TE Vwgh Erkenntnis 1998/7/1 98/09/0095

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Veröffentlicht am 01.07.1998
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
E6J;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

11992E177 EGV Art177;
61995CJ0351 Kadiman VORAB;
ARB1/80 Art7;
AuslBG §4c;
AVG §13 Abs1;
AVG §13 Abs2;
EURallg;
FrG 1997 §31 Abs1;
FrG 1997 §31 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde der A, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schulgasse 7, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Vorarlberg vom 16. März 1998, Zl. LGSV/3/13117/1998 ABA 688329, betreffend Ablehnung des Antrages auf Erteilung eines Befreiungsscheines bzw. einer Beschäftigungsbewilligung in Anwendung des Assoziationsabkommens EWG-Türkei, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Vermeidung von Wiederholungen wird zur Vorgeschichte auf das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1997, Zl. 96/09/0334, hingewiesen, mit welchem der Bescheid der belangten Behörde vom 21. Oktober 1996 aufgehoben worden war.

Aufgrund der Beschwerde und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides steht fest, daß folgender Sachverhalt nach Zustellung des obgenannten Erkenntnisses zusätzlich hervorkam:

Die belangte Behörde führte in Beachtung des genannten hg. Erkenntnisses ein Ermittlungsverfahren durch und hielt der Beschwerdeführerin mittels Verständigung vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens vom 23. Februar 1998 vor, daß sie am 16. August 1990 in Begleitung ihrer Mutter in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei. Sie sei im Reisepaß der Mutter eingetragen gewesen, habe jedoch keine Bewilligung besessen, die sie zur Einreise berechtigt habe. Die Beschwerdeführerin sei somit entgegen den einwanderungsrechtlichen Bestimmungen nach Österreich gekommen. Sie habe am 19. Oktober 1990 einen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes im Rahmen der Familienzusammenführung gestellt, es sei erstmals am 3. April 1991 ein Sichtvermerk mit einer Gültigkeit bis 31. März 1992 erteilt worden. Von der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn sei festgehalten worden, daß sich die Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 16. August 1990 bis 2. April 1991 nicht rechtmäßig in Österreich aufgehalten habe. Es sei am 8. April 1992 ein weiterer Sichtvermerk mit einer Gültigkeit bis 15. März 1993 und sodann ein Sichtvermerk vom 16. März 1993 mit Gültigkeit bis 31. Jänner 1994 erteilt worden. Die Beschwerdeführerin habe erst am 7. Februar 1994, somit nach Ablauf der ursprünglichen Bewilligung, einen Antrag auf Verlängerung der Bewilligung bzw. Überleitung eines Aufenthaltes gestellt. Dieser Antrag sei mit 21. September 1994 gemäß § 5 Aufenthaltsgesetz von der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn abgelehnt worden. Das diesbezüglich anhängige Berufungsverfahren sei vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 27. Juni 1997 gemäß § 38 AVG ausgesetzt worden.

Zu diesem Sachverhalt stelle die belangte Behörde fest, daß die Beschwerdeführerin unter Mißachtung der damals geltenden Einreisebestimmungen ins Bundesgebiet zugezogen sei. Sie hätte gemäß dem "Notenwechsel zwischen der österreichischen Gesandtschaft in der Türkei und dem türkischen Außenministerium über die Aufhebung des Sichtvermerkszwanges," BGBl. Nr. 194/1954, aufgrund des Wunsches, sich in Österreich niederzulassen oder dort länger als drei Monate Aufenthalt zu nehmen, noch vor ihrer Einreise nach Österreich den erforderlichen Sichtvermerk einholen müssen. Somit sei nur für den Zeitraum vom 3. April 1991 (erstmalige Sichtvermerkserteilung) bis 31. Jänner 1994 davon auszugehen, daß sich die Beschwerdeführerin entsprechend den Aufenthaltsvorschriften in Österreich aufgehalten habe. Dieser Zeitraum des rechtmäßigen Aufenthaltes umfasse knapp 34 Monate, weshalb das in Art. 7 ARB Nr. 1/80 anerkannte Recht, sich auf jedes Stellenagebot zu bewerben, mangels mindestens dreijährigem ordnungsgemäßen Wohnsitz nicht erfüllt sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16. März 1998 wies die belangte Behörde die Berufung neuerlich ab. Sie begründete den Bescheid damit, die Beschwerdeführerin habe entgegnet, daß ihr gemäß den Bestimmungen des FrG 1997 ein rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet zukomme, da das Verfahren betreffend Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung (nunmehr Ausstellung eines weiteren Aufenthaltstitels in Form einer Niederlassungsbewilligung) beim Bundesminister für Inneres anhängig sei. Soweit die belangte Behörde feststelle, es sei erst am 7. Februar 1994 um die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung angesucht worden, wäre darauf hinzuweisen, daß die Beschwerdeführerin bereits Anfang Jänner 1994 zunächst mündlich und dann am 7. Februar 1994 schriftlich um die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung angesucht habe. Aufgrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei, selbst wenn die Frist um sieben Tage versäumt worden wäre, der Antrag als Verlängerungsantrag und nicht als Erstantrag zu behandeln. Richtig sei, daß die Beschwerdeführerin erstmals im August 1990 zusammen mit ihrer Mutter nach Österreich eingereist sei. Bei der österreichischen Grenzkontrollstelle sei die Einreise der damals minderjährigen 15 Jahre alten Beschwerdeführerin zusammen mit ihrer Mutter deshalb erlaubt worden, weil die Mutter eine Aufenthaltsberechtigung besessen habe und erklärt worden sei, es werde um die Erteilung eines Sichtvermerkes angesucht. Aufgrund eines Wohnungsproblemes sei erst nach dessen Lösung im Oktober 1990 um die Erteilung eines Sichtvermerkes bei der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn angesucht worden. Tatsächlich sei am 3. April 1991 ein befristeter Sichtvermerk erteilt worden, der wiederholt verlängert worden sei. Durch die erfolgte Bewilligung des Aufenthaltes sei auch der Aufenthalt ab Anfang August 1990 bis zum 3. April 1991 nachträglich und rückwirkend legalisiert worden. Die Aufenthaltszeiten ab dem 1. Februar 1994 bis Februar 1998 (mehr als vier Jahre) erfüllten aufgrund der Familienzusammenführung, dem Zusammenleben mit der dem regulären Arbeitsmarkt angehörenden Mutter in Österreich und der Familienangehörigeneigenschaft die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Befreiungsscheines (Primärantrag), allenfalls lägen die Voraussetzungen für den Feststellungsbescheid vor (Eventualantrag).

Die belangte Behörde erwog hiezu, daß durch die erstmalige Sichtvermerkserteilung am 3. April 1991 keine rückwirkende Legalisierung des vorhergelegenen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin eingetreten sei. Ein rechtmäßiger Aufenthalt bestehe zwischen 3. April 1991 bis zum Ablauf des letztgültig erteilten Sichtvermerkes 31. Jänner 1994. Die Beschwerdeführerin habe den Antrag auf Verlängerung des ihr erteilten letztgültigen Sichtvermerkes verspätet gestellt. Auch gemäß § 31 Abs. 4 FrG 1997 bewirke die Anhängigkeit des beim Bundesminister für Inneres anhängigen Berufungsverfahrens betreffend die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung keinen rechtmäßigen Aufenthalt, da sich nach dem eindeutigen Wortlaut der zitierten Gesetzesbestimmung nur jene Fremde bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, die einen Antrag auf Ausstellung eines weiteren Aufenthaltstitels "vor Ablauf der Gültigkeitsdauer" des ihnen zuletzt erteilten Aufenthaltstitels oder vor Entstehen der Sichtvermerkspflicht eingebracht hätten.

Gestützt auf das Urteil des EuGH vom 17. April 1997, in der Rechtssache C 351/95, Selma Kadiman, gelangte die belangte Behörde zum Ergebnis, daß die Beschwerdeführerin mangels eines rechtmäßigen drei Jahre übersteigenden Aufenthaltes in Österreich das in Art. 7 Satz 1, erster Gedankenstrich, eingeräumte Recht der Bewerbungsfreiheit nicht erlangt habe, sie sich dessen zufolge nicht auf ein daraus abgeleitetes Aufenthaltsrecht seit 1. Februar 1994 stützen könne und sie daher auch nicht die Voraussetzungen des Art. 7 Satz 1, zweiter Gedankenstrich, erfülle. Somit könne kein Befreiungsschein gemäß § 4c Abs. 2 AuslBG ausgestellt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin wiederholt im wesentlichen bereits das zum Vorhalt des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens vom 23. Februar 1998 erstattete Vorbringen. Sie regt zusätzlich an, "sollte der Verwaltungsgerichtshof irgendwelche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zeiträume (Ordnungsmäßigkeit des Wohnsitzes) 16. August 1990 bis 2. April 1991 bzw. 1. Februar 1994 bis zur Erlassung des Berufungsbescheides haben", ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH zu beantragen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zum Inhalt des Art. 7 ARB Nr. 1/80 wird auf das in dieser Sache ergangene Vorerkenntnis vom 18. Dezember 1997 hingewiesen.

Die maßgeblichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes BGBl. Nr. 218/1975 in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 78/1997 (AuslBG) lauten:

"§ 4c. (1) Für türkische Staatsangehörige ist eine Beschäftigungsbewilligung von Amts wegen zu erteilen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 erster und zweiter Unterabsatz oder nach Art. 7 erster Unterabsatz oder nach Art. 7 letzter Satz oder nach Artikel 9 des Beschlusses des Assoziationsrates

EWG-Türkei- ARB - Nr. 1/80 erfüllen.

(2) Türkischen Staatsangehörigen ist von Amts wegen ein Befreiungsschein auszustellen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 dritter Unterabsatz oder nach Art. 7 zweiter Unterabsatz des ARB Nr. 1/1980 erfüllen.

(3) Die Rechte türkischer Staatsangehöriger auf Grund der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bleiben unberührt. Für die Verfahrenszuständigkeit und die Durchführung der Verfahren gemäß Abs. 1 und 2 gelten, soweit dem nicht Bestimmungen des ARB Nr. 1/1980 entgegenstehen, die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

...

§ 32. (2) Die vom Arbeitsmarktservice in unmittelbarer Anwendung des ARB Nr. 1/1980 ausgestellten Feststellungsbescheide verlieren mit 1. Jänner 1999 ihre Gültigkeit. Sie sind bis zu diesem Zeitpunkt auf die Höchstzahlen nach diesem Bundesgesetz anzurechnen. Auf Grund eines Feststellungbescheides vor dem 1. Jänner 1999 eingegangene Arbeitsverhältnisse bleiben unberührt."

Anzumerken ist, daß offenbar der österreichische Gesetzgeber mit "erster und zweiter Unterabsatz" dasselbe meint wie nach der Diktion des EuGH "erster und zweiter Gedankenstrich".

Gemäß § 31 Abs. 4 Fremdengesetz 1997 halten sich Fremde bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag auf Ausstellung eines weiteren Aufenthaltstitels dann rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie diesen Antrag vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des ihnen zuletzt erteilten Aufenthaltstitels oder vor Entstehen der Sichtvermerkspflicht eingebracht haben.

Aufgrund der nunmehr geltenden Rechtslage hätte die belangte Behörde bei tatsächlichem Vorliegen der Voraussetzungen nach Art. 6 oder 7 ARB Nr. 1/80 ab 1. Jänner 1998 keinen Feststellungsbescheid mehr zu erlassen, sondern eine Beschäftigungsbewilligung oder einen Befreiungsschein auszustellen. Die belangte Behörde gab der Berufung gegen die von der Behörde erster Instanz getroffenen Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Befreiungsscheines oder einer Beschäftigungsbewilligung keine Folge, weshalb sich ihre Entscheidung bezüglich des Verfahrensgegenstandes im Einklang mit § 66 Abs. 4 AVG und der neuen Rechtslage befindet.

Zur Frage der Anwendung und der Auslegung des ARB Nr. 1/80 durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) sowie der Berechtigung der Mitgliedstaaten zur Regelung der Stellung von türkischen Staatsangehörigen bis zur Erreichung eines der Rechte aus dem ARB Nr. 1/80 wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1997, Zl. 96/09/0334, verwiesen.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe bereits vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des ihr letztmalig erteilten Sichtvermerkes im Jänner 1994 mündlich um die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels angesucht, übersieht § 13 Abs. 2 AVG, wonach Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, schriftlich einzubringen sind. Demnach ist der mündliche Weg für Eingaben, die an eine Frist gebunden sind, ausgeschlossen. Für die Stellung eines Verlängerungsantrages war zum damaligen Zeitpunkt gemäß § 6 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz 1992 eine Frist ("spätestens vier Wochen vor diesem Zeitpunkt") gesetzt. Da auch solche Fristen von § 13 Abs. 2 AVG umfaßt sind, konnte der Verlängerungsantrag nur schriftlich eingebracht werden (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, Seite 171 f, wiedergegebenen hg. Erkenntnisse). Die belangte Behörde durfte daher zu Recht davon ausgehen, daß der Antrag auf Verlängerung des letztgültigen Aufenthaltstitels erst durch dessen schriftliche Einbringung am 7. Februar 1994, somit nach Ablauf des letztgültigen Wiedereinreisesichtvermerkes gestellt wurde. Zu Recht weist die belangte Behörde auch auf die Bestimmung des § 31 Abs. 4 FrG 1997 hin. Der Beschwerdeführerin kam daher aufgrund ihrer verspäteten Antragstellung nach Ablauf des letztgültigen Wiedereinreisesichtvermerkes kein rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet zugute.

Insoferne die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, B 1611-1614/94 u.a., hinweist, so ist ihr zu entgegnen, daß einerseits darin nicht ausgesprochen wurde, daß ein im Hinblick auf Art. 8 MRK als Verlängerungsantrag in bezug auf andere Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes anzusehender verspäteter Antrag auf Verlängerung eines erteilten Aufenthaltstitels einen rechtmäßigen Aufenthalt im Sinne anderer Rechtsvorschriften begründe und andererseits, daß dieses Erkenntnis zur Rechtslage nach dem Aufenthaltsgesetz erging und nicht nach dem für die Bewertung der Rechtmäßigkeit des weiteren Aufenthaltes nach Ablauf des letztgültigen Aufenthaltstitels nunmehr maßgeblichen Fremdengesetz 1997.

Diese innerstaatlichen Vorschriften wären - wie der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis vom 18. Dezember 1997 ausgeführt hat - nur dann irrelevant, wenn der Beschwerdeführerin bis dahin eine sich unmittelbar aus Art. 7 Satz 1, erster Gedankenstrich, ARB Nr. 1/80 abzuleitende Bewerbungsfreiheit und eines diesfalls auf dem ARB Nr. 1/80 beruhenden Rechtes auf Aufenthalt zukäme.

Die belangte Behörde ging zu Recht gestützt auf das Urteil des EuGH vom 17. April 1997, in der Rechtssache C-351/95, Kadiman, davon aus, daß jeder Mitgliedstaat das Recht hat, die Stellung türkischer Staatsangehöriger bei deren erstmaliger Einreise innerstaatlich zu regeln. Die Beschwerdeführerin gesteht nunmehr zu, daß sie bei ihrer Einreise am 16. August 1990 keine für türkische Staatsangehörige notwendige Einreisebewilligung besaß. Daß die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn aufgrund des ca. zwei Monate später gestellten Antrages auf Erteilung eines Sichtvermerkes im Rahmen der Familienzusammenführung der Beschwerdeführerin einen solchen am 3. April 1991 erteilte, kann nicht zu einer nachträglichen Legalisierung ihrer auf keinem Einreise- und Aufenthaltstitel beruhenden Einreise und dem daran anschließenden Aufenthalt bis zur Erteilung des Sichtvermerkes umgedeutet werden.

Die belangte Behörde ist damit im Recht, daß die Beschwerdeführerin sich lediglich zwischen 3. April 1991 bis zum 31. Jänner 1994, somit knapp 34 Monate, rechtmäßig in Österreich aufgehalten hat. Nur dieser Zeitraum kommt für das Erfordernis des Art. 7 Satz 1, erster Gedankenstrich, ARB Nr. 1/80 des ordnungsgemäßen Wohnsitzes seit mindestens drei Jahren in Österreich in Betracht. Insoferne die Beschwerdeführerin aus dem Urteil des EuGH vom 17. April 1997, Rs C 351/95, Kadiman, zitiert, daß ein Zeitraum ohne gültige Aufenthaltserlaubnis für die Ordnungsmäßigkeit des Wohnsitzes nicht schädlich sei, wenn die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaates diese nicht in Frage gestellt haben, sondern eine (neue) Aufenthaltsberechtigung erteilt haben, so übersieht die Beschwerdeführerin, daß der EuGH dies für den Fall ausgesprochen hat, daß eine bereits erteilte Aufenthaltserlaubnis "nur für einen kurzen Zeitraum entzogen war" (vgl. Randnummer 52 des genannten Urteils). Dies trifft auf den erstmaligen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet schon deshalb nicht zu, weil ihr vor der erstmaligen Sichtvermerkserteilung am 3. April 1991 keine "Aufenthaltserlaubnis" erteilt war, welche hätte entzogen werden können. Sollte die Beschwerdeführerin diese Rechtsansicht auch für ihren nach dem 31. Jänner 1994 gelegenen Aufenthalt für sich ins Treffen führen wollen, so übersieht sie, daß ihr bis zur Erlassung des gegenständlichen angefochtenen Bescheides nach ihren eigenen Angaben kein (neuer) Aufenthaltstitel erteilt wurde.

Der Anregung der Beschwerdeführerin auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim EuGH war deshalb nicht zu folgen, weil die für den gegenständlichen Fall maßgebliche Auslegung des Art. 7 ARB Nr. 1/80 durch die bisherige Rechtsprechung des EuGH, insbesondere das mehrfach zitierte Urteil vom 17. April 1997, hinreichend klargestellt ist.

Bereits der Inhalt der Beschwerde läßt erkennen, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.

Damit erübrigt sich eine Behandlung des in der Beschwerde gestellten Begehrens, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und eine einstweilige Anordnung zu erlassen.

Gerichtsentscheidung

EuGH 61995J0351 Kadiman VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998090095.X00

Im RIS seit

21.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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