TE Bvwg Beschluss 2019/9/10 W207 2162658-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.09.2019
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Entscheidungsdatum

10.09.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W207 2162658-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die vom Gesetz fingierte Parteibeschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.09.2019, Zl. 1043660603-190890024 (FAS 190898998) / BMI-EAST_WEST, betreffend Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes, folgenden Beschluss:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-Verfahrensgesetz abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal in die Republik Österreich ein und stellte am 22.10.2014 (erstmals) einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen seiner Erstbefragung gab er an, der Volksgruppe der Paschtunen anzugehören, Paschtu zu sprechen, islamischer Sunnit und ledig zu sein sowie am 01.01.1998 in Jalalabad geboren zu sein. Seinen Antrag auf internationalen Schutz begründete er damit, dass er Probleme mit den Taliban gehabt habe. Deshalb habe er seine Heimat verlassen. Weitere Fluchtgründe habe er nicht.

Am 12.11.2014 wurde eine Altersfeststellung durchgeführt; das diesbezügliche Gutachten ergab als spätest mögliches Geburtsdatum den XXXX .

Am 07.11.2016 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden auch als belangte Behörde oder BFA bezeichnet) und in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu niederschriftlich einvernommen.

Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer - der u.a. auch einräumte, ein falsches Geburtsdatum angegeben zu haben - im Rahmen dieser Einvernahme an, dass er in einer Security Firma gearbeitet habe. Seine Aufgabe sei es gewesen, ausländische Tankzug-Konvois vor den Taliban zu schützen. Die Firma habe mit der NATO zusammengearbeitet. Die Treibstofflieferungen seien für die Amerikaner bestimmt gewesen. Im Zuge seiner Tätigkeit habe der Beschwerdeführer mehrere Taliban erschossen. Er habe von den Taliban einen Anruf bekommen, dass er seine Tätigkeit beenden solle. Er habe jedoch weitergearbeitet. Daraufhin habe er einen Drohbrief erhalten, in dem er wieder aufgefordert worden sei, seine Tätigkeit zu beenden. Am nächsten Tag seien die Taliban zu seinem Vater nachhause gekommen und hätten seinen Vater als Warnung, dass der Beschwerdeführer seine Tätigkeit einstellen solle, zunächst angeschossen und ihn in der Folge mit Messerstichen getötet. Sein Onkel habe seinen Vater ins Krankenhaus gebracht, als sie dort angekommen seien, sei der Vater aber bereits tot gewesen. Sein Onkel, der die Tat beobachtet habe, habe den Beschwerdeführer verständigt. Er sei dann mit einem Schlepper aus Herat geflüchtet.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.05.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG i.V.m. § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 3 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.).

Gegen diesen Bescheid, in dem die vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtgründe als nicht glaubhaft beurteilt wurden, erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 24.05.2017 Beschwerde.

Am 02.05.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer, sein Rechtsvertreter, ein Vertreter der belangten Behörde sowie eine Dolmetscherin für die Sprache Paschtu teilnahmen.

Mit Erkenntnis vom 06.05.2019, GZ.: W138 2162658-1/22E, wies das Bundesverwaltungsgericht die den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.05.2017 erhobene Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 52, 53, 55 FPG als unbegründet ab.

Begründend wurde - hier verkürzt wiedergegeben - im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und sunnitischer Moslem. Er stamme aus der Provinz Nangarhar. Der Beschwerdeführer habe knapp 2 Jahre in Herat gelebt und gearbeitet. Er habe 3 Jahre die Schule besucht, 11 Jahre als Teppichknüpfer und gelegentlich als Maler gearbeitet. Seine Mutter und seine Schwester würden noch in Afghanistan bei seiner Tante und deren Ehemann und Sohn in der Provinz Kapisa leben, der Beschwerdeführer habe regelmäßig Kontakt zu seiner Mutter.

Der Beschwerdeführer sei mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 09.01.2017 zur Zahl 64 Hv 146/2016w gemäß § 119 2. Fall FPG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 5 Monaten, Probezeit 3 Jahre verurteilt worden, zudem sei der Beschwerdeführer wegen § 207a Abs. 1 Z 2 StGB iVm §§ 12 2. Fall und 15 StGB angeklagt.

Der Beschwerdeführer sei jung, gesund und arbeitsfähig.

Es könne hingegen mangels Glaubhaftigkeit des Vorbringens nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr nach Afghanistan einer individuell konkret gegen ihn gerichteten Bedrohung oder Verfolgung durch die Taliban, insbesondere aufgrund einer Tätigkeit für eine Sicherheitsfirma ausgesetzt wäre.

Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat auf Grund einer konkreten individuellen Bedrohung oder Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen habe oder bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Übergriffe zu befürchten hätte.

Dem Beschwerdeführer stehe jedenfalls als innerstaatliche Fluchtalternative eine Rückkehr in eine der Städte Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat zur Verfügung, wo es ihm möglich sei, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befriedigen zu können bzw. ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem Beschwerdeführer würde bei seiner Rückkehr in eine dieser Städte kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen. Die Städte Kabul, Mazar-e Sharif und Herat seien überdies von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichbar.

Beweiswürdigend wurde zu den vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtgründen im Wesentlichen ausgeführt, das Fluchtvorbringen habe vom Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht werden können, da er sich bei Schilderung seines Fluchtvorbringens in - näher dargestellte - diverse und entscheidungswesentliche Widersprüche verstrickt habe. Der Beschwerdeführer habe divergierende Angaben über seinen Ausreisezeitpunkt, die Reisedauer bzw. den Todeszeitpunkt seines Vaters gemacht. Zudem habe der Beschwerdeführer auch die Chronologie der Finanzierung bzw. der Organisation seiner Flucht im Lauf des Verfahrens abgeändert. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer auch die Umstände des Todes seines Vaters nicht stringent schildern können. Aufgrund der zahlreichen Widersprüche und des in der mündlichen Verhandlung insgesamt hinterlassenen unglaubwürdigen Eindrucks könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer die von ihm behaupteten Vorfälle tatsächlich erlebt habe. Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers sei daher absolut unglaubwürdig.

Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat sowie zur Lage in seinem Herkunftsstaat führte das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis vom 06.05.2019 zusammengefasst aus, entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers sei es ihm möglich, in eine der Städte Kabul, Mazar-e Sharif und Herat zurückzukehren. Seine Tante lebe mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Kapisa und habe die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers bei sich aufgenommen, es sei daher davon auszugehen, dass die Tante bzw. ihr Mann und der Sohn auch den Beschwerdeführer zumindest geringfügig unterstützen würden. Es gebe einen Garten, wo Granatäpfel geerntet werden könnten. Der Beschwerdeführer könne daher zumindest geringfügige finanzielle Unterstützung von seiner Familie erhalten. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer selbst erwachsen, gesund und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer habe eine 3-jährige Schulbildung und 11 Jahre als Teppichknüpfer und Maler gearbeitet. Es sei daher davon auszugehen, dass er auch bei einer Rückkehr wieder eine Anstellung als Teppichknüpfer, Maler oder Hilfsarbeiter finden würde. Der Beschwerdeführer habe sich nach eigenen Angaben schon 2 Jahre in der Provinz Herat aufgehalten, verfüge daher über Ortskenntnisse und würde sich in dieser Stadt zurechtfinden. In einer Gesamtschau der angeführten Länderberichte werde zwar deutlich, dass die Versorgungslage in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat angespannt sei, eine Versorgung mit Nahrung und Wasser in einem lebensnotwenigen Ausmaß jedoch möglich sei. Auch Wohnraum, Unterkünfte und Gesundheitseinrichtungen stünden, wenn auch nur begrenzt, den Länderberichten zu Folge zur Verfügung. Es sei daher nicht von vornherein ausgeschlossen, dass es dem BF möglich sein werde, eine Unterkunft und Arbeit zu finden und sich ernähren zu können.

Bei einer zwangsweisen Außerlandesbringung stelle Österreich die sogenannte "Post Arrival Assistance" zur Verfügung. Die International Organization for Migration (IOM) führe dieses EU-finanzierte Unterstützungsprogramm im Auftrag der Europäischen Kommission (Directorate General for International Cooperation and Development) aus. Im Detail umfasse die Post-Arrival-Assistance die vorübergehende Unterkunftnahme, Hilfestellung beim weiteren Transport sowie ggf. medizinische und psychosoziale Betreuung. Der Fremde erhalte im Rahmen des Kontaktgespräches im Zuge der Abschiebevorbereitung eine Information über die Möglichkeiten der "Post Arrival Assistance" und ein Informationsblatt mit den Kontaktdaten von IOM in Kabul. IOM Afghanistan werde vom Bundesamt über die jeweiligen Ankünfte vorab informiert. Bei nicht vorhandenen Eigenmitteln erhalte der zwangsweise Rückzuführende zusätzlich seitens des Bundesamtes 50,00 EUR als sogenanntes Zehrgeld zur Sicherung des Fortkommens in den ersten Tagen nach seiner Rückführung. Eine Betragserhöhung sei im Einzelfall möglich. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme (einer) dieser Unterstützungen stelle sicher, dass der Beschwerdeführer bei zusätzlichem Bedarf Hilfestellung bekommt. Dies gelte für eine Rückkehr sowohl nach Kabul als auch nach Mazar-e Sharif und Herat. Vor dem Hintergrund der Sicherheits- und Versorgunglage in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat sei auf Basis dieser persönlichen Merkmale des Beschwerdeführers in einer Gesamtschau festzustellen, dass in diesen Städten weder ein solcher Grad willkürlicher Gewalt herrscht, dass er allein durch seine Anwesenheit tatsächlich einer ernsthaften, individuellen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt sei und er zudem nicht Gefahr laufe, dort grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Darüber hinausgehende individuelle gefahrenerhöhende Umstände habe der Beschwerdeführer nicht darzutun vermocht. Es ergebe sich zusammenschauend, dass für den Beschwerdeführer bei Rückkehr nach Kabul, Mazar-e Sharif und Herat die Möglichkeiten für eine den durchschnittlichen afghanischen Verhältnissen entsprechende Lebensführung realistisch seien und keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestünden, dass er bei einer Rückkehr einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung und damit einer Verletzung der nach Art. 3 EMRK geschützten Rechte ausgesetzt sei.

In Bezug auf die getroffene Rückkehrentscheidung wurde zusammengefasst ausgeführt, der Beschwerdeführer sei zum Aufenthalt in Österreich nur auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz, der sich als nicht begründet erwiesen habe, berechtigt gewesen. Darüber hinaus seien keine Hinweise für eine ausreichend intensive Beziehung zu allfälligen in Österreich aufhältigen Familienangehörigen oder ihm sonst besonders nahestehende Personen hervorgekommen. Der Beschwerdeführer sei zwar war ehrenamtlich tätig gewesen und verfüge über einfache Deutschkenntnisse. Maßgeblich zu berücksichtigen sei dagegen aber, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 09.01.2017 zur Zahl 64 HV 146/2016w gemäß § 119 2. Fall FPG rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 5 Monaten, Probezeit 3 Jahre verurteilt wurde. Zudem sei der Beschwerdeführer wegen § 207a Abs. 1 Z 2 StGB iVm §§ 12 2. Fall und 15 StGB zu AZ 568 016 ST 39/19h angeklagt. Es sei davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht hätten und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukomme, in den Hintergrund träten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung sei daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheine auch nicht unverhältnismäßig.

Mit Abwesenheitsurteil des Landesgerichtes Salzburg vom 20.05.2019, Zl. 39 Hv 29/19k, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der versuchten pornografischen Darstellungen Minderjähriger als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 15 Abs 1, 207 a Abs 1 Z 2 StGB nach dem Strafsatz des § 207a Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 (sechs) Monaten, bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt. Gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO wurde vom Widerruf der zu 64 Hv 146/16w Landesgericht Salzburg gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen, jedoch gemäß Abs 6 dieser Bestimmung die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Am 24.06.2019 langte bei der belangten Behörde ein Wiederaufnahmeersuchen gem. Art. 18 (1) b Dublin-VO der Behörden aus der Bundesrepublik Deutschland ein, wonach der Beschwerdeführer am 20.05.2019 in Deutschland einreiste und dort einen Asylantrag stellte. Am 30.08.2019 wurde der Beschwerdeführer auf Grundlage der Bestimmungen der Dublin III-VO von Deutschland nach Österreich rücküberstellt.

Am 30.08.2019 stellte der Beschwerdeführer erneut einen - den nunmehr gegenständlichen - Antrag auf internationalen Schutz.

Noch am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer an, dass er an keinen Beschwerden oder Krankheiten leide. Im Rahmen der Angaben über weitere Familienangehörige im Herkunftsland gab der Beschwerdeführer an, seine Mutter, ca. 65 Jahre und sein Vater, ca. 70 Jahre alt - welcher den Angaben des Beschwerdeführers im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren zu Folge von den Taliban als Warnung, dass der Beschwerdeführer seine Tätigkeit einstellen solle, ermordet worden sei - würden beide in Afghanistan leben. Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates gab der Beschwerdeführer an, die Taliban hätten seine 2 Brüder und 8 Cousins getötet und sie würden auch ihn umbringen wollen, er habe aber fliehen können. Die Taliban hätten gewusst, dass seine Familie/Geschwister für die afghanische Regierung gearbeitet habe. Er habe auch für eine Security Guard Firma gearbeitet, seine Aufgabe sei Spritnachschub für das amerikanische Militär gewesen. Sein Onkel sei ein General gewesen und die Taliban hätten ihn deswegen getötet.

Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 03.09.2019 im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu gab der Beschwerdeführer an, seine Muttersprache sei Paschtu, er spreche aber auch Dari. Er leide an keinen Krankheiten und benötige keine Medikamente. Diese Einvernahme gestaltete sich in inhaltlicher Hinsicht - hier in anonymisierter Form wiedergegeben - wie folgt:

"......

LA: Sie wurden zu diesem Antrag auf int. Schutz bereits am 30.08.2019 durch die Szbg Fremden- und Grenzpolizeiliche Abteilung FGA Salzburg PAZ erstbefragt. Entsprechen die dabei von Ihnen gemachten Angaben der Wahrheit?

VP: Ja. Ich habe dort die Wahrheit gesagt.

LA: Möchten Sie dazu noch Korrekturen oder Ergänzungen anführen?

VP: Ich habe nichts zu ergänzen und auch nichts zu korrigieren.

LA: Haben Sie in Österreich, im Bereich der Europäischen Union, in Norwegen, Island, Liechtenstein oder der Schweiz, Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

VP: Nein.

LA: Gibt es andere Personen hier in Österreich, von denen Sie abhängig wären oder zu denen ein besonders enges Verhältnis besteht?

VP: Nein.

LA: Verfügen Sie außer der vorliegenden Taskira über Dokumente, die Ihre Identität bestätigen?

VP: Nein.

Anmerkung. Der Ast. legt vor: 3 Fotokopien Taskiras des Vaters, Sterbeurkunden der Brüder und Bewerbungsunterlagen eines Bruders und 2 Cousins für den Polizeidienst. (Diese sind verstorben)

LA: Seit wann sind diese Unterlagen bei Ihnen?

VP: Seit 1 Jahr.

LA. Haben Sie diese Unterlagen im Erstverfahren schon vorgelegt?

VP: Nein.

LA: Warum nicht?

VP: Weil ich eine negative Entscheidung erhalten habe und ausgereist bin. Ich habe diese Unterlagen erst erhalten, nachdem ich vom BFA die negative Entscheidung erhalten habe.

LA: Habe ich Sie richtig verstanden, Sie haben diese Unterlagen im September 2018 erhalten und nicht dem Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren vorgelegt?

VP: Ich habe diese Unterlagen deshalb nicht vorgelegt, weil ich vermutete, dass diese hier in Österreich bleiben und ich somit nichts in Deutschland vorzulegen gehabt hätte.

Anmerkung: Die Unterlagen werden kopiert und zum Akt genommen. Die vorgelegten Kopien werden dem Ast. wieder ausgefolgt.

LA: Sie stellten bereits unter der Zahl: 1043660603 - 140095813 in Österreich einen Antrag auf int. Schutz. Mit Bescheid des BFA Regionaldirektion Niederösterreich Außenstelle St. Pölten vom 09.05.2017, Zahl: 1043660603 - 140095813 wurde Ihr Asylantrag abgewiesen. Ihre Beschwerde wurde durch Erkenntnis des BVwG vom 06.05.2019 Zahl: W138 2162658-1/22E abgewiesen und erwuchs mit 07.05.2019 in Rechtskraft. Warum stellen Sie neuerlich einen Asylantrag?

VP: Ich kann nicht nach Afghanistan zurück, weil mein Leben dort in Gefahr ist. Ich werde dort getötet. Deshalb reiste ich auch nach Deutschland aus.

LA: Sind dies ausschließlich dieselben Gründe wie im Erstverfahren?

VP: Meine Fluchtgründe bleiben gleich. Nur der Tot meines Bruders im Jahr 2017 ist dazugekommen.

Waren Ihnen diese Gründe bereits vor Rechtskraft des Vorverfahrens (07.05.2019) bekannt?

VP: Ja.

LA: Warum haben Sie diese nicht schon damals im Erstverfahren vorgebracht?

VP: Ich habe es schon erwähnt.

LA: Gibt es noch weitere oder andere Gründe, welche Sie in diesem Verfahren geltend machen möchten?

VP: Ich habe keine weiteren Gründe.

LA: Halten Sie Ihre Gründe aus dem Erstverfahren aufrecht?

VP: Ja, die Gründe halte ich aufrecht.

LA: Möchten Sie sonst noch etwas vorbringen?

VP: Ich kann nicht nach Afghanistan zurückkehren, weil ich dort in Gefahr bin. Mein älterer Bruder ist nach Canada gereist.

LA: Habe ich Sie richtig verstanden, Sie stellen diesen gegenständlichen Antrag ausschließlich aus denselben Gründen, welche Sie im Erstverfahren vorgebracht haben?

VP: Ja, ich stellte diesen Antrag aus denselben Gründen wie im Erstverfahren. Es sind weiters 2 Cousins im Kundus-Konflikt vorgestern ums Leben gekommen. Beide waren bei der Polizei.

LA: Haben Sie seit der letztmaligen rechtskräftigen Entscheidung das österr. Bundesgebiet wieder verlassen?

VP: Ja, ich war von 20.05.2019 bis 30.08.2019 in Deutschland.

LA: Hat sich seit der letzten Entscheidung zu Ihrem Vorverfahren etwas an Ihrem hier in Österreich von Ihnen geführten Privatleben verändert?

VP: Nein.

LA: Sind Sie je von einer gerichtlichen Untersuchung als Zeuge oder Opfer in Österreich betroffen gewesen?

VP: Nein.

LA: Sind Sie je von einem zivil- oder strafrechtlichen Gerichtsverfahren oder eine (einstweiligen) gerichtlichen Verfügung in Österreich betroffen gewesen?

VP: Ja. Ich wurde verurteilt wegen meiner falschen Angaben hinsichtlich meines Alters.

LA: Was würde passieren, wenn Sie jetzt nach Afghanistan (z.b. nach Mazar-e Sharif, Herat, Kabul) reisen müssten?

VP: Mein Leben ist in Gefahr. In Kabul sterben täglich Menschen. Diejenigen, die meinen Bruder getötet haben, können mich auch ausfindig machen. Die Taliban haben Einfluss auf ca. 70% des Landes.

LA: Ihnen wird nun mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, Ihren Antrag auf int. Schutz wegen § 68 AVG entschiedener Sache zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz gem. § 12a2 AsylG aufzuheben.

Anmerkung: Dem ASt. wird die Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 Ziffer 4 und 6 übersetzt und nachweislich ausgefolgt.

LA: Sie können nunmehr dazu Stellung nehmen.

VP: Ich will nicht nach Afghanistan zurück.

Anmerkung: Ihnen werden die Länderfeststellungen zu Afghanistan angeboten, sowie der maßgebliche Inhalt kurz erläutert und werden Sie auf die Möglichkeit zur umfassenden Stellungnahme in der zweiten Einvernahme (Parteiengehör) vor dem BFA hingewiesen.

Haben Sie das verstanden?

VP: Ich verzichte auf die Länderfeststellungen ausdrücklich.

Anmerkung: Ihnen wird nun zur Kenntnis gebracht, dass Sie nach einer Frist von mindestens 24 Stunden im Zuge einer niederschriftlichen Befragung im Beisein eines Rechtsberaters die Möglichkeit haben, zu diesem Sachverhalt Stellung zu beziehen. Von diesem Termin werden Sie schriftlich in Kenntnis gesetzt. Sollten Sie diesem Termin nicht nachkommen, müssen Sie damit rechnen, dass das Verfahren in Ihrer Abwesenheit fortgesetzt wird.

LA: Wurde Ihnen ausreichend Zeit eingeräumt, Ihre Angaben vollständig und so ausführlich wie Sie es wollten zu machen?

VP: Ja.

LA: Wollen Sie abschließend noch etwas angeben, was Ihnen besonders wichtig erscheint?

VP: Ich kann nicht nach Afghanistan zurückkehren, weil ich dort in Gefahr bin. Wenn ich dorthin abgeschoben werde, dann muss ich wieder ausreisen und in einem anderen Land um Schutz ansuchen, weil ich in Afghanistan nicht sicher bin.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt. Nach erfolgter Rückübersetzung:

LA: Haben Sie den Dolmetscher während der gesamten Befragung einwandfrei verstanden und hat Ihnen diese alles rückübersetzt?

VP: Ja.

LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

VP: Ich habe keine Einwände, es wurde alles richtig und vollständig protokolliert.

LA: Wünschen Sie die Ausfolgung einer schriftlichen Ausfertigung?

VP: Ja.

Anmerkung: Die Verfahrenspartei wird über den weiteren Verlauf des Verfahrens aufgeklärt.

Aufforderung: Bestätigen Sie nunmehr durch Ihre Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift und die erfolgte Rückübersetzung!

VP: Ich bestätige mit meiner Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Niederschrift.

Ich bestätige mit meiner Unterschrift weiters den Erhalt der Verfahrensanordnungen § 29 Abs. 3 AsylG und § 52a Abs. 2 BFA-VG sowie die Rückgabe der vorgelegten Unterlagen als auch den Erhalt einer Kopie des Einvernahme-Protokolls. Auf die Ausfolgung der Länderfeststellungen zu Afghanistan verzichte ich ausdrücklich.

..."

Am 03.09.2019 langte ein Antrag des Beschwerdeführers für unterstützte freiwillige Rückkehr bei der belangten Behörde ein.

Am 04.09.2019 wurde der Beschwerdeführer durch die belangte Behörde ein weiteres Mal einvernommen (Parteiengehör in Anwesenheit einer Rechtsberaterin). Diese Einvernahme gestaltete sich in den wesentlichen Teilen wie folgt.

"......

Anmerkung:

Die anwesende Rechtsberaterin erklärt auf konkrete Nachfrage hin, dass im gegenständlichen Fall am 03.09.2019 von 12:45 Uhr bis 13:00 Uhr ein Rechtsberatungsgespräch stattgefunden hat.

Anmerkung:

Dem ASt. wird die vor der EASt-West am 03.09.2019 gemachte Niederschrift welche seine Unterschrift trägt, vorgelegt.

LA: Sind die von Ihnen im Rahmen der ersten Einvernahme gemachten Angaben richtig und halten Sie diese aufrecht?

VP: Diese Angaben sind richtig und ich halte diese weiterhin aufrecht.

LA: Möchten Sie bezüglich der oa. Einvernahme Korrekturen oder Ergänzungen vorbringen?

VP: Ich habe gestern mit meinem Vater gesprochen. Er hat gesagt ich muss nicht nach Afghanistan zurückkehren, weil es Streitigkeiten wegen eines Grundstückes gibt. Er hat auch gesagt, er kann mich nicht aufnehmen, weil er nicht für mich sorgen kann und nicht für mein Leben verantwortlich sein kann. Weiters habe ich nichts zu ergänzen oder zu korrigieren.

LA: Habe ich Sie richtig verstanden: Sie stellen den gegenständlichen Antrag auf Asyl aus denselben Gründen, welche Sie bereits im Vorverfahren vorbrachten, als auch aus jenen Gründen die Sie nun im zweiten Verfahren vorgebracht haben (Vorlage Sterbeurkunden Brüder, Bewerbungsschreiben Bruder und 2 Cousins für Polizeidienst), diese jedoch wissentlich im Erstverfahren nicht angaben bzw. nicht vorlegten?

VP: Ja, das stimmt so. Andere Gründe habe ich nicht.

LA: Ihnen wurden am 03.09.2018 die aktuellen Länderfeststellungen zu Afghanistan angeboten. Sie verzichteten ausdrücklich auf die Ausfolgung der Länderfeststellungen zu Ihrem Heimatstaat Afghanistan. Möchten Sie zur Situation in Afghanistan eine Stellungnahme abgeben?

VP: In Afghanistan gibt es Krieg. Heute sind 135 Menschen ums Leben gekommen, gestern auch 120. Täglich sterben dort Menschen, das Land ist nicht sicher. Deshalb kann ich nicht dorthin zurück. Ich könnte auch ein Betroffener sein.

LA. Sie haben noch am 03.09.2019 einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr nach Kabul/Afghanistan gestellt. Halten Sie diesen Antrag weiterhin aufrecht?

VP: Ich möchte nicht freiwillig nach Afghanistan. Wenn ich abgeschoben werden muss, und gezwungen werde, dann gehe ich freiwillig. Ich gehe dann freiwillig wenn ich ansonsten zwangsweise abgeschoben würde.

LA: Sie haben bereits eine Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 AsylG erhalten. Ebenso wurde Ihnen in der Einvernahme am 03.09.2019 mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, Ihren Antrag auf internationalen Schutz gem. § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz gem. § 12a2 AsylG aufzuheben. Weiters ist beabsichtigt ein mehrjähriges Einreiseverbot zu erlassen. Sie haben nunmehr nochmals Gelegenheit zur geplanten Vorgangsweise des Bundesamtes Stellung zu nehmen. Was spricht gegen die aufenthaltsbeendende Maßnahme, über die bereits rechtkräftig abgesprochen worden ist?

VP: Ich kann nicht dorthin zurückkehren. Auch wenn ich abgeschoben werde, was soll ich dort machen, man kann dort nicht leben.

Frage an die Rechtsberaterin: Haben Sie Fragen oder ein Vorbringen?

RB: Nein. Ich habe keine Fragen und kein Vorbringen.

LA: Ich beende jetzt die Einvernahme. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint oder wollen Sie noch etwas hinzufügen?

VP: Ja, ich hatte ausreichend Gelegenheit und habe nichts weiter hinzuzufügen.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

VP: Ich habe keine Einwände, es wurde alles korrekt protokolliert.

LA: Bestätigen Sie nunmehr durch Ihre Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift und die erfolgte Rückübersetzung!

VP: Ich bestätige mit meiner Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Niederschrift.

....."

Mit dem gegenständlichen mündlich verkündeten Bescheid vom 04.09.2019 hob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG 2005 auf.

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, welches in der schriftlichen Ausfertigung dieses mündlich verkündeten Bescheides abermals umfassende, dem Beschwerdeführer zuvor zur Kenntnis gebrachte Länderfeststellungen zu Afghanistan traf, im Wesentlichen aus, dass sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt seit dem rechtskräftigen Abschluss des Vorverfahrens mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.05.2019 nicht entscheidungswesentlich geändert habe. Der Beschwerdeführer stütze den gegenständlichen Folgeantrag auf Umstände, die er bereits im ersten Verfahren vorgebracht habe bzw. die er damals schon gekannt, jedoch wissentlich nicht vorgebracht habe. Die neuerlich nochmals vorgetragenen Gründe, welche der Beschwerdeführer bereits im Erstverfahren vorgebracht habe und die sowohl durch die belangte Behörde als auch durch das Bundesverwaltungsgericht geprüft worden seien, als auch die neu vorgetragenen Gründe (Sterbeurkunden der Brüder, Tazkiras des Vaters und Bewerbungsunterlagen eines Bruders und 2 Cousins bei der afghanischen Polizei), die dem Beschwerdeführer seinem eigenen Vorbringen zu Folge bereits vor rechtskräftigem Abschluss des letzten Asylverfahrens bekannt gewesen seien, die er jedoch im Erstverfahren wissentlich nicht vorgebracht habe, würden keinen neuen objektiven Sachverhalt darstellen. Festzuhalten sei, dass dem Beschwerdeführer alle diese neu vorgebrachten Gründe bereits vor Rechtskraft des ersten Verfahrens bekannt gewesen seien und er daher nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Verpflichtung gehabt habe, diese Gründe im ersten Verfahren vorzubringen. Ein neuer Sachverhalt liege daher nicht vor. Der neuerliche Antrag auf internationalen Schutz werde daher voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte diesen Bescheid unter Anschluss des Verwaltungsaktes am 09.09.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, gibt an, den im Spruch angeführten Namen zu führen und an dem im Spruch angeführten Geburtsdatum geboren zu sein. Seine Identität steht nicht fest.

Der unter I. beschriebene Verfahrensgang steht fest.

Festgestellt wird, dass das Verfahren über den ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.05.2019, GZ.: W138 2162658-1/22E, rechtskräftig negativ abgeschlossen wurde.

Festgestellt wird, dass es sich bei dem im Rahmen der neuerlichen Antragstellung auf internationalen Schutz vom 30.08.2019 und der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 03.09.2019 und am 04.09.2019 getätigten Vorbringen des Beschwerdeführers - seine Fluchtgründe würden gleich bleiben, nur der Tod seines Bruders "im Jahr 2017" sei dazugekommen, sowie die neu erzählten Vorbringenselemente, die Taliban hätten seine 2 Brüder und 8 Cousins getötet und sie würden auch ihn umbringen wollen, er habe aber fliehen können, die Taliban hätten gewusst, dass seine Familie/Geschwister für die afghanische Regierung gearbeitet habe, sein Onkel sei ein General gewesen und die Taliban hätten ihn deswegen getötet - um einen (behaupteten) Sachverhalt handelt, der - bei hypothetischem Zutreffen - bereits bei bzw. vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz bestanden hat.

Selbiges gilt für die vom Beschwerdeführer nunmehr im Rahmen des zweiten Asylverfahrens erstmals (in Kopie) vorgelegten Unterlagen (drei Fotokopien Tazkiras des Vaters, Sterbeurkunden der Brüder und Bewerbungsunterlagen eines Bruders und 2 Cousins für den Polizeidienst), die seinen Angaben zu Folge allesamt bereits seit September 2018 im Besitz des Beschwerdeführers gewesen seien, die er aber im rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren nicht vorgelegt habe: bei diesen Unterlagen handelt es sich um Beweismittel, die, selbst wenn sie echt bzw. inhaltlich richtig wären, bereits während des letzten Asylverfahrens existent gewesen, nicht aber erst nach Abschluss des letzten Asylverfahrens neu entstanden wären.

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten.

Auch hinsichtlich der privaten Beziehungen des Beschwerdeführers in Österreich und im Herkunftsstaat sind gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungswesentlichen Änderungen zu Gunsten des Beschwerdeführers eingetreten; hinsichtlich seiner privaten Beziehungen in Österreich und im Herkunftsstaat hat der Beschwerdeführer kein weiteres bzw. abweichendes Vorbringen - abgesehen von dem Umstand, dass der Beschwerdeführer im rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren noch behauptete, sein Vater sei als Warnung, dass der Beschwerdeführer seine Tätigkeit einstellen solle, von den Taliban ermordet worden (was im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren im Übrigen als nicht glaubhaft erkannt wurde), wohingegen er im gegenständlichen Folgeverfahren angab, sein Vater, dieser sei ca. 70 Jahre alt, lebe aktuell in Afghanistan, er habe am 03.09.2019 mit ihm gesprochen - erstattet.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers stützen sich auf dessen Angaben im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem unbedenklichen verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Verfahrensakt.

Die Feststellung, dass es sich bei dem Vorbringen des Beschwerdeführers um einen behaupteten Sachverhalt bzw. um Beweismittel handelt, der - unter hypothetischer Zugrundelegung desselben - bereits bei bzw. vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz bestanden hat bzw. die - was die vorgelegten Dokumentenkopien betrifft - bereits existent waren, gründet sich auf die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers selbst. Das Verfahren über die erste Antragstellung auf internationalen Schutz wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.05.2019 rechtskräftig negativ abgeschlossen. Der Beschwerdeführer tätigte im Folgeantragsverfahren im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 03.09.2019 und am 04.09.2019 folgende, hier auszugsweise wiedergegebene Angaben:

" ....

Anmerkung. Der Ast. legt vor: 3 Fotokopien Taskiras des Vaters, Sterbeurkunden der Brüder und Bewerbungsunterlagen eines Bruders und 2 Cousins für den Polizeidienst. (Diese sind verstorben)

LA: Seit wann sind diese Unterlagen bei Ihnen?

VP: Seit 1 Jahr.

LA. Haben Sie diese Unterlagen im Erstverfahren schon vorgelegt?

VP: Nein.

LA: Warum nicht?

VP: Weil ich eine negative Entscheidung erhalten habe und ausgereist bin. Ich habe diese Unterlagen erst erhalten, nachdem ich vom BFA die negative Entscheidung erhalten habe.

LA: Habe ich Sie richtig verstanden, Sie haben diese Unterlagen im September 2018 erhalten und nicht dem Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren vorgelegt?

VP: Ich habe diese Unterlagen deshalb nicht vorgelegt, weil ich vermutete, dass diese hier in Österreich bleiben und ich somit nichts in Deutschland vorzulegen gehabt hätte.

.....

VP: Ich kann nicht nach Afghanistan zurück, weil mein Leben dort in Gefahr ist. Ich werde dort getötet. Deshalb reiste ich auch nach Deutschland aus.

LA: Sind dies ausschließlich dieselben Gründe wie im Erstverfahren?

VP: Meine Fluchtgründe bleiben gleich. Nur der Tot meines Bruders im Jahr 2017 ist dazugekommen.

Waren Ihnen diese Gründe bereits vor Rechtskraft des Vorverfahrens (07.05.2019) bekannt?

VP: Ja.

LA: Warum haben Sie diese nicht schon damals im Erstverfahren vorgebracht?

VP: Ich habe es schon erwähnt.

LA: Gibt es noch weitere oder andere Gründe, welche Sie in diesem Verfahren geltend machen möchten?

VP: Ich habe keine weiteren Gründe.

LA: Halten Sie Ihre Gründe aus dem Erstverfahren aufrecht?

VP: Ja, die Gründe halte ich aufrecht.

LA: Möchten Sie sonst noch etwas vorbringen?

VP: Ich kann nicht nach Afghanistan zurückkehren, weil ich dort in Gefahr bin. Mein älterer Bruder ist nach Canada gereist.

LA: Habe ich Sie richtig verstanden, Sie stellen diesen gegenständlichen Antrag ausschließlich aus denselben Gründen, welche Sie im Erstverfahren vorgebracht haben?

VP: Ja, ich stellte diesen Antrag aus denselben Gründen wie im Erstverfahren. Es sind weiters 2 Cousins im Kundus-Konflikt vorgestern ums Leben gekommen. Beide waren bei der Polizei.

.....

LA: Habe ich Sie richtig verstanden: Sie stellen den gegenständlichen Antrag auf Asyl aus denselben Gründen, welche Sie bereits im Vorverfahren vorbrachten, als auch aus jenen Gründen die Sie nun im zweiten Verfahren vorgebracht haben (Vorlage Sterbeurkunden Brüder, Bewerbungsschreiben Bruder und 2 Cousins für Polizeidienst), diese jedoch wissentlich im Erstverfahren nicht angaben bzw. nicht vorlegten?

VP: Ja, das stimmt so. Andere Gründe habe ich nicht."

Was nun das Vorbringen im nunmehrigen Folgeantragsverfahren betrifft, es seien weiters zwei Cousins im Kunduz-Konflikt "vorgestern" ums Leben gekommen, so ist diesbezüglich zum einen anzumerken, dass mit diesem Vorbringen allein - selbst bei hypothetischer Wahrunterstellung - noch keine konkret und gezielt gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete Verfolgungsgefahr dargetan wird, und dass aber zum anderen dem Vorbringen des Beschwerdeführers insgesamt auch kein glaubwürdiger Kern zukommt. So wurde bereits im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren festgestellt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu den von ihm behaupteten Fluchtgründen nicht glaubhaft ist und daher nicht den Tatsachen entspricht. Schon unter diesem Aspekt kann den darauf aufbauenden neuen Vorbringenselementen kein glaubhafter Kern zukommen. Dies wird nunmehr aber auch bestätigt durch den Beschwerdeführer selbst, der als zentrales Vorbringenselement im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren noch behauptete, sein Vater sei als Warnung, dass der Beschwerdeführer seine Tätigkeit für eine Sicherheitsfirma (deren Namen der Beschwerdeführer damals allerdings nicht zu benennen wusste, seine Aufgabe sei Spritnachschub für das amerikanische Militär gewesen) einstellen solle, von den Taliban erschossen und erstochen worden. Im nunmehrigen Folgeantragsverfahren gab der Beschwerdeführer nunmehr hingegen an, sein Vater, dieser sei ca. 70 Jahre alt, lebe aktuell in Afghanistan, er habe am 03.09.2019 mit ihm gesprochen, womit der Beschwerdeführer allerdings selbst einräumt, dass sein bisher erstattetes - und ohnedies rechtskräftig als unglaubwürdig erkanntes - Vorbringen in wesentlichen Punkten nicht den Tatsachen entsprach.

Die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers wird allerdings auch nicht gefördert durch seine nicht plausibel nachvollziehbaren Begründungsversuche, warum er die ihm seinen Angaben zu Folge bereits im rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren vorgelegen habenden Beweismittel damals nicht vorgelegt habe. Selbst bei hypothetischem Zutreffen der Behauptung, er habe diese Beweismittel lieber in Deutschland vorlegen wollen, hätte er sie in Österreich im Asylverfahren vorgelegt, wären sie ihm in Deutschland nicht zur Verfügung gestanden - erschließt es sich nicht, warum der Beschwerdeführer nicht Kopien dieser Unterlagen im rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren - etwa im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 02.05.2019 - hätte vorlegen können.

Die Feststellung, dass hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgebliche Änderung eingetreten ist, ergibt sich aus einem Vergleich des im ersten - vor etwa vier Monaten rechtskräftig abgeschlossenen - Asylverfahren vom Bundesverwaltungsgericht beigezogenen Länderberichtsmaterial mit dem dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Länderberichtsmaterial. Auch im nunmehrigen, auf einem Folgeantrag basierenden Verfahren wurden dem Beschwerdeführer vom BFA umfassende Länderberichte zur Kenntnis gebracht, die vom Beschwerdeführer nicht substantiiert bestritten wurden und die keine entscheidungserhebliche Veränderung der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat im Vergleich zur Lage, die bereits im Rahmen des letzten rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens einer Beurteilung unterzogen wurde, zeigen. Eine entscheidungswesentliche Änderung der allgemeinen Lage in Afghanistan gegenüber dem Vorverfahren wurde vom Beschwerdeführer im Rahmen der Stellung seines Folgeantrages im Übrigen auch gar nicht konkret vorgebracht.

Die Feststellung, dass hinsichtlich der privaten Beziehungen des Beschwerdeführers in Österreich und im Herkunftsstaat gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungswesentlichen Änderung eingetreten ist, gründet sich auf den Umstand, dass im Zusammenhang mit der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.05.2019 gegen den Beschwerdeführer getroffenen Rückkehrentscheidung über die Frage eines Eingriffes in das Privat- bzw. Familienleben des Fremden rechtskräftig abgesprochen wurde und eine maßgebliche Änderung des diesbezüglichen Sachverhaltes im zwischenzeitlich vergangenen Zeitraum von ca. vier Monaten, in dem der Beschwerdeführer im Übrigen überwiegend in der Bundesrepublik Deutschland aufhältig war, nicht erkennbar ist und vom Beschwerdeführer auch nicht vorgebracht wurde. Ganz abgesehen davon aber wäre in diesem Zeitraum vor dem Hintergrund, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers anlässlich seiner zweiten Antragstellung auf internationalen Schutz bisher nicht zugelassen ist und der Beschwerdeführer als Konsequenz dessen über keine Aufenthaltsberechtigung in Österreich verfügt, eine nachhaltige Integration bei unrechtmäßigem Aufenthalt in Österreich auch gar nicht zulässig gewesen.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer im rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren noch behauptete, sein Vater sei als Warnung, dass der Beschwerdeführer seine Tätigkeit einstellen solle, von den Taliban ermordet worden, wohingegen er im gegenständlichen Folgeverfahren angab, sein Vater, dieser sei ca. 70 Jahre alt, lebe aktuell in Afghanistan, der Beschwerdeführer habe am 03.09.2019 mit seinem Vater gesprochen, womit der Beschwerdeführer aber eine weitere nahe Bezugsperson in Afghanistan aufweist, vermag im konkreten Zusammenhang insofern nicht mehr weiter zu Ungunsten der privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich auszuschlagen, als im rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren die Überlebensmöglichkeit des Beschwerdeführers in Afghanistan auch unter Außerachtlassung der Existenz des Vaters bejaht wurde.

Letztlich - dies sei nur mehr der Vollständigkeit halber erwähnt - vermag auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer mit Abwesenheitsurteil des Landesgerichtes Salzburg vom 20.05.2019, Zl. 39 Hv 29/19k, wegen des Vergehens der versuchten pornografischen Darstellungen Minderjähriger als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 15 Abs 1, 207 a Abs 1 Z 2 StGB nach dem Strafsatz des § 207a Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 (sechs) Monaten verurteilt wurde, keine entscheidungswesentliche Änderung im Sinne einer anderen Bewertung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers herbeizuführen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Da § 22 Abs. 10 AsylG 2005 dies ausdrücklich vorsieht, ist die vorliegende Entscheidung nicht mit Erkenntnis, sondern mit Beschluss zu treffen.

Zu A) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtsgrundlagen lauten wie folgt:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 leg.cit. die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 dieser Bestimmung findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

§ 12 Abs. 1 AsylG 2005 ("Faktischer Abschiebeschutz") lautet:

"Ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, kann, außer in den Fällen des § 12a, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs. 2 nicht mehr zulässig ist, weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden (faktischer Abschiebeschutz); § 32 bleibt unberührt. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist zulässig. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. § 16 Abs. 4 BFA-VG gilt."

Der mit "Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen" überschriebene § 12a AsylG 2005 lautet (auszugsweise):

"(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben, und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) - (6) [...]"

§ 22 BFA-VG, der die Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes regelt, lautet:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

§ 22 Abs. 10 AsylG 2005 lautet:

(10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

Mit Erkenntnis vom 10.10.2018, G 186/2018 ua., führte der Verfassungsgerichtshof aus, dass die mit § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 22 BFA-VG angeordnete Rechtsschutzkonstruktion in Form einer fiktiven Parteibeschwerde in ausnahmslos jedem Fall einer Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes mit dem in Art. 130 und Art. 132 B-VG vorgesehenen System der Verwaltungsgerichtsbarkeit vereinbar sei. Es liege auch keine erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts vor. Vor dem Hintergrund des Art. 130 B-VG sei die Frage der Rechtskraftfähigkeit des gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 erlassenen Bescheides unerheblich.

Die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 ist den Fällen des Abs. 1 leg.cit. subsidiär, in welchen Fremden dieser Schutz schon ex lege nicht zukommt. Hier liegt schon deswegen kein Fall des Abs. 1 leg.cit. vor, weil der erste Asylantrag des Fremden in der Sache rechtskräftig erledigt wurde.

Zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 im ge

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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