TE Vwgh Erkenntnis 1998/10/9 96/19/3364

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Veröffentlicht am 09.10.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der 1957 geborenen AH in Wien, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. Mai 1996, Zl. 117.243/5-III/11/95, betreffend Zurückweisung eines Antrags in Angelegenheiten des Aufenthaltsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte am 11. Juni 1992 bei der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, einen Antrag auf Erteilung eines Wiedereinreisesichtvermerkes. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 22. Juni 1993 wurde dieser Antrag gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) abgewiesen. Eine gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit hg. Erkenntnis vom 29. September 1994, Zl. 93/18/0558, als unbegründet abgewiesen.

Im weiteren Verfahren wurde - offenbar aufgrund des Umstandes, daß im zuletzt genannten Bescheid das Datum des Antrags mit 11. Juni 1993 (statt 1992) angegeben worden war - sowohl von der belangten Behörde als auch von der Beschwerdeführerin stets von einem Antrag vom 11. Juni 1993 gesprochen. Auch der Verwaltungsgerichtshof ging im obzitierten Erkenntnis vom 29. September 1994 klar von einem Antrag vom 11. Juni 1992 aus (vgl. S. 2 erster Absatz sowie S. 4 zweiter Absatz der Entscheidungsgründe). Soweit daher in weiterer Folge von einem Antrag vom 11. Juni 1993 die Rede ist, ist derjenige vom 11. Juni 1992 gemeint.

Am 16. Jänner 1995 richtete die Beschwerdeführerin an den Landeshauptmann von Wien als Aufenthaltsbehörde erster Instanz ein Schreiben mit folgendem Inhalt:

"Meine Mandantin stellte am 11.06.1993 bei der BPDion Wien, FrB, den Antrag auf Erteilung eines WE-SV. Dieser Antrag vom 11.06.1993 wurde mit Bescheid vom 22.06.1993 negativ erledigt.

Gegen diesen negativen Bescheid der BPDion Wien, Frb, habe ich fristgerecht die Beschwerde beim VfGH eingebracht, welcher die Beschwerde dem VwGH zur Entscheidung abgetreten hat. Mit Erkenntnis des VwGH vom 29.09.1994 wurde die Beschwerde abgewiesen.

De es sich beim gegenständlichen Fall um eine begründete Familienzusammenführung handelt, ist der ursprüngliche Antrag meiner Mandantin vom 11.06.1993 nunmehr durch den LH von Wien, MA 62, neu zu verhandeln und zu entscheiden.

Da meine Mandantin, wie bereits ausgeführt, mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet und diese Ehe auch tatsächlich aufrecht ist, stellt meine Mandantin hiemit den ANTRAG

auf neuerliche Verhandlung und Entscheidung des Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung mit einer Wirksamkeit von 24 Monaten ab positiver Erledigung.

Für die positive Erledigung dieses Antrag allenfalls weiters benötigte Urkunden werden nach Anforderung unverzüglich vorgelegt. Allfällige weitere Gebühren für diesen Antrag werden nach Bekanntgabe unverzüglich bar berichtigt."

Mit einem an den Bundesminister für Inneres gerichteten Schreiben vom 28. September 1995 brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe am 16. Jänner 1995 den Antrag auf "weitere" Bearbeitung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung mit einer Wirksamkeit von 24 Monaten ab positiver Entscheidung eingebracht und seien diesem Antrag sämtliche anspruchsbegründenden Urkunden beigeschlossen gewesen. Weil von der Verwaltungsbehörde bis zum 28. September 1995 kein Bescheid erlassen worden sei, das alleinige Verschulden an der Nichterledigung bei der Verwaltungsbehörde liege, stelle sie gemäß § 73 AVG den Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an den Bundesminister für Inneres als die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29. Mai 1996 gab der Bundesminister für Inneres dem Devolutionsantrag vom 29. September 1995 gemäß § 73 Abs. 1 und 2 AVG statt und wies den "Antrag vom 16. Jänner 1995 auf Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG" gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Dies wurde damit begründet, daß die Verzögerung ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen sei, weshalb dem Devolutionsantrag stattzugeben gewesen sei. Der Antrag vom 11. Juni 1993 sei rechtskräftig abgewiesen worden, auch die Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof sei abgewiesen worden. Somit sei der Antrag - nach Erschöpfung des Instanzenzuges - wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluß vom 30. September 1996, B 2341/96-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Vorauszuschicken ist, daß es sich im gegenständlichen Fall nicht um die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, sondern um einen verfahrensrechtlichen Bescheid handelt, weshalb die Bestimmung des § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 auf den vorliegenden Beschwerdefall keine Anwendung findet.

Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsverfahrens ist der Antrag der Beschwerdeführerin vom 16. Jänner 1995. Wie aus dem Wortlaut dieses Schriftsatzes hervorgeht, beantragte die Beschwerdeführerin ausdrücklich, "den ursprünglichen Antrag vom 11. Juni 1993 nunmehr durch den Landeshauptmann von Wien neu zu verhandeln und neu zu entscheiden." Die Beschwerdeführerin sei nunmehr mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet und diese Ehe sei auch tatsächlich aufrecht, weshalb "meine Mandantin (die Beschwerdeführerin) hiemit den Antrag auf neuerliche Verhandlung und Entscheidung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung mit einer Wirksamkeit von 24 Monaten ab positiver Erledigung (stelle)." Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und auch im ergänzten Schriftsatz vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde mit diesem Schriftsatz vom 16. Jänner 1995 kein neuer Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung eingebracht, sondern beantragte die Beschwerdeführerin - die im Verwaltungsverfahren immerhin von einem Rechtsanwalt vertreten war - nachdrücklich, den ursprünglichen Antrag vom 11. Juni 1993 (richtig: 1992) nunmehr durch die Aufenthaltsbehörde erster Instanz neu zu verhandeln und zu entscheiden, ihr also die Bewilligung aufgrund des seinerzeitigen Antrages auf Erteilung eines Sichtvermerkes, welcher nunmehr gemäß § 7 Abs. 7 FrG als solcher auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu werten wäre, zu erteilen (sodaß bei der Ermessensübung in Ansehung der Reihenfolge der Bearbeitung der Anträge von einem schon seit 1992 anhängigen Verfahren auszugehen gewesen wäre).

Zutreffend ging die belangte Behörde davon aus, daß über diesen Antrag vom 16. Jänner 1995 (mit dem obgenannten Inhalt) Entscheidungspflicht bestand; der infolge Säumnis der Behörde erster Instanz und auf Grundlage des Devolutionsantrages vom 29. September 1995 erfolgte Übergang der Entscheidungspflicht auf die belangte Behörde (erster Spruchteil des angefochtenen Bescheides) wird in der Beschwerde nicht bekämpft und ist auch nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Auch die Zurückweisung des Antrages vom 16. Jänner 1995 wegen entschiedener Sache steht im Einklang mit dem Gesetz. Wie dargestellt, beantragte die Beschwerdeführerin unmißverständlich, über einen Antrag, der bereits rechtskräftig entschieden worden war, möge eine andere Behörde neuerlich entscheiden. Aus § 68 Abs. 1 AVG ist das im Verwaltungsverfahren geltende Prinzip abzuleiten, daß über ein und dieselbe Verwaltungssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist ("ne bis in idem"). Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, daß die mit diesem Bescheid erledigte Sache (im gegenständlichen Fall: der Antrag vom 11. Juni 1992) nicht neuerlich entschieden werden kann (Unwiederholbarkeit; Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung über diesen Antrag stünde daher res iudicata entgegen (vgl. unter vielen das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, Zl. 95/18/0895).

In der Zurückweisung des Antrags vom 16. Jänner 1995 durch die belangte Behörde wegen entschiedener Sache kann daher keine Rechtswidrigkeit erblickt werden.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 9. Oktober 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996193364.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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