TE Vfgh Erkenntnis 2019/6/26 E472/2019 ua

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Veröffentlicht am 26.06.2019
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung des Antrags auf subsidiären Schutz hinsichtlich einer Familie afghanischer Staatsangehöriger; keine Bezugnahme auf das Nichtbestehen einer internen Schutzalternative für die Familie in Kabul nach der UNHCR-Richtlinie; keine ausreichende Prüfung familiärer Unterstützungsmöglichkeiten sowie einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Herat und Mazar-e Sharif

Spruch

I. 1. Die Beschwerdeführer sind durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit ihre Beschwerden gegen die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten, gegen die Nichterteilung von Aufenthaltstiteln sowie gegen die erlassenen Rückkehrentscheidungen und gegen die Aussprüche der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Afghanistan unter Setzung einer zweiwöchigen Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen werden, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Insoweit wird die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 3.139,20 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Sachverhalt und Beschwerde

1.       Die Beschwerdeführer sind aus der Stadt Kabul stammende Staatsangehörige von Afghanistan, gehören der Volksgruppe der Tadschiken an und sind sunnitische Moslems. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer wurden am 1. Jänner 1993 geboren und sind miteinander verheiratet. Der mj. Drittbeschwerdeführer wurde am 1. Jänner 2002 geboren und ist der Bruder der Erstbeschwerdeführerin. Sie stellten nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 15. September 2015 Anträge auf internationalen Schutz. Die mj. Viertbeschwerdeführerin wurde am 19. Juni 2018 im Bundesgebiet geboren und ist die gemeinsame Tochter der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers. Sie stellte am 18. Juli 2018 durch ihre gesetzlichen Vertreter einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.       Im Zuge der polizeilichen Erstbefragung und der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gaben die Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass die Erstbeschwerdeführerin in einem Krankenhaus gearbeitet habe und von den Taliban bedroht bzw aufgefordert worden sei, ihre Tätigkeit aufzugeben bzw sich versetzen zu lassen, um den Taliban Bericht über verletzte Soldaten und Ausländer zu erstatten. Nachdem sie sich einer Kollegin anvertraut habe und zwei Tage nicht zur Arbeit erschienen sei, sei sie wegen Zusammenarbeit mit den Taliban angezeigt worden. Daraufhin sei die Familie geflüchtet.

3.       Mit Bescheiden vom 6. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Erst- bis Drittbeschwerdeführer gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 ab; ebenso wurden die Anträge auf Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Weiters wurden Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §57 AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 iVm §9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß §52 Abs2 Z2 FPG erlassen und gemäß §52 Abs9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Afghanistan gemäß §46 FPG zulässig sei. Gleichzeitig wurde eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise gemäß §55 Abs1 bis 3 FPG ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen gesetzt.

4.       Mit Bescheid vom 1. August 2018 (berichtigt am 1. Oktober 2018) wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Viertbeschwerdeführerin gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 und §34 AsylG 2005 ab; ebenso wurde der Antrag auf Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 und §34 AsylG 2005 abgewiesen. Weiters wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §57 AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 iVm §9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 Abs2 Z2 FPG erlassen und gemäß §52 Abs9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Afghanistan gemäß §46 FPG zulässig sei. Gleichzeitig wurde eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise gemäß §55 Abs1 bis 3 FPG ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gesetzt.

5.       Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 28. Jänner 2019 als unbegründet ab. Im Hinblick auf die (Nicht-)Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten stellte das Bundesverwaltungsgericht unter Heranziehung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 2. März 2017 (zuletzt aktualisiert am 25. September 2017) sowie des Gutachtens vom 5. März 2017, Z BVwG-160.000/0001-Kammer A/2017, fest, dass die Beschwerdeführer durch eine Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würden, eine Verletzung ihrer durch Art2 und 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr 6 und 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Sie stammten aus der Stadt Kabul, hätten dort ihr gesamtes familiäres Umfeld und seien dort wirtschaftlich bzw kulturell verankert gewesen. Durch die familiären Anknüpfungspunkte könnten Unterkunft und Lebensunterhalt als gesichert angenommen werden. Kabul sei eine ausreichend sichere und auf dem Luftweg gut zu erreichende Stadt. Die durch vereinzelte Anschläge bestehenden Gefährdungsquellen seien in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen. Zudem sei die Versorgung der Bevölkerung zumindest grundlegend gesichert. Die Beschwerdeführer könnten auf Grund ihrer persönlichen Umstände nach Kabul, alternativ aber auch in die ebenfalls relativ sicheren und gut zu erreichenden Städte Herat oder Mazar-e Sharif verwiesen werden, zumal die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer gesund und arbeitsfähig seien, über Berufserfahrung verfügten und somit ihre Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben grundsätzlich vorausgesetzt werden könne. Da sich der mj. Drittbeschwerdeführer und die mj. Viertbeschwerdeführerin in der Obhut der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers befänden und von diesen versorgt bzw behütet würden, sei für sie keine Gefahr, in eine existenzielle Notlage zu geraten oder Opfer von Gewalttaten zu werden, anzunehmen. Auch zu einer Unterernährung werde es nicht kommen. Eine Gefährdung der minderjährigen Kinder sei in einer relativ sicheren Gegend wie Kabul nicht ersichtlich, zumal die erhöhte Gefahr für Kinder, Opfer von Kinderarbeit, Unterernährung und Missbrauch zu werden bzw getötet zu werden, vor allem Straßen- und Waisenkinder betreffe. Die Beschwerdeführer hätten jedoch Rückhalt durch ihre Familie und könnten zudem durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise das Auslangen finden. Eine Rückkehr nach Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif sei den Beschwerdeführern daher möglich und auch zumutbar.

6.       Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird. Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das Bundesverwaltungsgericht dadurch Willkür geübt habe, dass es ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt und das Parteivorbringen außer Acht gelassen habe. Konkret habe es die westliche Orientierung der Erstbeschwerdeführerin, die kinderspezifischen Gefahren bzw die Situation des mj. Drittbeschwerdeführers und der mj. Viertbeschwerdeführerin in Afghanistan sowie die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 außer Acht gelassen.

7.       Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.      Erwägungen

1.       Die – zulässige – Beschwerde ist, soweit sie sich gegen die Abweisung der Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht gegen die Nichtzuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten, gegen die Nichterteilung von Aufenthaltstiteln sowie gegen die erlassenen Rückkehrentscheidungen und gegen die Aussprüche der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Afghanistan unter Setzung einer zweiwöchigen Frist für die freiwillige Ausreise richtet, begründet.

2.       Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

3.       Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:

3.1.    Der Verfassungsgerichtshof kann sich, soweit mit dem angefochtenen Erkenntnis die Beschwerden gegen die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten mit der Begründung abgewiesen werden, den Beschwerdeführern sei eine Rückkehr in die Stadt Kabul zumutbar, darauf beschränken, auf Rz 11 bis 14 sowie 16 der Entscheidungsgründe seines am 30. November 2018 zur Zahl E3870/2018 gefällten – der vorliegenden Entscheidung in anonymisierter Fassung beigelegten – Erkenntnisses hinzuweisen; daraus ergibt sich auch für den vorliegenden Fall, dass das angefochtene Erkenntnis keine Bezugnahme auf den verfassungsrechtlichen Erfordernissen entsprechende, hinreichend aktuelle Länderberichte enthält:

3.1.1.  Bei den vom Bundesverwaltungsgericht bezogenen Länderfeststellungen handelt es sich um solche aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation auf dem Stand vom 2. März 2017 (zuletzt aktualisiert am 25. September 2017) sowie das Gutachten vom 5. März 2017, Z BVwG-160.000/0001-Kammer A/2017. Auf dieser Grundlage geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die Beschwerdeführer durch eine Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würden, eine Verletzung ihrer durch Art2 und 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr 6 und 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Kabul sei eine "ausreichend sicher[e]" und auf dem Luftweg gut zu erreichende Stadt. Die durch vereinzelte Anschläge bestehenden Gefährdungsquellen seien in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen. Zudem sei die Versorgung der Bevölkerung zumindest grundlegend gesichert. Eine Gefährdung des Lebens der minderjährigen Kinder sei "in einer relativ sicheren Gegend wie Kabul nicht ersichtlich", zumal die erhöhte Gefahr für Kinder, Opfer von Kinderarbeit, Unterernährung oder Missbrauch zu werden bzw getötet zu werden vor allem Straßen- und Waisenkinder betreffe.

3.1.2.  Das Bundesverwaltungsgericht setzt sich nicht damit auseinander, dass nach den – unmittelbar einschlägigen – UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 "angesichts der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in Kabul eine interne Schutzalternative in der Stadt grundsätzlich nicht verfügbar ist" (S 129). Das Bundesverwaltungsgericht hat weder ausdrücklich Bezug auf diese aktuellen UNHCR-Richtlinien genommen, noch hat es den zu beurteilenden Sachverhalt mit der in diesen Richtlinien dargestellten Sicherheitslage inhaltlich in Bezug gesetzt. Daran vermag grundsätzlich auch nichts zu ändern, dass die Beschwerdeführer – eine Familie mit zwei minderjährigen Kindern – im vorliegenden Fall nicht im Rahmen einer innerstaatlichen Fluchtalternative in die Stadt Kabul verwiesen werden, sondern von dort stammen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Zumutbarkeit einer Rückkehr nach Kabul insbesondere mit dem regelmäßigen Kontakt der Beschwerdeführer mit der Familie der Erstbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers und dem damit verbundenen Rückhalt begründet, jedoch keine Feststellungen dahingehend getroffen, ob diese Angehörigen tatsächlich willens und in der Lage sind, die vierköpfige Familie zu unterstützen (vgl zuletzt etwa VfGH 12.3.2019, E2314-2319/2018).

3.2.    Das Bundesverwaltungsgericht hat aber auch im Hinblick auf die Städte Herat und Mazar-e Sharif das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative ohne Weiteres bejaht und sich dabei auf das zum Zeitpunkt der Entscheidung etwa 23 Monate alte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation auf dem Stand vom 2. März 2017 sowie das Gutachten vom 5. März 2017, Z BVwG-160.000/0001-Kammer A/2017, gestützt. Abgesehen davon, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative für eine Familie mit zwei minderjährigen Kindern grundsätzlich nur bei Vorhandensein eines entsprechenden Netzwerkes in Betracht kommt, das tatsächlich fähig und bereit ist, Unterstützung zu leisten (vgl UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018, S 124 f.), enthält das angefochtene Erkenntnis auch insoweit keine hinreichend aktuellen Länderberichte.

3.3.    Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes erweist sich im Hinblick auf die Beurteilung einer den Beschwerdeführern im Falle der Rückkehr drohenden Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten gemäß Art2 und 3 EMRK schon aus diesen Gründen als verfassungswidrig. Soweit sich die Entscheidung auf die Nichtzuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten an die Beschwerdeführer und – daran anknüpfend – auf die Nichterteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie auf die erlassenen Rückkehrentscheidungen und die Aussprüche der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Afghanistan unter Setzung einer zweiwöchigen Frist für die freiwillige Ausreise bezieht, ist sie somit mit Willkür behaftet und insoweit aufzuheben.

4.       Im Übrigen – soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung der Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht gegen die Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten richtet – wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:

4.1.    Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

4.2.    Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.

4.3.    Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde – soweit sie sich gegen die Abweisung der Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht gegen die Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten richtet – abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).

III.    Ergebnis

1.       Die Beschwerdeführer sind somit durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit ihre Beschwerden gegen die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten und – daran anknüpfend – gegen die Nichterteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie gegen die erlassenen Rückkehrentscheidungen und die Aussprüche der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Afghanistan unter Setzung einer zweiwöchigen Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen werden, in dem durch ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Das Erkenntnis ist daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2.       Im Übrigen wird von der Behandlung der Beschwerde abgesehen und diese insoweit gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

3.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG bzw §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4.       Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. Da die Beschwerdeführer gemeinsam durch einen Rechtsanwalt vertreten sind, ist der einfache Pauschalsatz, erhöht um einen entsprechenden Streitgenossenzuschlag von 20 vH des Pauschalsatzes, zuzusprechen. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 523,20 enthalten. Ein Ersatz der Eingabengebühr ist nicht zuzusprechen, weil die Beschwerdeführer Verfahrenshilfe (auch) im Umfang des §64 Abs1 Z1 lita ZPO genießen.

Schlagworte

Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:E472.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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