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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §35;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Binder-Krieglstein, im Verfahren über die Anträge des D in W, auf Ablehnung der Vorsitzenden, ständigen Mitglieder, Ersatzvorsitzenden, Ersatzmitglieder und Verstärker der Senate 1, 10, 12, 13, 16 und 19 des Verwaltungsgerichtshofes in den Verfahren über die zu Zlen. 97/01/1090, 97/01/1105-1107, 96/10/0033, 97/10/0089, 97/12/0283-0285, 97/12/0423, 0424, 98/12/0103-0107, 96/13/0052, 0053, 97/13/0025, 98/16/0117, 96/19/2726, 97/19/0022, 0435, 1470, 1471, 1487, 1765, 98/19/0089, 0090, protokollierten Beschwerden bzw. Anträgen, den Beschluß gefaßt:
Spruch
1.
Die Ablehnungen werden zurückgewiesen.
2.
Über den Antragsteller wird gemäß § 35 AVG in Verbindung mit § 62 Abs. 1 VwGG eine Mutwillensstrafe von S 1.000,-- verhängt.
Begründung
Der Antragsteller, der als rechtskundiger Beamter des Bundes (Legationsrat) zum 1. Jänner 1993 in den Ruhestand versetzt worden war, hat seit 1992 ca. 530 Beschwerden und Anträge beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht (Stand 1. Juni 1998). Er betrachtet dies eigener Aussage zufolge als "Beitrag zum Beschäftigungspaket der Bundesregierung, um 57 Planstellen auszulasten" (Schreiben an den Verwaltungsgerichtshof vom 29. Mai 1998); an anderer Stelle hat er darauf verwiesen, daß "die kommenden 30 Jahre dem Vergeltungssekkieren der Justiz gewidmet" seien (vgl. die zur Zl. 97/19/0022 des Verwaltungsgerichtshofes protokollierte Beschwerde). Vielfach hat der Beschwerdeführer - durchwegs erfolglos - einzelne Richter des Verwaltungsgerichtshofes mit verschiedenen Begründungen abgelehnt (vgl. beispielsweise die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. September 1996,
Zlen. 96/10/0116, 0117, und vom 30. Juni 1997, Zl. 97/10/0068 und Zl. 97/10/0081). Vor Verwaltungsbehörden und dem Verwaltungsgerichtshof, aber auch vor Straf- und Zivilgerichten wendet sich der Antragsteller in einer Reihe von Verfahren und verbunden mit vielfältigen Anträgen gegen die Anwaltspflicht. Mit Beschluß vom 24. März 1998, 1 Ob 45/98, wies der Oberste Gerichtshof einen außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers zurück; begründend wurde unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung dargelegt, daß gegen die in § 27 ZPO normierte absolute Anwaltspflicht keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.
Mit zahlreichen, sich jeweils auf mehrere Verfahren beziehenden Eingaben lehnt der Beschwerdeführer eine Reihe von jeweils namentlich angeführten Richtern des Verwaltungsgerichtshofes ab. Eine Zusammenschau der Eingaben ergibt unter Bedachtnahme auf die Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichtshofes, daß sich die Ablehnungsanträge auf die jeweiligen Vorsitzenden und jeweils sämtliche Mitglieder der Senate 1, 10, 12, 13, 16 und 19 (das sind jene Senate des Verwaltungsgerichtshofes, in denen derzeit Verfahren über Beschwerden bzw. Anträge des Antragstellers anhängig sind) jeweils einschließlich der Ersatzvorsitzenden, Ersatzmitglieder und Verstärker beziehen. Der Antragsteller begründet die Ablehnungen mit der Regelung des § 24 Abs. 2 VwGG idF BGBl. Nr. 88/1997, wobei er hervorhebt, daß "künftig jeder rechtskundige Bedienstete einer Gebietskörperschaft ebenfalls der anwaltlichen Vertretung bedürfen sollte. Dies hat zur Folge, daß die oben erwähnten abgelehnten Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes sogar in einer eigenen Sache einer
anwaltlichen Vertretung bedürfen ... Da die abgelehnten
Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes keine Berechtigung besitzen, sich in einer eigenen Angelegenheit selbst zu vertreten, kann dies zwingend logisch nur damit begründet werden, daß sie keine ausreichende Vertrautheit mit den ziemlich besonderen Techniken des Verfahrens aufweisen, sodaß es unlogisch ist, anzunehmen, daß sie infolge fehlender Vertrautheit mit den Verfahrenstechniken in Entsprechung der Erfordernisse der ordnungsgemäßen Rechtspflege über die eingebrachten Beschwerden entscheiden können. Das Gesetz zwingt daher, nachdem auf die Entscheidung das Gesetz in seiner jeweiligen gültigen Fassung anzuwenden ist, anzunehmen, daß die abgelehnten Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes keine ausreichende Befähigung zur ordnungsgemäßen Rechtspflege aufweisen und daher abgelehnt werden müssen".
Nach § 31 Abs. 1 VwGG haben sich Mitglieder des Gerichtshofes und Schriftführer unter Anzeige an den Präsidenten der Ausübung ihres Amtes wegen Befangenheit zu enthalten
1. in Sachen, an denen sie selbst, der andere Eheteil, ein Verwandter oder Verschwägerter in auf- oder absteigender Linie, ein Geschwisterkind oder eine Person, die noch näher verwandt oder im gleichen Grad verschwägert ist, beteiligt sind;
2. in Sachen ihrer Wahl- oder Pflegeeltern, Wahl- oder Pflegekinder, Mündel oder Pflegebefohlenen;
3. in Sachen, in denen sie als Bevollmächtigter einer Partei bestellt waren oder bestellt sind;
4. wenn sie in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof vorausgegangenen Verfahren mitgewirkt haben;
5. wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, in ihre volle Unbefangenheit Zweifel zu setzen.
Nach Abs. 2 leg. cit. können aus den in Abs. 1 angeführten Gründen Mitglieder des Gerichtshofes und Schriftführer auch von den Parteien, und zwar spätestens zu Beginn der Verhandlung, abgelehnt werden. Stützt sich die Ablehnung auf Abs. 1 Z. 5, so hat die Partei die hiefür maßgebenden Gründe glaubhaft zu machen.
Von dieser Rechtslage war der Antragsteller jedenfalls mit den oben genannten, Ablehnungen betreffenden Beschlüssen des Verwaltungsgerichtshofes in Kenntnis gesetzt worden. Der Verwaltungsgerichtshof hat zum einen keinen Zweifel daran, daß dem Antragsteller die Absurdität seiner Auffassung, eine gesetzliche Regelung des Verfahrensrechtes begründe einen Befangenheitsgrund, der sämtliche mit seinen Angelegenheiten befaßten Richter betreffe, durchaus bewußt war. Zum anderen geht der Gerichtshof auf Grund der oben näher dargelegten Umstände davon aus, daß der Beschwerdeführer mit seinen Anträgen nicht das dem Rechtsinstitut der Richterablehnung zugrundeliegende Ziel verfolgte, sicherzustellen, daß nur solche Richter mit der Beurteilung seiner Angelegenheiten befaßt würden, die dem rechtlich zu beurteilenden Sachverhalt und den Beteiligten mit der erforderlichen Distanz gegenüberstehen. Vielmehr lassen die Heranziehung von vornherein untauglicher Gründe, die wahllose Anführung sämtlicher Richter, die den derzeit mit Beschwerden und Anträgen des Antragstellers befaßten Senaten angehören (einschließlich der Ersatzvorsitzenden, Ersatzmitglieder und Verstärker, von denen nicht von vornherein angenommen werden konnte, daß sie mit Angelegenheiten des Antragstellers überhaupt befaßt würden), und die oben wiedergegebenen Darlegungen des Antragstellers über die mit seinen Aktivitäten verfolgten Ziele erkennen, daß der Antragsteller mit seinen Eingaben verfahrensfremde Zwecke verfolgt. Nicht zuletzt die nicht nachvollziehbare "Verteilung" seiner Anträge auf zahlreiche, sich jeweils auf mehrere Verfahren beziehende Eingaben, die einen erheblichen Aufwand bei der Zuordnung der Anträge zu den betreffenden Verfahren und den jeweils abgelehnten Richtern nach sich ziehen mußte, deutet darauf hin, daß es dem Antragsteller um das von ihm im anderen Zusammenhang genannte "Sekkieren" der Gerichte und Behörden zu tun war.
Mit dem Vorwurf des Mißbrauches von Rechtsschutzeinrichtungen ist mit äußerster Vorsicht umzugehen; er ist nur dann am Platz, wenn für das Verhalten einer Partei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse keine andere Erklärung bleibt. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier angesichts der besonderen Begleitumstände und der Erklärungen des Antragstellers vor.
Nach der Rechtsprechung im Bereich der ZPO (vgl. OGH 21. April 1988, EvBl. 1988/18) sowie der dZPO (vgl. BGH 14. November 1991, NJW 1992, 983; vgl. weiters Vollkommer, in Zöller, ZPO20, § 42 Rn 5, und Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO56, § 42 Rz 7), der VwGO und des BVerfGG (vgl. z.B. VerfGE 11, 1; 11, 343; 46, 200; 72, 51; BVerwG NJW 1988, 722; vgl. weiters von Bargen in Umbach/Klemens, Bundesverfassungsgerichtsgesetz § 19 Rz 55, Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordung9, § 54 Rz 18) kann über einen mißbräuchlichen Ablehnungsantrag von den abgelehnten Richtern selbst entschieden werden; davon macht der nach Punkt 8 der allgemeinen Bestimmungen der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichtshofes zuständige erkennende Senat im vorliegenden Fall Gebrauch, soweit der Vorsitzende und die ständigen Mitglieder dieses Senates abgelehnt werden. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich weiters den in der oben verwiesenen Lehre und Rechtsprechung vertretenen Auffassungen an, daß rechtsmißbräuchliche Ablehnungen ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen sind und im Falle ihrer Wiederholung ohne Bearbeitung zu den Akten genommen werden können. Auf letzteres wird der Antragsteller besonders aufmerksam gemacht.
Nach § 35 AVG (vgl. § 62 Abs. 1 VwGG) kann die Behörde gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, eine Mutwillensstrafe bis S 1.000,-- verhängen.
Mutwillig nimmt die Behörde in Anspruch, wer sich in dem Bewußtsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt (vgl. z. B. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, § 35 AVG E 7, referierte hg. Rechtsprechung).
Diese Voraussetzungen liegen angesichts der oben dargestellten Umstände hier vor.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998100183.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
16.07.2015