TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/25 W169 2204685-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.11.2019
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Entscheidungsdatum

25.11.2019

Norm

AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §59 Abs5
AVG §68
BFA-VG §16
BFA-VG §17
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W169 2204685-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.06.2019, Zahl 751148104-180790965, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Antrag Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 68 AVG als unbegründet abgewiesen.

III. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 57 AsylG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer reiste erstmals am 20.05.2005 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte beim Bundesasylamt seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. In der mit dem Beschwerdeführer am 02.06.2005 vor dem Bundesasylamt aufgenommenen Niederschrift führte dieser als Fluchtgrund im Wesentlichen aus, dass sein Vater und dessen Bruder wegen der Erbschaft Streit gehabt hätten. Der Onkel des Beschwerdeführers habe alles haben wollen. Deswegen habe der Onkel des Beschwerdeführers einen Bruder des Beschwerdeführers umgebracht. Selbst der Beschwerdeführer sei dabei von seinem Onkel an den Beinen verletzt worden. Auf Vorhalt, dass der Beschwerdeführer bei der Einvernahme an der Grenze angegeben habe, dass dieser ein großes politisches Problem haben würde, behauptete dieser, ein solches nicht zu haben; der Dolmetscher an der Grenze habe ihn falsch verstanden.

Im Jahr 2003 sei der Bruder des Beschwerdeführers umgebracht worden und der Beschwerdeführer sei bis April 2004 von seinem Onkel immer wieder verprügelt worden. Sein Vater hätte seinem Onkel alles geben sollen, ansonsten er sie alle umbringen würde. Von Seiten der Polizei habe er diesbezüglich keinen Schutz, da diese sich immer wieder bestechen lassen würde.

Dieses Verfahren wurde wegen Untertauchens des Beschwerdeführers am 06.10.2005 eingestellt.

2. Am 24.06.2011 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 04.07.2011 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er im Jahr 2005 Österreich verlassen habe und nach England zu einem Freund gegangen sei, der ihn unterstützt habe. In England habe er keinen Antrag auf Asyl gestellt. Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass es zwischen seinem Vater und dessen Bruder einen Erbschaftsstreit gegeben habe. Bei diesem Streit sei der Bruder des Beschwerdeführers im Jahr 2003 umgebracht worden. Danach habe sich der Beschwerdeführer entschlossen, sein Heimatland zu verlassen. Seine Angehörigen würden sich nach wie vor in Indien aufhalten.

3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.07.2011, Zahl 11 06.263 EAST-Ost, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 24.06.2011 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien abgewiesen. Weiters wurde der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen.

4. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 20.02.2012, Zahl XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen versuchtem Einbruchsdiebstahls zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

5. Die gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.07.2011 eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 12.09.2012, Zahl C 16 420.299-1/2011/8E, gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 sowie 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte das Gericht aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er in Indien von seinem Onkel und dessen Familie wegen eines Grundstücksstreits verfolgt worden sei, nicht glaubwürdig sei, zumal das diesbezügliche Vorbringen zu unsubstantiiert gewesen sei. Dies gelte auch für die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Tötung eines seiner Brüder. So habe der Beschwerdeführer erst in der letzten Einvernahme Details zum Tod seines Bruders angeben können, die jedoch auch auf einen Suizid hätten hindeuten können. Jedenfalls habe er in keiner Weise darlegen können, worauf er die Annahme gestützt habe, dass der Onkel und dessen Familie für seinen Tod verantwortlich sein würden. Der Beschwerdeführer habe auch keine Verfolgungshandlungen gegen seine in Indien verbliebenen Angehörigen behauptet, was jedoch zu erwarten gewesen wäre, zumal sein Vater als eigentlicher Erbe mittlerweile (krankheitsbedingt) verstorben sei und der Beschwerdeführer mit seiner Familie die ganze Zeit über in Kontakt gestanden sei. Hätte es Vorfälle in Bezug auf die Grundstücksansprüche des Onkels gegeben, wäre dies dem Beschwerdeführer sicherlich bekannt gewesen. Auch erscheine das Vorbringen des Beschwerdeführers im Hinblick auf eine Verfolgungsgefahr in Indien deshalb schon unglaubwürdig, weil er während seines fünfjährigen Aufenthaltes in Großbritannien keinen Versuch unternommen habe, dort um internationalen Schutz anzusuchen und zudem deutlich zum Ausdruck gebracht habe, dass er einen solchen Antrag nur gestellt hätte, wenn er auf Grund einer fremdenrechtlichen Kontrolle Gefahr gelaufen wäre, mangels eines anderen als des asylrechtlichen Aufenthaltstitels des Landes verwiesen zu werden. Es könne daher wohl davon ausgegangen werden, dass bei dem Antrag in Österreich derselbe Zweck im Vordergrund stehen würde. Unabhängig davon stünde dem Beschwerdeführer eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung. Weiters sei nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine derart ausweglose Lebenssituation geraten könne, dass dies einer unmenschlichen Behandlung gleichkomme oder sein Leben aus irgendeinem sonstigen Grunde gefährdet sein würde. Hinsichtlich der Ausweisung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer erst seit einem Jahr wieder in Österreich sein würde und sich 2005 in Österreich nur etwa ein halbes Jahr aufgehalten habe. Es sei daher relativ unwahrscheinlich, dass eine Ausweisung nach Indien einen Eingriff in das Recht auf Achtung des in Österreich aufgebauten Privatlebens darstellen würde. Im vorliegenden Fall würde ein solcher Eingriff jedenfalls gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK unter Abwägung der betroffenen Interessen gerechtfertigt sein. Dabei sei auch ausschlaggebend, dass der Beschwerdeführer während des gegenständlichen Verfahrens insgesamt zwei Monate in Haft gewesen sei und nach der letzten Entlassung vor drei Monaten untergetaucht sei.

6. Am 16.10.2012 wurde der Beschwerdeführer wegen rechtswidrigem Aufenthalts gemäß

§ 120 Abs. 1a FPG zur Anzeige gebracht.

7. Mit Straferkenntnis der LPD Wien vom 13.11.2012 wurde über den Beschwerdeführer wegen rechtswidrigem Aufenthalts in Österreich eine Geldstrafe in der Höhe von 500,-- € verhängt.

8. Mit Bescheid der LPD Wien vom 13.11.2012 wurde über den Beschwerdeführer gemäß

§ 76 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

Am 17.01.2013 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen, weil mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikates in absehbarer Zeit nicht zu rechnen gewesen sei.

9. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 18.03.2013, Zahl XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 127, 129

Z 1, 130 1. Fall und 15 StGB, § 229 Abs. 1 StGB, und § 241a Abs. 3 StGB, zu einer 16-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Gleichzeitig wurde die bedingte Nachsicht der Strafe zum Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 20.02.2012 widerrufen.

10. Mit Bescheid der LPD Wien vom 28.03.2013 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 FPG eine Rückkehrentscheidung sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 iVm Abs. 3 FPG ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot für den gesamten Schengen Raum erlassen.

Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass in Gesamtbetrachtung des Falles die öffentlichen Interessen an der Erlassung der Rückkehrentscheidung und die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung dieser Rückkehrentscheidung unverhältnismäßig schwerer wiegen würden, als die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, zumal er im Bundesgebiet weder über familiäre, noch berufliche Bindungen verfügen würde und er zweimal von einem inländischen Gericht, zuletzt zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten, rechtskräftig verurteilt worden sei. Zudem sei der Beschwerdeführer behördlich nicht gemeldet, verfüge derzeit über keine Barmittel und bestehe die Gefahr, dass der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt durch die Begehung weiterer Straftaten finanzieren würde. Aus diesen Gründen sowie der Gefahr der Vereitelung der weiteren fremdenpolizeilichen Maßnahmen sei eine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich dringend erforderlich.

11. Der Beschwerdeführer wurde aufgrund der Dublin-VO aus den Niederlanden nach Österreich überstellt und stellte am 14.07.2014 seinen dritten Antrag auf internationalen Schutz. Dabei brachte er vor, dass seine Eltern verstorben wären und er einen Bruder hätte, mit dem er keinen Kontakt habe. Seine alten Fluchtgründe, wonach er von seinem Onkel väterlicherseits gefährdet wäre, seien auch weiterhin aufrecht.

12. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 03.10.2014, Zahl XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen § 15 StGB §§ 127, 130 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.

13. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 21.04.2015, Zahl XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen § § 15 StGB § 87 Abs. 1, § 287 Abs. 1 StGB, unter Setzung einer Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

14. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.06.2016 wurde der dritte Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 14.07.2014 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Weiters wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien zulässig sei. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG wurde ein Einreiseverbot für die Dauer von 6 Jahren erlassen.

Dagegen wurde kein Rechtsmittel erhoben und erwuchs dieser Bescheid daher in Rechtskraft.

15. Am 31.10.2016 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren, seinen vierten Antrag auf internationalen Schutz und gab in seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu seinen Fluchtgründen an, dass er Angst habe, von seinem Cousin umgebracht zu werden. Seine alten Fluchtgründe würden weiterhin aufrecht bleiben, weshalb er nicht nach Indien zurückkehren könne. Er würde auf der Straße leben und nichts zu essen haben.

16. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.11.2016, Zahl 751148104-161480625, wurde der vierte Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt, es wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Indien zulässig sei und keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.

Begründet wurde dies damit, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren keinen nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens neu entstandenen und asylrelevanten Sachverhalt vorgebracht habe. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe für die neuerliche Antragstellung hätte bereits zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Erstverfahrens bestanden und es hätte sich seither kein entscheidungsrelevant geänderter Sachverhalt im Sinne des § 68 AVG ergeben. Zum Privat- und Familienleben wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer auch die Möglichkeit habe, sich in Indien ein relevantes Familien- und/oder Privatleben aufzubauen, nachdem sich der Beschwerdeführer in einem anpassungsfähigen Alter befinden würde. Dass der Beschwerdeführer keine Probleme habe, sich mit den Lebensgewohnheiten und den Gegebenheiten in einem Land außerhalb seiner Heimat zurechtzufinden, habe er durch seinen Aufenthalt in Österreich unter Beweis gestellt. Auf Grund dieser Überlegungen und einer Gesamtabwägung der Interessen sei daher festzustellen, dass dem Beschwerdeführer ein wesentlich geringerer Stellenwert im Sinne des Art. 8 EMRK relevanten Interesses an einem weiteren Aufenthalt in Österreich zukomme, als dem gewichtigen öffentlichen Interesse an einer Beendigung seines Aufenthaltes im Bundesgebiet.

Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel eingebracht und erwuchs dieser in Rechtskraft.

17. Mit Urteil des BG XXXX vom 18.04.2017, Zahl XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 15, 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.

18. Mit Urteil des BG XXXX vom 09.05.2017, Zahl XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 15, 127 StGB, unter Setzung einer Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Diese wurde mit Urteil des BG XXXX vom 23.08.2017 auf fünf Monate herabgesetzt.

19. Am 23.05.2018 wurde der Beschwerdeführer nach Verbüßung seiner Strafhaft gemäß

§ 40 Abs. 1 Z 1 und § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG von Sicherheitsorganen festgenommen.

20. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.05.2018, Zahl 751148104-171239275, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und weiters gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen, sowie festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gemäß § 46 rechtmäßig ist. Zudem wurde einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG aberkannt und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer brachte gegen diese Entscheidung keine Beschwerde ein und der Bescheid erwuchs daher in Rechtskraft.

21. Am 21.08.2018 stellte der Beschwerdeführer seinen fünften Antrag auf internationalen Schutz.

In seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer zu den Gründen für die Stellung des Folgeantrages zu Protokoll, dass er sich mit seiner Familie zerstritten und sein Bruder ihn mit dem Umbringen bedroht habe. Mit diesem habe er gemeinsam in England gearbeitet und Geld nach Indien geschickt, mit welchem sich sein Bruder ein Haus gekauft habe. Er wolle dem Beschwerdeführer jedoch nicht den Anteil am gemeinsam erwirtschafteten Geld. bzw. Haus geben, weshalb sein Bruder ihn bedroht habe.

22. Am 28.08.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen und gab er dabei an, dass er sich in Schubhaft befinde. Zu seinem neuerlichen Vorbringen führte er aus, dass er im Jahr 2006 Österreich verlassen habe und nach Großbritannien gereist sei. 2011 sei er nach Österreich zurückgekommen. Seine Fluchtgründe aus dem Vorverfahren würden nach wie vor bestehen. Mittlerweile seien seine Eltern verstorben und er wolle nicht nach Indien zurück. Probleme würde er seit dem Jahr 2013 wegen der Erbschaft seines Onkels und wegen seines Bruders, welcher nach Indien zurückgekehrt sei, haben. Der Beschwerdeführer selbst habe versucht, von der indischen Botschaft ein Heimreiszertifikat zu bekommen, was allerdings nicht geklappt habe. Sein Bruder habe ihm gesagt, er werde ihn umbringen, wenn er nach Indien zurückkehren würde. Er habe mit seinem Bruder keinen Kontakt. Die Mutter des Beschwerdeführers sei gestorben und wolle er in Österreich bleiben. Verwandte würde er weder in Österreich noch in einem anderen Land in der EU haben. Einen Deutschkurs habe er besucht, spreche aber kein Deutsch. Einer Erwerbstätigkeit würde er in Österreich nicht nachgehen, sondern würde er von Freunden unterstützt werden. Zudem würde er über keine aktuelle Meldeadresse verfügen.

23. Mit mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.08.2018 wurde der dem Beschwerdeführer nach § 12 AsylG 2005 zukommende faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG iVm § 22 Abs. 10 AsylG aufgehoben.

24. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.09.2018, Zahl W124 2204685-1/5Z, wurde gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm Art 89 Abs. 2 iVm Art 135 Abs. 4 B-VG an den Verfassungsgerichtshof der Antrag gestellt, § 22 Abs. 10 dritter und vierter Satz des Bundesgesetztes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005-AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF, BGBl.I Nr. 68/2013, sowie weitere damit zusammenhängende Bestimmungen, so auch § 12a AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017, als verfassungswidrig aufzuheben.

25. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10.10.2018, G 186/2018, wurde der Antrag bezüglich § 22 Abs. 10 dritter und vierter Satz AsylG (samt Eventualanträgen) abgewiesen, da keine Verfassungswidrigkeit bestehe.

26. Mit Urteil des LG für Strafsachen XXXX vom 22.11.2018, Zahl XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 15, 127, 130 Abs. 1 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.

27. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.02.2019, Zahl W124 2204685-1/11E, wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 iVm. § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 22 BFA-VG für rechtmäßig erklärt.

Begründend wurde ausgeführt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers bereits im ersten Verfahren als unglaubwürdig angesehen worden sei. Vor diesem Hintergrund sei auch sein jetziges Vorbringen im nunmehrigen Verfahren einerseits hinsichtlich der Probleme mit seiner Familie wegen der Erbschaft seines Onkels und anderseits wegen des Problems seines Bruders, der nach Indien zurückgekehrt sein soll, wobei die Probleme seit dem Jahr 2013 bestehen würden, unglaubwürdig. Der Beschwerdeführer stütze sein Vorbringen zudem auf Umstände, die bereits Gegenstand der vorhergehenden Verfahren gewesen seien bzw. über die bereits rechtskräftig abgesprochen worden sei und versuche gleichzeitig mit der Behauptung, dass er jetzt auch Probleme im Falle einer Rückkehr nach Indien mit seinem Bruder habe, im gegenständlichen Verfahren auf Erteilung des internationalen Schutzes sein Fluchtvorbringen zu steigern, als er diesbezüglich das erste Mal erwähnt habe, dass sein Bruder nach Indien zurückgekehrt sei und dem Beschwerdeführer gedroht habe, ihn umzubringen, weil dieser sich weigere, dem Beschwerdeführer einen anteilsmäßig gemeinsam erwirtschafteten Geldbetrag herauszugeben. Diesbezüglich habe der Beschwerdeführer im seinerzeitigen Folgeantrag vom 31.10.2016 zudem auch nichts erwähnt. Vielmehr habe er schon im Zuge dieses Folgeantrages versucht, sein Fluchtvorbringen zu steigern, indem er u.a. ausgeführt habe, nicht nach Indien zurück zu wollen, weil er Angst habe, von seinem Cousin umgebracht zu werden. Diese Ausführungen würden sich somit auch mit den jetzigen Ausführungen im gegenständlichen Verfahren nicht in Einklang bringen lassen, als er nunmehr behauptet habe, bereits seit dem Jahr 2013 u.a. wegen der Rückkehr seines Bruders nach Indien entsprechende Probleme zu haben, obwohl es sich im vorangegangen Verfahren noch um seinen Cousin gehandelt haben soll und damit in sich widersprüchliche Angaben gemacht habe.

Überdies sei es für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer erst nach seiner Information über die Gründe der Festnahme gemäß § 41 Abs. 1 BFA-VG am 23.05.2018 einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und dabei erstmals die Bedrohung von Seiten seines Bruders erwähnt habe. Vielmehr habe der Beschwerdeführer damit den Eindruck erweckt, asylzweckbezogen einen Antrag gestellt zu haben, da er bereits selbst eingeräumt habe, in England während seines Aufenthaltes keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt zu haben, weil er nicht kontrolliert worden sei.

Zudem habe der Asylgerichtshof im Erkenntnis vom 12.09.2012 bereits in den Feststellungen zur aktuellen Situation in Indien ausführlich dargelegt, dass örtlich begrenzten Konflikten bzw. Verfolgungshandlungen durch Übersiedelung in einen anderen Landesteil ausgewichen werden könne. Demnach bestehe "in Indien im gesamten Staatsgebiet Niederlassungsfreiheit. Des weiteres gibt es kein funktionierendes flächendeckendes staatliches Meldesystem für indische Bürger. Mit Ausnahme von exponierten Verdächtigen, welche auf einer landesweiten Suchliste stehen, ist es vor dem Hintergrund der in Indien herrschenden Niederlassungsfreiheit und auf Grund des Fehlens des Meldewesens möglich, sich in einem anderen Landesteil niederzulassen und dort unerkannt zu leben." An der nach wie vor bestehenden innerstaatlichen Fluchtalternative habe sich im Wesentlichen nichts geändert, wie sich das Bundesverwaltungsgericht auch durch Einschau in das Länderinformationsblatt vom 09.01.2017 vergewissert habe.

Außerdem habe der Asylgerichtshof in seinen Ausführungen zur Gewährung von subsidiärem Schutz u.a. schon ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bereits vor seiner Ausreise aus Indien keiner systematischen Verfolgung ausgesetzt gewesen sei, er weiteres als gesund anzusehen sei, sodass er nach seiner Rückkehr nach Indien grundsätzlich einer Beschäftigung nachgehen könne, die ihm seinen Lebensunterhalt sichere. Aus diesem Grund sei es nicht ersichtlich, weshalb es dem Beschwerdeführer, der über eine fünfjährige Schulbildung verfüge, Punjabi spreche, Verwandte in seinem Herkunftsstaat habe, nicht möglich sein sollte, sich eine Existenzgrundlage in einem anderen Teil Indiens aufzubauen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer den herangezogenen Länderberichten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zufolge, als Angehöriger der Sikh eine vorübergehende Notlage durch Armenausspeisungen im Sikh-Tempel ausgleichen könne. Zudem sei, abgesehen von außergewöhnlichen Naturkatastrophen, eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch für die schwächsten Teile der Bevölkerung sichergestellt.

28. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.06.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 21.08.2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. ausgeführt, dass seit dem rechtskräftigen Abschluss des Erstverfahrens keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten sei. Ein neuer Sachverhalt, welcher im gegenständlichen Fall eine anderslautende Entscheidung in der Sache rechtfertigen würde, liege somit nicht vor. Da weder in der maßgeblichen Sachlage - und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen sei, noch auf jenen, welcher von Amtswegen aufzugreifen sei - noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, sei der neuerliche Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG. Weiters wurde festgehalten, dass gemäß § 59 Abs. 5 AsylG die Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung zu unterbleiben habe, nachdem aktuell eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung (iVm einem Einreiseverbot) bestehe und keine neuen Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG hervorgekommen seien.

Zum Herkunftsstaat stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Folgendes fest:

"(...)

Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Mio. im Punjab (MoHA o.D.).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren von anderen Unionsstaaten oder Pakistan aus. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2018).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne des pakistanischen Geheimdienstes, Inter-Services-Intelligence (ISI) bekannt, welcher gemeinsam mit der in Indien verbotenen Sikh-Gruppierung Babbar Khalasa International (BKI) und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2018). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 20.4.2018; vgl. BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2018).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2018).

Neben den angeführten Formen der Gewalt, stellen Ehrenmorde vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar (USDOS 20.4.2018).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte. Die Sikhs, 60 Prozent der Bevölkerung des Punjabs, stellen dort einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 10.2017).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International, müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 10.2017).

Quellen:

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1394309.html, Zugriff 6.11.2018

-

BBC - British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?,

http://www.bbc.com/news/world-asia-india-34578463, Zugriff 18.10.2018

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MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html, Zugriff 18.10.2018

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion

-

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018

USDOS - US Department of State (29.5.2018): 2015 Report on International Religious Freedom - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436757.html, Zugriff 23.10.2018

Allgemeine Menschenrechtslage

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 18.9.2018). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2018). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 18.9.2018). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden. Es gibt glaubhafte Berichte über extralegale Tötungen (AA 18.9.2018).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung bei, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit (USDOS 20.4.2018).

Eine verallgemeinernde Bewertung der Menschenrechtslage ist für Indien kaum möglich: Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 18.9.2018). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 18.9.2018). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niederer Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 12.2018). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt, teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen. Die Stimmung wird durch hindu-nationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 12.2018).

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im "Maoistengürtel" begingen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 20.4.2018).

In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein, Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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BICC - Bonn International Centre for Conversion (12.2018):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2018_indien.pdf, Zugriff 29.1.2019

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018:

Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018

(...)

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 20.4.2018). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 18.9.2018).

Die Regierung lockerte Einschränkungen für ausländische Reisende in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen (USDOS 20.4.2018).

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 18.9.2018).

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018

Meldewesen

Noch gibt es in Indien kein nationales Melde- bzw. Staatsbürgerschaftsregister. Die Regierung verfolgt seit einigen Jahren ein nationales Projekt zur Registrierung der Staatsbürger, und damit verbunden wird die Ausstellung von Personalausweisen ("Aadhar Card") sein. Von der Realisierung dieses Projektes ist man trotz einiger Vorarbeit aber noch weit entfernt. Es gibt kein Meldewesen in Indien (ÖB 12.2018; vgl. AA 18.9.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion

(...)

Grundversorgung und Wirtschaft

In Indien lebt etwa ein Viertel der Bevölkerung unter dem veranschlagten Existenzminimum der Vereinten Nationen. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine das Überleben sichernde Nahrungsversorgung auch der untersten Schichten der Bevölkerung zum Großteil gewährleistet. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder von Bekannten angewiesen (ÖB 12.2018).

Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2016/2017 bei 7,1 Prozent und in 2017/18 bei 6,75 Prozent mit wieder steigender Tendenz. Indien zählt damit nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt (AA 11.2018a).

2016 lag die Erwerbsquote laut Schätzungen der ILO bei 55,6 Prozent. Der Hauptteil der Menschen arbeitet im Privatsektor. Es gibt immer noch starke Unterschiede bei der geschlechtlichen Verteilung des Arbeitsmarktes. Indien besitzt mit 478,3 Millionen Menschen die zweitgrößte Arbeitnehmerschaft der Welt (2012). Jährlich kommen 12,8 Millionen Arbeitskräfte hinzu. Im Jahr 2015 lag die Arbeitslosenquote bei 3,4 Prozent (nach ILO 2016) (BAMF 3.9.2018).

Schätzungen zufolge stehen nur circa 10 Prozent aller Beschäftigten in einem vertraglich geregelten Arbeitsverhältnis. Die übrigen 90 Prozent werden dem sogenannten "informellen Sektor" zugerechnet - sie sind weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert, noch haben sie Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung (AA 11.2018a). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 16,4 Prozent (2017/18) der Gesamtwirtschaft, obgleich fast 50 Prozent der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 11.2018a).

Die Regierung hat überall im Land rund 1.000 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle frei ist (BAMF 3.9.2018; vgl. PIB 23.7.2018). Das Nationale Mahatma Gandhi Beschäftigungsgarantieprogramm für die ländliche Bevölkerung (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act, MGNREGA), läuft bis 2019. Das Ziel des laufenden Programms besteht darin, die ländliche Infrastruktur zu verbessern, die Land- und Wasserressourcen zu vergrößern und der armen Landbevölkerung eine Lebensgrundlage zu bieten: Jedem Haushalt, dessen erwachsene Mitglieder bereit sind, manuelle Arbeiten zu verrichten, welche keiner besonderen Qualifikation bedarf, wird mindestens 100 Tage Lohnarbeit pro Haushaltsjahr garantiert (SNRD 26.3.2018). Einige Staaten in Indien geben Arbeitssuchenden eine finanzielle Unterstützung für die Dauer von drei Jahren. Für weitere Informationen sollte die jeweilige lokale Vermittlungsagentur kontaktiert werden. Diese bieten auch Beratungen an, bei denen sie Informationen zu Verfügung stellen (BAMF 3.9.2018).

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei rund

1.970 USD. Auf dem Human Development Index der UNDP (Stand: September 2016) steht Indien auf Platz 130 unter 188 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 11.2018a).

Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an, welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 3.9.2018).

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 3.9.2018).

55,3 Prozent der Bevölkerung (642,4 Mio.) lebt in multi-dimensionaler Armut (HDI 2016). Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 18.9.2018).

Im September 2018 bestätigte der Oberste Gerichtshof die Verfassungsmäßigkeit des biometrischen Identifikationsprojekts Aadhaar (HRW 17.1.2019). Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar-ID Nummer ausgestellt. Ursprünglich wurde das System eingeführt, um Steuerbetrug entgegenzuwirken. In den folgenden Jahren wurde der Umfang jedoch stark ausgeweitet: In einigen indischen Bundesstaaten werden mittels Aadhaar Pensionen, Stipendien und die Essensausgabe für arme Menschen abgewickelt (ORF 27.9.2018). Aadhaar stellt für den Großteil der Bevölkerung den einzigen Zugang zu einem staatlich anerkannten Ausweis dar. Diejenigen, die sich bei Aadhaar angemeldet haben, erhielten nach der Übermittlung ihrer Fingerabdrücke und Netzhautscans eine eindeutige zwölfstellige Identifikationsnummer (BBC 26.9.2018).

Menschenrechtsgruppen äußern Bedenken, dass die Bedingungen zur Registrierung für Aadhaar, arme und marginalisierte Menschen daran hindern, wesentliche, verfassungsmäßig garantierte Dienstleistungen wie etwa Nahrung und Gesundheitsversorgung zu erhalten (HRW 18.1.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (11.2018a): Indien, Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/205976, Zugriff 17.1.2019

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.9.2018):

Länderinformationsblatt Indien, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_India_DE.pdf, Zugriff 17.12.2018

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BBC British Broadcasting Corporation (26.9.2018): Aadhaar: India top court upholds world's largest biometric scheme, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-44777787, Zugriff 20.11.2018

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HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - India, ttps://www.ecoi.net/de/dokument/2002249.html, Zugriff 23.1.2019

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HRW - Human Rights Watch (13.1.2018): India: Identification Project Threatens Rights,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1422175.html, Zugriff 19.11.2018

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ORF - Österreichischer Rundfunk (27.9.2018): Indiens Form der digitalen Überwachung, https://orf.at/stories/3035121/, Zugriff 20.11.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion

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PIB - Press Information Bureau Government of India Ministry of Labour & Employment (23.7.2018): Modernisation of Employment Exchanges, http://pib.nic.in/newsite/PrintRelease.aspx?relid=180854, Zugriff 20.11.2018

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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