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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung des Antrags auf subsidiären Schutz und Erlassung einer Rückkehrentscheidung hinsichtlich einer Staatsangehörigen von Kamerun; unzureichende Feststellungen betreffend die Familiensituation und eine gesicherte Lebensgrundlage bei einer RückkehrSpruch
I. 1. Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit ihre Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels sowie gegen die erlassene Rückkehrentscheidung und den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Kamerun unter Setzung einer 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wird, in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI BVG zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung verletzt worden.
Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.
2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren
1. Die Beschwerdeführerin ist eine Staatsangehörige Kameruns. Sie stellte am 22. Juli 2015 (als Minderjährige) einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen ihrer Einvernahmen gab die (nunmehr volljährige) Beschwerdeführerin an, sie sei von ihrem Stiefvater jahrelang sexuell missbraucht worden. Der Stiefvater der Beschwerdeführerin habe gedroht, sie zu töten, wenn sie jemand anderem von seinen sexuellen Übergriffen erzähle. Als die Beschwerdeführerin ihrem Stiefvater angedroht habe, ihrer Mutter von den Übergriffen zu erzählen, habe dieser unbekannte Männer beauftragt, die Beschwerdeführerin zu schlagen und einzuschüchtern. Mit Hilfe eines Freundes ihres – verstorbenen – Vaters habe die Beschwerdeführerin ihr Elternhaus verlassen können, dieser habe sie jedoch monatelang gemeinsam mit anderen Mädchen in einem Haus festgehalten und dazu genötigt, sich zu prostituieren. Mit Hilfe eines ihrer Kunden sei es der Beschwerdeführerin gelungen, zu fliehen und aus dem Herkunftsstaat auszureisen. Die Beschwerdeführerin werde im Herkunftsstaat gesucht und habe dort niemanden, der sie beschützen könne.
2. Mit Bescheid vom 14. September 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kamerun gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Weiters erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erließ gegenüber der Beschwerdeführerin gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 iVm §9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 Abs2 Z2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß §52 Abs9 FPG fest, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Kamerun gemäß §46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gleichzeitig setzte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine zweiwöchige Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß §55 Abs1 bis 3 FPG ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht – nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung – mit Erkenntnis vom 24. Mai 2019 als unbegründet ab.
In Bezug auf die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten führt das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis unter anderem beweiswürdigend aus:
"Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführerin keine reale Gefahr von dem Stiefvater und dem Freund ihres verstorbenen Vaters droht. Wie bereits dargelegt ist nicht glaubhaft, dass sich die Vorfälle so ereignet haben, wie von der Beschwerdeführerin berichtet. In der mündlichen Verhandlung danach befragt, ob es sonst noch Gründe geben würde, warum sie nicht nach Kamerun zurückkehren könne, meinte sie nur, dass sie mit Kamerun negative Erinnerungen verbinde und sie das Land bereits vor sechs Jahren verlassen habe. Dies reicht nicht aus, um von einer konkreten Gefährdung ihrer Person auszugehen. In Bezug auf den vorgelegten Befund wurde bereits festgestellt, dass die psychischen Erkrankungen der Beschwerdeführerin nicht derart gravierend sind, dass sie ihre Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen würden oder eine medikamentöse Versorgung notwendig erscheinen lassen würden. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten würde. Wie bereits dargelegt wurde, machte die Beschwerdeführerin in Bezug auf ihren Stiefvater unwahre Angaben und kann nicht abschließend festgestellt werden, wie sich ihre Familiensituation darstellt. Aufgrund des Umstandes, dass die Bedrohung durch den Freund der Mutter aber nicht glaubhaft ist, gibt es keinen Grund, warum sich die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nicht an ihre Mutter oder ihre Geschwister wenden sollte, um zumindest anfangs Unterkunft und Unterstützung zu bekommen. In der Beschwerde wurde zwar erklärt, dass die Beschwerdeführerin als alleinstehende Frau keine Möglichkeit habe, sich außerhalb ihrer Heimatregion niederzulassen, doch ergibt sich aus dem Umstand, dass ihr Fluchtvorbringen nicht glaubhaft ist, kein Grund, warum sie nicht an ihren ursprünglichen Wohnort bzw jenen der Familie zurückkehren sollte. In der Beschwerde wurde bereits vorgebracht, sie habe kein soziales Netzwerk in Kamerun; ihre Mutter lebe noch immer mit dem gewalttätigen Stiefvater zusammen, die Beschwerdeführerin habe nur Kontakt zu ihrem Bruder, 'der sein Leben selbst kaum auf die Reihe bringt'. Wie bereits ausgeführt, ist nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin von ihrem Stiefvater tatsächlich bedroht worden war, so dass eine Kontaktaufnahme zu ihrer Mutter durchaus möglich und zumutbar erscheint. Auch wenn ihr Bruder selbst nicht vermögend sein sollte, wäre doch davon auszugehen, dass er versuchen würde, seiner Schwester zumindest in der Anfangszeit behilflich zu sein und sie etwa bei ihm wohnen könnte.
Auch wenn die Beschwerdeführerin Kamerun bereits vor sechs Jahren verlassen hat, hat sie doch einen Großteil ihres bisherigen Lebens dort verbracht und führt sie aktuell auch eine Beziehung zu einem aus Kamerun stammenden Mann, so dass nicht davon auszugehen ist, dass sie sich ihrem Herkunftsland komplett entfremdet hat. Trotz ihrer fehlenden Berufserfahrung sollte es ihr daher durchaus möglich sein, sich mit der Unterstützung ihrer Familie wieder eine Existenz in Kamerun aufzubauen. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht die generellen Probleme für Frauen in Kamerun, so etwa den fehlenden Schutz vor häuslicher Gewalt. Die Beschwerdeführerin kehrt allerdings als erwachsene Frau nach Kamerun zurück und könnte sich in den Schutz ihrer Familie begeben (da die Bedrohung durch den Freund ihrer Mutter nicht glaubhaft ist bzw ihr Unterstützung durch den Bruder offenstehe[n] würde). Eine konkrete Bedrohung der Beschwerdeführerin ergibt sich aus den allgemeinen Feststellungen zu Kamerun nicht. Die Beschwerdeführerin ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts, insbesondere auch nicht durch den Konflikt im anglophonen Teil des Landes, bedroht."
3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet sowie die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sowie die Gewährung der Verfahrenshilfe im Umfang der Eingabengebühr beantragt wird.
3.1. Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Beschwerde hinsichtlich der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten im Wesentlichen vor, das Bundesverwaltungsgericht habe keinerlei Ermittlungen zur Familiensituation der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat getätigt. Einerseits habe das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, die Familiensituation der Beschwerdeführerin könne nicht abschließend festgestellt werden, andererseits gehe das Bundesverwaltungsgericht davon aus, die Beschwerdeführerin könne sich ohne Weiteres wieder unter den Schutz ihrer Mutter und deren Lebensgefährten stellen. Die Beschwerdeführerin habe hingegen seit ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat keinen Kontakt zu ihrer Mutter bzw dessen Lebensgefährten unterhalten. Selbst unter der Annahme, die sexuellen Übergriffe und die Morddrohung durch den Stiefvater der Beschwerdeführerin hätten nicht stattgefunden, habe das Bundesverwaltungsgericht nicht ohne weitere Ermittlungsschritte davon ausgehen dürfen, die Beschwerdeführerin könne sich nach fast sechs Jahren Abwesenheit Schutz und Unterstützung durch ihre Familie im Herkunftsstaat erwarten. Auch die Annahme des Bundesverwaltungsgerichtes, der Bruder der Beschwerdeführerin könne sie zumindest anfangs unterstützen, stütze sich auf reine Mutmaßungen, zumal die Beschwerdeführerin nur sehr sporadischen Kontakt zu ihrem Bruder unterhalte, welcher zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bereits zehn Monate zurückgelegen sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin, ihre Schwestern seien ebenfalls wegen häuslicher Gewalt geflohen und seien nun unbekannten Aufenthaltes, ignoriert.
Weiter lautet das Beschwerdevorbringen, das Bundesverwaltungsgericht setze seine Feststellung, dass die Beschwerdeführerin in der Lage sei, sich eine Existenz im Herkunftsstaat aufzubauen, mit den aktuellen Länderberichten – insbesondere zur wirtschaftlichen Situation von unverheirateten Frauen im Herkunftsstaat – nicht in Bezug. Entgegen den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes könne die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr keine familiäre oder soziale Unterstützung erwarten. Es bestehe daher die maßgebliche Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht in der Lage sei, für sich zu sorgen und sich ein Existenzminimum zu sichern. Das Bundesverwaltungsgericht habe die bei der Beschwerdeführerin diagnostizierte psychische Erkrankung außer Acht gelassen, zumal es festgestellt habe, aus dem vorgelegten Befund ergebe sich keine schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigung. Es sei davon auszugehen, dass sich die psychische Verfassung der Beschwerdeführerin durch eine Abschiebung in den Herkunftsstaat – und den damit einhergehenden Abbruch der psychotherapeutischen Behandlung im Bundesgebiet – wesentlich verschlechtere. Für eine junge Frau ohne familiäre Unterstützung sei es nicht möglich, sich im Herkunftsstaat eine Existenzgrundlage aus eigener Kraft zu schaffen. Dies gelte insbesondere für die Beschwerdeführerin, zumal diese alleinstehend sei, über keine Berufsausbildung verfüge und auf Grund ihrer psychischen Erkrankung in ihrem Alltag stark beeinträchtigt sei.
4. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II. Erwägungen
Die – zulässige – Beschwerde ist begründet:
1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
2. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:
2.1. Gemäß §8 Abs1 AsylG 2005 ist einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
2.2. Die Beschwerdeführerin brachte im Laufe des Verfahrens wiederholt vor, sie sei vom Lebensgefährten ihrer Mutter sexuell missbraucht worden und pflege seit ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat keinen Kontakt zu ihrer Mutter. Das Bundesverwaltungsgericht führte dazu aus, das Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich des sexuellen Missbrauchs durch den Lebensgefährten der Mutter der Beschwerdeführerin sei wegen widersprüchlicher Aussagen unglaubwürdig. Betreffend den Kontakt der Beschwerdeführerin zu ihrer Familie trifft das Bundesverwaltungsgericht keine näheren Feststellungen. Begründend dafür, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat in keine existenzbedrohende Lage gerate, führt das Bundesverwaltungsgericht an: Die Beschwerdeführerin könne sich "in den Schutz ihrer Familie" begeben, es gebe "keinen Grund, warum sich die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nicht an ihre Mutter oder ihre Geschwister wenden sollte, um zumindest anfangs Unterkunft und Unterstützung zu bekommen" und die Beschwerdeführerin könne "sich mit der Unterstützung ihrer Familie wieder eine Existenz" in Kamerun aufbauen. Das Bundesverwaltungsgericht unterlässt es hiebei in Willkür gleichzuhaltender Weise, sich ausreichend mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinanderzusetzen und Ermittlungen zur Familiensituation der Beschwerdeführerin anzustellen, zumal es lediglich lapidar ausführt, dass "nicht abschließend festgestellt werden [kann], wie sich ihre Familiensituation darstellt". Vor dem Hintergrund der Angaben der Beschwerdeführerin in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und in ihrer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht – wonach sie seit dem Verlassen ihres Elternhauses vor sechs Jahren keinen Kontakt mehr zu ihrer Mutter habe und nicht genau wisse, wo sich diese aufhalte, nur sporadischen Kontakt zu ihrem Bruder pflege, keine aktuelle Telefonnummer von diesem habe und weder sie noch ihr Bruder wüssten, wo sich ihre restlichen Geschwister aufhielten – hätte das Bundesverwaltungsgericht nicht ohne Weiteres – im Widerspruch zu den eigenen Feststellungen – von einer Unterstützung durch die Familie der Beschwerdeführerin und eine dadurch gesicherte Lebensgrundlage ausgehen dürfen. Dies gilt insbesondere auch, weil den im Erkenntnis angeführten Länderberichten zu entnehmen ist, dass in Kamerun keine staatliche Unterstützung für Personen in Notlagen besteht, sondern diese in der Regel von funktionierenden sozialen Netzen (wie einer Großfamilie) aufgefangen werden.
2.3. Das Bundesverwaltungsgericht unterlässt es ebenfalls, seine Auffassung, die Beschwerdeführerin könne sich – trotz fehlender Berufserfahrung und festgestellter psychischer Erkrankung – im Herkunftsstaat eine Existenz aufbauen, mit aktuellen Länderberichten insbesondere zur wirtschaftlichen Situation von unverheirateten Frauen in Kamerun in Bezug zu setzen. Hinsichtlich der psychischen Erkrankung der Beschwerdeführerin verweist das Bundesverwaltungsgericht lediglich pauschal auf Behandlungsmöglichkeiten in öffentlichen Krankenhäusern der größeren Städte im Herkunftsstaat.
3. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes erweist sich im Hinblick auf die Beurteilung einer der Beschwerdeführerin im Falle der Rückkehr drohenden Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten gemäß Art2 und 3 EMRK schon deshalb als verfassungswidrig, weil das Bundesverwaltungsgericht unzureichende Feststellungen zur Familiensituation der Beschwerdeführerin getroffen hat und im Hinblick auf eine gesicherte Lebensgrundlage bei einer Rückkehr – ohne hinreichend auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin einzugehen – pauschal auf die Unterstützung der Familie der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat verweist. Soweit die Entscheidung sich auf die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten an die Beschwerdeführerin und – daran anknüpfend – auf die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung bzw der Abschiebung in den Herkunftsstaat Kamerun unter Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise bezieht, ist sie somit mit Willkür behaftet und insoweit aufzuheben (vgl VfGH 30.11.2018, E3870/2018).
4. Im Übrigen – soweit sich die Beschwerde gegen die durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigte Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten richtet – wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.
Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten richtet, abzusehen.
III. Ergebnis
1. Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit ihre Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kamerun, die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung sowie die Festsetzung der Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI BVG zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung verletzt worden.
Das Erkenntnis ist daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
2. Im Übrigen wird von der Behandlung der Beschwerde abgesehen.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten. Ein Ersatz der Eingabengebühr ist nicht zuzusprechen, weil die Beschwerdeführerin Verfahrenshilfe im Umfang des §64 Abs1 Z1 lita ZPO genießt.
Schlagworte
Asylrecht, Ermittlungsverfahren, Entscheidungsbegründung, RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2019:E2334.2019Zuletzt aktualisiert am
13.12.2019