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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
ASVG §436 Abs1Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):1441/69Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kaniak und die Hofräte Dr. Eichler, Hofstätter, Kobzina und Dr. Straßmann als Richter im Beisein des Schriftführers Dr. Baran den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde der Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte in Wien, vertreten durch Dr. Robert Amhof und Dr. Heinz Damian, Rechtsanwälte in Wien VI, Linke Wienzeile 4, gegen den Bescheid des Vizepräsidenten des Kreisgerichtes St. Pölten vom 20. August 1969, Zl. Jv 3049-33/69, betreffend Gerichtsgebühren, wird zurückgewiesen.
Begründung
Die Beschwerde richtet sich gegen den Bescheid des Vizepräsidenten des Kreisgerichtes St. Pölten vom 20. August 1969, mit welchem ein auf § 7 des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes 1962
(GEG) gestützter Berichtigungsantrag gegen den Zah1ungsauftrag der Einbringungsstelle beim Oberlandesgericht Wien vom 9. Juli 1969, GZ. Ziv. 72.235/69, betreffend die Vorschreibung von Gerichtsgebühren in Höhe S 2.885,-- abgewiesen wurde.
Die Beschwerdeführerin ist Träger der Krankenversicherung gemäß § 25 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (BGBl. Nr. 189/1955). Der Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 22. August 1969 zugestellt. Die Beschwerde wurde von Rechtsanwalt Dr. Robert Amhof am 1. Oktober 1969 auf Grund einer Vollmacht eingebracht, die namens der Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte am 16. August 1968 ausgestellt worden war.
Da mit Rücksicht auf die bisherige Rechtsprechung im Vorverfahren Bedenken gegen die Berechtigung zur Beschwerdeerhebung aufgetaucht sind, forderte der Berichter die Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 21. Oktober 1969, zugestellt am 27. Oktober 1969, unter Einräumung einer Frist von vier Wochen auf, anzugeben, ob das Organ der beschwerdeführenden Partei, das die Vollmacht unterfertigt hat, namens der Beschwerdeführerin zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde und zur Erteilung der Vollmacht ermächtigt war (§ 23 Abs. 2 VwGG 1965); weiters wurde der beschwerdeführenden Partei aufgetragen, die Satzung zwecks Einsichtnahme vorzulegen. Am 21. November 1969 legte die beschwerdeführende Partei auftragsgemäß die Satzung vor. Überdies brachte sie eine namens der Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte vom Obmann KS und vom Generaldirektor Dr. AD am 30. September 1969 für die Rechtsanwälte Dr. Robert Amhof und Dr. Heinz Damian ausgestellte Prozeßvollmacht bei. Gleichzeitig gab sie bekannt, daß die mit der Beschwerde vorgelegte Vollmacht ein Beamter unterfertigt habe, der auf Grund spezieller Delegation hiezu ermächtigt worden sei. Mit Verfügung vom 25. Februar 1970, zugestellt am 13. März 1970, räumte der Berichter der beschwerdeführenden Partei eine Nachfrist von zwei Wochen ein, um unter Vorlage vorschriftsmäßig gefertigter Auszüge aus allenfalls vorhandenen bezüglichen Sitzungsprotokollen darzutun, daß entweder die Erhebung der vorliegenden Beschwerde vom Vorstand gemäß § 7 Abs. 1 der Satzung beschlossen oder ganz allgemein die Erhebung von Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 7 Abs. 4 der Satzung vom Vorstand dem Obmann bzw. einem der sonst in dieser Bestimmung der Satzung genannten Organe übertragen worden sei und das so ermächtigte Organ die Erhebung der Beschwerde genehmigt habe. Am 31. März 1970 langte beim Verwaltungsgerichtshof eine "Bekanntgabe" der Beschwerdeführerin ein, in welcher sie im wesentlichen angab, es sei anläßlich der bei Erstellung der Satzung stattgefundenen Aufteilung der Agenden und Zuteilung an die einzelnen Organe ein für allemal die Übereinkunft getroffen worden, daß der Hauptversammlung als einem Organ der Beschwerdeführerin die im § 6 der Satzung bestimmten Agenden vorbehalten blieben, während zu den in den Geschäftsbereich des Vorstands fallenden Aufgaben nur jene gehörten, die "insbesondere" im § 7 Abs. 1 der Satzung "taxativ" aufgezählt seien. Alle anderen dort nicht im einzelnen aufgezählten Aufgaben der Geschäftsführung seien gemäß der generellen Delegierungsklausel von § 7 Abs. 4 der Satzung ein für allemal dem Obmann übertragen worden. Konsequenterweise sei folglich auch im § 11 Abs. 1 der Satzung bestimmt worden, daß die Kasse nach außen durch den Obmann vertreten werde. Die Erledigung vergleichsweise untergeordneter Angelegenheiten der Geschäftsführung, wie etwa die Ermächtigung zur Klagsführung oder der Einlegung von Rechtsmitteln einschließlich der Ergreifung von Beschwerden an die Höchstgerichte des öffentlichen Rechtes, falle demnach in die ausschließliche Kompetenz des Obmannes, dem auch die Vertretung der Kasse nach außen allein obliege. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes bestünden in dieser Frage über die Satzungsbestimmungen hinaus keine in Sitzungsprotokollen beurkundeten Beschlüsse, weil sich diese Art der Geschäftsverteilung wohl von selbst aus der Natur der Organe der Beschwerdeführerin und dem Sinn und Zweck ihrer Satzung ergebe. Der Obmann sei folglich gemäß § 436 ASVG und § 7 Abs. 4 sowie § 11 Abs. 1 der Satzung sowohl materiell als auch formell zur diesbezüglichen Geschäftsführung und auch zur Vertretung nach außen befugt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat anläßlich der Prüfung der Berechtigung zur Beschwerdeerhebung erwogen:
Der § 436 Abs. 1 ASVG bestimmt, den die Geschäftsführung der Sozialversicherungsträger dem Vorstand obliegt, soweit diese nicht durch Gesetz oder Satzung anderen Verwaltungskörpern oder Einrichtungen zugewiesen ist. Der Vorstand kann unbeschadet seiner eigenen Verantwortlichkeit einzelne seiner Obliegenheiten engeren Ausschüssen oder dem Obmann (Obmannstellvertreter), ebenso die Besorgung bestimmter laufender Angelegenheiten dem Büro des Versicherungsträgers übertragen. Gemäß § 436 Abs. 3 ASVG hat die Satzung zu bestimmen, inwieweit die Vorsitzenden und andere Mitglieder der geschäftsführenden Verwaltungskörper die Versicherungsträger vertreten können. Gemäß § 7 Abs. 1 der Satzung der Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte obliegt dem Vorstand die Geschäftsführung, soweit diese nicht durch Gesetz oder Satzung anderen Verwaltungskörpern oder Organen zugewiesen ist. In der Folge werden dann einige Aufgaben aufgezählt, die "insbesondere" dem Vorstand obliegen; die Einbringung von Beschwerden an Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes ist in dieser Aufzählung nicht enthalten. Gemäß § 7 Abs. 4 der Satzung kann der Vorstand unbeschadet seiner eigenen Verantwortlichkeit einzelne seiner Obliegenheiten außer dem Verwaltungsausschuß auch sonstigen engeren Ausschüssen oder dem Obmann (Obmannstellvertreter) übertragen, ebenso die Besorgung bestimmter laufender Angelegenheiten dem Büro der Kasse. Die Aufgaben des Obmannes sind im § 12 der Satzung geregelt, wobei die Abs. 1 und 3 Vorsitz- und Kontrollbefugnisse betreffen, der Abs. 2 Bestimmungen für den Fall der Verhinderung des Obmannes und über Delegationsbefugnisse enthält, der Abs. 4 jedoch vorsieht, daß der Obmann im Einvernehmen mit seinen Stellvertretern, im Fall ihrer Abwesenheit oder Verhinderung auch ohne deren Mitwirkung, Angelegenheiten, die in den Wirkungskreis der Hauptversammlung oder des Vorstandes fallen, bei Gefahr im Verzug soweit selbst zu besorgen hat, als es notwendig ist, um einen der Kasse drohenden Schaden abzuwehren bzw. einen ihr entgehenden Vorteil zu sichern, wobei er in solchen Fällen unverzüglich die zuständigen Verwaltungskörper einzuberufen und von ihnen die nachträgliche Genehmigung einzuholen hat. Bezüglich der Vertretung der Kasse nach außen bestimmt der § 11 der Satzung, daß die Kasse nach außen durch den Obmann vertreten wird und dieser seine Vertretungsbefugnis auch an seine Stellvertreter oder an andere Mitglieder des Vorstandes übertragen kann; inwieweit andere Personen zur Vertretung der Kasse nach außen bevollmächtigt sind, bestimmt sich auf Grund dieser Vorschrift der Satzung aus der vom Obmann der Kasse im Einzelfall zu erteilenden Vollmacht.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Beschluß vom 9. April 1958, Slg. Nr. 1809/F, ausgesprochen hat, stellt das Einschreiten auf Grund eines eingeräumten Notanordnungsrechtes einen Ausnahmefall dar, auf den sich das einschreitende Organ berufen muß, und zwar bereits in der Beschwerde, spätestens aber innerhalb der Verbesserungsfrist. Weder in der Beschwerde noch in einer Beschwerdeergänzung hat die Beschwerdeführerin sich auf die Notkompetenz des Obmannes nach § 12 Abs. 4 der Satzung berufen. Die allfällige Inanspruchnahme der Notkompetenz des Obmannes nach § 12 Abs. 4 der Satzung muß daher für den vorliegenden Beschwerdefall jedenfalls außer Betracht bleiben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in einer Reihe von Beschwerdefällen von Sozialversicherungsträgern, so hinsichtlich der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte in den Beschlüssen vom 27. Juni 1968, Zl. 1778/67, und vom 19. September 1968, Zl. 1534/67, auf welchem gemäß Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird, dargelegt, daß die Beschwerde eines Sozialversicherungsträgers nur dann zulässig ist, wenn ihre Einbringung nicht nur von dem nach außen hin vertretungsbefugten Obmann innerhalb der Beschwerdefrist in Auftrag gegeben wurde, sondern auch von dem zur Beschlußfassung über die Einbringung der Beschwerde zuständigen Organ innerhalb der Beschwerdefrist beschlossen worden ist.
Im vorliegenden Falle läßt sich daher die Beschwerdeberechtigung nicht allein daraus ableiten, daß der vertretungsbefugte Obmann (§ 11 der Satzung) dem Beschwerdevertreter innerhalb der Beschwerdefrist Prozeßvollmacht erteilt hat. Auch der § 14 der Satzung, der Bestimmungen über schriftliche Ausfertigungen auf Grund von Beschlüssen der Hauptversammlung, des Vorstandes oder des Verwaltungsausschusses trifft, ist keine taugliche Grundlage, um des Fehlen einer erforderlichen Beschlußfassung als unerheblich ansehen zu können.
Da die Geschäftsführung nach § 7 Abs. 1 der Satzung der Generalkompetenz des Vorstandes unterliegt - die Aufzählung einzelner Agenden ist nur demonstrativ und nicht taxativ -, wäre also die Beschwerde nur dann zulässig, wenn entweder ihre Erhebung vom Vorstand innerhalb der Beschwerdefrist beschlossen worden wäre, was die Beschwerdeführerin selbst nicht behauptet, oder aber, wenn der Vorstand auf Grund seiner Delegationsbefugnis nach § 7 Abs. 4 der Satzung die Willensbildung über die Erhebung von Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof einem der in dieser Stelle der Satzung genannten Organe übertragen und dieses Organ innerhalb der Beschwerdefrist die Willensbildung vollzogen hätte. Die Beschwerdeführerin behauptet zwar, daß anläßlich der bei Erstellung der Satzung stattgefundenen Aufteilung der Agenden und Zuteilung an die einzelnen Organe ein für allemal die Übereinkunft getroffen worden sei, daß der Hauptversammlung als einem Organ der Beschwerdeführerin, die im § 6 der Satzung bestimmten Agenden vorbehalten bleiben, während zu den in den Geschäftsführungsbereich des Vorstandes fallenden Aufgaben nur jene gehören, die "insbesondere" im § 7 Abs. 1 der Satzung "taxativ" aufgezählt sind, und daß alle anderen, dort nicht im einzelnen aufgezählten Aufgaben der Geschäftsführung gemäß der generellen Delegierungsklausel des § 7 Abs. 4 der Satzung ein für alle mal dem Obmann übertragen worden seien. Einen Beweis dafür hat die Beschwerdeführerin jedoch weder erbracht - etwa durch Vorlage eines entsprechenden Sitzungsprotokolles - noch zumindest angeboten. Der Gerichtshof konnte daher auch nicht vom Vorliegen einer Delegation nach § 7 Abs. 4 der Satzung ausgehen.
Da der Beschwerde sohin die Berechtigung zur Erhebung mangelt, war sie gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG 1965 als unzulässig zurückzuweisen. Eine Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung kam folglich nicht in Betracht. Ferner konnte gemäß § 39 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 von der Durchführung der beantragten Verhandlung abgesehen werden.
Wien, am 10. April 1970
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1970:1970000218.X01Im RIS seit
12.12.2019Zuletzt aktualisiert am
12.12.2019