TE Bvwg Beschluss 2019/7/30 W133 2186287-3

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Veröffentlicht am 30.07.2019
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Entscheidungsdatum

30.07.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W133 2186287-3/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.07.2019, Zl. XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, folgenden Beschluss:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 in Verbindung mit § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Erster Antrag auf internationalen Schutz:

Der damals minderjährige Antragsteller, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, stellte am 15.06.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Am 07.06.2017 wurde der Antragsteller vom Landesgericht XXXX wegen §§ 27 Abs. 1 Z 1 1.2. Fall, 27 Abs. 2 SMG und §§ 27 Abs. 1 Z 1

1.2.8. Fall, 27 Abs. 2a, 27 Abs. 4 Z 1 SMG § 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten (Probezeit drei Jahre) verurteilt. Dieses Urteil wurde am 13.06.2017 rechtskräftig.

Mit Bescheid vom 15.01.2018 wies das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) den Antrag des Antragstellers vom 15.06.2015 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Antragsteller gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FGP zulässig ist (Spruchpunkt V.) und die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.). Es wurde festgehalten, dass der Antragsteller gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 13.06.2017 verloren hat (Spruchpunkt VII.).

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.08.2018, W208 2186287-1/11E, rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.

Am 25.10.2018 langte bei der belangten Behörde ein Wiederaufnahmeersuchen der Schweiz ein. Am 29.10.2018 stimmte Österreich der Wiederaufnahme des Antragstellers zu. Am 16.11.2018 wurde er aus der Schweiz nach Österreich überstellt.

Zweiter Antrag auf internationalen Schutz (erster Folgeantrag):

Am 16.11.2018 stellte der Antragsteller einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 27.11.2018 führte er im Wesentlichen aus, dass er bisher unrichtige Angaben zu seinen Familienangehörigen gemacht habe, tatsächlich habe er gar keine Familienangehörigen mehr in Afghanistan. Auch wären seine Großeltern im Iran verstorben. Er wäre bei seinen ursprünglichen Angaben geblieben, weil er nicht als Lügner dastehen habe wollen.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15.02.2019 wurde der zweite Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz vom 16.11.2018

hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und

hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf das Herkunftsland Afghanistan gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und gegen den Antragsteller ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.03.2019, W276 2186287-2/4E, rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.

Dritter Antrag auf internationalen Schutz (zweiter Folgeantrag) und gegenständliches Verfahren über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005:

Am 10.04.2019 langte ein Wiederaufnahmeersuchen aus Deutschland bei der belangten Behörde ein, welchem Österreich am selben Tag zustimmte. Am 16.07.2019 wurde der Antragsteller von Deutschland nach Österreich überstellt und über ihn die Schubhaft verhängt.

Ebenso am 16.07.2019 brachte er den gegenständlichen Asylantrag ein.

Am 16.07.2019 fand eine niederschriftliche Befragung (Folgeantrag Asyl) des Antragstellers durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab er bezüglich der Gründe für den neuerlichen Antrag im Wesentlichen an, dass in Afghanistan Krieg herrsche und er dort niemanden mehr habe, da seine Familie im Iran lebe. Außerdem sei er Schiit und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, dies sei eine Minderheit, welche in Afghanistan verfolgt werde. Im Iran könne er auch nicht leben, da er dort keine Arbeit habe und Angst habe, vom Iran nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Er habe keinen Pass und könne daher nicht im Iran arbeiten und leben. Er habe nach seinem negativen Bescheid in die Schweiz gehen wollen, nur sei er von dort wieder zurück nach Österreich geschickt worden. Bei einer Rückkehr in seine Heimat Afghanistan befürchte er, von den Taliban getötet zu werden. Es gebe weiters keine Arbeit in Afghanistan. Außerdem habe er mittlerweile Hepatitis B und befürchte, dass er in Afghanistan nicht behandelt werden könnte. Zu möglichen Änderungen seiner Situation bzw. seiner Fluchtgründe gab der Antragsteller an, dass er dazu nur sagen könne, dass seine Fluchtgründe die gleichen seien wie 2018 und sich bis dato nichts verändert habe.

Am 17.07.2019 teilte die Direktion des BFA mit, dass im Fall des Antragstellers, nachdem er bereits straffällig geworden sei, erfahrungsgemäß mit einer Heimreisezertifikat-Ausstellung zu rechnen ist.

Am 22.07.2019 wurden der Antragsteller per Videoeinvernahme im Zulassungsverfahren einvernommen. Die wesentlichen Passagen gestalteten sich wie folgt:

"LA: Wie heißen Sie und wann sind Sie geboren?

VP: XXXX , geb. am XXXX .

LA: Welche Sprachen sprechen Sie?

VP: Dari, Farsi, etwas Deutsch.

LA: Verstehen Sie den Dolmetscher einwandfrei?

VP: Ja.

...

LA: Leiden Sie an irgendwelchen schwerwiegenden Krankheiten?

VP: Ich habe in Deutschland erfahren, dass ich Hepatitis B habe, es wurde aber nicht behandelt.

LA: Sind Sie in Österreich in Behandlung?

VP: Heute war ich beim Arzt und es wurde mir Blut abgenommen, mehr nicht.

LA: Haben Sie bezüglich Ihrer Hepatitis-Erkrankung Unterlagen?

VP: Ich habe in Deutschland keine Unterlagen erhalten. Bei der Rücküberstellung habe ich den Behörden gesagt, dass mir in Deutschland Blut abgenommen wurde und Hepatitis festgestellt wurde.

LA: Sind Sie damit einverstanden, dass ho. Behörde Einsicht in bereits vorliegende und künftig erhobene ärztliche Befunde nehmen kann, sowie dass die Sie behandelnden Ärzte, als auch behördlich bestellte ärztliche Gutachter wechselseitig Informationen zu den Ihre Person betreffenden erhobenen ärztlichen Befunde austauschen können? Sind Sie weiters mit der Weitergabe Ihrer medizinischen Daten an die Sicherheitsbehörde und die für die Grundversorgung zuständigen Stellen einverstanden? Sie werden darauf hingewiesen, dass ein Widerruf Ihrer Zustimmung jederzeit möglich ist.

VP: Ja, ich bin damit einverstanden.

LA: Verstehe ich Sie richtig, dass Sie nur im XXXX behandelt wurden?

VP: Ja.

...

LA: Haben Sie in der Erstbefragung die Wahrheit gesagt?

VP: Ja.

LA: Wurden Ihre Angaben rückübersetzt?

VP: Ich hatte keinen Dolmetscher, das habe ich verwechselt, es wurde mir rückübersetzt.

LA: Möchten Sie etwas korrigieren oder ergänzen?

VP: Ich glaube ich habe alles gesagt

LA: Besitzen Sie Dokumente, die Ihre Identität bestätigen?

VP: ich habe keine Tazkira, im Iran besaß ich einen Pass. Nachgefragt gebe ich an, dass ich den Pass im Iran verloren habe und vergeblich versucht einen neuen zu bekommen.

LA: Sie haben bereits zwei Asylanträge gestellt, die rechtskräftig ab- bzw. zurückgewiesen wurde. Warum stellen Sie einen neuerlichen Antrag?

VP: Was soll ich sonst tun?

LA: Hat sich bezüglich der Ausreisegründe, die Sie im ersten Verfahren angegeben haben, etwas geändert?

VP: Ich kann mich an Afghanistan nicht erinnern, ich war sechs Jahre alt als ich in den Iran kam.

LA: Hat sich bezüglich der Gründe für die Antragstellung etwas geändert?

VP: Es ist alles gleichgeblieben.

LA: Haben Sie außer den in den Vorverfahren geschilderten Gründen weitere Probleme?

VP: Soweit ich weiß, habe ich alles gesagt.

LA: Haben Sie seit der ersten Antragstellung Österreich verlassen?

VP: Nachdem ich im Jahr 2018 den zweiten negativen Bescheid erhalten habe, fuhr ich in die Schweiz. Nachgefragt gebe ich an, dass sie mich der Schweiz nicht aufgenommen haben, weil ich die Abdrücke in Österreich abgegeben habe. Ich bin dann freiwillig nach Österreich zurückgekehrt. Ich wurde nach Traiskirchen gebracht, kurz befragt und nach drei Wochen erhielt ich einen negativen Bescheid. Dann ging ich nach Deutschland.

LA: Haben Sie das Gebiet der europäischen Union verlassen?

VP: Ich war in Deutschland, das gehört zur EU, nachgefragt gebe ich an, dass ich nur in der Schweiz und in Deutschland war.

LA: Es ist geplant Ihren Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben. Möchten Sie dazu Stellung nehmen?

VP: Dann machen Sie es so, dass ich in einem anderen Land leben kann, wenn schon nicht in Österreich.

AW wird über die Dublin-VO aufgeklärt. LA: Die Verpflichtung Österreichs zur Prüfung Ihres Antrages erlischt erst mit Ihrer Rückkehr nach Afghanistan.

VP: Was soll ich in Afghanistan tun? Ich habe dort niemanden. Wenn ich staatliche Hilfe erhalte, würde ich freiwillig nach Afghanistan zurückkehren. Ich meine, wenn Sie mir dabei helfen würden, dass ich mich dort niederlassen kann, eine Wohnung und einen Job finde, dann ja.

AW wird an den XXXX verwiesen.

LA: Außerdem haben Sie die Möglichkeit Einsicht in die Länderberichte zu Ihrem Herkunftsstaat zu nehmen und eine Stellungnahme dazu abzugeben. Möchten Sie das?

VP: Ich bin fast Analphabet, ich kann das nicht lesen.

LA: Wurde ihnen ausreichend Zeit eingeräumt, Ihre Angaben vollständig und so ausführlich wie Sie es wollten zu machen?

VP: Ich weiß es nicht, ich bin verzweifelt. Ich weiß nicht was ich machen soll.

LA: Möchten Sie bezüglich Ihrer Fluchtgründe noch etwas hinzufügen?

VP: Sie haben gefragt und ich habe geantwortet. Nachgefragt gebe ich an, dass ich sagen möchte, dass ich seit fünf Jahren hier lebe. Es gibt zwei Möglichkeiten: entweder bekomme ich einen positiven Bescheid bzw. eine Aufenthaltsgenehmigung oder Sie schieben mich ab. Egal was ich sage, es wird seitens der Behörde nicht akzeptiert.

LA: Es wurde bereits zweimal rechtskräftig entschieden. Sie haben heute keine Angaben gemacht, die zu einer neuen inhaltlichen Entscheidung berechtigen würden.

VP: Egal was ich sagen würde, ich bekomme sowieso eine negative Entscheidung.

AW wird darüber aufgeklärt, dass derzeit das Ermittlungsverfahren läuft.

VP: Was soll Ich tun, ich habe seit 5 Jahren nur negative Entscheidungen erhalten.

LA: Wollen Sie noch etwas angeben, was Ihnen besonders wichtig erscheint?

VP: Ich kann nur sagen, dass ich Afghanistan noch nie gesehen habe, wenn es nicht anders möglich ist, würde ich mit Starthilfe nach Afghanistan zurückkehren.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt. Nach erfolgter Rückübersetzung:

LA: Haben Sie den Dolmetscher während der gesamten Befragung einwandfrei verstanden?

VP: Ja.

LA: Hat Ihnen der Dolmetscher alles rückübersetzt?

VP: Ja.

LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

VP: Keine Einwände.

..."

Mit Verfahrensanordnungen gemäß § 29 Abs. 3 und § 15a AsylG vom 22.07.2019 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuwiesen, da das BFA davon ausgehe, dass entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege. Es sei zudem beabsichtigt, seinen faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid aufzuheben.

Am 23.07.2019 langten die medizinischen Unterlagen des Antragstellers bei der belangten Behörde ein.

Am 24.07.2019 wurde der Antragsteller nach erfolgter Rechtsberatung im Beisein seiner Rechtsberatung im Zulassungsverfahren neuerlich einvernommen. Die wesentlichen Passagen gestalteten sich wie folgt:

"...

LA: Haben Sie in den bisherigen Einvernahmen die Wahrheit gesagt?

VP: Ja.

LA: Wurden Ihnen Ihre Angaben rückübersetzt?

VP: Ja.

LA: Möchten Sie etwas korrigieren oder ergänzen?

VP: Nein, ich habe bereits alles erzählt.

LA: Haben Sie bezüglich der Hepatitis-Erkrankung einen Befund?

VP: Nein, noch nicht. Hier habe ich Blut abgegeben, hier habe ich den Befund noch nicht erhalten, aber in Deutschland schon.

LA: Erhalten Sie aufgrund Ihrer Hepatitis B-Erkrankung Medikamente bzw. sind Sie deshalb in ärztlicher Behandlung?

VP: Nein.

LA: Es ist weiterhin beabsichtigt Ihren Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Möchten Sie dazu etwas angeben?

VP: Darüber entscheidet Ihr, was kann ich da machen.

AW wird darauf hingewiesen, dass derzeit der Sachverhalt ermittelt wird.

VP: Die Gründe sind: ich lebe seit fünf Jahren hier. Ich habe mich an das Leben und die Sprache hier gewöhnt. Nach fünf Jahren will man mich zurück nach Afghanistan abschieben, obwohl ich mich dort nicht auskenne und dort niemanden habe.

LA: Gibt es noch weitere Gründe, die gegen die Zurückweisung sprechen?

VP: Ich habe Angst um mein Leben, in Afghanistan herrscht Krieg, ich habe auch kein Vermögen in Afghanistan, wie soll ich dort zurechtkommen.

LA: Sie haben auf die Einsichtnahme in die Länderinformationen verzichtet. Möchten Sie dennoch eine Stellungnahme dazu abgeben?

VP: Nein.

LA: Aufgrund einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 31.07.2018 steht fest, dass Hepatitis B in Afghanistan behandelbar ist und notwendige Medikamente verfügbar sind. Möchten Sie dazu etwas angeben?

VP: Als ich von Afghanistan hierherkam, hatte ich noch keine Hepatitis. Außerdem habe ich dort kein Vermögen um mich behandeln zu lassen.

LA: Sie haben bei der letzten Einvernahme angegeben, dass Sie möglicherweise freiwillig nach Afghanistan zurückkehren würden. Ist das noch aufrecht?

VP: Ich weiß es nicht, ich weiß nicht was ich tun soll.

LA: Ist für die Rechtsberatung noch etwas offen?

RB: Seit wann leiden Sie an Hepatitis B?

VP: Seit vier Monaten.

Der Rechtsberater hat keine weiteren Fragen.

Protokoll wird rückübersetzt.

Nach der Rückübersetzung:

F: Haben Sie den Dolmetscher während der gesamten Einvernahme einwandfrei verstanden?

A: Ja.

F: Hat der Dolmetsch das rückübersetzt, was Sie gesagt haben?

A: Ja."

Die in der Befragung erwähnte Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 31.07.2018 zum Thema "AFGHANISTAN Behandlung von Hepatitis B in Kabul, Herat, Mazar-e Sharif; Verfügbarkeit und Kosten von Viread bzw. Alternativmedikation, Kosten von hepatologischen Untersuchungen und Nachbehandlungen" befindet sich im Akt.

Im Anschluss an die Einvernahme vom 24.07.2019 wurde mit mündlich verkündetem Bescheid der nach § 12 AsylG 2005 bestehende faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben. Die belangte Behörde begründete dies nach Wiedergabe des Verfahrensganges im Wesentlichen wie folgt:

Zur Person des Antragstellers wurde Folgendes festgestellt: Die Identität des Antragstellers stehe nicht fest. Er leide an keinen schweren, lebensbedrohenden Krankheiten. Der Antragsteller verfüge über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Er sei vom Landesgericht XXXX zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden.

Zu den Vorverfahren führte die belangte Behörde aus, dass der Antragsteller am 15.06.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, welcher am 13.08.2018 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Am 16.11.2018 habe er seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dieser sei am 08.03.2019 rechtskräftig zurückgewiesen worden. Gleichzeitig sei gegen den Antragsteller ein zweijähriges Einreiseverbot verhängt worden.

Zu den Gründen für seinen Antrag auf internationalen Schutz sowie zur voraussichtlichen Entscheidung im nunmehrigen Verfahren hielt die belangte Behörde fest, dass der Antragsteller am 16.07.2019 seinen dritten Asylantrag eingebracht habe. Im Zuge des gegenständlichen Folgeantrages habe sich kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben. Der Antrag auf internationalen Schutz werde daher voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein. Mit der zeitnahen Ausstellung eines Heimreisezertifikates sei zu rechnen.

Zur Gefährdungssituation bei einer Abschiebung stellte die belangte Behörde Folgendes fest: Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände habe nicht festgestellt werden können, dass die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Antragstellers nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Zum Privat- und Familienleben des Antragstellers wurde ausgeführt, dass dieser in Österreich keine Angehörigen oder sonstigen Verwandten habe, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung bestehe. Außerdem wurde ausgeführt, dass der Antragsteller Österreich zweimal verlassen habe, da seine Anträge abgelehnt worden seien. Derzeit befinde er sich in Schubhaft.

Zur Lage im Herkunftsstaat des Antragstellers wurde ausgeführt, dass sich die seine Person treffende allgemeine maßgebliche Lage seit Rechtskraft des ersten Asylverfahrens (13.08.2018) nicht entscheidungswesentlich geändert habe. Die neuersten Kurzinformationen wurden im mündlich verkündeten Bescheid hinzugefügt. Außerdem wurde die dem Antragsteller bei der Einvernahme vom 24.07.2019 vorgehaltene Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 31.07.2018 zum Thema "AFGHANISTAN Behandlung von Hepatitis B in Kabul, Herat, Mazar-e Sharif; Verfügbarkeit und Kosten von Viread bzw. Alternativmedikation, Kosten von hepatologischen Untersuchungen und Nachbehandlungen" herangezogen. Aus der Anfragebeantwortung ergibt sich, dass es in den Städten Kabul, Mazar-e-Sharif und Herat medizinische Einrichtungen gibt, die Hepatitis B Patienten behandeln. Behandlung in öffentlichen Spitälern ist offiziell (nahezu) kostenlos, inoffizielle private Zahlungen könnten jedoch verlangt werden. Medikamente müssen während stationärer Behandlungen immer selbst bezahlt werden. In privaten Spitälern fallen zusätzliche Kosten für die Aufnahme und die Behandlungen an (siehe Einzelquelle).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger, seine Identität steht nicht zweifelsfrei fest.

Am 07.06.2017 wurde der Antragsteller vom Landesgericht XXXX wegen Suchtgiftdelikten zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe im Ausmaß von drei Monaten (Probezeit drei Jahre) verurteilt.

Der Antragsteller stellte am 15.06.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Die Beschwerde gegen den negativen Bescheid vom 15.01.2018 wurde mit dem in Rechtskraft erwachsenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.08.2018, W208 2186287-1/11E, in allen Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen.

Am 25.10.2018 langte bei der belangten Behörde ein Wiederaufnahmeersuchen der Schweiz ein. Am 29.10.2018 stimmte Österreich der Wiederaufnahme des Antragstellers zu. Am 16.11.2018 wurden er aus der Schweiz nach Österreich überstellt.

Am 16.11.2018 stellte der Antragsteller einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Die Beschwerde gegen den negativen Bescheid vom 15.02.2019 wurde mit dem in Rechtskraft erwachsenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.03.2019, W276 2186287-2/4E, in allen Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen. Außerdem wurde gegen den Antragsteller ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Am 10.04.2019 langte ein Wiederaufnahmeersuchen aus Deutschland bei der belangten Behörde ein, welchem Österreich am selben Tag zustimmte. Am 16.07.2019 wurde der Antragsteller von Deutschland nach Österreich überstellt und über ihn die Schubhaft verhängt.

Ebenso am 16.07.2019 brachte er den gegenständlichen dritten Antrag auf internationalen Schutz (zweiter Folgeantrag) ein.

Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 24.07.2019 wurde diesbezüglich der faktische Abschiebeschutz des Antragstellers gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben.

Es kann nicht festgestellt werden, dass sich seit rechtskräftiger Erledigung der zuvor gestellten Anträge auf internationalen Schutz am 07.08.2018, W208 2186287-1/11E, und am 08.03.2019, W276 2186287-2/4E, eine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes ergeben hätte, insbesondere auch nicht im Hinblick auf die Lage im Herkunftsstaat.

Hinweise auf entscheidungsrelevante gesundheitliche Probleme des Antragstellers liegen nicht vor. Der Antragsteller gab im nunmehrigen Verfahren an, dass er seit vier Monaten an Hepatitis B leiden würde. Im Laufe des Verfahrens wurden keine entsprechenden Befunde vorgelegt, der Antragsteller steht in Österreich deshalb auch nicht in ärztlicher Behandlung.

In Österreich hat der Antragsteller keine familiären oder sozialen Bindungen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Antragsteller bei einer Überstellung nach Afghanistan ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit droht. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan läuft der Antragsteller nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose, beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten.

Es liegen keine Umstände vor, welche zum Entscheidungszeitpunkt seiner Außerlandesbringung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Antragstellers, zu seiner rechtskräftigen Verurteilung, zum Gang des ersten und zweiten Asylverfahrens und des gegenständlichen Verfahrens wurden auf Grundlage der in Rechtskraft erwachsenen oben zitierten Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.08.2018 und 08.03.2019 sowie der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens der belangten Behörde getroffen.

Wie das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Bescheid vom 24.07.2019 darlegte, hat sich im Zuge des gegenständlichen Folgeantrages keine maßgebliche Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts ergeben. Bei seiner Einvernahme am 16.07.2019 gab der Antragsteller befragt zu möglichen Änderungen seiner Situation bzw. seiner Fluchtgründe an, dass seine Fluchtgründe die gleichen wie 2018 seien und sich bis dato nichts verändert habe. Bei der Einvernahme am 22.07.2019 gab der Antragsteller an, dass bezüglich der Gründe für seine Antragsstellung alles gleichgeblieben sei.

Eine für den Antragsteller relevante Änderung an der Situation in seinem Herkunftsstaat kann anhand der Feststellungen im mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.07.2019, denen der Antragsteller im Verfahren nicht entgegengetreten ist, ebenfalls nicht erkannt werden. Zur Lage im Herkunftsstaat des Antragstellers wurde im mündlich verkündeten Bescheid ausgeführt, dass sich die seine Person betreffende allgemeine maßgebliche Lage seit Rechtskraft des ersten Asylverfahrens (13.08.2018) nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Die neuersten Kurzinformationen wurden im mündlich verkündeten Bescheid hinzugefügt. Insoweit diesen Feststellungen Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation fallrelevant nicht wesentlich geändert haben. Die zugrundeliegenden Länderfeststellungen gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Antragsteller gab im nunmehrigen Verfahren an, dass er seit vier Monaten an Hepatitis B leide. Vorweg ist festzuhalten, dass der Antragsteller im Laufe des nunmehrigen Verfahrens keine medizinischen Befunde vorgelegt hat, die bestätigen würden, dass er tatsächlich an Hepatitis B leidet. Außerdem führte der Antragsteller aus, dass er in Österreich keinerlei Medikamente oder medizinische Betreuung diesbezüglich benötigt. Daher konnte nicht festgestellt werden, dass diese Krankheit einer Abschiebung nach Afghanistan entgegenstehen würde. Schließlich ist auszuführen, dass sich aus der von der belangten Behörde ins Verfahren eingeführten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 31.07.2018 ergibt, dass es in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat medizinische Einrichtungen gibt, die Hepatitis B Patienten behandeln.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte im Bescheid vom 24.07.2019 zum Privat- und Familienleben des Antragstellers aus, dass dieser in Österreich keine Angehörigen oder sonstigen Verwandten hat, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht. Etwas Gegenteiliges ergibt sich weder aus den rechtskräftigen Vorerkenntnissen, noch aus den Angaben des Antragstellers im gegenständlichen Verfahren.

Im Hinblick auf die Gefährdungssituation des Antragstellers im Falle einer Überstellung nach Afghanistan, ergeben sich die Feststellungen aus den herangezogenen Länderfeststellungen betreffend Afghanistan in Zusammenschau mit den persönlichen Umständen des Antragstellers. Er hat in keiner Weise konkret dargestellt, inwiefern seine Abschiebung nach Afghanistan für ihn eine reale Gefahr bedeuten würde, oder für ihn als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Den aktuellen Länderberichten zur Versorgungs- und Sicherheitslage in Afghanistan sind im gegenständlichen Verfahren weder der Antragsteller, noch seine Rechtsberatung, in deren Anwesenheit der gegenständliche mündliche Bescheid verkündet wurde, substantiell entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Überprüfung der Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, hat durch das Bundesverwaltungsgericht mittels Beschluss zu erfolgen (§ 22 Abs. 10 AsylG letzter Satz; siehe auch Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht 2016, K 7 zu § 22 BFA-VG, S. 283).

Zu Spruchpunkt A)

Der mit "Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen" betitelte § 12a AsylG 2005 lautet:

"(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

[...]

(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn

1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder

2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.

(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden."

Der mit "Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes" betitelte § 22 BFA-VG lautet:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

Da im gegenständlichen Fall die belangte Behörde im Zuge eines Folgeantrages des Antragstellers gemäß § 12a Abs. 2 AsylG den faktischen Abschiebeschutz des Antragstellers aufgehoben hat, war diese Entscheidung gemäß § 22 BFA-VG vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen.

Im Einzelnen bedeutet dies:

-

Aufrechte Rückkehrentscheidung (§ 12a Abs. 2 Z 1 AsylG 2005):

Gegen den Antragsteller liegt eine rechtskräftige aufrechte Rückkehrentscheidung vor, konkret die zuletzt mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.03.2019, W276 2186287-2/4E, bestätigte.

-

Res iudicata (entschiedene Sache) (§ 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005):

Objektiv nachvollziehbare und glaubhafte neue Tatsachen hat der Antragsteller nicht vorgebracht; insbesondere legte er auch keine Beweismittel vor. In Bezug auf die Fluchtgründe des Antragstellers liegt voraussichtlich eine entschiedene Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG vor und stehen die rechtskräftigen Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.08.2018, W208 2186287-1/11E, sowie vom 08.03.2019, W276 2186287-2/4E, einer neuerlichen Absprache über diese Gründe sohin voraussichtlich entgegen.

Auch im Hinblick auf die Sicherheits- und Versorgungslage in seinem Herkunftsland brachte der Antragsteller nichts Substantiiertes vor.

Es ist daher nach einer Grobprüfung davon auszugehen, dass der gegenständliche Folgeantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen sein wird, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist.

-

Prüfung der Verletzung von Rechten nach der EMRK (§ 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005):

Sowohl im ersten als auch im zweiten Verfahren wegen internationalen Schutzes haben das BFA und das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung der Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht (§ 50 FPG). Bereits im zweiten Verfahren wurde festgestellt, dass ihm eine Rückkehr nach Herat oder Mazar-e-Sharif zumutbar ist.

Auch im nunmehr dritten Verfahren wegen internationalen Schutzes sind keine Risiken für den Antragsteller im Sinne des § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden. Es sind - wie in der Beweiswürdigung betreffend die vom Antragsteller behauptete Erkrankung (Hepatitis B) dargelegt - auch keine erheblichen, in der Person des Antragstellers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie beispielsweise eine asylrelevante, schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Wie oben in der Beweiswürdigung bereits dargelegt wurde, ergibt sich aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 31.07.2018, dass es u. a. in den Städten Mazar-e Sharif und Herat medizinische Einrichtungen gibt, die Hepatitis B Patienten behandeln.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Ra 2016/01/0096 vom 13.09.2016 ausgeführt, dass nach der ständigen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. etwa das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I. gg. Schweden, Nr. 61204/09).

Demzufolge müsste die Gefährdung des Antragstellers im Sinne des Art. 3 EMRK, sofern diese nicht von vornherein klar ersichtlich ist, von diesem belegt werden.

Eine, dem Antragsteller individuell drohende Verfolgung, hat dieser auch nicht glaubhaft vorgebracht.

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.2.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zu Ra 2016/19/0036 vom 25.5.2016 ausführt, kann die Außerlandesschaffung eines Fremden auch dann gegen Art. 3 EMRK verstoßen, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden könnten. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden höchstgerichtlichen Judikatur ist eine solche Situation jedoch nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen.

Im Verfahren sind keine Umstände aufgezeigt worden beziehungsweise amtswegig hervorgekommen, dass der Antragsteller einer außergewöhnlichen, exzeptionellen Gefährdung bei einer Rückkehr ausgesetzt wäre.

Entsprechend der obigen Ausführungen, stellt - nach der Prüfung des Aktes im hier erforderlichen Ausmaß - aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Antragstellers in seinen Herkunftsstaat für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK dar, beziehungsweise ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt.

Unter Hinweis auf die im gegenständlichen Fall verwendeten Länderberichte ist davon auszugehen, dass für den Antragsteller als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

-

Rechtmäßigkeit des Verfahrens:

Im Verfahren zur Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (vgl. § 18 AsylG 2005), wobei auch der Grundsatz der Einräumung von rechtlichem Gehör (§§ 37, 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist.

Die belangte Behörde hat das Ermittlungsverfahren nach Ansicht des erkennenden Verwaltungsgerichts ordnungsgemäß durchgeführt.

Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen, erweist sich der mündlich verkündete Bescheid des BFA vom 24.07.2019 als im Einklang mit dem Gesetz stehend und war gemäß § 22 BFA-VG wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Gemäß § 22 Abs. 1 2. Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, Behandlungsmöglichkeiten, faktischer
Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag, gesundheitliche
Beeinträchtigung, medizinische Versorgung, non-refoulement Prüfung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W133.2186287.3.00

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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