TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/27 I401 2214834-1

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Veröffentlicht am 27.06.2019
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Entscheidungsdatum

27.06.2019

Norm

BFA-VG §52
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §46a
FPG §46a Abs3 Z1
StGB §107 Abs1
StGB §125
StGB §127
StGB §83 Abs1
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §8a
ZPO §64 Abs1 Z1 lita

Spruch

I401 2214834-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard AUER über die Beschwerde des XXXX, StA. Algerien, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH (ARGE Rechtsberatung), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten - Außenstelle Klagenfurt, vom 16.01.2019, Zl. 51321906/180399773, betreffend 1. "Ausstellung einer Duldungskarte" zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

und betreffend 2. "Befreiung von Gerichtsgebühren" beschlossen:

C)

Die beantragte Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a VwGVG iVm. § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a ZPO im Umfang der Befreiung von der Entrichtung der Eingabengebühr bewilligt.

D)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt illegal in das Bundesgebiet ein.

2. Mit Urteil vom 27.03.2001 wurde der Beschwerdeführer erstmals vom Landesgericht Klagenfurt zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, wobei sechs Monate bedingt nachgesehen wurden.

3. Mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid vom 09.05.2001 sprach die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot aus. Er verblieb im Bundesgebiet.

4. Der Beschwerdeführer wurde in der Folge mehrmals strafgerichtlich verurteilt.

5. Da die algerischen Behörden kein Heimreisezertifikat ausstellten, wurde dem Beschwerdeführer seitens der Bundespolizeidirektion Kärnten eine Karte für Geduldete für den Gültigkeitszeitraum vom 23.04.2013 bis 22.04.2014 ausgestellt. Den weiteren Anträgen auf Verlängerung der Duldungskarte wurde stattgegeben.

6. In der Folge übermittelte die belangte Behörde am 18.04.2018 an die Wohnadresse des Beschwerdeführers einen Ladungsbescheid für eine Identitätsüberprüfung durch Organe der Demokratischen Volksrepublik Algerien (in der Folge nur: Algerien). Dieser wurde von ihm nicht behoben.

7. Am 25.04.2018 brachte der Beschwerdeführer persönlich den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte nach § 46a FPG ein.

8. Nach Verbüßung einer Verwaltungsstrafhaft im Polizeianhaltezentrum K wurde der Beschwerdeführer am 12.06.2018 gemäß dem Festnahmeauftrag der belangten Behörde festgenommen, in das Polizeianhaltezentrum H überstellt und der Botschaft Algeriens am 14.06.2018 zur Identitätsfeststellung vorgeführt. Gegenüber den Botschaftsmitarbeitern gab der Beschwerdeführer an, nicht aus Algerien, sondern aus Ägypten zu stammen. Eine Überprüfung der von ihm angegebenen Identität in Algerien wurde zugesichert.

9. In der Folge wurde dem Beschwerdeführer ein Ladungsbescheid zur Identitätsfeststellung durch die Botschaft der Arabischen Republik Ägypten (in der Folge nur: Ägypten) für den 26.06.2018 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ausgefolgt. Diesen Termin nahm er wahr. Es kam zu keiner Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die ägyptische Botschaft.

10. Am 07.01.2019 teilte die algerische Behörde der belangten Behörde die Ablehnung der Ausstellung eines Heimreisezertifikates mit der Begründung mit, dass die Überprüfung der vom Beschwerdeführer angegebenen Daten zu seiner Identität, der seinem Antrag beigefügten Fotos und seiner Fingerandrücke in Algerien negativ verlaufen sei. Die angegebenen Daten seien in Algerien gänzlich unbekannt.

11. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 16.01.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Karte für Geduldete vom 25.04.2018 ab.

12. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig das Rechtsmittel einer Beschwerde.

Er begründete sie damit, ausreichend am Verfahren mitgewirkt zu haben. Er habe die Formblätter zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates ausgefüllt und sei der Ladung zur ägyptischen Botschaft nachgekommen. Zur algerischen Botschaft sei er vorgeführt worden.

Die belangte Behörde habe Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers getroffen, ohne ihn einvernommen oder Parteiengehör gewahrt zu haben. Sie habe sich auch nicht mit der vom ehemaligen rechtsfreundlichen Vertreter eingebrachten Stellungnahme vom 19.06.2018 auseinandergesetzt. Es mangle an sämtlichen Kriterien für eine ordentliche Beweiswürdigung und an jeglichem Begründungswert. Es werde lediglich auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Behauptung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe versucht, seine Identität zu verschleiern, und habe hierüber widersprüchliche Angaben gemacht, finde keine Deckung in den getroffenen Feststellungen und der Beweiswürdigung. Entgegen der Annahme belangten Behörde habe er vor der algerischen Botschaft nie behauptet, aus Ägypten zu stammen. Er sei dem Auftrag der Mitglieder der Botschaft, Formulare auszufüllen, nachgekommen. Der Vorladung zur ägyptischen Botschaft habe er Folge geleistet habe; dort habe er angegeben, aus Algerien zu stammen. Somit habe er mehrmals am Verfahren mitgewirkt.

Der Beschwerdeführer stellte die Anträge, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, dem Antrag auf neuerliche Ausstellung einer Karte für Geduldete vom 25.04.2018 stattzugeben, in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und das Verfahren zur Erlassung eines neuen Bescheides an die erste Instanz zurückzuverweisen, in eventu die ordentliche Revision zuzulassen und den Antrag auf einstweilige Befreiung von den Gerichtsgebühren und anderen bundesgesetzlich geregelten staatlichen Gebühren.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und hält sich seit Ende 2000 bzw. Anfang Jänner 2001 in Österreich auf.

Seine Identität steht nicht fest. Die von ihm bisher zu seiner Identität gemachten Angaben sind falsch; er legte keine personenbezogenen Dokumente zum Nachweis seiner Identität (Reisepass, Geburtsurkunde, etc.) vor.

Die Ladung zur Feststellung seiner Identität bei der algerischen Botschaft am 18.04.2018 hat der Beschwerdeführer nicht behoben. Nach Beendigung einer Verwaltungsstrafhaft im Polizeianhaltezentrum K, der in der Folge stattgefundenen Festnahme sowie der Überstellung nach Wien wurde er der algerischen Botschaft zur Identitätsfeststellung am 14.06.2018 vorgeführt. Den für den 26.06.2018 anberaumten Termin zur Prüfung der Identität bei der ägyptischen Botschaft nahm der Beschwerdeführer wahr.

Mit rechtskräftigem Bescheid vom 09.05.2001 wurde als Folge des Urteils des Landesgerichtes Klagenfurt vom 27.03.2001, mit dem der Beschwerdeführer wegen mehrerer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vergehen (s. unten) zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt wurde, gegen ihn ein unbefristetes Aufenthaltsverbot gemäß § 53 Abs. 3 Z 2 FPG ausgesprochen. Er hat das Bundesgebiet seither nicht verlassen.

Er ging und geht in Österreich keiner der Sozialversicherungspflicht unterliegenden Erwerbstätigkeit nach.

Der Beschwerdeführer verfügte, da ihm durch die zuständigen Behörden kein Heimreisezertifikat für Algerien ausgestellt wurde, ab 23.04.2013 über eine jährlich befristete Karte für Geduldete, zuletzt vom 23.04.2017 bis 22.04.2018. Mit dem am 25.04.2018 bei der belangten Behörde eingelangten Anbringen vom 23.04.2018 stellte er neuerlich einen Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte nach § 46a Abs. 4 FPG iVm § 46a Abs. 1 Z 3 FPG.

Der Beschwerdeführer wurde mehrfach strafgerichtlich verurteilt:

Mit erstem Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 27.03.2001 wurde er wegen der Vergehen des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 und Abs. 2 StGB, des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 15 StGB und § 269 Abs. 1 StGB sowie der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 2 Z 1 StGB zu Freiheitsstrafe von neun Monaten, wobei sechs Monate bedingt nachgesehen wurden, verurteilt.

Mit zweitem Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 03.10.2002 wurde der Beschwerdeführer als junger Erwachsener wegen der Verbrechen nach §§ 27 Abs. 1 und 28 Abs. 2 und Abs. 3 Suchtmittelgesetz (SMG) zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, wobei zehn Monate bedingt nachgesehen wurden, verurteilt.

Mit drittem Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 14.05.2004 wurde er wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Mit viertem Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 22.05.2006 wurde er wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG zu einer Geldstrafe von 160 Tagsätzen zu je € 2,-- (€ 320,--), im Nichteinbringungsfall zu 80 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

Mit fünftem Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 26.06.2013 wurde er wegen der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten sowie zu einer Geldstrafe von 120 Tagsätzen zu je €

4,-- (€ 480,--), im Nichteinbringungsfall zu 60 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

Mit sechstem Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 05.09.2013 wurde der Beschwerdeführer als Beitragstäter wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 12 dritter Fall und § 127 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Mit siebtem Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 06.10.2014 wurde er wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.

Mit achtem Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 29.04.2015 wurde er wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass er seiner Mitwirkungspflicht im Hinblick auf die Feststellung seiner Identität und seines Herkunftsstaates nachgekommen ist oder versucht hat, unter Angabe seiner wahren Identität, die Ausstellung eines Reisepasses bei der Vertretungsbehörde seines Heimatstaates zu beantragen.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid, in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das Zentrale Melderegister und Strafregister.

In der erhobenen Beschwerde versicherte der Beschwerdeführer, dass er, nachdem er die Ladung zur Feststellung seiner Identität für den 18.04.2018 nicht behoben hat, der algerische Botschaft zur Identitätsfeststellung am 14.06.2018 vorgeführt wurde.

Dass die im gegenständlichen Verfahren gemachten Angaben des Beschwerdeführers zu seiner in Österreich verwendeten Identität falsch sind, geht insbesondere auf die - von ihm unbestritten gebliebene - Auskunft der algerischen Behörden vom 07.01.2019, wonach eine Überprüfung der von ihm bekannt gegebenen personenbezogenen Daten, der seinem Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte beigegebenen Fotos und seiner Fingerabdrücke negativ verlaufen sei ("Die Person ist völlig unbekannt") zurück. Das in der Stellungnahme vom 19.06.2018 getätigte Vorbringen des zu diesem Zeitpunkt noch rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführers, er sei in W, einer im Westen Algeriens gelegenen Provinz geboren worden und "dementsprechend algerischer Staatsangehöriger" (vgl. AS 45) kann daran nichts ändern. Dabei sind auch die von ihm unwidersprochen gebliebenen, am 14.06.2018 vor den Organen der Botschaft Algeriens gemachten Angaben, aus Ägypten zu stammen, zu berücksichtigen. Dabei fällt nicht mehr ins Gewicht, ob er - wie er behauptet - tatsächlich vor den Organen der ägyptischen Botschaft am 26.06.2018 erklärt hat, algerischer Staatsangehöriger zu sein.

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er sich um die Ausstellung eines Reisepasses seines Herkunftsstaates bemüht hätte, und er behauptet auch nicht, auch nicht in der Beschwerde, solche Bemühungen an den Tag gelegt zu haben.

Es ist daher die von der belangten Behörde vorgenommene und nicht zu beanstandende Beurteilung, der Beschwerdeführer verschleiere seine Identität, gerechtfertigt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A):

3.1.1. Rechtslage:

§ 46 FPG (in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018) lautet (auszugsweise):

"(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat - vorbehaltlich des Abs. 2a - bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.

(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen."

Der mit "Duldung" überschriebene § 46a FPG (in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017) lautet (auszugsweise):

"(1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange

1. deren Abschiebung gemäß §§ 50, 51 oder 52 Abs. 9 Satz 1 unzulässig ist, vorausgesetzt die Abschiebung ist nicht in einen anderen Staat zulässig;

2. deren Abschiebung gemäß §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist;

3. deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder

4. die Rückkehrentscheidung im Sinne des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist;

es sei denn, es besteht nach einer Entscheidung gemäß § 61 weiterhin die Zuständigkeit eines anderen Staates oder dieser erkennt sie weiterhin oder neuerlich an. Die Ausreiseverpflichtung eines Fremden, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Satz 1 geduldet ist, bleibt unberührt.

(3) Vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) liegen jedenfalls vor, wenn er

1. seine Identität verschleiert,

2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder

3. an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

(4) Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat das Bundesamt von Amts wegen oder auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen. Im Antrag ist der Grund der Duldung gemäß Abs. 1 Z 1,

2, 3 oder 4 zu bezeichnen. ... ."

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Der Beschwerdeführer war ab 23.04.2013, zuletzt vom 23.04.2017 bis 22.04.2018, unbestritten im Besitz einer Karte für Geduldete, weil seine Abschiebung nach Algerien aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen unmöglich erschien. Somit war sein Aufenthalt im Bundesgebiet bis 22.04.2018 jedenfalls geduldet. Er stellte am 23.04.2018 (eingelangt bei der belangten Behörde am 25.04.2018) neuerlich einen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete.

Im vorliegenden Fall bedarf es der Beurteilung, ob Abschiebungshindernisse, was gemäß § 46a Abs. 3 FPG dann der Fall wäre, wenn der Beschwerdeführer seine Identität verschleiert, einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt, vorliegen, welche von ihm zu vertreten sind.

Die Abweisung des Antrages auf Ausstellung Duldungskarte stützte die belangte Behörde auf das Tatbestandselement der Verschleierung der Identität durch den Beschwerdeführer. Es habe weder dessen Name, sein Geburtsdatum und Geburtsort, noch sein wahrer Herkunftsstaat festgestellt werden können.

Der Beschwerdeführer machte gegenüber den Organen der algerischen Botschaft geltend, aus Ägypten zu stammen. Schwerwiegend fällt dabei auch ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer sich zwar (mehrmals) auf seine algerische Staatsangehörigkeit berief, jedoch die von ihm bekannt gegebenen Daten zu seiner Person sowie insbesondere die von ihm vorhandenen Fingerabdrücke einer Überprüfung durch die algerischen Behörden nicht Stand hielt ("Die Person ist völlig unbekannt"). Durch die Verschleierung seiner wahren Identität liegt das von ihm gemäß § 46a Abs. 3 Z 1 FPG zu vertretende Abschiebungshindernis vor.

Zudem hat er einen Ladungsbescheid zur Identitätsprüfung durch Organe der algerischen Botschaft am 18.04.2018 nicht behoben. Er musste vielmehr am 14.06.2018 der algerischen Botschaft zwangsweise vorgeführt wurde. Damit befolgte er einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität nicht.

Darüber hinaus ist auch der vom Beschwerdeführer zu vertretende Grund der Unmöglichkeit der Abschiebung ins Treffen zu führen, dass er keine Eigeninitiative zur Erlangung von Identitäts- bzw. Heimreisedokumenten an den Tag legte. Hätte er seine richtige Identität vor den algerischen Behörden angegeben, wovon jedoch nicht auszugehen ist, hätte es durch die Botschaft möglicherweise zur Ausstellung eines Ersatzreisedokuments bzw. eines Heimreisezertifikates geführt.

Die Beurteilung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer die Unmöglichkeit seiner Abschiebung insgesamt im Sinn des § 46a Abs. 3 FPG selbst zu vertreten hat, ist daher nicht zu beanstanden.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt C) - Zur Bewilligung der Verfahrenshilfe:

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.

Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei der Regelung der Verfahrenshilfe im VwGVG um eine sogenannte "subsidiäre Bestimmung" handelt:

Sie soll nur dann zur Anwendung gelangen, wenn durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, also dann, wenn das so genannte "Materiengesetz" keine Regelung enthält, deren Gegenstand der Verfahrenshilfe entspricht. Gemäß § 52 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, ist einem Fremden oder Asylwerber im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in bestimmten Angelegenheiten von Amts wegen kostenlos ein Rechtsberater zur Seite zu stellen. § 52 BFA-VG entspricht damit den Vorgaben des Art. 47 GRC. Im Anwendungsbereich des BFA-VG gelangt daher die Bestimmung des § 8a VwGVG nicht zur Anwendung (siehe ErläutRV 1255 BlgNR 25. GP zu § 8a VwGVG).

Das BFA-VG sieht für seinen, das verwaltungsgerichtliche Verfahren betreffenden Anwendungsbereich allerdings keine ausdrückliche Regelung vor, ob oder inwieweit im Rahmen der kostenlosen Rechtsberatung nach § 52 BFA-VG auch eine Befreiung von allfälligen zu entrichtenden Gerichtsgebühren oder anderen bundesgesetzlich geregelten staatlichen Gebühren möglich ist (§ 64 Abs. 1 Z 1 lit. a ZPO). Da im vorliegenden Fall eine gesetzliche Gebührenbefreiung nicht besteht, unterliegt die gegenständliche Beschwerde der Verpflichtung zur Entrichtung der Eingabengebühr nach § 14 Tarifpost 6 Abs. 5 Z 1 lit. b Gebührengesetz 1957 in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend die Gebühr für Eingaben beim Bundesverwaltungsgericht sowie bei den Landesverwaltungsgerichten (BuLVwG-Eingabengebührverordnung, BGBl. II Nr. 387/2014 in der Fassung BGBl. II Nr. 118/2017).

Der gegenständliche Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung von der Entrichtung der Eingabengebühr findet somit in § 8a VwGVG iVm. § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a ZPO grundsätzlich eine geeignete Rechtsgrundlage.

Mit dem vorliegenden Vermögensbekenntnis legte der Beschwerdeführer glaubhaft dar, dass er nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügt und daher außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten.

Es war daher gemäß § 8a iVm. § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a ZPO dem Antrag stattzugeben und durch Beschluss die Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung von der Entrichtung der Eingabengebühr zu bewilligen.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Der Verwaltungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, 2014/20/0017 und 0018, aus, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungs-gericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Die genannten Kriterien sind im vorliegenden Fall erfüllt, da der Sachverhalt durch die belangte Behörde vollständig erhoben wurde. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde wird seitens des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt. Im Übrigen findet sich in der Beschwerdeschrift kein Vorbringen, welches im gegenständlichen Fall geeignet ist, die erstinstanzliche Entscheidung in Frage zu stellen.

Im gegenständlichen Verfahren hätte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu keinem anderen Ergebnis geführt, sodass diesbezüglich kein entscheidungswesentlicher klärungsbedürftiger Sachverhalt vorlag. (vgl. den Beschluss des VwGH vom 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Damit ist der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen (vgl. § 27 VwGVG), wobei eine mündliche Erörterung auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu Spruchpunkt B) und D) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Diebstahl, Duldung, Eingabengebühr, Gebührenbefreiung, gefährliche
Drohung, Gerichtsgebühren, Haft, Haftstrafe, Karte für Geduldete,
Körperverletzung, Sachbeschädigung, schwere Straftat,
Straffälligkeit, Strafhaft, strafrechtliche Verurteilung,
Suchtgifthandel, Suchtmitteldelikt, Verbrechen, Wiederholungstaten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I401.2214834.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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