Entscheidungsdatum
29.01.2020Norm
AsylG 2005 §7 Abs1Spruch
W226 2224919-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. WINDHAGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.09.2019, Zl. 733605107-18058113:
A) Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz
VwGVG aufgehoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste im Jahr 2003 als Minderjähriger mit seiner Familie in das Bundesgebiet ein und am 20.11.2003 wurde für ihn ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Am 03.05.2004 wurde dem BF vom Unabhängigen Bundesasylsenat (im Folgenden: UBAS) der Status eines Asylberechtigten zugesprochen, weil seinem Vater derselbe Schutz gewährt wurde (§ 11 AsylG 2003).
Im Jahr 2018 wurde der BF zweimal strafrechtlich verurteilt, nämlich wegen der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall SMG, wobei nur geringe Geldstrafen ausgesprochen wurden.
Mit Aktenvermerk vom 26.09.2018 wurde vom Bundesamt für Fremden- und Asylwesen (im Folgenden auch BFA) festgehalten, dass die vom BF begangenen Straftaten nicht als besonders schwere Verbrechen im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG einzustufen sind und daher nicht die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 3 oder 4 AsylG vorlagen.
Am 29.04.2019 wurde der belangten Behörde der Abschluss-Bericht der Landespolizeidirektion XXXX (GZ: XXXX ) vom 23.4.2019 übermittelt. Darin wurde der BF erneut verdächtigt eine Körperverletzung begangen zu haben. Am XXXX wurde der BF dafür nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 2 Monaten verurteilt.
Mit Aktenvermerk vom 12.06.2019 wurde von der belangten Behörde ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten eingeleitet. Begründet wurde dies damit, dass die Vorrausetzungen für die Zuerkennung in Folge des Wegfalls der Umstände, die zur Zuerkennung geführt haben, nicht mehr vorliegen würden. Die Zuerkennung sei vor mehr als fünf Jahren erfolgt, doch liege Straffälligkeit vor, weshalb die Frist von fünf Jahren nicht zu berücksichtigen sei.
Mit der Mitteilung über die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens vom 12.06.2019, zugestellt am 11.07.2019, wurde der BF aufgefordert zu Fragen bzgl. seiner möglichen Rückkehr sowie seiner aktuellen Situation in Österreich Stellung zu nehmen und allfällige Bescheinigungs- bzw. Beweismittel der belangten Behörde vorzulegen. Dieser Aufforderung kam der BF mit E-Mail vom 15.07.2019 nach und führte im Wesentlichen an, dass er vor dem Krieg [in Tschetschenien] geflohen sei und nicht wisse was ihn im Falle seiner Rückkehr erwarte. Er habe keinen Kontakt zu seinen Verwandten in Tschetschenien und beherrsche auch seine Muttersprache Tschetschenisch nicht gut, da er schon seit 17 Jahren in Österreich lebe. Russisch spreche er überhaupt nicht. Er sei ledig und habe keine Kinder. Außer seiner Familie habe er keine sonstigen Bindungen in Österreich. Deutsch beherrsche er gut, weil er hier 10 Jahre lang zur Schule gegangen sei. Derzeit absolviere der BF eine Ausbildung zum Elektriker und sei im 3. Lehrjahr, wodurch er auch seinen Lebensunterhalt bestreite. Im Rahmen der Lehre besuche er auch die Berufsschule in Innsbruck. Weiters machte er Angaben zu seinen strafrechtlichen Verurteilungen.
Am 23.09.2019 wurde der BF vor dem BFA zum eingeleiteten Aberkennungsverfahren einvernommen. Seine Muttersprache sei Tschetschenisch, außerdem spreche er Deutsch und Englisch. Tschetschenisch spreche er noch mit seinem Vater, aber nicht mehr sehr gut. Er mache eine Lehre als Elektriker und sei im 3. Lehrjahr. Aufgefordert, seinen Lebenslauf von sich aus zu schildern, gab der BF an, am XXXX in Tschetschenien geboren und 2003 mit seiner Familie nach Österreich gekommen zu sein. In Österreich habe er den Kindergarten besucht und einen Pflichtschulabschluss absolviert. Im Heimatland würden noch seine Großmutter, Tanten, Onkeln und Cousins leben. Kontakt habe er aber nur hin und wieder zu seiner Oma, mit der er einige Monate zuvor geredet habe, aber nur "Small Talk". Der BF konnte keine aktuellen Befürchtungen bzgl. einer Rückkehr ins Heimatland äußern, auch da er nicht viel mit Tschetschenien zu tun habe. Dort leben könne er aber nur schwer, weil er kein Russisch und nur sehr wenig Tschetschenisch spreche. Sein Leben sei in Österreich, wo er zur Schule gegangen sei und auch arbeite bzw. derzeit eine Lehre absolviere. Seine Familie sei hier und diese unterstütze ihn auch finanziell, da er € 980 verdiene. Der BF wurde danach zu seinen strafrechtlichen Verfehlungen im Bundesgebiet befragt. Schließlich wurde die Länderfeststellung der Staatendokumentation vom 31.08.2019, letzte Kurzinformation vom 28.02.2019, dem BF näher erklärt.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.09.2019, Zl. 733605107-180581113 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den am 03.05.2004 zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ab. Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG wurde festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt IV. und V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
Die belangte Behörde stellte im angefochtenen Bescheid die Identität des Beschwerdeführers fest.
Hinsichtlich der Beweismittel verwies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf die Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, sämtliche Schriftstücke des vorhergehenden Asylverfahrens sowie die landeskundlichen Feststellungen zur Russischen Föderation mit Stand 31.08.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 28.02.2019).
Die belangte Behörde stellte fest, dass der BF russischer Staatsangehöriger sei, der Volksgruppe der Tschetschenen angehöre und sich zum Islam bekenne sowie ledig sei. Weiters sei er arbeitsfähig und leide an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung. Der BF sei in Tschetschenien geboren und bis 2003 dort aufgewachsen. Nachdem er mit seiner Familie illegal nach Österreich gereist war, habe er hier die Schule besucht und schon Arbeitserfahrung gesammelt. Der BF spreche Deutsch, gehe einer Lehre nach und habe Verwandtschaft in Österreich. Er sei in Österreich straffällig worden und wegen Körperverletzung bzw. unerlaubtem Umgang mit Suchtgift dreimal rechtskräftig verurteilt worden. Im Falle einer Rückkehr habe der BF im Heimatland keine Gefährdungs- bzw. Bedrohungslage zu befürchten und er habe auch keine aktuelle bzw. individuelle Furcht vor Verfolgung glaubhaft machen können. Der BF habe weiters noch familiäre Anknüpfungspunkte in der Russischen Föderation und könne seinen Lebensunterhalt dort bestreiten und würde Arbeitsmöglichkeiten vorfinden.
Im Rahmen der Beweiswürdigung wurde ausgeführt, dass eine geltend gemachte Furcht nicht nur behauptet, sondern auch glaubhaft gemacht werden müsse. Glaubhaft sei es dann, wenn das Vorbringen genügend substantiiert, in sich schlüssig und plausibel sei und der Asylwerber auch persönlich glaubwürdig sei.
Bezüglich den Feststellungen zur Person des BF folgte das BFA den unwiderlegten und plausiblen Angaben des BF. Seine Straffälligkeit in Österreich stelle Amtswissen dar.
Zur Rückkehr des BF führte die belangte Behörde zudem aus, dass dieser keine aktuellen bzw. individuellen Fluchtgründe glaubhaft machen habe können, zumal der BF nur angegeben habe nicht zu wissen was er im Heimatland fürchten würde bzw. dort zu erwarten habe und er eigentlich noch ein Kind sei. Er habe jedoch keine gegen ihn gerichtete Gefährdungslage vorgebracht. Aufgrund seiner Straffälligkeit würde er nun, laut BFA, "nicht mehr in das Familienverfahren fallen" und daher habe sich seine subjektive Lage maßgeblich geändert. Auch die objektive Lage im Heimatland habe sich maßgeblich geändert, wie den Länderinformationen entnommen werden könne. In Bezug auf die Person des BF gäbe es also keine individuelle Gefährdungs- bzw. Bedrohungslage.
Das BFA führte weiters aus, dass ehemalige Unterstützer [Anm.: wohl:
der tschetschenischen Separatisten] keiner Verfolgung mehr ausgesetzt seien und dies eine enorme Verbesserung der Lage im Heimatland darstelle. Der BF habe keine Gefährdungslage mehr zu befürchten, "umso mehr eben" seine Familie "amnestiert" worden sei. Aufgrund der Straffälligkeit des BF sei nun seine eigene Gefährdungslage zu bewerten gewesen, wozu dieser jedoch nie etwas vorgebracht habe. Weiters habe der BF noch familiäre Anknüpfungspunkte im Heimatland, zu denen er regelmäßig Kontakt pflege und die ihn daher "mit Sicherheit auch, vor allem aber am Anfang, unterstützen" würden. Eine Rückkehr sei dem BF daher zuzumuten.
Die Möglichkeit der Bestreitung des Lebensunterhalts in der Russischen Föderation habe den diesbezüglichen Länderinformationen entnommen werden können. Dem BF sei es zumutbar, auch unter durchaus schweren Bedingungen am Arbeitsmarkt nach einer Beschäftigung zu suchen und möglicherweise seinen Unterhalt auch durch das Verrichten von Gelegenheitsarbeit zu bestreiten. Gerade für junge Menschen sei es leicht soziale Kontakte zu knüpfen. Der BF sei ein arbeitsfähiger und gesunder Mann, der im Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation zweifellos seinen Unterhalt bestreiten könne, zumal er "die dortige Sprache (tschetschenisch) spreche und auch mit der dort ansässigen Kultur vertraut" sei. "Mit Sicherheit [kenne der BF] die russischen Traditionen und Gepflogenheiten, zumal [er] einen Teil [seines] Lebens eben dort" verbracht habe und im Rahmen seiner Familie aufgewachsen sei. Auch die familiären Anknüpfungspunkte in Tschetschenien würden dem BF ein Leben im Heimatstaat, vor allem am Anfang, massiv erleichtern und er würde somit nicht auf sich alleine gestellt sein.
Auch sei dem Akteninhalt zu entnehmen, dass die Kernfamilie des BF in Österreich asylberechtigt sei. Die Feststellung der illegalen Einreise sei aufgrund seiner eigenen Angaben getroffen worden.
Die Feststellungen zum Heimatland des BF würden auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA basieren.
In rechtlicher Hinsicht schloss die belangte Behörde daraus, dass kein Grund zur Gewährung des Asylstatus mehr vorliege, denn es liege ein Endigungsgrund gemäß Art. 1 lit. C Z 5 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) vor. Die Umstände, auf Grund derer dem BF Asyl zuerkannt worden war, würden nicht mehr bestehen und er könne es daher nicht weiterhin ablehnen, sich unter den Schutz seines Heimatlandes zu stellen. Gemäß § 7 Abs. 3 AsylG müsse auch bei straffällig gewordenen Asylberechtigten die Frist von fünf Jahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht eingehalten werden. Dies sei aufgrund des rechtskräftigen Verurteilungen des BF gegeben.
Weiters zitierte das BFA ein Erkenntnis des BVwG aus 2017 (L515 1235454-3), daraus sei zu entnehmen, dass ein nach Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten straffällig gewordener Asylberechtigter sich nicht mehr auf ein nach § 34 AsylG zu führendes Familienverfahren berufen könne, zumal die Straffälligkeit einen Ausschließungsgrund im Familienverfahren darstelle. Damit seien auch die früher bestehenden Voraussetzungen für die Schutzgewährung aufgrund eines Familienverfahrens nicht mehr gegeben.
Auch die behaupteten Gründe für eine Gefährdungslage seien vom BF bloß in den Raum gestellt worden und nicht glaubhaft. Auch sonst bestehe keine wohlbegründete Furcht aus einem in der GFK genannten Grund. Dazu führte das BFA auch aus, dass im ursprünglichen Familienverfahren kein Grund ersichtlich gewesen sei dem BF "originären Schutz im Sinne des § 3 AsylG zuzuerkennen". Demnach habe der BF schon damals keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der GFK gehabt. Da sich die persönliche Situation des BF nicht geändert habe, war ihm daher der Status des Asylberechtigten abzuerkennen. Aufgrund der Verurteilung könne auch nicht von einer positiven Zukunftsprognose ausgegangen werden und würde der BF ein Risiko für die österreichische Gesellschaft darstellen.
Zur Frage des subsidiären Schutzes führte die belangte Behörde in der rechtlichen Beurteilung erneut aus, dass der BF keine glaubhaften Gründe vorgebracht habe, warum ihm ein Leben in der Russischen Föderation nicht zumutbar sei. Auch sonstige Abschiebungshindernisse würden nicht vorliegen, insbesondere könne er sich in seiner Heimat Arbeit suchen und auf die Unterstützung von Familienangehörigen zurückgreifen. Im Verfahren hätten sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der BF bei einer Rückkehr ins Heimatland seinen Unterhalt nicht bestreiten werde können bzw. in eine existentielle Notlage geraten würde.
Der BF erfülle auch keine der in § 57 AsylG genannten Voraussetzung zur Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz". Zur Rückkehrentscheidung führte das BFA aus, dass Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) das Zusammenleben der Familie schütze. Die Kernfamilie des BF bestehe aus Mutter, Bruder und Schwester, welche alle in Österreich asylberechtigt seien. Der BF habe daher eine gewisse Bindung an Österreich, zumal seine Familie hier lebe. Auch das Privatleben sei schutzwürdig. Der BF verfüge über Deutschkenntnisse und gehe derzeit einer Lehre nach, verfüge aber über sonst keine nennenswerten Bindungen. Der Eingriff in das Familien- und Privatleben des BF durch die Rückkehrentscheidung sei aber durch die Abwägung seiner Interessen mit jener der Öffentlichkeit gerechtfertigt. Er sei mehrfach wegen Vergehen rechtskräftig verurteilt worden, was einem rechtskonformen Miteinander zuwiderlaufe. Er sei mehrmals rückfällig geworden, was eindeutig zeige, dass der BF die österreichischen Gesetze und den Rechtsstaat nicht anerkenne oder akzeptiere. Ansonsten wäre er nicht so schnell und oft rückfällig geworden. Die für die Integration wesentliche soziale Komponente sei durch die vom BF begangenen Straftaten erheblich beeinträchtigt worden (vgl. VwGH 30.01.2007, 2004/21/0045; VwGH 19.11.2003, 2002/21/0181).
Für die Behörde sei weiters ersichtlich, dass der BF auch von den hier gewährten Grundrechten nichts halte und er diese offenbar ablehne. Er zeige ein negatives Persönlichkeitsbild, das einem weiteren Verbleib in einem toleranten, westlich gesinnten Land entgegenstehe, weil nicht absehbar sei, gegen welche Person sich die Gewaltbereitschaft des BF als Nächstes richten würde. In Anbetracht der rechtskräftigen Verurteilungen stelle der BF eine besondere Gefahr für die Allgemeinheit dar. Um die öffentliche Ordnung zu schützen, könne ihm daher zugemutet werden sein Familienleben in seinem Heimatland zu bestreiten. Es gäbe auch keine Anhaltspunkte für eine besondere Integration des BF in Österreich.
Gegen diesen Bescheid hat der BF fristgerecht Beschwerde erhoben und dabei die aus seiner Sicht mangelhaften Ermittlungen und darauf aufbauenden fehlenden bzw. falschen Feststellungen, auch hinsichtlich der aktuellen Lage in Tschetschenien, kritisiert. Die Länderfeststellungen hätten sich auch mit der konkreten Situation des BF zu befassen (VfGH, 02.05.2011, U1005/10) und seien auch nicht aktuell genug gewesen, da sie zum Entscheidungszeitpunkt überwiegend älter als ein Jahr gewesen seien (VwGH, 22.10.2003, 2000/20/0355).
Auch bezüglich der Situation des BF im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation seien mangelhafte Ermittlungen durchgeführt worden bzw. sei das BFA "völlig sinnbefreit" von einer engen Beziehung des BF zum Heimatland und seinen dort lebenden Verwandten ausgegangen. Des Weiteren sei auch die Beweiswürdigung mangelhaft, insbesondere, da sich die belangte Behörde nicht mit den ursprünglichen Fluchtgründen der Familie des BF auseinandergesetzt habe und ebenso nicht damit, ob diese noch vorliegen würden. Auch spiegele sich die vom BFA angenommene enorm verbesserte Lage in der Teilrepublik Tschetschenien nicht einmal im verwendeten Länderbericht wieder.
Schließlich ginge das BFA auch von einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung aus, denn der bloße Wegfall eines subjektiven Furchtempfindens würde noch nicht zu einem Endigungsgrund gemäß Art. 1 lit. C GFK führen. Hinsichtlich der Verneinung des subsidiären Schutzes führte der BF außerdem aus, dass man in Tschetschenien von einer akuten Gefährdung von Rückkehrenden ausgehen müsse und brachte dafür auch Beispiele vor.
Auch die Ausführungen der belangten Behörde zur Rückkehrentscheidung seien mangelhaft, insbesondere, weil es beim BF zu einer Aufenthaltsverfestigung gekommen sei und deshalb nicht der Maßstab einer gewöhnlichen Gefährdung, sondern der einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, heranzuziehen sei. Der VwGH habe ausgesprochen, dass bei einem über zehn jährigen legalen Aufenthalt in Österreich regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib auszugehen sei. Nur wenn der Fremde die Zeit in Österreich überhaupt nicht genützte habe um sich sozial und beruflich zu integrieren, sei eine Aufenthaltsbeendigung ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig anzusehen (VwGH, 23.02.2017, Ra 2016/21/0325). Die belangte Behörde habe aber das Privatleben des BF nur unzureichend dargestellt: Er spreche Deutsch auf Muttersprachenniveau, mache eine Lehre und lebe mit seiner gesamten Kernfamilie in einem Haushalt. Da der BF nun seit fast 16 Jahren in Österreich Asylstatus habe sei die erlassene Rückkehrentscheidung ein massiver Eingriff in sein Privat- und Familienleben. Auch sei der familiäre Kontakt im Heimatland aufgrund mangelnder Ermittlung falsch beurteilt worden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und anzuwendendes Recht:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.
Gemäß §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.
Zu A) Zurückverweisung der Beschwerde:
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Nach § 28 Abs. 2 leg.cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11 mwN).
§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.
Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0168).
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten ausgeführt: "Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zum unabhängigen Bundesasylsenat und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. das E 16.4.2002, Zl. 99/20/0430). Die dem unabhängigen Bundesasylsenat in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" (Art. 129c Abs. 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen (vgl. in einem etwas anderen Zusammenhang schon das E 21.11.2002, Zl. 2000/20/0020). Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinaus gehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich - abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung.
Nach der aktuellen - restriktiven - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu § 28 Abs. 3 VwGVG ist die Zurückverweisung dann gerechtfertigt, wenn sich die Behörde offenkundig notwendiger Erhebungen entledigen und auf das BVwG übertragen wollte (VwGH vom 06.11.2018 Ra 2017/01/0292) bzw. seitens des BVwG in Relation zu den Ermittlungsanstrengungen des Bundesamtes nicht "lediglich ergänzende Ermittlungen" vorzunehmen wären (VwGH vom 10.09.2018, Ra 2018/19/0172).
Außerdem muss nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die Begründung eines Bescheids erkennen lassen, welchen Sachverhalt die Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl. dazu etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, zu § 60 AVG unter E 19 angeführten Erkenntnisse). Zu einer lückenlosen Begründung gehört nicht nur die Feststellung des Sachverhalts, sondern auch die Anführung der Beweismittel (im Einzelnen), auf die die Feststellungen gegründet werden (vgl. VwGH vom 28. März 2007, Zl. 2006/12/0115). Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (vgl. VwGH vom 23.11.1993, Zl. 93/04/0156, vom 13.10.1991, Zl. 90/09/0186, Slg. Nr. 13.520/A, und vom 28.7.1994, Zl. 90/07/0029).
Im Fall des Beschwerdeführers erweist sich der Bescheid in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus den folgenden Gründen als mangelhaft:
Unzweifelhaft stützte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Aberkennung des Status des Asylberechtigten auf § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG und führte begründend aus, dass sich die Lage in der Russischen Föderation im Sinne des Art. 1 Abschnitt C Z 5 Genfer Flüchtlingskonvention seit Ausreise des Beschwerdeführers erheblich geändert habe.
Dazu ist zunächst auszuführen, dass die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht von Amts wegen zu ermitteln hat, ob eine die Anwendung des Endigungsgrundes des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK rechtfertigende relevante Änderung der Verhältnisse im Herkunftsstaat eingetreten ist und unter Berücksichtigung der Fluchtgeschichte bzw. der Fluchtgründe eines Asylwerbers zu prüfen hat, ob diese noch immer einen asylrechtlich relevanten Aspekt haben könnten (vgl. VwGH 31.01.2019, Ra 2018/14/0121).
Der verfahrensgegenständliche Bescheid enthält allerdings weder einen Hinweis auf die Gründe, aufgrund welcher über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgesprochen wurde, noch wird auf sonstige Unterlagen, wie etwa Einvernahmeprotokolle des Beschwerdeführers, oder seines Vaters, oder zur Untermauerung des Asylbegehrens vorgelegte Urkunden, aus welchen die Fluchtgeschichte bzw. die Fluchtgründe des Beschwerdeführers hervorgingen, verwiesen.
Die belangte Behörde verweist in ihrer nunmehrigen Entscheidung einzig darauf, dass dem BF am 03.05.2004 durch den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS) der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei. Die näheren Gründe, aufgrund welcher Überlegungen der UBAS den BF als Flüchtling ansah, abgeleitet von seinem Vater im Rahmen eines Familienverfahrens, hat die belangte Behörde weder ermittelt noch in der angefochtenen Entscheidung dargestellt. Die belangte Behörde behauptete zwar, den Verwaltungsakt des konkreten BF betreffend sein Asylverfahren in den Jahren 2003/2004 beigeschafft zu haben, die seinerzeitigen Angaben wurden jedoch erkennbar weder in der Entscheidung noch in der erfolgten Einvernahme im Aberkennungsverfahren auch nur ansatzweise gewürdigt. Diese Aktenteile wurden auch nicht im Rahmen der Beschwerdevorlage an das BVwG übermittelt und können auch aus diesem Grund nicht zur einer etwaigen Entscheidung durch das BVwG herangezogen werden.
Der UBAS hat, vermutlich, im damaligen Asylverfahrens die Fluchtgründe des Vaters als asylrelevant beurteilt, zumal der BF im damaligen Zeitpunkt erst drei (bzw. vier) Jahre alt war. Die belangte Behörde hat diese Unterlagen betreffend das Vorbringen des Vaters wohl nicht angefordert, sodass im Ergebnis aufgrund der Aktenlage überhaupt nicht nachvollziehbar ist, aufgrund welcher konkreten Umstände der Vater des BF im Heimatland einer Verfolgung ausgesetzt war.
Ohne Kenntnis der Gründe, warum dem Vater überhaupt Asyl gewährt wurde, kann somit die erkennende Behörde nunmehr im Aberkennungsverfahren schlichtweg nicht beurteilen, warum "sich aus dem Grund, welcher zur Schutzgewährung führte, im Falle einer Rückkehr keine aktuelle Gefährdungslage ableiten lässt". Der Beschwerde ist insofern Recht zu geben, dass die belangte Behörde von Amts wegen die seinerzeitigen Fluchtgründe festzustellen (im konkreten Fall auch das Vorbringen des eigenen Vaters zu prüfen) hat, erst daran anschließend kann die belangte Behörde überhaupt Überlegungen anstellen, ob die seinerzeitigen Gründe, die zur Schutzgewährung geführt haben, aktuell sind oder nicht.
Der VwGH hat in seiner Entscheidung vom 23.10.2019 (Ra 2019/19/0059) diesbezüglich ausgeführt: "Für die Aberkennung des einem Familienangehörigen [hier dem BF] im Familienverfahren (bzw. durch Asylerstreckung) zuerkannten Status des Asylberechtigten wegen Wegfalls der fluchtauslösenden Umstände kommt es also darauf an, ob die Umstände, auf Grund deren die Bezugsperson [hier wohl der Vater des BF] als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und es diese daher nicht weiter ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen. Diese Frage hat die Behörde (bzw. das Verwaltungsgericht) ohne Bindung an eine allfällige diesbezügliche Entscheidung im Verfahren über die Aberkennung des Asylstatus des Familienangehörigen selbstständig zu beurteilen."
Festzuhalten ist weiters, dass das BFA in seiner Entscheidung vom 24.09.2019 erkennbar davon ausgegangen ist, dass dem BF in Tschetschenien ein familiäres Netzwerk zur Verfügung stehen werde und für ihn die Möglichkeit bestehe sich dort ein Leben aufzubauen. Gleichzeitig zitierte das BFA aber auch aus der Einvernahme vom 23.09.2019, in der der BF angab kein Russisch und nur sehr schlecht Tschetschenisch zu sprechen und nur minimalen telefonischen Kontakt mit seiner Großmutter zu haben. Zu seinen restlichen Verwandten in Tschetschenien habe er gar keinen Kontakt und er habe nur bis zu seinem dritten Lebensjahr in Tschetschenien gelebt. Inwieweit der BF daher "[m]it Sicherheit" die russischen Traditionen und Gepflogenheiten kennen solle und auf die Unterstützung der Verwandtschaft bauen könne, ist unklar. Wie in der Beschwerde richtig angeführt, hat sich die belangte Behörde ebenfalls nicht mit einer möglichen Aufenthaltsverfestigung des BF beschäftigt. Weiters führte das BFA aus, dass seine gesamte Kernfamilie in Österreich lebe und der BF auch hier zur Schule ging und nun eine Lehre absolviere sowie Deutsch spreche. Warum dies keine "nennenswerten Bindungen bzw. Verfestigungen in der Gesellschaft" darstellt, wurde von der belangten Behörde aber nicht substantiiert.
Auch woraus die belangte Behörde den Schluss zieht, dass der BF "von der österreichischen Rechtsordnung und den gewährten Grundrechten nichts halt[e] und diese offenbar ablehn[e]" ist aus der Aktenlage nicht ersichtlich. Insbesondre kann, alleine aus den Verurteilungen für Vergehen (!), noch nicht auf eine "besondere Gefahr für die Allgemeinheit" geschlossen werden.
Bei Gesamtbetrachtung aller dargelegten Umstände hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl daher in Bezug auf den Aberkennungsgrund kaum Ermittlungsschritte gesetzt, sodass das Bundesverwaltungsgericht beinahe sämtliche Ermittlungen selbst nachholen müsste.
Aus den dargelegten Gründen hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts nur völlig ungeeignete Ermittlungen gesetzt bzw. teilweise überhaupt keine Ermittlungsschritte vorgenommen, der rechtlichen Beurteilung aktenwidrige Inhalte zugrunde gelegt und dadurch letztendlich versucht, Ermittlungsschritte an das Bundesverwaltungsgericht zu delegieren.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen, vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist und weil eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll. Die belangte Behörde würde durch ihre Verfahrensführung die wesentliche Ermittlungs- und Begründungstätigkeit quasi an die Rechtsmittelinstanz delegieren (vgl. VwGH 26.06.2014, Zl. 2014/03/0063). Würde in diesem konkreten Fall das Bundesverwaltungsgericht - jene Instanz die zur eigentlichen Rechtskontrolle eingerichtet wurde - die Instanz sein, die im Verfahren erstmals einen begründeten Bescheid mit den Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes erlässt, so wäre damit der Rechtsschutz des Beschwerdeführers de facto eingeschränkt. Es ist in erster Linie die Aufgabe der belangten Behörde als Tatsacheninstanz zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung sich sachgerecht mit dem Antrag auseinanderzusetzen, den maßgeblichen Sachverhalt vollständig festzustellen und ihre Begründung im Bescheid nachvollziehbar darzustellen.
Im fortgesetzten Verfahren wird sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, nach entsprechender Durchführung der gebotenen Ermittlungsschritte, insbesondere der Beischaffung des Verwaltungsaktes über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an den Vater des BF sowie Heranziehung von aktuellen einzelfallspezifischen Länderberichten, mit der Frage auseinanderzusetzen haben, welche Fluchtgeschichte bzw. welche Fluchtgründe zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten geführt haben und ob sich bei Würdigung dieser ursprünglichen Zuerkennungsgründe und einem Abgleich der Situation im Herkunftsstaat zum Zeitpunkt der Zuerkennung mit der Situation im Entscheidungszeitpunkt eine tatsächliche und nachhaltige Veränderung der Verhältnisse im Herkunftsstaat ergeben hat, sodass nicht mehr von einer asylrechtlich relevanten Gefährdung des Beschwerdeführers ausgegangen werden kann. Dabei wird das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl insbesondere zu berücksichtigen haben, ob bzw. welche Unterlagen im Zuerkennungsverfahren gewürdigt wurden und aufgrund welcher Feststellungen konkret allenfalls davon auszugehen ist, dass eine aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers - und seiner Eltern, von denen Asyl abgeleitet wurde - nicht mehr besteht.
Bestehen nämlich jene Umstände, auf Grund deren die Bezugsperson als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr, und kann es die Bezugsperson daher nicht weiter ablehnen, sich unter den Schutz ihres Heimatstaates zu stellen, besteht weder nach dem Zweck des internationalen Flüchtlingsschutzes noch nach jenem des Familienverfahrens nach dem AsylG 2005 eine Rechtfertigung dafür, den Asylstatus des Familienangehörigen, der diesen Status von der Bezugsperson nur abgeleitet hat, aufrecht zu erhalten (vgl. erneut VwGH vom 23.10.2019, Ra 2019/19/0059-6).
Nach Durchführung entsprechender Abklärungen wird das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zudem erneut eine Interessenabwägung vorzunehmen und dabei zu berücksichtigen haben, ob und welche privaten Kontakte der Beschwerdeführer in Österreich hat.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG unterbleiben, da bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unzureichende Ermittlungsschritte gesetzt hat und der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu
A) wiedergegeben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelleEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W226.2224919.1.00Zuletzt aktualisiert am
11.03.2020