klägers von 36 Wochenstunden auf sechs Werktage mit je 5,5 Stunden und je zusätzlich der kollektivvertraglich festgelegten Pausenzeit von 0,5 Stunden verteilt sei. Arbeiten am Sonntag würden im Rahmen von Mehr- bzw Überstundenarbeit erfolgen.

Der Kläger beantragte die Abweisung dieses Antrags.

Das Erstgericht gab mit Zwischenurteil dem Zwischenantrag auf Feststellung statt. Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung des Klägers diese Entscheidung.

Zusammengefasst begründeten die Vorinstanzen ihre Entscheidungen damit, dass nach dem KollV die Wochenarbeitszeit auf fünf oder sechs Werktage verteilt werden müsse und es dazu gesondert in einer Betriebsvereinbarung eine Arbeitszeitvereinbarung gebe. Danach erreiche der Kläger, der ausschließlich Nacht-Stammarbeiter mit Schichteinteilung in der 2. und 3. Schicht („Arbeitszeiten Montag bis Samstag“) sei, schon mit den Schichten von Montag bis Samstag die (kollektivvertraglich herabgesetzte) Normalarbeitszeit von 36 Stunden. Der Kläger könnte daher Sonn- und Feiertagsarbeit gar nicht im Rahmen der Normalarbeitszeit erbringen. Zudem lasse sich eine ausdrückliche einzelvertragliche Festlegung der Normalarbeitszeit nicht erkennen. Maßgeblich seien die Wochenpläne, deren Handhabung aufgrund der betrieblichen Übung konkludent Inhalt des Einzelvertrags geworden sei. Aus der Formulierung „zur Vermeidung von Überstunden“ im „Wiener Abkommen“ sei nicht ableitbar, dass es sich bei der „Montag-Frühblattschicht“ an sich schon nicht um Überstunden handle. Das „Wiener Abkommen“ sei hinsichtlich der Arbeitszeit auch nicht die gegenüber dem KollV anzuwendende speziellere Norm, weil dieses Abkommen keine Arbeitszeit-, sondern eine Entgeltregelung darstelle. Schließlich könne auch aus der „Arbeitszeitvereinbarung-Expedit“ nicht der Schluss gezogen werden, dass es sich bei den dort angeführten Arbeitszeiten am Sonntag um Normalarbeitszeit handle.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zur Auslegung des KollV zu.

In seiner gegen die Berufungsentscheidung gerichteten Revision beantragt der Kläger die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Abweisung des Zwischenantrags der Beklagten auf Feststellung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision des Klägers keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

1.1. Der Kollektivvertrag für Expeditarbeiter, Maschinenwarte, Redaktions- und Verwaltungsgehilfen, Zusteller und Aushelfer vom 31. 1. 1982 lautet auszugsweise

wie folgt:

§ 4 Arbeitszeit

1. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt – mit Ausnahme der Zusteller und Austräger – die gesetzliche Arbeitszeit; ihre Verteilung hat möglichst gleichmäßig zu erfolgen. Zwei viertelstündige Pausen werden in die tägliche Arbeitszeit eingerechnet. In jenen Betrieben, in denen der Arbeitsumfang ein solcher ist, dass er in einer geringeren als der gesetzlichen Arbeitszeit bewältigt werden kann, kann eine kürzere Wochenarbeitszeit im Einvernehmen mit dem Betriebsrat festgelegt werden, die jedoch mindestens 50 Prozent der kollektivvertraglichen Arbeitszeit betragen muss. Verkürzte Wochenarbeitszeiten bleiben so lange in Geltung, als nicht wesentliche Änderungen in der Auflagenhöhe eintreten, diese können nur dann berücksichtigt werden, wenn sie durch mindestens vier Wochen gedauert haben.

2. Die normale wöchentliche Arbeitszeit hat in der Zeit zwischen 6 und 18 Uhr zu liegen.

3. Als Nachtarbeit gilt die Zeit von 18 bis 6 Uhr. Für jede dieser Stunden ist ein 50-prozentiger Zuschlag auf den Normalstundenlohn zu bezahlen. Bezüglich des Zuschlages für Austräger siehe Punkt 3 der Sonderbestimmungen.

4. Bei einer Festlegung von Arbeitspausen, die die tägliche Arbeitszeit unterbrechen, sind tunlichst die Wünsche der Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Arbeitspausen, die nach mindestens fünfstündiger Arbeitsleistung einzuschalten sind, müssen mindestens eine halbe Stunde betragen, dürfen aber die Dauer von zwei Stunden nicht überschreiten.

5. Die Arbeitszeit für alle Expeditarbeiter, Maschinenwarte, Redaktions- und Verwaltungsgehilfen richtet sich nach der Erscheinungsweise. Sie muss auf fünf oder sechs Werktage gleichmäßig verteilt sein und darf neun Stunden täglich nicht überschreiten.

6. Die daraus resultierende tägliche Arbeitszeit wird als „Tagesarbeitszeit“ im Sinne des Arbeitszeitgesetzes § 6/1 b bezeichnet.

7. Zwischen Arbeitsende und Wiederbeginn der Arbeit am nächsten Tag hat eine Ruhepause von mindestens 11 Stunden zu liegen. Verlangt der Dienstgeber im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten eine kürzere Ruhezeit, so ist dem Dienstnehmer für jede Stunde verkürzter Ruhezeit eine Entschädigung im Betrage eines Gesamtstundenlohnes zu bezahlen.

8. Für Arbeitnehmer, die bei der Herstellung oder beim Vertrieb von Tageszeitungen und Montagfrühblättern beschäftigt sind, ist gemäß § 5 (6) ARG eine Verkürzung der wöchentlichen Ruhezeit auf 24 Stunden zulässig, wenn in einem vierwöchigen Durchrechnungszeitraum eine durchschnittliche wöchentliche Ruhezeit von 36 Stunden gesichert ist. § 5 (2) ARG dritter Satz (wonach für die Berechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Ruhezeiten von 36 Stunden nur mindestens 24-stündige Ruhezeiten herangezogen werden dürfen) gilt sinngemäß.

Weiters kann die tägliche Ruhezeit gemäß § 12 Abs 2 AZG bei Bedarf von 11 Stunden auf 8 Stunden verkürzt werden, wobei die Erholung der betroffenen Arbeitnehmer durch die nach § 7 des Kollektivvertrages zusätzlich zu bezahlenden freien Zeiten sichergestellt ist.

§ 5 Überstunden

1. In dringenden Bedarfsfällen kann der Dienstgeber die Leistung von Überstunden beanspruchen. ...

...

4. Für die über die vereinbarte kürzere Wochenarbeitszeit geleisteten Arbeitsstunden gebührt Überstundenentgelt.

...

§ 6 Sonn- und Feiertagsarbeit

1. Unter Sonn- und Feiertagsarbeit ist jede Arbeit zu verstehen, die an einem Sonntag oder Feiertag in der Zeit zwischen 0 und 24 Uhr geleistet wird.

2. Für die bei täglich erscheinenden Tageszeitungen beschäftigten Expeditarbeiter, deren Arbeitszeit in den Nachtstunden liegt, beginnt der Sonntag oder Feiertag um 6 Uhr früh und endet am darauf folgenden Werktag um 6 Uhr früh, soweit nicht besondere Bedürfnisse des Unternehmens (zum Beispiel Transport von Tageszeitungen über Land) einen späteren Arbeitsschluss bedingen.

3. Die Sonntagsarbeit ist mit 100 Prozent Aufschlag auf den Gesamtstundenlohn (ohne Montagblattvergütung) zu vergüten. Außerdem sind dem Dienstnehmer so viele Stunden bezahlter Freizeit in ununterbrochener Folge zu geben, als er am Sonntag gearbeitet hat. Die Mindestentschädigung beträgt zwei Stunden.

...

1.2. Ebenfalls am 31. 1. 1982 trafen die Kollektivvertragsparteien folgende „VEREINBARUNG für Expeditarbeiter bei den in Wien produzierten Zeitungsausgaben, die nach einem Sonntag oder Feiertag erscheinen (sog. 'Wiener Abkommen')“.

Für Zeitungsausgaben, die nach einem Sonn- und Feiertag erscheinen, gelten folgende arbeits- und lohnrechtliche Regelungen:

a) Die Arbeitszeit beträgt drei Stunden. Der Arbeitszeitbeginn wird aufgrund der Betriebserfordernisse einvernehmlich festgelegt. Zur Vermeidung von Überstunden ist es gestattet, in Schichten zu je drei Stunden zu arbeiten.

b) Zur Expedition dieser Ausgaben werden in erster Linie die Dienstnehmer aus den eigenen Expediten, arbeitslose Expeditarbeiter oder Aushelfer der Sparte aus fremden Expediten herangezogen.

c) Dem Expeditarbeiter gebührt eine Entschädigung von 33 Prozent des Kollektivvertragslohnes eines bei Nacht beschäftigten Expeditarbeiters (Wiener Abkommen).

d) Dem Expeditarbeiter wird bei Überschreitung der dreistündigen Arbeitszeit für jede angefangene Viertelstunde eine Entschädigung von einer halben Stunde des Kollektivvertragslohnes eines Expeditarbeiters bezahlt (Gesamtwochenlohn plus 33 Prozent Entschädigung, geteilt durch die jeweilige Stundenanzahl der gesetzlichen Arbeitszeit = Stundenlohn).

e) Expeditarbeiter aus dem betriebseigenen Expeditpersonal erhalten bei siebenmaligem Erscheinen der Zeitung einen ganzen bezahlten freien Arbeitstag.

f) Erscheint nach einem dem Sonntag gleichgestellten Feiertag oder am 2. Mai eine solche Ausgabe, so gebührt jedem Dienstnehmer noch ein Zuschlag von fünf Prozent des Kollektivvertragslohnes eines Expeditarbeiters (Wiener Abkommen).

g) Bestehende Haus- und Qualifikationszulagen bleiben wirksam.

1.3. In einer Zusatzvereinbarung vom 26. 3. 1990 wurde die normale wöchentliche Arbeitszeit im Rahmen dieses Kollektivvertrags ab 2. 4. 1990 – mit Ausnahme der Zusteller und Austräger – auf 36 Stunden verkürzt (Punkt II.1.). Seit 1. 4. 1992 ist die im Rahmen der 39., 38. und 37. Stunde geleistete Mehrarbeit als Überstunden zu entlohnen (Punkt II.4. der Zusatzvereinbarung).

2. Gemäß § 19c Abs 1 AZG ist die Lage der Normalarbeitszeit und ihre Änderung zu vereinbaren, soweit sie nicht durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung festgesetzt wird. Die zentrale Rolle bei der Festlegung der konkreten Arbeitszeiteinteilung kommt dabei den Betriebsvereinbarungen zu (vgl Schrank, Arbeitszeit5 § 19c Rz 4).

3. Die wöchentliche Normalarbeitszeit des Klägers beträgt 36 Wochenstunden. Nach den Feststellungen sind diese Stunden entsprechend der im jeweiligen Einsatzbereich gültigen Arbeitszeitregelung zu leisten. Dazu sieht der KollV in § 4 Z 5 Satz 2 vor, dass die wöchentliche Arbeitszeit für Expeditarbeiter auf fünf oder sechs Werktage gleichmäßig verteilt sein muss. In der Betriebsvereinbarung (vgl § 97 Abs 1 Z 2 ArbVG) vom 7. 1. 2015 wurden die Arbeitszeiten in bestimmten Schichten exakt festgelegt. Danach beträgt die Arbeitszeit für einen Arbeitnehmer, wie den Kläger, der ausschließlich als Nacht-Stammarbeiter mit Schichteinteilung in der 2. oder 3. Schicht tätig ist, jeweils 5,5 Stunden von Montag bis Samstag. Zusätzlich zu den nach § 4 Z 1 Satz 2 KollV vorgesehenen und in die tägliche Arbeitszeit einzurechnenden Pausen von zwei mal 15 Minuten ergibt dies die kollektivvertragliche Normalarbeitszeit von 36 Wochenstunden. Schon daraus ist ersichtlich, dass es sich bei den 3-stündigen Mehrleistungen des Klägers am Sonntag im Rahmen der „Montagfrühblatt-Schichten“ nicht um Normalarbeitszeit handelt. Auch Punkt II.4. der kollektivvertraglichen Zusatzvereinbarung vom 26. 3. 1990 (seit 1. 4. 1992) sieht vor, dass die im Rahmen der 39., 38. und 37. Stunde geleistete Mehrarbeiten als Überstunden zu entlohnen sind.

4. Zu Unrecht möchte der Revisionswerber aus der im „Wiener Abkommen“ in lit a Satz 3 aufscheinenden Textierung „Zur Vermeidung von Überstunden ist es gestattet, in Schichten zu je drei Stunden zu arbeiten.“ ableiten, dass es sich auch bei der „Montag-Frühblattschicht“ um Normalarbeitszeit handelt. Da den Kollektivvertragsparteien im Zweifel zu unterstellen ist, dass die Vertragsparteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten (RS0008897), ist der 3. Satz der lit a des „Wiener Abkommens“ im Gesamtzusammenhang so zu verstehen, dass sich dieser auf die Entgeltregelung der lit d bezieht, also die Bestimmungen insgesamt erreichen wollen, dass den betroffenen Expeditarbeitern erst ab einer Überschreitung der 3-stündigen Arbeitszeit an einem Sonntag oder Feiertag (für jede angefangene viertel Stunde) – unabhängig von der Bezahlung einer Überstundenentlohnung, eines Feiertags- oder Sonntagszuschlags – eine zusätzliche Entschädigung von einer halben Stunde des Kollektivvertragslohns eines Expeditarbeiters bezahlt werden muss. Die gegenständliche Bestimmung enthält nämlich nach ihrem Inhalt in Zusammenschau mit der Passage „gelten folgende arbeits- und lohnrechtliche Regelungen“ primär Sonderbestimmungen betreffend die Honorierung der Expeditarbeiter bei den in Wien produzierten Zeitungsausgaben für Arbeit betreffend nach einem Sonn- oder Feiertag erscheinende Zeitungsausgaben. Sie stellt aber keine „arbeitszeitrechtliche Ausnahmeregelung“ für eine Sieben-Tage-Produktion im Schichtbetrieb dar. Hätten die Kollektivvertragsparteien mit dem Wiener Abkommen generell eine von § 4 Z 5 Satz 2 des KollV abweichende (Normal-)Arbeitszeitregelung schaffen wollen, so wäre dies klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht worden.

5. Auch aus den Überlegungen des Klägers im Zusammenhang mit der Betriebsvereinbarung vom 7. 1. 2015 ist für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen, weil er diesen nicht nur – entgegen § 4 Z 1 Satz 2 KollV – zu Grunde legt, dass die zwei viertelstündigen Pausen nicht in die tägliche Arbeitszeit eingerechnet werden, sondern auch unberücksichtigt lässt, dass seine wöchentliche Normalarbeitszeit (nur) 36 Wochenstunden beträgt und schon die Arbeitszeiten unter der Woche in jenen Schichten, in denen der Kläger tätig ist, von Montag bis Samstag je sechs Stunden (incl der kollektivvertraglich vorgesehenen Pausen) betragen.

6. Die Bezugnahme der Revision auf § 12a ARG ergibt keine andere Beurteilung. Das Wiener Abkommen sieht keine Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe vor.

7. Soweit die Revision für ihren Standpunkt die Bestimmung des § 4a AZG und allgemeine Überlegungen zur Schichtarbeit ins Treffen führt, ist nicht erkennbar, inwiefern ihr diese im Zusammenhang mit der hier strittigen Frage der Normalarbeitszeit zu einer anderen Beurteilung verhelfen könnten. Dass es sich hier um eine zulässige Schichtregelung handelt, ist unstrittig.

8. Richtig ist, dass eine Vereinbarung der Streitteile über die Lage der Normalarbeitszeit iSd § 19c Abs 1 AZG auch schlüssig getroffen werden kann (vgl 8 ObA 28/07m mwN; Schrank, Arbeitszeit5 § 19c AZG Rz 18; Mosler in ZellKomm³§ 19c Rz 10 AZG). Auch wenn der Kläger während seines Arbeitsverhältnisses bis 31. 12. 2017 im Rahmen der sogenannten „Montagfrühblatt-Schicht“ auf eigenen Wunsch auch Dienste an Sonn- und Feiertagen verrichtete und die dadurch aufgrund der kollektivvertraglichen Bestimmungen entstandenen Gutstunden und zusätzlich freien Tage in der Folge in Form von freien Werktagen (Zeitausgleich) verbrauchte, bieten die Feststellungen keine Grundlage für die Annahme einer iSd § 863 ABGB konkludenten – vom KollV und den Betriebsvereinbarungen abweichenden, im konkreten Fall aus Sicht des Klägers aber günstigeren – Vereinbarung der Normalarbeitszeit (vgl RS0014150).

Der Revision des Klägers war daher nicht Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO. Bei Bestätigung eines „stattgebenden“ Zwischenurteils kommt ein endgültiger Kostenzuspruch nicht in Betracht (RS0035896).

Textnummer

E127537

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:009OBA00125.19A.0122.000

Im RIS seit

11.03.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.04.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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