Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Juli 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Strafsache gegen Stephan K***** wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB, AZ 11 U 157/18y des Bezirksgerichts Leibnitz, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Berufungsgericht vom 13. Mai 2019, AZ 1 Bl 16/19k, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Gföller, zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Berufungsgericht vom 13. Mai 2019, AZ 1 Bl 16/19k, verletzt das Gesetz in dem aus dem 2. Abschnitt des 22. Hauptstücks der Strafprozessordnung hervorgehenden Grundsatz, dass über alle gegen ein Urteil des Bezirksgerichts von welcher Seite auch immer ergriffenen Berufungen gleichzeitig entschieden werden muss.
Dieses Urteil wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Bezirksgerichts Leibnitz vom 12. November 2018, GZ 11 U 157/18y-15, aufgetragen.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Bezirksgerichts Leibnitz vom 12. November 2018, GZ 11 U 157/18y-15, wurde Stephan K***** des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Gemäß § 369 Abs 1 StPO wurde dem Privatbeteiligten ein Betrag zuerkannt.
Unmittelbar nach Urteilsverkündung meldete der Angeklagte „volle Berufung wegen des Ausspruches über die Schuld, wegen des Ausspruches über die Strafe und dem Vorliegen von Nichtigkeitsgründen sowie gegen die Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche“ an (ON 14 S 4). Eine Ausführung der Gründe der Berufung (§ 467 Abs 1 StPO) überreichte er nicht.
Die Staatsanwaltschaft bekämpfte das Urteil mit Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe zum Nachteil des Angeklagten (ON 18).
Gegenstand der Berufungsverhandlung am 13. Mai 2019 (in Abwesenheit des Angeklagten) war lediglich die Berufung der Staatsanwaltschaft (ON 7a [Anberaumung ON 4] der Akten AZ 1 Bl 16/19k), der das Berufungsgericht mit Urteil vom selben Tag nicht Folge gab. Über die Berufung des Angeklagten wurde nicht entschieden.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 23 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, steht dieses Urteil mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Nach dem Gesamtzusammenhang der darauf bezogenen, im 2. Abschnitt des 22. Hauptstücks der Strafprozessordnung enthaltenen Bestimmungen ist in einer (nichtöffentlichen Sitzung oder wie hier) Berufungsverhandlung über alle, von welcher Seite immer ergriffenen Berufungen gegen ein Urteil des Bezirksgerichts gleichzeitig zu entscheiden (RIS-Justiz RS0120332; Ratz, WK-StPO § 473 Rz 1).
Dem zuwider wurde im gegenständlichen Rechtsmittelverfahren über die Berufung des Angeklagten, der bei deren Anmeldung auch ausdrücklich erklärt hatte, durch welchen Ausspruch (§ 464 StPO) er sich beschwert fand (§ 467 Abs 2 erster Satz StPO), nicht entschieden.
Da nicht auszuschließen ist, dass die aufgezeigte Gesetzesverletzung zum Nachteil des Angeklagten wirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung auf die aus dem Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verbinden (§ 292 letzter Satz StPO).
Textnummer
E125916European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0110OS00089.19A.0723.000Im RIS seit
01.09.2019Zuletzt aktualisiert am
01.09.2019