TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/2 W117 2215850-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.07.2019
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Entscheidungsdatum

02.07.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs3 Z1

Spruch

W117 2215850-4/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Druckenthaner als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl: IFA 1087957910; VZ 190023886, über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch den Verein Suara, in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z 2 FPG idgF, § 76 Abs. 3 Z 1 FPG idgF wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Das Bundesverwaltungsgericht hatte nach Durchführung einer Verhandlung mit (in dieser Verhandlung) mündlich verkündetem Erkenntnis vom 29.05.2019, Zahl: W117 2215850-3/7Z die Schubhaftbeschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1, FPG idgF, § 76 Abs. 6 FPG idgF als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1, FPG idgF, § 76 Abs. 6 FPG idgF festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen (Spruchpunkt II.).

Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus:

"Zu Spruchpunkt I.: (bisherige Anhaltung seit 18.03.2019)

Auf der Ebene des Sachverhaltes ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin zwischenzeitlich am 02.04.2019 einen weiteren Asylantrag stellte, der unzweifelhaft als Antrag in Verzögerungsabsicht gewertet werden muss, rechtfertigte sie sich in der heutigen Verhandlung auf die Frage: "Warum stellen Sie so viele Asylanträge?" lediglich indifferent dahingehend: "Das war, was zu der Zeit rausgekommen ist; ich musste das sagen, habe ich denn keine Rechte". Unzweifelhaft ist daher § 76 Abs. 6 FPG anzuwenden. Die Beschwerdeführerin hat aber auch zwischenzeitlich das Rückkehrberatungsgespräch nicht geführt, obwohl ihr dazu ausdrücklich eine Frist eingeräumt wurde; diese mangelnde Kooperationsbereitschaft muss rechtlich dahingehend gewertet werden, dass die Beschwerdeführerin im Sinne des § 76 Abs. 3. Z 1 FPG versucht, die Abschiebung zu verhindern. Auch hat die Beschwerdeführerin durch ihr Verhalten vor der nigerianischen Botschaft versucht, die Abschiebung im Sinne des § 76 Abs. 3. Z 1. FPG zumindest zu erschweren, gab sie doch ausdrücklich an, sich legal in Österreich aufzuhalten und eine weiße Karte zu besitzen. Dass die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang nicht auf das erst mit Antragstellung vom 02.04.2019 beginnende Asylverfahren oder ein allfälliges Beschwerdeverfahren hinwies, tut der Verzögerungsabsicht, welche in den Angaben der Beschwerdeführerin bei der Botschaft zum Ausdruck kommen, keinen Abbruch. Es ist daher auch seit dem letzten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes weiterhin Fluchtgefahr und diese nicht in unerheblichem Ausmaß anzunehmen. Dass die Abschiebung tatsächlich durchführbar ist, ergibt sich aus den allgemeinen Angaben der Verwaltungsbehörde zu regelmäßigen Durchführungen von Abschiebungen auch in diesem Jahr; im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin bei der nigerianischen Botschaft am 08.03.2019 zumindest als nigerianische Staatsangehörige identifiziert wurde. Der Verwaltungsbehörde kann entgegen den Ausführungen des Rechtsvertreters kein Vorwurf gemacht werden, nicht rasch genug das aktuelle Asylverfahren vorangetrieben zu haben: Die Beschwerdeführerin hat am 02.04.2019 einen Asylantrag gestellt, der faktische Abschiebeschutz wurde in der Zwischenzeit rechtskräftig mit Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.04.2019 beendet und erscheint plausibel, dass das §-68

AVG-Verfahren in Kürze abgeschlossen wird. Die Verwaltungsbehörde unterschreitet dabei die gesetzlichen Entscheidungsfristen erheblich. Das Beschwerdevorbringen, dass Nigeria gemäß Art. 4 Abs. 5 des Rückübernahmeabkommens innerhalb von vier Werktagen ab Eingang der Dokumente oder anderen Beweismittel ein Reisedokument ausstelle, erfasst das Rückübernahmeabkommen rechtlich nicht vollständig, weil dieses Abkommen sowohl in der Präambel, als auch in Artikel 2 Abs. 1 für die Rückübernahme voraussetzt, dass sich die betreffende Person nicht mehr im Hoheitsgebiet aufhalten dürfe. Die Beschwerdeführerin hat aber bei der nigerianischen Botschaft ausdrücklich von einem legalen Aufenthalt im Zusammenhang mit dem Besitz ihrer weißen Karte gesprochen und erst mit der Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes vom 18.04.2019 bzw. letztlich mit der Beendigung des § 68-Verfahrens steht der Beschwerdeführerin im Sinne des Rückführungsabkommens kein Abschiebehindernis mehr im Wege. Im Übrigen wurde bis dato erst die Beschwerdeführerin als nigerianische Staatsangehörige identifiziert, der Aktenlage nach fehlt es aber noch an einer Bestätigung hinsichtlich des Namens und des Geburtsdatums der Beschwerdeführerin. Insofern ist daher die nigerianische Botschaft nicht gehalten gewesen, in der Zwischenzeit ein HRZ auszustellen. In diesem Sinne geht ebenfalls auch das Vorbringen in der heutigen Verhandlung ins Leere, dass die nigerianische Botschaft laufende Verfahren nicht berücksichtigen würde. Die Abschiebung ist daher rechtlich möglich und faktisch sehr wahrscheinlich und war daher die Rechtmäßigkeit der bisherigen Schubhaftanhaltung zu konstatieren. Aufgrund der bestehenden Fluchtgefahr kam daher auch die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht in Frage. Auch in Bezug auf die Anhaltung seit 18.03.2019 ist der Verwaltungsbehörde hinsichtlich ihrer Pflichten kein Vorwurf zu machen; sie hat die Anhaltung auf ihre Verhältnismäßigkeit regelmäßig überprüft.

Zu Spruchpunkt II. (Fortsetzung der Anhaltung)

All das soeben Gesagte gilt auch für die Frage der Fortsetzung der Anhaltung; im Besonderen ist darauf hinzuweisen, dass auch das gegenständliche § 68-AVG-Verfahren bald enden wird; die Verwaltungsbehörde hat die Entscheidung zumindest für nächste Woche angekündigt. Es war daher auch die Fortsetzung der Anhaltung in Schubhaft auszusprechen."

Die Verwaltungsbehörde legte am im elektronischen Weg den Akt zur Überprüfung der Verlängerung vor und wies im Besonderen auf die jüngste Urgenz bei der Vertretungsbehörde der Beschwerdeführerin hin.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt erwogen:

Feststellungen:

Die im oben zitierten mündlich verkündeten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zugrunde gelegten Sachverhaltsparameter zur Annahme der Fluchtgefahr der seit 08.03.2019 in Schubhaft angehaltenen Beschwerdeführerin (Haftauskunft, Mandatsbescheid), nämlich

* zwischenzeitliche, in Verzögerungsabsicht gestellte Asylantragstellung vom 02.04.2019;

* fehlende Bereitschaft zur Führung eines Rückkehrgespräches;

* Täuschung der nigerianischen Botschaft durch Bekanntgabe eines "legalen" Aufenthaltsstatus

werden zum gegenständlichen Sachverhalt erhoben.

Ebenso wird aus diesem mündlich verkündetem Erkenntnis - in Bezug auf die Frage der Durchführbarkeit der Abschiebung - zum Sachverhalt erhoben,

* "dass die Abschiebung tatsächlich durchführbar ist,

* dass die Beschwerdeführerin bei der nigerianischen Botschaft am 08.03.2019 zumindest als nigerianische Staatsangehörige identifiziert wurde.

* der faktische Abschiebeschutz in der Zwischenzeit rechtskräftig mit Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.04.2019 beendet wurde"

Ergänzend wird noch festgestellt:

Mit Bescheid der Verwaltungsbehörde vom 01.06.2019, IFA: 1029253205

VZ: 19033369 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 02.04.2019 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt; gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen und gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist.

Gemäß § 55 Absatz 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt.

Die Beschwerdeführerin hatte gegen das obzitierte mündlich verkündete Erkenntnis außerordentliche Revision erhoben, welcher bis zum Entscheidungszeitpunkt keine aufschiebende Wirkung eingeräumt wurde.

Die Verwaltungsbehörde hatte zuletzt am 02.06.2019 bei der nigerianischen Vertretungsbehörde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates urgiert.

Seit dem letzten Erkenntnis hat sich also keine für die Freilassung des Beschwerdeführers sprechende Änderung ergeben.

Beweiswürdigung:

Hinsichtlich der vom angeführten mündlich verkündeten (Schubhaft)erkenntnis übernommenen Feststellungen ist auf die diesbezügliche Beweiswürdigung zu verweisen.

Hinsichtlich des in Verzögerungsabsicht gestellten Asylfolgeantrages rechtfertigte sie sich in der Verhandlung vom 29.05.2019 in persönlich unglaubwürdiger Weise auf die Frage: "Warum stellen Sie so viele Asylanträge?" lediglich indifferent dahingehend: "Das war, was zu der Zeit rausgekommen ist; ich musste das sagen, habe ich denn keine Rechte".

Und hinsichtlich der Täuschung der nigerianischen Vertretungsbehörde ist nochmals darauf hinzuweisen, dass sie doch ausdrücklich angab, "sich legal in Österreich aufzuhalten und eine weiße Karte zu besitzen".

Dass die Abschiebung tatsächlich durchführbar ist, ergab sich aus den allgemeinen Angaben der Verwaltungsbehörde zu regelmäßigen Durchführungen von Abschiebungen auch in diesem Jahr; im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin bei der nigerianischen Botschaft am 08.03.2019 zumindest als nigerianische Staatsangehörige identifiziert wurde.

Die Verwaltungsbehörde ist auch offensichtlich weiter ernsthaft bemüht, die Abschiebung zu realisieren, wie die Urgenz vom Juni 2019 zeigt.

In der Zwischenzeit wurde das Asylfolgeverfahren endgültig finalisiert, sodass zugunsten der Beschwerdeführerin keine die Schubhaft beendenden Umstände vorliegen, insbesondere, weil bis dato auch der außerordentlichen Revision gegen das mündlich verkündete Schubhafterkenntnis keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt A. (Fortsetzung der Schubhaft):

Gesetzliche Grundlagen:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß

Die Grundlage zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer Fortsetzung der Schubhaft über die Viermonatsfrist im BFA-VG iVm. § 80 FPG lautet:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

Zur Judikatur:

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe." (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Vor dem Hintergrund des aktuell unbestritten feststehenden Sachverhaltes, welcher zum größten Teil bereits dem angeführten Vorerkenntnis zugrunde gelegt wurde, waren, wie ausgeführt, keine für die Beschwerdeführerin sprechenden Änderungen auf Sachverhaltsebene zu konstatieren; im Gegenteil:

Das Asylfolgeverfahren wurde gemäß § 68 AVG finalisiert.

Dies bedeutet, dass die in der (Schubhaft)Vorentscheidung seitens des Bundesverwaltungsgerichtes vorgenommenen rechtliche Beurteilunge, welche von erhebliche Fluchtgefahr ausgeht, weiterhin volle Gültigkeit aufweist.

Die

* zwischenzeitliche in Verzögerungsabsicht gestellte Asylantragstellung vom 02.04.2019;

* fehlende Bereitschaft zur Führung eines Rückkehrgespräches;

* Täuschung der nigerianischen Botschaft durch Bekanntgabe eines "legalen" Aufenthaltsstatus

zeigen jeweils für sich allein aber umso mehr in Kombination ein Verhalten der Beschwerdeführerin, aus dem zwingend der Schluss zu ziehen ist, dass sie ihre Rückführung nach Nigeria gemäß §76 Abs. 3 Z 1 zu verhindern trachtet.

Im Hinblick auf die gesetzlich mögliche Maximaldauer erweist sich die bisherige Anhaltung jedenfalls auch als verhältnismäßig.

Die Aktenlage bietet auch keine Hinweise dafür, dass die Rückführung nicht möglich ist und ist, wie ausgeführt, die Verwaltungsbehörde weiterhin um die Beschaffung eines HRZ bemüht..

Es war daher die Fortsetzung der Schubhaft auszusprechen.

Zu Spruchpunkt B - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in allen Spruchpunkten nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft, öffentliche Interessen,
Rückkehrentscheidung, Schubhaft, Sicherungsbedarf, Täuschung,
Überprüfung, Verhältnismäßigkeit, Verzögerung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W117.2215850.4.00

Zuletzt aktualisiert am

28.08.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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