TE Bvwg Beschluss 2019/11/13 W257 2122996-4

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Veröffentlicht am 13.11.2019
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Entscheidungsdatum

13.11.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W257 2122996-4/3E

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. Herbert MANTLER, MBA in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.11.2019, IFA-Zahl: 1080667505-191105435 erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geboren am XXXX , Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan, den

BESCHLUSS

A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 rechtmäßig.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben illegal und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 31.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

1.2. In seiner Erstbefragung am 01.08.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion gab der BF im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari im Wesentlichen Folgendes an: Er sei am XXXX [gemeint wohl: XXXX] in der Provinz Kunduz, XXXX , Afghanistan, geboren, Tadschike, unverheiratet und besuchte 9 Jahre die Grundschule. Er sei Hilfsarbeiter gewesen. Seine Familie sei sein Vater, seine Mutter und 8 Geschwister. Vor ca. einem Monat wäre er vom Heimatort aus schlepperunterstützt zu Fuß über den Iran in die Türkei und weiter nach Griechenland gereist. Von dort wäre er nach Österreich gelangt. Als Fluchtgrund gab der BF an, dass er aufgrund der schlechten Sicherheitslage und aus Angst, von den Taliban umgebracht zu werden, geflohen, da seine Ortschaft von den Taliban besetzt sei, diese würden viele Menschen töten.

1.3. Bei seiner Einvernahme am 17.02.2016 vor dem BFA, Regionaldirektion Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari, bestätigte der BF die Richtigkeit seiner bisher gemachten Angaben. Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab der BF an, sein Name sei XXXX , geboren am XXXX. Er sei afghanischer Staatsangehöriger, ledig, in Kunduz geboren, Tadschike, zuletzt dort wohnhaft im Dorf XXXX , er habe 9 Jahre die Schule ohne Abschluss besucht, seine Familie lebte auch weiter in Kunduz, nach dem Sturz von Kunduz vor zwei bis drei Monaten habe er aber keinen Kontakt mehr zu ihnen, die Familie habe ihm davor auch gesagt, Kunduz verlassen zu wollen. Die Sicherheitslage in Kunduz sie schlecht, sein Cousin sei mit ihm daher auch nach Österreich gereist. In Kabul sei er nie gewesen, es gäbe dort auch keine Verwandten. Er habe als Taxifahrer oder Autowäscher gearbeitet. Die Familie habe auch ein Grundstück von 1,5 Jirib gehabt, dort habe man Gemüse angebaut. In Österreich lebe er in der Grundversorgung, sein Cousin sei in Tirol, er selbst spreche wenig Deutsch und habe noch keinen Deutschkurs besucht. Ferner beantwortete der BF an ihn gestellte Fragen betreffend seine Fluchtgründe, wobei er zusammengefasst vorbrachte, dass es drei Vorfälle mit den Taliban gab, wo ihm unter anderem angedroht worden sei, getötet zu werden und für den Jihad eingezogen zu werden. Laut Niederschrift wurden mit dem BF "Länderfeststellungen" des BFA erörtert und wurde ihm vorgehalten, dass sich aus diesen keine positive Erledigung seines Antrages ergäbe.

1.4. Mit Bescheid vom 17.02.2016 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 27.06.2015 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG. Ferner wurde gegen den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF zwei Wochen [richtig: 14 Tage] ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Insbesondere wurde festgestellt, der BF stamme aus Kunduz und habe Verwandte, viele Freunde und Bekannte in Kabul. Er sei gesund und arbeitsfähig. Die vorgebrachte Furcht vor Verfolgung sei nicht feststellbar, es liege keine Gefährdungslage in Bezug auf Afghanistan vor und es bestehe in Kabul eine innerstaatliche Fluchtalternative. Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen und es komme daher auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG nicht in Betracht. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien. Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion - Kunduz -, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse - im Gegensatz zu seinem Fluchtvorbringen - glaubwürdig wäre. Nicht glaubhaft wäre jedoch, dass er keine Verwandten in Kabul habe, dies, da er "als Person unglaubhaft wäre" und die Fluchtgeschichte unschlüssig sei. Es werde daher vom BFA "unterstellt", dass er zumindest weitschichtige Verwandte in Kabul habe. Dies auch, da auch seine Familie Kunduz verlassen wollte und diese nach Kabul ziehen wollte, um sich ein neues Leben aufzubauen. Folglich "habe er Verwandte in Kabul, die er schon besucht habe und deshalb habe der BF auch Freunde und Verwandte in Kabul". Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei. Glaubhaft sei auch gewesen, dass er gesund sei, kinderlos, ledig und voll arbeitsfähig. Rechtlich wurde zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I) zusammengefasst ausgeführt, der BF sei unglaubwürdig gewesen, die Fluchtgeschichte konstruiert, vage und sei die Darstellung der Talibanbedrohung "völlig surreal" und nicht nachvollziehbar. Kunduz sei gerade kein Rekrutierungsgebiet der Taliban. Er könne in Kabul den Lebensunterhalt bestreiten, dies wegen seiner Berufstätigkeit und der familiären Versorgung, er sei schon über Monate hinweg in der Lage gewesen, sich in afghanischen Großstädten selbst zu versorgen und Unterkunft zu nehmen, daher könne er im Falle seiner Rückkehr in selber Weise das Leben und den Unterhalt bestreiten. Die Nichtgewährung von subsidiärem Schutz wurde damit begründet, dass der BF im Verfahren "keine behaupteten Fluchtgründe glaubhaft machen konnte, demnach sei nichts abzuleiten, dass die Gewährung des subsidiären Schutzes nach sich ziehe". Aus den Länderfeststellungen gehe klar hervor, "dass auch aus der allgemeinen Lage in Afghanistan, insbesondere in Kabul selbst, nicht eine derartige Situation ersichtlich ist, die eine ernsthafte Bedrohung des Lebens annehmen ließe". Aufgrund der persönlichen Umstände des BF (Alter, Arbeitsfähig, gesund) sei es ihm auch nach der Rückkehr zumutbar auch (anfänglich) mit Gelegenheitsjobs seinen Unterhalt zu bestreiten, da er viele Jahre in afghanischen Großstädten verbracht habe und über soziale Kontakte von Bekannten, die ihn unterstützen können, verfüge. Aus seinem Vorbringen und der allgemeinen Situation allein sei somit nichts ersichtlich, dass im Falle seiner Rückkehr eine unmenschliche Behandlung oder eine im gesamten Herkunftsstaat vorliegende extreme Gefährdungslage erkennen lassen würde.

1.5. Gegen diesen Bescheid richtet sich das mit 07.03.2016 fristgerecht eingebrachte, offenbar von seiner ihn rechtsberatenden Hilfsorganisation unterstützt erstellte Rechtsmittel der Beschwerde, mit dem der Bescheid gesamtinhaltlich wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten wurde.

1.6. Mit Beschluss vom 20.01.2017 behob das BVwG den angefochtenen Bescheid und wies Rechtssache zur Erlassung einer neuerlichen Entscheidung an das BFA zurück und führte dazu begründend aus, dass das gegenständliche Verwaltungsverfahren rudimentär und mangelhaft durchgeführt worden und weise somit relevante Mängel auf. Vielmehr wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, das Vorbringen des BF individuell zu prüfen, zu hinterfragen, allenfalls Erhebungen dazu durchzuführen und dies einer ganzheitlichen Würdigung zu unterziehen. Insbesondere wird sich die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren auch mit dem Vorbringen des BF zum in der Beschwerde näher ausgeführten Fluchtgrund - Gefährdung des BF wegen drohender Rekrutierung durch die Taliban - auch unter Würdigung seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu befassen haben. Aufgrund der mangelnden Ermittlungstätigkeit des BFA sei es zu keiner ausreichenden Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des BF gekommen. Zudem würden die im Bescheid enthaltenen Länderfeststellungen keine Informationen zur Sicherheitslage in der Heimatprovinz des BF (Kunduz), sondern lediglich solche über die Provinz Kabul enthalten. Zusammengefasst habe es das BFA verabsäumt, den Sachverhalt hinreichend zu klären.

1.7. Am 15.05.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt für Asyl und Fremdenwesen, Regionaldirektion Niederösterreich, im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari sowie einer Vertrauensperson erneut niederschriftlich einvernommen. Darin wurde der BF ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt.

1.8. Mit Bescheid vom 17.05.2017, Zl: 1080667505-150985409, wies das Bundesamt für Asyl und Fremdenwesen den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs.1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) ab, wies den Antrag bezüglich des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 AsylG wurde nicht erteilt, gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Begründend wurde ausgeführt, dass beim BF keine glaubhafte asylrelevante Verfolgung festgestellt werden habe können. 1.13. Für das Beschwerdeverfahren vor dem BVwG wurde dem BF am 17.05.2017 mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig als Rechtsberater zur Seite gestellt.

1.9. Mit Schreiben vom 31.05.2017 erhob der BF Beschwerde gegen den Bescheid wegen unrichtiger Beweiswürdigung, Tatsachenfeststellung und rechtlicher Beurteilung und beantragte eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem BF Asyl gewährt werde in eventu die Zuerkennung von subsidiärem Schutz, sowie die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Der BF sei seiner Mitwirkungspflicht im Verfahren nachgekommen, jedoch habe es die Behörde unterlassen, ein ausreichendes Ermittlungsverfahren durchzuführen. Zudem wurde auf die schlechte Sicherheitslage in der Heimatprovinz des BF hingewiesen. Ergänzend wurde die Vollmacht des Verein Menschenrechte Österreich in Vorlage gebracht.

1.10. Vor dem BVwG wurde durch die erkennende Richterin in der gegenständlichen Rechtssache am 26.01.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein seines Rechtsvertreters sowie eines Dolmetschers für die Sprache Dari durchgeführt, zu der der BF persönlich erschien. Die belangte Behörde entschuldigte ihr Fernbleiben. Die Verhandlungsschrift wurde der Erstbehörde übermittelt. Der BF wurde vom erkennenden Gericht eingehend zu seiner Identität, Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen, zu seinen Fluchtgründen sowie zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich befragt.

1.11. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.06.2018, Zl. W151 2122996-3/15E wurde die Beschwerde abgewiesen und die ordentliche Revision nicht zugelassen. Zu seinem Fluchtgrund erfolgten folgende Feststellungen:

"Es kann kein asylrelevanter Fluchtgrund des BF festgestellt werden.

Zum ersten Vorbringen des BF Opfer einer Bedrohung durch die Taliban aufgrund einer auf ihn verübten Säureattacke geworden zu sein, lässt sich kein asylrelevantes Ereignis feststellen, zumal der BF danach noch zwei Jahre unbehelligt in der Heimat leben konnte.

Zum Vorbringen, der BF unterliege einer Bedrohung aufgrund einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban und seiner damit einhergehenden Weigerung für diese zu kämpfen, konnte keine asylrelevante Verfolgung des BF festgestellt werden. Trotz Entziehung des BF vor einer Zwangsrekrutierung konnte seine Familie, besonders sein Vater und seine Brüder, weiterhin unbehelligt in Afghanistan leben.

Aufgrund der Angaben des BF ist ersichtlich, dass der BF als solcher keiner Bedrohung von den Taliban ausgesetzt war. Eine individuelle Bedrohung konnte nicht festgestellt werden.

Der BF wurde nie persönlich bedroht. Aufgrund der eigenen Angaben des BF ist ersichtlich, dass der BF noch nie aus Gründen der Religions- bzw. Volksgruppenzugehörigkeit bedroht wurde. Vielmehr verließ der BF aufgrund der allgemeinen schlechten wirtschaftlichen Situation seine Heimat.

Ein konkreter asylrelevanter Anlass für das Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist."

Dem BF wurde zudem eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul zugemutet (Seite 83 des Erkenntnisses).

Das Erkenntnis wurde ihm am 06.07.2018 eigenhändig ausgehändigt.

1.12. Der BF nahm die Ausreiseverpflichtung nicht war und tauchte für 7 Monate in Deutschland bei Freunden unter. Danach hielt er sich 8 Monate in Belgien auf. Schließlich wollte er zu seiner Frau nach Schweden ziehen und wurde in Dänemark aufgegriffen und am 17.10.2019 nach Österreich überstellt.

1.13. Am 29.10.2019 stellte er seinen zweiten Asylantrag. Als Fluchtgrund brachte er bei der Ersteinvernahme folgendes vor: "Mein Leben wäre in Afghanistan in Gefahr. Ich kann nicht nach Afghanistan zurück."

1.14. Am 06.11.2019 wurde er niederschriftlich von dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Hierbei brachte er neben den unter Punkt 1.12. dargelegten Aufenthalten vor, dass seine Frau in Schweden leben würde. Seine Frau würde XXXX heißen und sei XXXX Jahre alt. Sie sei in Schweden anerkannter Flüchtling. Er hätte sie über Facebook kennengelernt und am 08.03.2019 in Belgien traditionell geheiratet. In Belgien wäre er im "Dublin-Verfahren" gewesen und hätte deshalb nicht offiziell heiraten dürfen. Er hätte die Behörden in Belgien über diese traditionelle Hochzeit unterrichtet. Es gäbe keine Dokumente von der Hochzeit. Er hätte in Belgien einen Hauptschulabschluss und hier hätte er A1 und A2 absolviert. Nach dem negativen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wollte er nicht nach Afghanistan zurückkehren und wäre deswegen in Deutschland untergetaucht. An seinen Fluchtgründen hätte sich nichts geändert, lediglich seine Familie sei nicht mehr dort, sondern bereits in der Türkei. Er hätte keine Verwandten mehr in Kunduz , lediglich einen Onkel mütterlicherseits, wobei er nicht wisse, wo er sich gerade befinden würde. Er habe keine neuen Fluchtgründe. Bei einer Rückkehr würde er Probleme mit den Taliban bekommen. Damals wären sie nicht so stark gewesen, aber jetzt wären sie stärker. Vielleicht war sein Leben damals nur zu 50% in Gefahr und jetzt könnte er schon 100% sein.

1.15. Mit mündlich verkündetem Bescheid im Anschluss an die oben genannte Niederschrift hob die belangte Behörde den faktischen Abschiebeschutz des BF auf. Die Behörde begründete die Aberkennung damit, dass sich an den Fluchtgründen nichts geändert habe und einer rechtskräftige Ausweisung seit dem 03.07.2018 bestehe. Der zweite Asylantrag wird vermutlich wegen bereits entschiedener Sache zurückgewiesen. Auf sein Vorbringen hinsichtlich der traditionelle Hochzeit ging die Behörde nicht ein.

1.16. Zusammengefasst baue das seine Aussagen auf das bereits zu Recht als unglaubwürdig erkannte Vorbringen auf und sei daher ebenfalls unglaubwürdig.

Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt von Amts wegen am 08.11.2019 dem Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung des Bescheids vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt steht fest!

2. Feststellungen:

2.1. Zur Person des BF:

Der Beschwerdeführer führt den im Spruch erwähnten Namen und ist am XXXX geboren. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur Isla

Der BF wurde in der Provinz Kunduz, Dorf XXXX , geboren, wo er bis zu seiner Flucht nach Europa zusammen mit seiner Familie lebte. Die Familie befand sich zum Zeitpunkt seiner Ausreise in Afghanistan. Der BF hat seit ca. November 2015 keinen Kontakt zu seiner Familie. Der BF hat einen Cousin in Österreich. Es kann nicht festgestellt werden, dass sich seine Familie mittlerweile in der Türkei aufhält. Er ist gesund, spricht Dari, Urdu und Deutsch. Er ist ledig und hat keine Sorgepflichten.

2.2. Zur den Fluchtgründen:

Der Asylwerber stellte erstmals am 31.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen damit, er Angst hätte von den Taliban umgebracht zu werden.

Dieser Antrag wurde letztlich mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.06.2018 rechtskräftig abgewiesen.

Am 29.10.2019 stellte der Asylwerber einen Asylfolgeantrag.

In der Einvernahme durch die belangte Behörde am 06.11.2019 gab der Asylwerber an, bei den Fluchtgründen des Asylfolgeantrages handle es sich um die gleichen wie im ersten Asylverfahren.

2.3. Zur Lage in seiner Heimatregion

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des BF sind gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Zusammengefasst ergibt sich, dass derzeit eine Rückkehr in die Provinz Kunduz, der Heimatprovinz des BF, aus sicherheitsrelevanter Sicht derzeit eine reale Gefahr der Verletzung des Art 2, 3 ERMK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde.

Im Erkenntnis des Gerichtes wurde jedoch eine innerstaatliche Fluchtalternative nach Kabul, festgestellt.

Dem mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die aktuellen Länderfeststellungen der Staatendokumentation, zuletzt aktualisiert am 04.06.2019, zugrunde gelegt.

An den innerstaatlichen Fluchtalternativen hat sich nichts geändert, dies auch die Behörde in ihrem mündlichen Bescheid festhält. Dem ist aufgrund der eingebrachten Länderfeststellungen zuzustimmen.

2.4. Zu seiner persönlichen Situation in Österreich

Der BF lebt seit seiner Überstellung von Dänemark nach Österreich in Taufkirchen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass er einen Hauptschulabschluss absolviert hat oder einen Sprachkurs abgeschlossen hat. Es gibt keine Nachweise einer gesicherten und nachhaltigen Integrationsbestrebung.

3. Beweiswürdigung:

Beweise wurden erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan mit der letzten eingefügten Kurzinformation vom 11.09.2018 welches dem Bescheid zugrunde gelegt wurde.

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und zu den persönlichen Daten des BF gründen sich auf den unbedenklichen Verwaltungsakt.

3.1. Zur Person des BF:

Eine wesentliche Änderung zu den bereits getroffenen und rechtskräftigen Feststellungen sind nicht eingetreten. Dass er traditionell geheiratet hat, ist von ihm in keiner Weise bewiesen. Selbst bei einer Wahrunterstellung handelt es sich nicht um eine national anerkannte Heirat, sondern - so wie er auch selbst vorbrachte - eine traditionelle Hochzeit. Eine solche Hochzeit hat aber gegenüber der nationalen Rechtsordnung keine Geltung und ist nicht als ehe angesehen. Zudem führt er kein Eheleben, denn seine Frau - sofern es eine solche gibt - lebt in Schweden, er derzeit in Österreich.

Das seine Familie in der Türkei lebt, ist nicht glaubhaft. Er brachte in den Verfahren bei jeder Einvernahme vor, dass er keinen Kontakt mit seiner Familie hat. Insofern ist es nicht nachvollziehbar, weswegen er davon weiß, dass seine Familie in der Türkei wohnt. Das Gericht geht daher davon aus, dass die Familie nach wie vor in XXXX beheimatet ist.

3.2. Zu den Fluchtgründen:

Die Feststellung, dass es sich der Asylfolgeantrag auf die gleichen Fluchtgründe bezieht wie das abgeschlossene Asylverfahren, ergibt sich aus seinen im Verwaltungsakt aufliegenden Aussagen: Am 06.11.2019, dem Tag der Einvernahme vor der Behörde brachte er folgenders vor:

"L: Warum stellen sie einen neuen Asylantrag?

A: weil ich nicht nach Afghanistan zurückkehren möchte. Deshalb bin ich ja auch nach der negativen Entscheidung weggegangen, damit ich nicht abgeschoben werde. Ich wollte zu meiner Frau gehen. In Dänemark auf der Grenze wurde ich erwischt und abgeschoben.

L: Haben sich ihre fluchtgründe geändert?

A: Es hat sich nichts geändert. Nur meine Familie ist nicht mehr dort, sondern in der Türkei."

Nachdem er selbst keinen neuen Fluchtgrund vorbrachte, sind hier die bereits bekannten Fluchtgründe verfahrenswesentlich. Nachdem über die bereits bekannten Fluchtgründe rechtskräftig abgesprochen wurde, ist bedarf es keiner weiteren Beweiswürdigung an dieser Stelle.

3.3. Zur Lage in seiner Heimatregion

Dies ergibt sich aus den angeführten einschlägigen Länderberichten der Staatendokumentation, dem der BF nicht widersprach.

3.4. Zu seiner persönlichen Situation in Österreich

Diese Feststellung ergibt sich aus dem Verwaltungsakt. Er selbst brachte bei der behördlichen Einvernahme vor, dass er in Belgien einen Hauptschulabschluss absolviert hätte und in Österreich A1 und A 2abgeschlosen hätte. Nachdem keine Nachweise vorgelegt wurden, musste die Feststellung getroffen werden.

4. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Weder das Asylgesetz 2005 noch das BFA-Verfahrensgesetz sehen eine Entscheidung durch Senate vor, sodass das Bundesverwaltungsgericht vorliegend durch Einzelrichter zu entscheiden hat.

Zu A)

4.1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtsgrundlagen lauten wie folgt:

Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 leg cit die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 dieser Bestimmung findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

§ 12 Abs 1 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, ("Faktischer Abschiebeschutz") lautet:

"Ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, kann, außer in den Fällen des § 12a, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs. 2 nicht mehr zulässig ist, weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden (faktischer Abschiebeschutz); § 32 bleibt unberührt. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist zulässig. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. § 16 Abs. 4 BFA-VG gilt."

Der mit "Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen" überschriebene § 12a AsylG 2005 lautet (auszugsweise):

"(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1.-4. [...]

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) - (6) [...]"

§ 22 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2002, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 BFA-VG, der die Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes regelt, lautet:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

4.2. Zur Anwendbarkeit des § 12a Abs 2 AsylG 2005

Die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 ist den Fällen des Abs 1 leg cit subsidiär, in welchen Fremden dieser Schutz schon ex lege nicht zukommt. Hier liegt schon deswegen kein Fall des Abs 1 leg cit vor, weil der erste Asylantrag des BF in der Sache rechtskräftig erledigt wurde.

Zu prüfen ist daher, ob die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 vorliegen:

4.3. Zum Vorliegen einer aufrechten Rückkehrentscheidung (Z1)

Das Vorliegen einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, einer Ausweisung gemäß § 66 FPG oder eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG ist notwendiges Tatbestandselement des § 12a Abs 2 AsylG 2005. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.05.2017 wurde gegen den BF rechtskräftig eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG getroffen.

4.4. Zum Vorliegen einer entschiedenen Sache (Z2)

Eine weitere Voraussetzung für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes ist, dass "der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist". Es ist also eine Prognose darüber zu treffen, ob der Antrag voraussichtlich (insbesondere wegen entschiedener Sache) zurückzuweisen sein wird (§ 12a Abs 2 Z 2 AsylG 2005).

Nach der Rechtsprechung zu § 68 Abs 1 AVG liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (siehe zB VwGH 17.09.2008 2008/23/0684).

Dass es sich bei dem neuen Sachverhalt um den bereits erledigten Sachverhalt handelt, ist unbestritten (sh dazu die Beweiswürdigung unter Punkt 3.2.)

Folglich steht dem zweiten Antrag auf internationalen Schutz die Rechtskraft des über den ersten Antrag absprechenden Bescheides entgegen.

4.5. Prüfung auf Verletzung von Rechten nach der EMRK (Z3)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutz ist zulässig, wenn die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für den Asylwerber keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeutet und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt (§ 12a Abs 2 Z 3 AsylG 2005).

Bereits im ersten Verfahren hat das BFA rechtskräftig ausgesprochen, dass der BF bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner derartigen Gefahr und Bedrohung ausgesetzt sei.

Auch im gegenständlichen Verfahren konnte keine Feststellungen getroffen werden, die gegen die Abschiebung des BF in seinen Heimatstaat Afghanistan sprächen:

4.6. Eingriff in die Rechte nach Art 2 und 3 EMRK

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063 mwN). Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehende Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl etwa VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479, und 23.09.2009, 2007/01/0515, mwN).

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

Es obliegt dabei grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl VwGH 05.10.2016, Ra 2016/19/0158, mit Verweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Appl. 61.204/09, mwH).

Es wurden im vorliegenden Fall keine Umstände festgestellt, die dem BF ein "reales Risiko" einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw der Todesstrafe droht.

4.7. Eingriff in die Rechte nach Art 8 EMRK

Der Fremde hat in Österreich keine familiären Bindungen. Von einer familiären Bindung zu seiner "Frau" (sh dazu Punkt 3.1.) nach Schweden ist ebenso nicht auszugehen. Ebenso hat er keine Bindung zu seinem in Österreich lebenden Cousin. Der Fremde führt daher in Österreich kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben und verfügt in Österreich über keine maßgeblichen privaten Anknüpfungspunkte (vgl dazu VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479, mwN). Eine Abschiebung des Fremden bedeutet demnach keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 8 EMRK.

Die Abschiebung des BF nach Afghanistan stellt daher keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK dar bzw ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz -
Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag, Prognose

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W257.2122996.4.00

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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