TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/17 98/18/0181

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Veröffentlicht am 17.09.1998
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf;
PaßG 1992 §15 Abs1;
SGG §12 Abs1;
SGG §12 Abs3 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des F S in Wien, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Pilgramgasse 22/7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 7. April 1998, Zl. III-22/98, betreffend Entziehung eines Reisepasses, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 7. April 1998 hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (die belangte Behörde) gemäß §§ 15 Abs. 1 und 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f und Z. 4 des Paßgesetzes 1992 - PaßG, BGBl. Nr. 839 idgF, den dem Beschwerdeführer am 12. September 1991 von der Bundespolizeidirektion Wien mit der Nr. V 0807944 ausgestellten Reisepaß, gültig bis 2. September 2001, entzogen.

Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht am 7. November 1996 wegen des teils versuchten, teils vollendeten Verbrechens nach den §§ 12 Abs. 1, Abs. 3 Z. 3 des Suchtgiftgesetzes, 15 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Nach den Feststellungen des Gerichtes habe der Beschwerdeführer im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit zwei weiteren Personen als Mittäter am 4. Februar 1994 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich ca. 1 kg Kokain, aus Kolumbien ausgeführt und nach Brasilien einzuführen versucht, um das Suchtgift nach Österreich verschaffen zu lassen, wobei der Beschwerdeführer die Tat mit Beziehung auf Suchtgift begangen hätte, dessen Menge zumindest das Fünfundzwanzigfache der im § 12 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes angeführte Menge ausgemacht hätte.

Der Beschwerdeführer sei zum Zeitpunkt der Verurteilung bereits zweifach vorbestraft gewesen. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12. September 1996 sei der Beschwerdeführer wegen § 159 Abs. 1 Z. 1 und 2 StGB zu einer dreimonatigen Freiheitsstrafe, bedingt nachgesehen auf drei Jahre, verurteilt worden; weiters sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. Mai 1990 wegen §§ 159 Abs. 1 Z. 1 und 2, 146, 147 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3, 148, 12 StGB zu einer Zusatzstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Nach dieser Freiheitsstrafe sei der Beschwerdeführer am 7. August 1996 bedingt entlassen worden.

Der Beschwerdeführer sei österreichischer Staatsbürger, habe im Sommer 1992 in Rio de Janeiro, Brasilien, gewohnt und sei als freiberuflicher Fotoreporter tätig gewesen. Die gegen das besagte Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 7. November 1996 eingebrachte Nichtigkeitsbeschwerde sei vom Obersten Gerichtshof am 15. April 1997 zurückgewiesen worden, die Berufung sei mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 19. Juni 1997 abgewiesen worden.

Neben dem bereits genannten Reisepaß sei dem Beschwerdeführer von der Bundespolizeidirektion Wien am 9. März 1988 der Reisepaß mit der Nr. S 0882127 ausgestellt worden; dieser Reisepaß sei vom Beschwerdeführer zwar am 9. September 1991 als verloren gemeldet, in weiterer Folge aber dennoch verwendet worden.

In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer im wesentlichen ausgeführt, daß das Verfahren vor der Erstbehörde mangelhaft geblieben wäre, "weil zur Entscheidungsfindung nicht der gesamte Strafakt und Feststellungen aus dem Akt zugrundegelegt" worden wären. Infolge seines geringen Verschuldens "und der besonders günstigen Zukunftsprognose" hätte der Beschwerdeführer "nur eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten erhalten", obwohl eine höhere Strafe denkbar gewesen wäre. Aus der Tatsache dieser Verurteilungen könnten noch nicht die "rechtsrelevanten Tatsachen im Sinne des § 14 Z. 3 lit. f oder Z. 4 PaßG" abgeleitet werden, weil sonst der Gesetzgeber die Regelung so getroffen hätte, daß jedermann der Paß zwingend zu entziehen wäre, wenn er wegen eines Suchtgiftdeliktes verurteilt" worden sei, also Folgen eines Urteils vorsehe, die im derzeitigen Strafakt nicht vorgesehen seien. Es müßten, damit die angeführten Tatbestände der Paßversagung gegeben wären, weitere über die konkrete Verurteilung hinaustretende Umstände hinzukommen, so etwa, daß der Beschwerdeführer auch in der Haft - was aber nach der Aktenlage nicht der Fall gewesen sei - mit Rauschgift gehandelt hätte. Weiters wende der Beschwerdeführer gegen den Erstbescheid ein, daß im Rahmen der behördlichen Entscheidung sehr wohl eine Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK vorzunehmen und die Bestimmung des § 14 PaßG "verfassungskonform und nicht denkunmöglich auszulegen" gewesen wären.

Für die belangte Behörde stehe aufgrund des besagten rechtskräftigen Urteils des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 7. November 1996 fest, daß der Beschwerdeführer ca. 1 kg Kokain aus Kolumbien auszuführen und nach Brasilien einzuführen beabsichtigt habe, um das Suchtgift dann weiter nach Österreich verschaffen zu lassen. Nach der Aktenlage sei der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Festnahme im Besitz von zwei Reisepässen gewesen, von denen einer als verloren gemeldet worden sei. Es liege daher auf der Hand, daß der Beschwerdeführer zumindest einen, wenn nicht beide Reisepässe habe benützen wollen, um entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge einzuführen bzw. in Verkehr zu setzen. Bedenke man, daß es sich beim Suchtgifthandel um eine besonders verwerfliche Form der organisierten Kriminalität handle, und daß der Beschwerdeführer durch sein Verhalten eine allgemeine Gefahr im Sinn des § 16 des Sicherheitspolizeigesetzes hervorgerufen habe, sei es "wohl naheliegend", daß dem Beschwerdeführer der Reisepaß entzogen würde. Bedenke man weiters, daß Suchtgifthandel sich nicht in einmaligen Tathandlungen erschöpfe, sondern "geradezu typischerweise laufend Straftaten gesetzt" würden, so sei die Vermutung nicht von der Hand zu weisen, daß der Beschwerdeführer sein kriminelles Verhalten nach Entlassung aus der Straftat fortsetzen könnte. Da der Beschwerdeführer bisher in Rio de Janeiro gelebt habe, könne auch mit gutem Grund angenommen werden, daß durch seinen Aufenthalt im Ausland die innere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde, zumal der Handel mit einer großen Menge Suchtgift eine allgemeine Gefahr im Sinn des § 16 des Sicherheitspolizeigesetzes verwirkliche und damit eine Bedrohung der inneren Sicherheit der Republik Österreich darstelle.

Für die belangte Behörde sei es nicht ersichtlich, daß das Verfahren vor der Erstbehörde deswegen mangelhaft geblieben wäre, weil der Entscheidungsfindung "nicht der gesamte Strafakt und Feststellungen aus diesem Akt" zugrunde gelegt worden wären. "Besonders vermessen" erscheine die Behauptung des Beschwerdeführers, daß wegen seines geringen Verschuldens nur eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten ausgesprochen worden wäre. Die Behörde habe ihrer Entscheidung durchaus nicht nur die gerichtliche Verurteilung als solche zugrunde gelegt, sondern habe sich auch konkret mit dem "modus operandi" auseinandergesetzt. Die belangte Behörde erachte es jedoch als ausreichend, nach Einsichtnahme in das rechtskräftige Gerichtsurteil samt dessen umfassender Begründung zum Ergebnis zu gelangen, daß zwei Tatbestände des § 14 PaßG, welche die Entziehung eines Reisepasses rechtfertigten, erfüllt seien.

Entgegen der vom Beschwerdeführer in seiner Berufung vertretenen Auffassung sei die belangte Behörde auch nicht der Meinung, daß vorliegend eine Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 Abs. 2 MRK vorzunehmen sei, doch selbst wenn eine derartige Interessenabwägung erforderlich wäre, würde sie angesichts des Gewichts des kriminellen Verhaltens des Beschwerdeführers, welches zu der zitierten gerichtlichen Verurteilung geführt habe, nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfallen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn "zur Gänze" aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PaßG ist (u.a.) die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Paßwerber den Reisepaß benützen will, um entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen.

Gemäß § 15 Abs. 1 PaßG ist ein Reisepaß, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen.

2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß er vom Landesgericht für Strafsachen Wien rechtskräftig mit Urteil vom 7. November 1996 wegen des teils versuchten, teils vollendeten Verbrechens nach den §§ 12 Abs. 1, Abs. 3 Z. 3 des Suchtgiftgesetzes (SGG), 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt wurde.

Gemäß § 12 Abs. 1 SGG handelt es sich bei einer "großen Menge" an Suchtgift um eine solche, deren Weitergabe geeignet wäre, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen. Wie sich aus der Verurteilung auch gemäß § 12 Abs. 3 Z. 3 SGG ergibt, wurde der Beschwerdeführer auch dafür zur Verantwortung gezogen, daß er Suchtgifthandel hinsichtlich einer solchen Menge verwirklicht hat, die zumindest das Fünfundzwanzigfache einer solchen "großen Menge" ausmacht.

Im Hinblick darauf und unter Berücksichtigung der Tatsache, daß gerade bei einem Verstoß gegen § 12 SGG die Wiederholungsgefahr besonders groß ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. April 1998, Zl. 98/18/0075, mwH), kann es entgegen der Beschwerde nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt ist, der Beschwerdeführer werde den Reisepaß dazu benützen, (neuerlich) entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen.

Entgegen der Beschwerde ist aufgrund der Schwere des vom Beschwerdeführer begangenen Deliktes der seit der unbestritten im Jahr 1994 erfolgten Tatbegehung verstrichene Zeitraum, den der Beschwerdeführer zudem nach den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach er vor der besagten Verurteilung am 7. November 1996 am 6. August 1996 aus einer Freiheitsstrafe bedingt entlassen worden sei, jedenfalls zum Teil nicht in Freiheit verbracht hat, zu kurz, um einen Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr annehmen und daher zu einer positiven Zukunftsprognose im Sinn des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PaßG gelangen zu können.

Vor diesem Hintergrund ist die Meinung des Beschwerdeführers, es hätte der Feststellung "der maßgeblichen zusätzlichen Tatsachen" - die über das seiner Verurteilung wegen Suchtgifthandels zugrundeliegende Fehlverhalten hinausgingen - bedurft, um in seinem Fall zu einer negativen Zukunftsprognose im Sinn des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PaßG gelangen zu können, nicht zielführend.

Weiters ist dem Beschwerdeeinwand, die belangte Behörde hätte "die angewendeten Gesetzesbestimmungen unter Anwendung des Art. 8 Abs. 2 EMRK verfassungskonform auslegen müssen und wäre so zu einem anderen Bescheid gekommen", schon deshalb kein Erfolg beschieden, weil selbst dann, wenn es geboten gewesen wäre, die genannte Bestimmung vorliegend anzuwenden, es der Beschwerdeführer gänzlich unterläßt, konkrete private oder familiäre Interessen aufzuzeigen, die seines Erachtens nach die Behörde von der Erlassung des angefochtenen Bescheides hätten abhalten müssen, und dergestalt sein Vorbringen völlig unsubstantiiert läßt.

3. Auf dem Boden des Gesagten sind die Verfahrensrügen, die belangte Behörde habe den Sachverhalt - infolge der Nichtbeischaffung von in der Beschwerde angeführten Strafakten und der Nichteinholung eines beantragten Sachverständigengutachten - nicht ausreichend ermittelt und festgestellt und weiters die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht nachvollziehbar gestaltet, nicht zielführend.

4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren - somit auch ohne Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung - als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998180181.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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