TE Vwgh Erkenntnis 1980/5/12 2363/78

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Veröffentlicht am 12.05.1980
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Index

Bewertungsrecht

Norm

BAO §24 Abs1 litd
BewG 1955 §21
BStG 1971 §20
EisbEG 1954 §35

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Pokorny, Dr. Wetzel und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gancz, über die Beschwerde der Republik Österreich (Bundesstraßenverwaltung), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien I, Rosenbursenstraße 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 31. Juli 1978, Zl. 1060/1-8/E-1978, betreffend Zurechnungsfortschreibung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Feststellungsbescheid vom 21. Februar 1978 nahm das Lagefinanzamt insoweit eine Zurechnungsfortschreibung vor, als das gemischt genutzte Grundstück "B-straße 383" (eine nähere Bezeichnung fehlt!) von FA und EA im Kalenderjahr 1971 auf die Beschwerdeführerin übergangen sei, der der Grundbesitz ab 1. Jänner 1972 zuzurechnen sei. Am 17. März 1978 erging ein gemäß § 293 BAO berichtigter Einheitswert- und Grundsteuermeßbescheid auf den Hauptfeststellungszeitpunkt 1. 1. 1973, wonach das Grundstück mit einem Einheitswert von S 235.000,-- der Beschwerdeführerin zugerechnet werde; am gleichen Tag erging schließlich der Bescheid über die Erhöhung dieses Einheitswertes gemäß Art. III der Bewertungsgesetznovelle 1972. Nachdem über Berufung der Beschwerdeführerin eine abweisende Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes infolge Vorlageantrages außer Kraft getreten war, wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Einheitswert- und Grundsteuermeßbescheid auf den 1. Jänner 1972, den Einheitswert- und Grundsteuermeßbescheid auf den 1. Jänner 1973 (mit Wirkung ab 1. Jänner 1974) und den Bescheid über die Erhöhung des Einheitswertes gemäß Art. III der Bewertungsgesetznovelle 1972 als unbegründet ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, daß nach der Aktenlage der in Rede stehende Grundbesitz mit Bescheid des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung (wohl des Landeshauptmannes für Oberösterreich) vom 23. Dezember 1970 für Straßenzwecke enteignet worden sei. Der Enteignungsbescheid sei am 21. Februar 1971 rechtskräftig geworden, die gerichtliche Hinterlegung der Entschädigungssumme sei am 24. Mai 1972 vorgenommen worden. Die Räumung der Liegenschaft durch die Eigentümer sei bis zum Entscheidungsdatum noch nicht erfolgt. Strittig sei, ob die Zurechnung des enteigneten Grundbesitzes an die Bundesstraßenverwaltung mit Rechtskraft des Enteignungsbescheides oder erst mit Vollzug der Enteignung (Räumung der Liegenschaft) zu erfolgen habe. Nach Rechtskraft des Enteignungsbescheides erschöpfe sich die Verfügungsmacht des Enteigneten am Grundbesitz im wesentlichen in dessen ordnungsgemäßer Nutzung. Der Vollzug der Enteignung stelle die tatsächliche Inanspruchnahme der Liegenschaft für den in Aussicht genommenen Zweck dar, sei somit die Verwirklichung des aus dem Enteignungsbescheid erfließenden Rechtes. Ab gerichtlicher Hinterlegung des Entschädigungsbetrages könne die Enteignung tatsächlich vollzogen werden. Ob und wann von dieser rechtlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht werde, hänge in der Regel von der Notwendigkeit der Inanspruchnahme für das Bauvorhaben ab. Da sich nach Eintritt der Rechtskraft der Enteignete aller über die bloße Nutzung hinausgehenden Verfügungen enthalten müsse, bzw. solche Maßnahmen nur einvernehmlich, also mit Zustimmung der Bundesstraßenverwaltung, möglich wären, könne der Enteignete über das enteignete Grundstück nicht mehr die Herrschaft gleich einem Eigentümer ausüben. Wenngleich sich am äußeren Tatbestand nichts geändert haben möge, fehle es doch an diesem wesentlichen Inhalt nicht nur des rechtlichen, sondern auch des wirtschaftlichen Eigentumsbegriffes. Mit Rechtskraft des Enteignungsbescheides erwerbe der Enteignete anstelle des Grundbesitzes eine Forderung in der Höhe des Entschädigungsbetrages, die nach Auszahlung desselben zu Bargeld bzw. Bankguthaben werde. Im gleichen Maß reduziere sich das Eigentumsrecht des Enteigneten am Grundbesitz zur bloßen Innehabung bis zum tatsächlichen Vollzug. Damit sei für den Eigentumsübergang und für die Zurechnung die Rechtskraft des Enteignungsbescheides und nicht dessen Vollzug maßgeblich. Aber selbst wenn der Vollzug entscheidend wäre, könnte es nicht auf die tatsächliche Inanspruchnahme des Grundbesitzes für Straßenzwecke - also die Räumung des Grundstückes - ankommen, sondern höchstens auf die rechtliche Möglichkeit des Vollzuges.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht verletzt, daß ihr der eingangs genannte Grundbesitz nicht zugerechnet werde.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 20 des Bundesstraßengesetzes 1971, BGBl. Nr. 286 - auch in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 239/1975 - (BStG 1971) lautet:

"(1) Über die Notwendigkeit, den Gegenstand und Umfang der Enteignung entscheidet der Landeshauptmann als Bundesstraßenbehörde (§ 32) unter sinngemäßer Anwendung des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71 in der geltenden Fassung, wobei auch auf die Wirtschaftlichkeit der Bauausführung

Rücksicht zu nehmen ist .............

(2) Der Enteignungsbescheid hat zugleich eine Bestimmung über die Höhe der Entschädigung zu enthalten. Diese ist auf Grund der Schätzung beeideter unparteiischer Sachverständiger unter Beobachtung der in §§ 4 bis 8 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 , BGBl. Nr. 71, aufgestellten Grundsätze zu ermitteln.

(3) Gegen die Entscheidung des Landeshauptmannes über die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang der Entscheidung ist die Berufung an das Bundesministerium für Bauten und Technik zulässig. Eine Berufung bezüglich der Höhe der im Verwaltungswege zuerkannten Entschädigung ist unzulässig. Doch steht es jedem der beiden Teile frei, binnen einem Jahr nach Rechtskraft des Enteignungsbescheides die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung bei jenem Bezirksgericht zu begehren, in dessen Sprengel sich der Gegenstand der Enteignung befindet. Mit Anrufung des Gerichtes tritt die verwaltungsbehördliche Entscheidung über die Höhe der Entschädigung außer Kraft. Der Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Entschädigung kann ohne Zustimmung des Antragsgegners nicht zurückgenommen werden. Bei Zurücknahme des Antrages gilt der im Enteignungsbescheid bestimmte Entschädigungsbetrag als vereinbart.

(4) Der Vollzug des rechtskräftigen Enteignungsbescheides kann jedoch nicht gehindert werden, sobald der vom Landeshauptmann ermittelte Entschädigungsbetrag oder eine Sicherheit für die erst nach Vollzug der Enteignung zu leistende Entschädigung gerichtlich erlegt ist.

(5) Für das gerichtliche Verfahren zur Ermittlung der Entschädigung, für deren Feststellung im Wege des Übereinkommens sowie über die Wahrnehmung der Ansprüche, welche dritten Personen auf die Befriedigung aus der Entschädigung auf Grund ihrer dinglichen Rechte zustehen, finden die Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, in der geltenden Fassung sinngemäße Anwendung."

Die in Betracht kommenden Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, lauten:

"§ 19 Nach dem Eintritt der Rechtskraft eines Enteignungsbescheides sind die Personen, gegen die die Enteignung wirksam ist, verpflichtet, sich jeder über die Fortsetzung des ordentlichen Wirtschaftsbetriebes hinausgehenden Veränderung an dem Gegenstande der Enteignung zu enthalten, sofern nicht etwas anderes vereinbart worden ist, oder soweit es sich nicht um Verfügungen handelt, die zur Erhaltung des Gegenstandes der Enteignung notwendig und unaufschiebbar sind.

§ 20 (1) Wenn ein den Gegenstand der Enteignung bildendes Grundstück in einem Grundbuch eingetragen ist, hat der zur Entscheidung in erster Instanz berufene Landeshauptmann nach Eintritt der Rechtskraft eines Enteignungsbescheides das Grundbuchsgericht unter Mitteilung der zur Identifizierung des Grundstückes erforderlichen Behelfe, die nötigenfalls dem Eisenbahnunternehmen abzufordern sind, um die Anmerkung der Enteignung zu ersuchen ...

(3) Diese Anmerkung hat die Wirkung, daß sich niemand, der eine ihr nachfolgende Eintragung erwirkt, auf die Unkenntnis der Enteignung berufen kann. ...

§ 35 (1) Die Enteignung ist vollzogen, wenn das Eisenbahnunternehmen mit ausdrücklicher oder stillschweigender Zustimmung des Enteigneten oder im Zwangswege gegen seinen Willen in den Besitz des enteigneten Gegenstandes (§ 2) gelangt ist. Der zwangsweise Vollzug der Enteignung setzt einen rechtskräftigen oder nach § 40 Abs. 2 erlassenen Enteignungsbescheid ... voraus und steht der Bezirksverwaltungsbehörde zu.

(2) Dieser Vollzug ist auf Ansuchen des Eisenbahnunternehmens zu bewilligen, wenn dieses nachweist, daß es den ihm betreffend die Leistung oder die Sicherstellung der Entschädigung obliegenden und vor der Enteignung zu erfüllenden Verbindlichkeiten nachgekommen sei.

(3) Der Vollzug der Enteignung wird dadurch nicht gehindert, daß deren Gegenstand von dem, gegen den die Enteignung eingeleitet worden war, an einen Dritten übergegangen ist, oder daß sich andere diesen Gegenstand betreffende rechtliche Veränderungen ergeben haben."

Aus diesen Bestimmungen ergibt sich klar, daß der dingliche Eigentumserwerb für den Enteigner nicht schon durch den rechtskräftigen Enteignungsbescheid erfolgt, sondern erst durch die nach Zahlung oder gerichtlichen Erlag der Entschädigungssumme vorgesehene verwaltungsbehördliche Einweisung in die Liegenschaft (vgl. dazu etwa OGH vom 18. Dezember 1974, JBl. 1975, 321) bzw. dadurch, daß sich der Enteigner im Sinne des § 35 Abs. 1 EisbEG mit ausdrücklicher oder stillschweigender Zustimmung des Enteigneten in den Besitz des enteigneten Gegenstandes setzt.

Der angefochtene Bescheid leidet daher schon deshalb an Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weil er davon ausgeht, daß die Enteigneten nicht mehr bürgerlich rechtliche Eigentümer seien, und daher nur mehr prüfte, ob sie etwa als wirtschaftliche Eigentümer anzusehen seien, was die belangte Behörde verneinte. Auch in diesem Punkt trifft die Beurteilung im angefochtenen Bescheid nicht zu.

Gemäß § 24 Abs. 1 lit. d BAO werden Wirtschaftsgüter, über die jemand die Herrschaft gleich einem Eigentümer ausübt, diesem zugerechnet. Hiezu hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 7. Mai 1969, Slg. Nr. 3903/F, vom 8. Oktober 1970, Zl. 570/69, vom 24. März 1976, Zl. 1300/74, u.a.m.) ausgesprochen, daß nur demjenigen in Abweichung von den zivilrechtlichen Eigentumsverhältnissen Eigentum wirtschaftlich zugerechnet werden kann, der die Herrschaft in einer Art ausübt, die wirtschaftlich der Stellung nahekommt, die dem privatrechtlichen Eigentümer durch das uneingeschränkte Eigentumsrecht zusteht, wenn er also auf Grund besonderer Rechtsgestaltung schalten und walten kann wie ein Eigentümer. Daß nun die Beschwerdeführerin wirtschaftliches Eigentum im Sinne des Gesagten erworben hätte, behauptet die belangte Behörde selbst nicht. Dies zu Recht. Hat doch die Beschwerdeführerin im konkreten Fall hinsichtlich der enteigneten Grundstücke kein anderes Recht, als den Vollzug der Enteignung zu begehren. Damit stehen ihr keine anderen Rechte zu, als dem obligatorischen Erwerber einer Liegenschaft, solange dieser weder physisch noch rechtlich in deren Besitz gelangt ist. Wenn nun, wie im vorliegenden Fall dargetan wurde, die Beschwerdeführerin auf Grund eines zivilrechtlichen Vergleiches sogar verzichtete, den Vollzug vor einem bestimmten, in der Zukunft liegenden Zeitpunkt zu begehren, ist ihre Rechtsstellung eine noch schwächere. Keinesfalls aber kann die Rede davon sein, daß der Enteigner, bevor er in den Besitz der Liegenschaft gelangt ist, mit dieser gleich einem Eigentümer "schalten und walten" könne. Ebenso verkennt die belangte Behörde das Wesen der Innehabung, wenn sie annimmt, daß der Eigentümer der enteigneten Liegenschaft, der sie weiterhin benützt, nur wegen der Beschränkung des § 19 EisbEG nicht als Besitzer der Liegenschaft mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen anzusehen sei.

Da mangels Vollzuges der Enteignung weder ein

zivilrechtliches noch ein sogenanntes wirtschaftliches Eigentum (§ 24 Abs. 1 lit. d BAO) der Beschwerdeführerin an dem gegenständlichen Grundstück anzunehmen ist, leidet der angefochtene Bescheid an Rechtswidrigkeit des Inhaltes, sodaß er gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aus diesem Grunde aufzuheben war.

Soweit nicht veröffentlichte Erkenntnisse des Gerichtshofes zitiert wurden, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Eine Kostenentscheidung entfiel, da Kosten nicht verzeichnet wurden.

Wien, am 12. Mai 1980

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1980:1978002363.X00

Im RIS seit

06.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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