Entscheidungsdatum
01.08.2019Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
G301 2210759-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Kroatien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich in Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 05.11.2018, Zl. XXXX, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht:
A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene
Bescheid dahingehend abgeändert, dass in Spruchpunkt I. die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf sechs (6) Jahre herabgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Niederösterreich, vom Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) persönlich übernommen am 06.11.2018, wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und der Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).
Mit dem am 03.12.2018 beim BFA, RD Niederösterreich, eingebrachten und mit 28.11.2018 datierten Schriftsatz erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid. Darin wurde nach Darlegung der Beschwerdegründe für die behauptete Rechtswidrigkeit des Bescheides beantragt, das gegen den BF ausgesprochene Aufenthaltsverbot aufzuheben; in eventu das Aufenthaltsverbot auf eine angemessene Dauer herabzusetzen; der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 06.12.2018 vom BFA vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist Staatsangehöriger der Republik Kroatien.
Der BF reiste zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt in das österreichische Bundesgebiet ein. Der BF verfügte in Österreich von XXXX06.2014 bis XXXX12.2014 und von XXXX10.2015 bis XXXX06.2019 über einen gemeldeten Wohnsitz.
Der BF wurde am XXXX12.2017 wegen des Verdachts der Begehung strafbarer Handlungen festgenommen und befand sich in weiterer Folge bis zur Entlassung am XXXX06.2019 durchgehend in Haft (zunächst Untersuchungshaft und sodann Strafhaft).
Der BF weist in Österreich folgende rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung auf:
LG XXXX vom XXXX05.2018 RK XXXX09.2018
§ 241e (3) StGB
§ 229 (1) StGB
§§ 127, 128 (1) Z 5, 130 (1) StGB
Datum der (letzten) Tat XXXX12.2017
Freiheitsstrafe 18 Monate
Vollzugsdatum XXXX06.2019
Festgestellt wird, dass der BF die mit dem oben genannten Urteil festgestellten strafbaren Handlungen begangen und das im Urteil jeweils näher umschriebene strafbare Verhalten gesetzt hat.
Der BF wurde mit dem oben angeführten Urteil des LG XXXX vom XXXX05.2018 wegen der Vergehen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls, der Urkundenunterdrückung sowie der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt. Bei der Strafbemessung wurden das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, die mehrfache Qualifikation des Diebstahls sowie die fünf einschlägigen Vorstrafen in Frankreich als erschwerend gewertet, als mildernd hingegen kein Umstand. Der BF hat in mehreren Angriffen im Zeitraum Oktober bis Dezember 2017 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit weiteren Tätern in XXXX und andernorts Wertgegenstände und Bargeld im Gesamtbetrag von über 6.050,00 Euro gestohlen. Im Zuge dieser Diebstähle nahmen der BF und die Mittäter im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit weiteren Tätern auch Urkunden (Führerscheine, Personalausweise, Reisepässe) und mehrere unbare Zahlungsmittel (Bankomat- und Kreditkarten) an sich. Zudem beruhen die fünf Vorstrafen des BF ebenso auf Eigentumsdelikten.
Mit Urteil des Oberlandesgerichts XXXX vom XXXX09.2018, XXXX, wurde der gegen das erstinstanzliche Urteil erhobenen Berufung nicht Folge gegeben. Das Ersturteil sei ausreichend begründet und auch die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Bezüglich der Strafbemessungsgründe wurde ausgeführt, dass diese dahingehend zu ergänzen seien, dass der Angeklagte das Zusammentreffen von insgesamt neun Vergehen zu verantworten habe und ihm, aufgrund der schlafenden Opfer, Heimtücke im Sinne des StGB vorzuwerfen sei. Hinsichtlich der Vorverurteilungen wies das Berufungsgericht darauf hin, dass sich seit 1989 insgesamt elf Vorverurteilungen ergeben und daher, unter Berücksichtigung der einschlägigen Vorstrafen seit 2000, die erteilte unbedingte Strafe tat- und schuldangemessen sei.
Der BF wurde am XXXX06.2019 aus der Strafhaft in der Justizanstalt XXXX entlassen und schließlich am XXXX06.2019 auf dem Luftweg nach Kroatien abgeschoben.
Der BF verfügt über keine familiären oder nennenswerten privaten Bindungen in Österreich. Konkrete Anhaltspunkte dahingehend, dass eine umfassende und nachhaltige Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht anzunehmen gewesen wäre, liegen nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG. In der Beschwerde wird den entscheidungswesentlichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht substanziiert entgegengetreten und auch sonst kein dem festgestellten Sachverhalt entgegenstehendes oder darüber hinaus gehendes Vorbringen in konkreter und substanziierter Weise erstattet. So liegen auch keine widerstreitenden oder sonst strittigen Ermittlungsergebnisse im Zusammenhang mit der Feststellung des relevanten Sachverhaltes vor. Mit der vorliegenden Beschwerde wird im Wesentlichen nur die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid bekämpft.
Die auf Grund der vorliegenden Akten in Zusammenschau mit dem Vorbringen der gegenständlichen Beschwerde getroffenen Feststellungen werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.
Die Wohnsitzmeldungen des BF ergeben sich aus dem Zentralen Melderegister (ZMR).
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Verurteilung ergibt sich aus dem unstrittigen Akteninhalt. Die Feststellung zur Entlassung aus der Strafhaft beruht auf der Eintragung im Strafregister der Republik Österreich und auf der im Akt einliegenden Justiz-Vollzugsinformation.
Die Feststellung zur Abschiebung des BF nach Kroatien ergibt sich aus der Eintragung im Zentralen Fremdenregister.
Die Feststellung zum Fehlen familiärer und nennenswerter privater Bindungen und zum Nichtvorliegen von Anhaltspunkten für die Annahme einer Integration in Österreich beruht auf den diesbezüglichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid sowie auf dem Umstand, dass in der Beschwerde keinerlei Umstände vorgebracht wurden, die allenfalls eine andere Beurteilung zugelassen hätten.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zum Aufenthaltsverbot:
Gemäß § 67 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
Gemäß § 67 Abs. 3 FPG kann ein Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere
1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);
3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.
Gemäß § 67 Abs. 4 FPG ist bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.
Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG). Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (§ 9 Abs. 2 BFA-VG).
Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:
Die belangte Behörde hat das gegenständliche für die Dauer von acht Jahren befristete Aufenthaltsverbot auf § 67 Abs. 1 und 2 FPG gestützt und insbesondere mit dem Umstand begründet, dass der BF auf Grund der von ihm begangenen Straftaten und der Schwere seines bisherigen Fehlverhaltens eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt. Aufgrund der eklatanten Missachtung der österreichischen Rechtsordnung sowie aufgrund seiner Lebenssituation in Österreich sei auch das Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit erfüllt. Letztlich liege auch eine negative Gefährdungsprognose vor.
In der Beschwerde wird den Gründen, die zum Aufenthaltsverbot geführt haben, dahingehend entgegengetreten, dass die Behörde nicht berücksichtigt habe, dass der BF drogenabhängig und deswegen in Therapie sei. Der Bescheid sei unzureichend begründet; das BFA habe es verabsäumt, das Privat- und Familienleben des BF bzw. seine (mangelhafte) Bindung zum Heimatstaat hinreichend zu prüfen. Von ihm gehe keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus und stehe ein Aufenthaltsverbot von acht Jahren in keinem angemessenen Verhältnis zu den von ihm begangenen Straftaten.
Der BF ist Staatsangehöriger von Kroatien und als Angehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union EWR-Bürger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.
Vorauszuschicken ist, dass sich der BF nicht in einem zehn Jahre übersteigenden Zeitraum im Bundesgebiet aufgehalten hat, weshalb der qualifizierte Tatbestand des § 67 Abs. 1 5. Satz FPG (d.h. nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich durch den Verbleib im Bundesgebiet) nicht als Prüfungsmaßstab des vorliegenden Aufenthaltsverbots zur Anwendung kommt. Auch liegt kein zumindest fünfjähriger kontinuierlicher und rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich vor, weswegen der BF das unionsrechtliche Recht auf Daueraufenthalt im Sinne des Art. 16 Freizügigkeitsrichtlinie nicht erworben hat, zumal auch der Zeitraum der Verbüßung einer Freiheitsstrafe grundsätzlich geeignet ist, die Kontinuität des Aufenthalts zu unterbrechen (vgl. VwGH 24.03.2015, Ro 2014/21/0079). Daher ist bei der Prüfung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 zweiter Satz FPG (d.h. "tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") anzuwenden.
Bei der Stellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 67 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.02.2013, Zl. 2012/18/0230).
Die Art der Begehung und die Schwere der von dem BF begangenen Straftaten (gewerbsmäßige Diebstähle, Unterdrückung von Urkunden, Entfremdung unbarer Zahlungsmittel) sowie der Umstand, dass der BF bereits mehrmals im Ausland verurteilt wurde und auch das Haftübel verspürte, ohne jedoch danach sein Verhalten zu ändern, zeigen in einer Gesamtbetrachtung, dass das persönliche Verhalten des BF nach wie vor eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr darstellt, zumal die zuletzt begangenen Straftaten noch nicht lange zurückliegen und somit der seither verstrichene Zeitraum als zu kurz anzusehen ist, um gänzlich von einem Wegfall der Gefährdung zu sprechen. Hier ist auch zu berücksichtigen, dass der BF erst am XXXX06.2019 aus der Strafhaft entlassen wurde und die in Haft verbrachte Zeit bei der Berechnung des Zeitraumes eines behaupteten Wohlverhaltens überdies außer Betracht zu bleiben hat (VwGH 21.01.2010, Zl. 2009/18/0485). Überdies ist dabei maßgeblich zu berücksichtigen, dass der BF nicht nur in Österreich, sondern auch in der Vergangenheit bereits in mehreren anderen Staaten Europas insgesamt elfmal, davon auch mehrere Male einschlägig, straffällig wurde.
Der Umstand, dass die Diebstähle auf die Verschaffung einer Einnahmequelle gerichtet waren, lassen eine Prognose für eine Tatwiederholungsgefahr jedenfalls nicht als unbegründet erscheinen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine Änderung des persönlichen Verhaltens des BF über mehrere Jahre nicht stattgefunden hat, weshalb eine (erneute) Rückfälligkeit nicht ausgeschlossen werden kann. Eine allenfalls ernst zu nehmende Reue oder eine künftig zu erwartende Besserung des persönlichen Verhaltens erscheint im Hinblick auf die trotz wiederholter Verurteilungen auf Grund der gleichen schädlichen Neigung völlig unbelehrbare Verhaltensweise und das stets unvermindert fortgesetzte Begehen von Verstößen gegen die Strafrechtsordnung als nicht glaubhaft. Dabei kann zur Begründung einer Gefährdung auch das einer bereits getilgten Verurteilung zugrunde liegende Verhalten herangezogen werden (VwGH 20.08.2013, Zl. 2013/22/0113). Letztlich wurde auch in der Beschwerde kein Vorbringen erstattet, aus dem nunmehr eine ernst zu nehmende Reue oder Besserungsabsicht des BF anzunehmen gewesen wäre.
All diese Umstände weisen insgesamt auf eine beträchtliche kriminelle Energie und auf ein schwerwiegendes persönliches Fehlverhalten des BF hin, was wiederum unter Bedachtnahme auf die Gefährdung von fremdem Eigentum eine Erheblichkeit der Gefahr annehmen lässt.
Die Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere von solchen gegen fremdes Eigentum, stellt jedenfalls ein Grundinteresse der Gesellschaft dar. Zudem kommt den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 09.03.2003, Zl. 2002/18/0293).
Bei einer Gesamtbetrachtung aller aufgezeigten Umstände, des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes und in Ansehung der auf Grund des persönlichen Fehlverhaltens getroffenen Gefährdungsprognose kann eine Gefährdung von öffentlichen Interessen, insbesondere an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, als gegeben angenommen werden (vgl. VwGH 19.05.2004, Zl. 2001/18/0074).
Es kann daher der belangten Behörde nicht vorgeworfen werden, wenn sie im vorliegenden Fall durch das dargestellte persönliche Fehlverhalten von einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausging, welche die Anordnung eines Aufenthaltsverbotes erforderlich machen würde, zumal diese Maßnahme angesichts der vorliegenden Schwere des Verstoßes gegen österreichischen Rechtsnormen und des zum Ausdruck gekommen Fehlverhaltens zur Verwirklichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele geboten erscheint.
Des Weiteren ist festzuhalten, dass der BF in seiner Beschwerde den Gründen, die zur Anordnung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes geführt haben, im Ergebnis nicht substanziiert entgegengetreten ist, sondern darin zusammengefasst nur vorbrachte, dass er trotz seiner Drogenabhängigkeit und Therapie nunmehr einer geregelten Arbeit nachgehen würde, sehr bemüht um seine Integration in die österreichische Gesellschaft sei und keine Gefahr mehr von ihm ausgehe.
Letztlich war zu berücksichtigen, dass sich auch im Lichte der nach § 9 BFA-VG iVm. Art. 8 EMRK gebotenen Abwägung nicht ergeben hat, dass allenfalls vorhandene nachhaltige familiäre oder private Bindungen in Österreich das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts überwiegen würden. So ist festzuhalten, dass der BF zwar mit Unterbrechungen über einen Wohnsitz in Österreich, jedoch - entgegen seiner Behauptung in der Beschwerde - über keine Anstellung noch sonst über irgendwelche familiäre oder private Anknüpfungspunkte verfügt hat.
Das von der belangten Behörde gemäß § 67 Abs. 1 FPG angeordnete Aufenthaltsverbot erweist sich somit dem Grunde nach als zulässig, weshalb eine Aufhebung des Aufenthaltsverbotes nicht in Betracht kam und die Beschwerde insoweit als unbegründet abzuweisen war.
Im gegenständlichen Fall erweist sich allerdings die von der belangten Behörde festgelegte Befristung des Aufenthaltsverbotes in der Dauer von acht Jahren als nicht angemessen:
Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Ein Tatbestand des § 67 Abs. 3 FPG liegt hier nicht vor. Bei der Bemessung der Dauer des Aufenthaltsverbotes nach § 67 Abs. 2 FPG sind - in Abgrenzung zu den in § 67 Abs. 3 FPG angeführten besonders qualifizierten Straftaten - auch strafbare Handlungen mit hohem Unrechtsgehalt und Strafen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe zu berücksichtigen.
Das dargestellte persönliche Fehlverhalten des BF ist jedenfalls Grundinteressen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit an der Verhinderung strafbarer Handlungen gegen das Eigentum zuwidergelaufen.
Betrachtet man nun die vom BF begangenen Straftaten nach dem Strafgesetzbuch, für die er zuletzt verurteilt wurde, so sieht der für die Bestimmung des Strafrahmens maßgebliche § 130 Abs. 1 StGB ("gewerbsmäßiger Diebstahl und Diebstahl im Rahmen einer kriminellen Vereinigung") einen Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe vor. Dieser Strafrahmen wurde vom Strafgericht allerdings nicht zur Gänze, sondern nur zur Hälfte ausgeschöpft und hat es den BF zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt.
Die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Aufenthaltsverbotes von acht Jahren steht jedoch im Vergleich zu der im gegenständlichen Fall tatsächlich verhängten Freiheitsstrafe und dem konkreten Unrechtsgehalt der begangenen Straftaten (unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründe) außer Relation.
Allerdings erweist sich im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung des bereits dargestellten Gesamtfehlverhaltens des BF und des sich daraus weiterhin ergebenden Gefährdungspotenzials eine Herabsetzung des Aufenthaltsverbotes auf weniger als sechs Jahre als nicht angemessen. Das persönliche Fehlverhalten des BF bestand letztlich nicht etwa in einem einmaligen "Fehltritt" und einer daran folgenden Besserung seines Verhaltens, vielmehr reiste der BF in einem Zeitraum von vielen Jahren mehrere Male in zahlreiche Staaten Europas und zuletzt auch nach Österreich, um dort jeweils zahlreiche Eigentumsdelikte zu begehen und um sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Dieser Zeitraum erscheint angemessen, um der vom BF ausgehenden Gefährlichkeit wirksam zu begegnen, sodass dieser die Zeit zur nachhaltigen Besserung seines Verhaltens nutzen kann.
Im Hinblick darauf und unter Berücksichtigung der auf Grund des Fehlverhaltens und der sonstigen persönlichen Umstände getroffenen Gefährlichkeitsprognose war die Dauer des Aufenthaltsverbotes daher spruchgemäß in angemessener Weise auf sechs Jahre herabzusetzen und der Beschwerde insoweit Folge zu geben.
3.2. Zur Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung:
Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid weiters gemäß § 70 Abs. 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub erteilt und gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG der Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgen, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen, die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortigen Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
Der BF ist in der Beschwerde der Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes nicht entgegengetreten. Der BF wurde schließlich am XXXX06.2019 aus Österreich abgeschoben.
Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Recht dargelegt hat und wie sich aus den oben dargelegten Ausführungen ergibt, erwies sich die sofortige Ausreise bzw. die sofortige Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als erforderlich. Der BF hat durch sein Gesamtfehlverhalten unzweifelhaft gezeigt, dass er nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung, insbesondere an die Strafgesetze, zu halten.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich der Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung als unbegründet abzuweisen.
3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Im gegenständlichen Fall wurde der Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet (siehe VwGH 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9).
Es konnte daher gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG und § 9 Abs. 5 FPG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.
3.4. Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist teilweise zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Aufenthaltsverbot, Durchsetzungsaufschub, Gefährdungsprognose,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G301.2210759.1.00Zuletzt aktualisiert am
16.10.2019