TE Vwgh Beschluss 1998/9/4 95/19/1683

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Veröffentlicht am 04.09.1998
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §3 Abs1;
AufG 1992 §3 Abs2;
AufG 1992 §4 Abs1;
AufG 1992 §9 Abs3;
B-VG Art7 Abs1;
MRK Art14;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §58 Abs2 idF 1997/I/088;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des 1970 geborenen Y J in Wien, vertreten durch Mag. R, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. August 1994, Zl. 100.984/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 24. Jänner 1994 durch seinen Rechtsvertreter auf dem Postweg bei der österreichischen Botschaft in Preßburg einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 24. Jänner 1994 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Als Aufenthaltszweck gab der Beschwerdeführer "Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft", und zwar mit seiner Ehegattin, einer österreichischen Staatsbürgerin, an. Als Eheschließungsdatum ist auf dem Antragsformular der 29. Dezember 1993 angegeben.

Mit Bescheid vom 9. Februar 1994 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag gemäß § 4 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab.

Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 2. August 1994 gemäß § 9 Abs. 3 AufG abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, gemäß § 9 Abs. 3 AufG dürften keine weiteren Bewilligungen erteilt werden, wenn die in § 2 Abs. 1 AufG und der darauf beruhenden Verordnung festgelegte Anzahl von Bewilligungen erreicht sei. Ab diesem Zeitpunkt seien anhängige Anträge, die sich nicht auf den im § 3 AufG verankerten Rechtsanspruch stützen, abzuweisen. Für das Bundesland Wien sei in der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem AufG für 1994, BGBl. Nr. 72/1994, eine Höchstzahl von 4300 Bewilligungen festgesetzt worden. Diese sei "nunmehr erreicht". Angesichts dieser Rechtslage sei auf das weitere, in der Berufung enthaltene Vorbringen nicht mehr einzugehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächt Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser mit Beschluß vom 26. September 1995, B 1921/94-19, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese mit Beschluß vom 1. Dezember 1995, B 1921/94-22, an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde sie vom Beschwerdeführer ergänzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Mit Schriftsatz vom 17. Juni 1998 teilte der Beschwerdeführer dem Verwaltungsgerichtshof mit, daß ihm von der Bundespolizeidirektion Wien eine Niederlassungsbewilligung mit Gültigkeit bis zum 8. Juni 1999 erteilt worden sei. Er sei damit klaglos gestellt und beantrage Zuspruch der Kosten. Beigelegt war diesem Schriftsatz die Kopie eines Aufenthaltstitels der Bundespolizeidirektion Wien, einer Niederlassungsbewilligung vom 8. Juni 1998, gültig bis zum 8. Juni 1999 mit dem Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher".

Der Verwaltungsgerichtshof geht im folgenden davon aus, daß dem Beschwerdeführer eine Erstniederlassungsbewilligung nach dem Fremdengesetz 1997 erteilt worden ist.

Bei dem im vorliegenden Fall maßgeblichen Antrag des Beschwerdeführers, der weder nach seinem Vorbringen noch nach der Aktenlage jemals über eine Aufenthaltsbewilligung im Sinne des § 1 Abs. 1 AufG verfügte, handelte es sich um einen Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Im Falle seines Obsiegens im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren hätte der Beschwerdeführer eine Aufenthaltsbewilligung (ab 1. Jänner 1998: eine Erstniederlassungsbewilligung) nur mit Wirksamkeit ab dem Zeitpunkt der Erteilung dieser Bewilligung erteilt werden können. Da er nunmehr eine derartige Niederlassungsbewilligung erhalten hat, hat er auch kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Beschwerde war daher gemäß § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Mangels einer formellen Klaglosstellung liegt die Voraussetzung für einen Kostenzuspruch gemäß § 56 VwGG nicht vor. Vielmehr kommt § 58 Abs. 2 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997 zur Anwendung, wonach der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen ist. Da im vorliegenden Fall die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand nicht erfordert, waren die Kosten jener Partei zuzusprechen, die bei aufrechtem Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegt hätte. Dies ist aus folgenden Überlegungen die belangte Behörde:

Im Hinblick auf das Datum der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 10. August 1994) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das Aufenthaltsgesetz in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich. Die §§ 3 Abs. 1 und 2, 4 Abs. 1 und 9 Abs. 3 AufG aF lauteten:

"§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten

1. von österreichischen Staatsbürgern oder

...

ist eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.

(2) Die Erteilung einer Bewilligung gemäß Abs. 1 für Ehegatten setzt voraus, daß die Ehe zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits mindestens ein Jahr besteht.

...

§ 4. (1) Eine Bewilligung kann Fremden unter Beachtung der gemäß § 2 erlassenen Verordnungen sowie unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in dem Land des beabsichtigten Aufenthaltes erteilt werden, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt.

...

§ 9.

...

(3) Sobald die gemäß § 2 Abs. 1 festgelegte Anzahl erreicht ist, dürfen keine weiteren Bewilligungen erteilt werden. Die Entscheidung über anhängige Anträge gemäß § 3 ist auf das folgende Jahr zu verschieben; andere anhängige Anträge sind abzuweisen."

In der Beschwerde bleibt unbestritten, daß die maßgebliche Höchstzahl von 4300 Bewilligungen "nunmehr", also im Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde, erreicht gewesen ist. Auch der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen diese Feststellung keine Bedenken.

War aber die gemäß § 2 Abs. 2 AufG aF festgelegte Anzahl von Bewilligungen errreicht, so durften keine weiteren Bewilligungen erteilt werden. Eine Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers gemäß § 9 Abs. 3 letzter Halbsatz AufG aF wäre nur dann ausgeschlossen gewesen, wenn es sich dabei um einen solchen "gemäß § 3" handelte. Dies setzte jedoch voraus, daß der Beschwerdeführer zu dem im § 3 Abs. 1 AufG umschriebenen Personenkreis gezählt hätte. Daß dies der Fall gewesen wäre, ist bereits aufgrund des Beschwerdevorbringens zu verneinen. Hat der Beschwerdeführer nämlich am 29. Dezember 1993 mit einer österreichischen Staatsbürgerin die Ehe geschlossen, so bestand diese Ehe im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht ein Jahr. Daß er sich rechtmäßig in Österreich aufgehalten hätte, wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet, weshalb sich ein Eingehen auf § 3 Abs. 3 AufG aF erübrigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1995, Slg. Nr. 14.200 A).

Handelte es sich beim Antrag des Beschwerdeführers nicht um einen solchen gemäß § 3 AufG aF, so kann die Abweisung seines Antrages im Hinblick darauf, daß die maßgebliche Höchstzahl von Bewilligungen für das Jahr 1994 im Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde erreicht gewesen ist, nicht als rechtwidrig erkannt werden.

Soweit der Beschwerdeführer verfassungsrechtliche Bedenken gemäß § 9 Abs. 3 AufG aF hegt, wird auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 29. Juni 1995, Slg. Nr. 14.191, verwiesen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 7. November 1997, Zl. 96/19/1331).

Soweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, seine Familieninteressen seien durch die belangte Behörde nicht ausreichend berücksichtigt worden, ist ihm zu entgegnen, daß die Bestimmung des § 3 AufG eine Sonderregelung bezüglich der Erteilung von Bewilligungen zum Zweck der Familienzusammenführung, und zwar einen Rechtsanspruch, vorsieht. Gemäß § 9 Abs. 3 AufG aF ist die Entscheidung über derartige Anträge auf das folgende Jahr zu verschieben, sobald die für das entsprechende Jahr festgelegte Höchstzahl von Bewilligungen erreicht ist. Mit diesen Regelungen wird nach dem Willen des Gesetzgebers der im Art. 8 Abs. 1 MRK verankerte Grundsatz des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens berücksichtigt. Damit hat der Gesetzgeber bei der Schaffung der in Rede stehenden Bestimmung bereits auf die durch Art. 8 Abs. 1 MRK gestützten Rechte des Fremden Bedacht genommen. Die Einschränkung des Rechtsanspruches auf Familiennachzug durch die im § 3 Abs. 2 AufG aF festgelegte Wartezeit von einem Jahr begegnet aus dem im hg. Erkenntnis vom 7. November 1997 dargelegten Gründen - auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG ebenfalls verwiesen - keinen Bedenken.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann es aus den im hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zl. 96/19/1526, näher dargelegten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG ebenfalls verwiesen wird, dahingestellt bleiben, ob das Sachlichkeitsgebot des Art. 7 Abs. 1 B-VG, Art. 14 MRK oder das bundesverfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung Fremder untereinander eine Gleichstellung von Drittstaatsangehörigen österreichischer Staatsbürger mit solchen von EWR-Bürgern verlangt.

Aufgrund dieser Erwägungen wäre die Beschwerde der aufrechten Rechtschutzinteressen des Beschwerdeführers gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen gewesen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 58 Abs. 2 VwGG, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995191683.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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