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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AuslBG §21;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde des JC in P, vertreten durch Dr. Peter Prikoszovits, Rechtsanwalt in Wien VII, Kaiserstraße 67, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 2. Juli 1996, Zl. LGSW/Abt. 10/13113/1559268/1996, betreffend Zurückweisung der Berufung in einem Widerrufsverfahren nach § 9 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Arbeitsmarktservice hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Angestellte Wien vom 7. Mai 1996 wurde die dem Arbeitgeber "Cafe-Restaurant Z GmbH" für den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 20. März 1996 erteilte Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) gemäß § 9 Abs. 1 AuslBG widerrufen und ausgesprochen, daß dieser Widerruf mit dem nächstmöglichen Kündigungszeitpunkt rechtswirksam wird und einer Berufung keine aufschiebende Wirkung zukommt. Begründend wurde in diesem Bescheid im wesentlichen ausgeführt, daß das mit dem Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers als Schlagzeuger vorgelegte Diplom einer näher bezeichneten Musikschule eine Fälschung sei. Dieser Bescheid wurde dem genannten Arbeitgeber am 15. Mai 1996 zugestellt.
Gegen diesen Bescheid wurde am 29. Mai 1996 Berufung erhoben.
Darin wurde die "Berufungswerberin" wie folgt angegeben:
"Cafe-Restaurant Z GmbH, als Arbeitgeber des CJ". Nach Bekanntgabe der erfolgten Bevollmächtigung durch die "Berufungswerberin" enthält die Berufungsschrift die folgende Erklärung: "Gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Angestellte Wien vom 7.5.1996, ..., der Berufungswerberin zugestellt am 15.5.1996, erhebt diese durch ihren nunmehr ausgewiesenen rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht Berufung." Am Ende des begründeten Berufungsantrages wurde (ausschließlich) der Name des Beschwerdeführers angegeben.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 2. Juli 1996 wurde wie folgt entschieden:
"Der Berufung wird gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, in Verbindung mit § 21 AuslBG in der geltenden Fassung mangels Legitimation zur Einbringung der Berufung als unzulässig zurückgewiesen."
Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Darlegung der Bestimmungen der §§ 21 und 9 Abs. 1 AuslBG aus, die Beschäftigungsbewilligung sei widerrufen worden, da nachträglich der im Bewilligungsverfahren vorgelegte Befähigungsnachweis der beantragten Arbeitskraft in Zweifel gezogen worden sei. Jene persönlichen Gründe, welche auch den Ausländer zu einer Berufung berechtigen, seien in § 4 Abs. 3 AuslBG taxativ aufgezählt. Die Qualifikation der beantragten Arbeitskraft berechtige diese nicht zur Berufung. Da für die Ablehnung des oben angeführten Antrages "nicht Ihre im AuslBG aufgezählten persönlichen Umstände entscheidend waren, sind Sie zur Einbringung einer Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 21 AuslBG nicht berechtigt".
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 24. September 1996, B 2686/96-3, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie entsprechend dem gestellten Eventualantrag gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Beschwerdeführer ergänzte aufgrund der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Dezember 1996 seine Beschwerde mit Schriftsatz vom 27. bzw. 28. Februar 1997.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf "Zuerkennung der Parteistellung gemäß § 21 AuslBG", sowie "daß die erteilte Beschäftigungsbewilligung nicht widerrufen werde," verletzt. Er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht im wesentlichen geltend, die belangte Behörde hätte seine Parteistellung im Verfahren über den Widerruf der (seinem Arbeitgeber) erteilten Beschäftigungsbewilligung nicht verneinen dürfen. Mit der rechtskräftigen Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung habe er eine gesicherte Rechtsposition erworben; aus dieser Tatsache würden sich erhebliche fremdenrechtliche Konsequenzen für ihn ergeben. Zumindest ein erhebliches rechtliches Interesse daran, daß die erteilte Beschäftigungsbewilligung nicht widerrufen werde, könne ihm nicht abgesprochen werden. Ausgehend von seiner Parteistellung hätte die belangte Behörde aber eine Entscheidung in der Sache treffen müssen.
Die Beschwerde ist schon aus folgenden Erwägungen im Ergebnis berechtigt:
Die belangte Behörde hat - wie sich aus der Bezeichnung des Bescheidadressaten (Beschwerdeführer als alleiniger Berufungswerber) im Zusammenhalt mit der Bescheidbegründung ergibt - ohne Ermittlungsverfahren und ohne nähere Begründung angenommen, daß das Rechtsmittel gegen den erstinstanzlichen Widerruf der erteilten Beschäftigungsbewilligung ausschließlich vom Beschwerdeführer erhoben worden sei. Sie hat daher (nach dem normativen Inhalt des Bescheidabspruches) ausschließlich eine Berufung des Beschwerdeführers zurückgewiesen. Diese Zurechnung der Berufung erweist sich jedoch als aufklärungsbedürftig.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1998, Zl. 96/09/0119, und die darin angegebene Vorjudikatur) dargelegt hat, sind Zweifel über die Zurechnung einer Berufung nicht im Wege eines Auftrages zur Behebung von Formgebrechen gemäß § 13 Abs. 3 AVG auszuräumen. Vielmehr ist die Klärung des Inhaltes einer rechtzeitigen, aber undeutlichen Prozeßhandlung unter Anwendung der Bestimmung des § 37 AVG herbeizuführen. Nach dieser Gesetzesstelle ist die Behörde mithin auch verpflichtet, den Parteien im Ermittlungsverfahren Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Die Behörde hat sich somit in einem Zweifelsfall über den objektiven Erklärungswert der Zurechnung eines Rechtsmittels darüber Klarheit zu verschaffen, wer Rechtsmittelwerber ist.
Im Beschwerdefall ist eine Klärung darüber herbeizuführen, ob die erhobene Berufung dem Arbeitgeber, dem Beschwerdeführer oder aber dem Arbeitgeber und dem Beschwerdeführer zuzurechnen ist. Die Bezeichnung "Berufungswerberin" im erhobenen Rechtsmittel ist in dieser Hinsicht mehrdeutig und läßt verschiedene Auslegungen zu. Die Bezeichnung des Rechtsmittelwerbers in der Berufungserklärung als "die Berufungswerberin" vermag aber angesichts der Tatsache, daß Arbeitgeber und Adressat des erstinstanzlichen Bescheides eine Gesellschaft (weiblich), hingegen der Beschwerdeführer männlich ist, die von der belangten Behörde gewählte Beurteilung, die Berufung ausschließlich dem Beschwerdeführer zuzurechnen, jedenfalls nicht zu rechtfertigen. Andererseits kann nach dem Inhalt des erhobenen Rechtsmittels auch nicht zweifelsfrei beantwortet werden, daß bzw. ob allein der Arbeitgeber dieses Rechtsmittel erhoben hat bzw. ob die Berufung (auch) dem Beschwerdeführer zuzurechnen bzw. nicht zuzurechnen ist.
Die belangte Behörde wird daher vor einer Entscheidung über das erhobene Rechtsmittel zunächst zielführende amtswegige Ermittlungen dahingend anzustellen haben, wer Rechtsmittelwerber dieser Berufung ist. Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage keine derartige Klärung vornahm, erweist sich der angefochtene Bescheid (mit dem eine Berufung des Beschwerdeführers zurückgewiesen wurde) schon aus diesem Grund als inhaltlich rechtswidrig.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich aus prozeßökonomischen Erwägungen zu dem Hinweis veranlaßt, daß im vorliegenden Verfahren eines Widerrufes der erteilten Beschäftigungsbewilligung gemäß § 9 Abs. 1 AuslBG wegen der Annahme der Fälschung eines für die Bewilligung als maßgeblich erachteten Befähigungsnachweises der beantragten ausländischen Arbeitskraft die Parteistellung des Ausländers gemäß § 21 AuslBG im Hinblick auf seine durch diesen Verfahrensgegenstand betroffenen persönlichen Umstände und rechtlichen Interessen nicht verneint werden kann (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 24. Mai 1995, Zl. 95/09/0012, und vom 15. September 1994, Zl. 94/09/0135). Es wird daher unabhängig vom Ausgang der noch klärungsbedürftigen Frage des Rechtsmittelwerbers bzw. allenfalls der Rechtsmittelwerber über die (zurückgewiesene) Berufung jedenfalls meritorisch zu entscheiden sein, da dieses Rechtsmittel eindeutig von einem legitimierten, als Partei betroffenen Berufungswerber erhoben wurde.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. Oktober 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996090375.X00Im RIS seit
20.11.2000