TE Vwgh Erkenntnis 2020/1/23 Ra 2019/21/0278

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Veröffentlicht am 23.01.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AVG §56
AVG §66 Abs4
AVG §68 Abs1
FrPolG 2005 §52 Abs9
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des A K, in W, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 8. August 2019, W261 2216753-2/2E, betreffend Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Dem Revisionswerber, einem afghanischen Staatsangehörigen, war mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 20. Juni 2016 - davon ausgehend, dass seine Behauptungen über eine Verfolgung in Afghanistan zuträfen - der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden und es war festgestellt worden, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. 2 Der Revisionswerber wurde in der Folge straffällig und zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Im Hinblick darauf erkannte ihm das BFA mit Bescheid vom 26. Februar 2019 den Status des Asylberechtigten wieder ab. Unter einem sprach es aus, dass der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und ein Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde. Es erließ weiter eine Rückkehrentscheidung sowie ein Einreiseverbot, stellte jedoch fest, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Revisionswerbers aus Österreich nach Afghanistan gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 und § 52 Abs. 9 FPG unzulässig sei. Dabei legte es zugrunde, dass der Revisionswerber "zum aktuellen Zeitpunkt" in Afghanistan nach wie vor mit größter Wahrscheinlichkeit einer persönlichen Bedrohung (durch die Taliban) unterliegen würde. 3 Eine gegen diesen Bescheid - letztlich ausgenommen bezüglich der vom BFA getroffenen Feststellung über die Unzulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers - erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 27. Mai 2019 als unbegründet ab. In den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses wurde u.a. festgehalten, dass das ursprünglich asylbegründende Vorbringen des Revisionswerbers "aus heutiger Sicht nicht glaubhaft" sei.

4 Unter Berufung auf diese Feststellung erließ das BFA sodann den weiteren Bescheid vom 21. Juni 2019, mit dem es nun - unter einem die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausschließend - gemäß § 52 Abs. 9 FPG feststellte, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei.

5 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 8. August 2019 wies das BVwG die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Dabei knüpfte auch das BVwG an die "neuen Ermittlungsergebnisse" betreffend die (fehlende) Glaubwürdigkeit der Behauptungen des Revisionswerbers über eine Verfolgung in Afghanistan an und gelangte zu dem Ergebnis, dass den Revisionswerber im Falle seiner Rückkehr demnach keinerlei (zu ergänzen: individuelle) Bedrohungen erwarten würden und dass ihm unbeschadet der in seiner Herkunftsprovinz herrschenden willkürlichen Gewalt eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif offen stehe.

6 Über die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision - das BVwG hatte gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision nicht zulässig sei - hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung eines Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7 Mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid des BFA vom 26. Februar 2019 war ausgesprochen worden, dass (insbesondere) die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan unzulässig sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hätte diese rechtskräftige Feststellung nur dann geändert werden können, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt wesentlich geändert hätte (VwGH 7.3.2019, Ro 2019/21/0002, Rn. 13 ff, mit Verweis auf VwGH 24.1.2019, Ro 2018/21/0011).

8 Sowohl das BFA als auch das BVwG haben eine derartige maßgebliche Sachverhaltsänderung offenkundig darin erblickt, dass das BVwG in seinem Erkenntnis vom 27. Mai 2019 nunmehr - anders als noch das BFA im Bescheid vom 26. Februar 2019 - zu dem Ergebnis gelangt war, das vom Revisionswerber ursprünglich erstattete und aufrechterhaltene Fluchtvorbringen sei nicht glaubwürdig.

9 Diese "neuen Ermittlungsergebnisse" (so das BVwG im nunmehr angefochtenen Erkenntnis) begründen indes keine Sachverhaltsänderung. Es liegt lediglich eine neue Beurteilung des Fluchtvorbringens des Revisionswerbers vor, ohne dass eine Änderung an den tatsächlichen Verhältnissen in Afghanistan aufgezeigt worden wäre. Eine derartige Änderung lässt sich auch den vom BVwG getroffenen Feststellungen zur Situation in Afghanistan nicht ohne Weiteres entnehmen, sodass das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

10 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 23. Jänner 2020

Schlagworte

Besondere RechtsgebieteIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltMaßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019210278.L00

Im RIS seit

10.03.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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