TE OGH 2019/7/25 2Ob110/19v

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Veröffentlicht am 25.07.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Kinder L***** O***** W*****, und A***** E***** W*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der A***** G*****, vertreten durch Gibel Zirm Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 16. Mai 2019, GZ 45 R 226/19x-343, mit dem der Rekurs der Rechtsmittelwerberin gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 7. April 2019, GZ 9 Pg 191/12g-329, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit der Obsorge für die minderjährigen Kinder L***** O***** und A***** E***** W***** ist in den Bereichen Vermögensverwaltung und gesetzliche Vertretung ein Rechtsanwalt betraut; in den Bereichen Pflege und Erziehung kommt die Obsorge weiterhin ihrem Adoptivvater zu. Die vom Rechtsanwalt vertretenen Kinder streiten mit der Rechtsmittelwerberin um das Erbrecht nach ihrem Vater. Die Rechtsmittelwerberin ist die Schwester des Erblassers und Tante der Kinder.

Im Verlassenschaftsverfahren stellte das Erstgericht das Erbrecht der Rechtsmittelwerberin fest und wies die auf ein Testament vom 20. Juli 2012 gestützten Erbantrittserklärungen der Kinder ab. Dagegen erhoben die Kinder, vertreten durch den obsorgeberechtigten Rechtsanwalt, einen Rekurs, dem das Rekursgericht nicht Folge gab. Schon zuvor hatte der Obsorgeberechtigte jedoch mit einem an das Erstgericht gerichteten Schriftsatz den Rekurs zurückgezogen, wobei der Schriftsatz am Tag der Abgabe der Rekursentscheidung in der Geschäftsabteilung eingelangt war. Hintergrund der Rückziehung war, dass das Erstgericht das Testament vom 20. Juli 2012 wegen eines wesentlichen Irrtums des Erblassers als ungültig angesehen und die Kinder daraufhin mit pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung Erbantrittserklärungen aufgrund eines früheren Testaments abgegeben hatten. Im Verlassverfahren machen die Kinder unter anderem die Nichtigkeit der Rekursentscheidung geltend.

Im Pflegschaftsverfahren hatte der Obsorgeberechtigte die Genehmigung der Rekursrückziehung beantragt.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab und sprach aus, dass die Rückziehung des Rekurses keiner Genehmigung bedürfe.

Die Rechtsmittelwerberin erhob gegen diese Entscheidung Rekurs. Als nahe Angehörige sei sie bei Gefährdung des Kindeswohls rechtsmittellegitimiert. Eine solche Gefährdung liege hier vor: Die Rückziehung eines Rechtsmittels bedürfe der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung, diese hätte aus näher dargestellten Gründen nicht erteilt werden dürfen.

Das Rekursgericht wies diesen Rekurs zurück und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Eine die Rechtsmittellegitimation begründende Gefährdung liege nicht vor, weil die Rückziehung eines Rekurses ebenso wie dessen Unterlassen keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürfe. Zudem sei die Rückziehung des Rekurses ohnehin wirkungslos geblieben, weil sie erst am Tag der Rekursentscheidung beim Rekursgericht eingelangt und dort erst nach Bindung des Rekurssenats an seine Entscheidung „ausgedruckt“ worden sei. Daher habe das Rekursgericht „rechtswirksam“ über den Rekurs entschieden, weswegen dem Rechtsmittel im Pflegschaftsverfahren die Beschwer fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Rechtsmittelwerberin ist unzulässig.

1. Die Rechtsmittelweberin verweist an sich zutreffend darauf, dass die nächsten Verwandten eines Minderjährigen oder einer sonst schutzberechtigten Person auch in vermögensrechtlichen Angelegenheiten rechtsmittellegitimiert sein können, soweit dies zur Abwehr von Gefahren erforderlich ist, die der schutzberechtigten Person drohen (RS0006433, RS0105269). Bejaht wurde eine solche Rechtsmittellegitimation insbesondere für die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung von Verträgen (7 Ob 61/93 mwN; 7 Ob 501/94; 6 Ob 2156/96v) und von Klagen (4 Ob 189/06g). Voraussetzung dafür ist jedoch immer, dass das Wohl der schutzberechtigten Person anders nicht gewahrt werden kann (6 Ob 2156/96v mwN; 4 Ob 189/06g; Beck in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 132 Rz 91).

2. Typischerweise betrafen die in dieser Frage ergangenen Entscheidungen Rechtsmittel von Kindern oder Eltern der schutzberechtigten Person gegen die Genehmigung einer Vertretungshandlung eines Sachwalters (7 Ob 631/88 [Tochter]; 7 Ob 615/93 [Adoptivtochter]; 6 Ob 18/02v [Sohn]) oder eines Kollisionskurators (6 Ob 289/03y [Mutter]; 6 Ob 158/05m [Vater]; 4 Ob 189/06g [Mutter]). Die Rechtsmittellegitimation des väterlichen Großvaters gegen die Genehmigung der Vertretungshandlung eines wegen einer Interessenkollision mit der obsorgeberechtigten Mutter bestellten Kollisionskurators bejahte der Oberste Gerichtshof in 6 Ob 2156/96v nur deswegen, weil der Vater verstorben war. Dabei hielt er ausdrücklich fest, dass das Rekursrecht des Großvaters nicht bestanden hätte, wenn der Vater als nicht obsorgeberechtigter Elternteil für das Kind hätte einschreiten können.

3. Der letztgenannte Fall liegt hier vor: Die Interessen der Minderjährigen sind durch die im Fall der Gefährdung jedenfalls bestehende Rechtsmittellegitimation ihres im Bereich der Vermögensverwaltung und gesetzlichen Vertretung nicht obsorgeberechtigten Adoptivvaters ausreichend geschützt. Eine Rekurslegitimation der entfernter verwandten und als Gegnerin im Verlassverfahren möglicherweise auch eigene Interessen verfolgenden Rechtsmittelwerberin ist daher nicht erforderlich, um das Wohl der Kinder zu wahren. Ihr Rekurs war daher schon aus diesem Grund unzulässig.

4. Hätte das Rekursgericht inhaltlich über den Rekurs der Rechtsmittelwerberin entschieden, wäre auf dieser Grundlage dessen Beschluss aus Anlass des Revisionsrekurses aufzuheben und der Rekurs zurückzuweisen gewesen (RS0121264). Hier hat das Rekursgericht den Rekurs allerdings nicht inhaltlich erledigt, sondern aus anderen Gründen zurückgewiesen. Es kann offen bleiben, ob diese Gründe zutreffen: Da der Rekurs schon aus dem oben genannten Grund zurückzuweisen gewesen wäre, ist die Rechtsmittelwerberin durch die Entscheidung nicht beschwert (6 Ob 235/08i, Punkt 4). Ihr Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

Textnummer

E125861

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0020OB00110.19V.0725.000

Im RIS seit

22.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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