Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §45 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Baur und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des M S in Ried i. I., geb. am 25.5.1969, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried im Innkreis, Bahnhofstraße 3/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich 28. Februar 1995, Zl. St 33/95, betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und Feststellung gemäß § 54 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 28. Februar 1995 wurde unter Spruchpunkt I gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Republik Bosnien-Herzegowina, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z 6 und 7 iVm §§ 19 bis 21 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1994, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen und unter Spruchpunkt II gemäß § 54 FrG festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in der Republik Bosnien-Herzegowina gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 leg. cit. bedroht sei; seine Abschiebung in die Republik Bosnien-Herzegowina sei somit zulässig.
Der angefochtene Bescheid wurde damit begründet, daß der Beschwerdeführer am 30. Dezember 1994 mit einem falschen (kroatischen) Reisepaß, lautend auf Mladen Delija, geboren 25.11.1967, in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist sei.
In der niederschriftlichen Einvernahme am 4. Jänner 1995 habe der Beschwerdeführer angegeben, daß er bosnischer Moslem wäre. Nach Ausbruch des bewaffneten Konfliktes in Bosnien hätte er sich Anfang Mai 1992 freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet. Am 26. Mai 1992 hätte sich der Beschwerdeführer unerlaubt von der Truppe entfernt und im Anschluß daran ca. sechs Monate bei der Straßenmeisterei gearbeitet. Im Jänner 1993 wäre er aus freien Stücken in die Armee zurückgekehrt und hätte in der Folge bis 22. September 1994 Dienst bei der Truppe geleistet. Er wäre als normaler Infanteriesoldat der bosnischen Regierungstruppen eingesetzt gewesen. Am 22. September 1994 hätte er wiederum eine 48-stündige Ruhezeit dazu benützt, um sich von der Truppe abzusetzen.
Sodann wäre er mit einem Bus nach Kroatien gefahren und hätte bei einem Freund in Zagreb für rund drei Monate Unterkunft genommen. In Zagreb hätte er sich von einem unbekannten Mann gegen Bezahlung von DM 300,-- einen gefälschten kroatischen Paß gekauft. Bei den Grenzkontrollen hätte er diesen Paß vorgewiesen und sei nicht beanstandet worden. Anschließend habe er noch angegeben, daß er zum ersten Mal im Ausland wäre und derzeit lediglich über DM 200,-- an Bargeld verfügte. In Österreich habe der Beschwerdeführer keinen Wohnsitz, er gehe keiner Beschäftigung nach und habe auch keine Familienangehörigen oder sonstigen Bindungen. Weiters habe der Beschwerdeführer angegeben, daß er sofort abgeschoben werden möchte, wohin wäre ihm egal.
In seinem Schreiben vom 20. Jänner habe der Beschwerdeführer einen Antrag gemäß § 54 Abs. 2 FrG gestellt und diesen im wesentlichen damit begründet, daß er Deserteur wäre und die Grauenhaftigkeit des Krieges in Bosnien miterlebt hätte. Bereits 1992 wären seine Familienmitglieder in die Bundesrepublik Deutschland geflohen, wo sie sich derzeit noch aufhalten würden. Nach Auskunft des Vaters des Beschwerdeführers wäre dieser lernbehindert, wenn nicht gar psychisch gestört und hätte lediglich Sonderschulniveau. In der bosnischen Armee wäre er ständig in derselben Einheit wie sein Bruder, der auf ihn hätte aufpassen müssen, gewesen. Schon aufgrund seiner geringen Intelligenz wäre zu befürchten, daß der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Bosnien Gefahr liefe, sofort in eine Strafkompanie versetzt und dort militärischen Interessen geopfert zu werden.
Zu Spruchteil I führte die belangte Behörde aus, durch die illegale Einreise des Beschwerdeführers sei die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, daß der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle. Weiters habe der Beschwerdeführer durch Vorlage eines gefälschten Reisepasses den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt. Auch der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 7 FrG sei verwirklicht, da er weder im Besitz der zu seinem Unterhalt notwendigen Mittel noch innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen sei.
Die §§ 19, 20 FrG stünden aus näher dargelegten Gründen der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen.
Zu Spruchteil II des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, gemäß § 54 Abs. 1 FrG habe über Antrag eines Fremden die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, daß dieser in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.
Angaben könnten im allgemeinen nicht als glaubwürdig angesehen werden, wenn der Beschwerdeführer im Verlauf des Verfahrens Tatsachen unterschiedlich oder widersprüchlich darstelle, diese mit der Erfahrung entsprechender Geschehnisabläufe nicht vereinbar seien und wenn der Beschwerdeführer maßgebliche Tatsachen erst sehr spät (vor allem erst nach anwaltlicher Vertretung) im Verfahren vorbringe.
Die belangte Behörde könne einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Beschwerdeführer während des Verfahrens vor den verschiedenen Instanzen im wesentlichen gleichbleibende Angaben gemacht habe und diese wahrscheinlich erschienen.
Der Beschwerdeführer habe in seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 4. Jänner 1995 zunächst angegeben, er hätte sich bereits zum zweiten Mal unerlaubt von der Truppe entfernt, anschließend habe er jedoch angegeben, er wäre mit einer Abschiebung nach Bosnien einverstanden. Dieser Umstand wie auch die weitere Tatsache, daß der Beschwerdeführer nach seinem ersten unerlaubten Entfernen von der Truppe keinen Repressionen von Seiten seines Heimatstaates ausgesetzt gewesen und nach seinen Angaben sechs Monate unbehelligt bei der Straßenmeisterei beschäftigt gewesen sei, ließen den Schluß zu, er sei im Fall seiner Abschiebung nach Bosnien keiner Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG ausgesetzt. Daran könnten auch die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Sonderschulbildung, Lernbehinderung sowie psychische Störungen, soweit sie tatsächlich vorliegen sollten, nichts ändern.
Der Hinweis des Beschwerdeführers, er liefe aufgrund seiner geringen Intelligenz Gefahr, nach seiner Rückkehr in eine Strafkompanie vesetzt und dort militärischen Interessen geopfert zu werden, sei zu unsubstantiiert. Auch sei der Beschwerdeführer nach seinem erstmaligen unerlaubten Fernbleiben von der Truppe einer Strafkompanie nicht zugeteilt worden. Nicht zu übersehen sei, daß sich der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben freiwillig ein zweites Mal zum Kriegsdienst gemeldet habe.
Die Behauptung des Beschwerdeführers in seinem Berufungsschriftsatz, daß es auch gegenwärtig in seinem Heimatstaat noch zu willkürlichen Verhaftungen von Moslems käme, könne keine konkrete Verfolgung bzw. Bedrohung seiner Person belegen.
Gemäß § 54 FrG werde nicht festgestellt, ob die Abschiebung einer Person in ein "bestimmtes Gebiet" ihres Heimatstaates zulässig sei, sondern ob sie überhaupt dorthin abgeschoben werden könne. Der Beschwerdeführer habe selbst vorgebracht, es gäbe in seinem Heimatstaat UNO-Schutzzonen, in welchen "weitgehend" Schutz gewährt würde. Daß der Aufenthalt in Kriegsgebieten "immer mit einem gewissen Risiko" verbunden sei, könne nicht geleugnet werden, dies begründe aber noch keine Gefährdung oder Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG. Mangels anderer Hinweise müsse auch angenommen werden, daß der Beschwerdeführer bei seiner Ausreise aus seinem Heimatstaat keinerlei Schwierigkeiten gehabt habe. Auch dies lasse den Schluß zu, daß er in seinem Heimatstaat nicht im Sinn der zitierten Gesetzesbestimmung bedroht sei. Einen Asylantrag habe er nicht gestellt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Aufgrund des ausdrücklich umschriebenen Beschwerdepunktes, wonach sich der Beschwerdeführer nur durch den Ausspruch gemäß § 54 FrG in seinen Rechten als verletzt erachtet, sowie des Fehlens jeglicher Beschwerdeausführungen zu dem laut Spruchpunkt I über ihn verhängten Aufenthaltsverbot ist ungeachtet des den gesamten Spruch betreffenden Aufhebungsantrages davon auszugehen, daß sich die Beschwerde ausschließlich gegen Spruchpunkt II (Feststellung gemäß § 54 FrG) richtet. Demgemäß hat sich der Verwaltungsgerichtshof auch nur mit diesem Teil des Bescheides zu befassen (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 245, wiedergegebene Judikatur).
Der Beschwerdeführer macht geltend, seine Abschiebung sei mit der Bahn via Budapest - Zagreb - Sisak nach Dobrljin in Bosnien-Herzegowina durchzuführen. Der Ort Dobrljin stehe gegenwärtig unter bosnisch-serbischer Kontrolle. Nach Mitteilung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge vom 13. Februar 1995 sei der Vertreibungsdruck für die in dieser Gegend noch verbliebenen Moslems nach wie vor extrem hoch. Es komme immer noch zu willkürlichen Verhaftungen von Muslimen, die dann oft zu Arbeitseinsätzen an den Frontabschnitten, insbesondere in die Kampfgebiete um Bihac, entsandt würden. Eine zwangsweise Rückschiebung in diese Region sollte nach Meinung des Hochkommissars in jedem Fall unterbleiben, die Sicherheit und Menschenwürde der Betroffenen sei nicht gewährleistet. Die Abschiebung über Zagreb - Sisak - Bosanska - Kostajniza nach Dobrljin sei technisch undurchführbar.
Der Beschwerdeführer verweist weiters darauf, daß sich der Verwaltungsgerichtshof in zumindest zwei Erkenntnissen mit der politischen Lage in Bosnien-Herzegowina auseinandergesetzt habe. Im Erkenntnis vom 26. Jänner 1994, Zl. 93/01/0034, habe der Gerichtshof einem Beschwerdeführer bescheinigt, daß seine Furcht, wegen seiner Zugehörigkeit zur moslemischen Volksgruppe verfolgt zu werden, wohlbegründet wäre. Die Lage der Moslems in den umkämpften Gebieten Bosniens wäre notorisch. Die Tatsache allein, daß es im Heimatland des Beschwerdeführers zu kriegerischen Auseinandersetzungen gekommen wäre, wäre noch kein Grund, darin gegen ihn selbst gerichtete Verfolgungshandlungen zu erblicken. Die von der serbischen Armee drohende Verfolgung wäre den staatlichen Stellen in Bosnien-Herzegowina dann zuzurechnen, wenn die staatliche Autorität durch die Besetzung ihre Wirksamkeit verloren hätte. Die Fremdenpolizeibehörden hätten die Rechtslage verkannt, wenn sie sich mit der Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur moslemischen Volksgruppe nicht auseinandergesetzt hätten.
Im Erkenntnis Zl. 93/01/0291 seien die gegen die Gesamtheit der in Bosnien-Herzegowina lebenden Moslems gerichteten Maßnahmen nicht bloß als Beeinträchtigungen allgemeiner Natur gewertet worden. Diese Maßnahmen von serbischer Seite müßten nicht hingenommen werden. Weiters verweist der Beschwerdeführer auf die Verordnung der Bundesregierung vom 28. Dezember 1994 betreffend das vorläufige Aufenthaltsrecht von Vertriebenen aus Bosnien, die ein besonderes Schutzbedürfnis der Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina zur Grundlage habe.
Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen. Diese Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1997, Zl. 95/21/0908, m.w.N.).
Es ist ständige Rechtsprechung, daß die Tatsache eines Bürgerkrieges in dem vom Antrag erfaßten Staat für sich allein (noch) keinen Grund darstellt, darin die beschriebene Gefährdung zu erblicken (vgl. u.a. das vorzitierte hg. Erkenntnis, Zl. 95/21/0908). Wenn ein Fremder in einen Teil des Staatsgebietes abgeschoben werden kann, der von seiner eigenen Bürgerkriegspartei (vorwiegend von seiner eigenen Bevölkerungsgruppe) kontrolliert wird, entsteht aus der Bürgerkriegssituation (noch) keine unmittelbar drohende Gefahr einer Behandlung oder Verfolgung im Sinn der genannten Gesetzesstelle. Der Hinweis auf die kriegerischen Handlungen in Bosnien-Herzegowina ist diesfalls nicht geeignet, für sich allein eine Gefährdung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder eine Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen. Demgegenüber kann, wie bereits im vorerwähnten, die Bürgerkriegssituation in Bosnien-Herzegowina betreffenden Erkenntnis Zl. 95/21/0908 dargelegt, die Verfolgung einer Bevölkerungsgruppe durch eine andere bei Fehlen einer stabilen räumlichen Abgrenzung der Bürgerkriegsparteien eine Bedrohung des einzelnen im genannten Sinn zur Folge haben. Daß dies in Bosnien-Herzegowina im hier relevanten Zeitpunkt (der Erlassung des angefochtenen Bescheides) der Fall wäre, wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet, vielmehr geht er selbst davon aus, daß er in dem von seiner Bevölkerungsgruppe kontrollierten Staatsgebiet (lediglich) wegen Desertion von der Truppe ("der bosnischen Armee") gefährdet sei.
Soweit der Beschwerdeführer aber geltend macht, sein Leben sei durch die drohende (neuerliche) Einberufung zum Wehrdienst in einer kämpfenden Truppe der Bürgerkriegsparteien bedroht, ist ihm zu entgegnen, daß die drohende Einberufung zum Wehrdienst keinen hinreichenden Grund für die Annahme einer Gefährdung und/oder Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 leg. cit. darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. November 1997, Zl. 96/21/0879).
Daran vermag auch die Befürchtung des Beschwerdeführers, aufgrund seiner vormaligen Desertion in eine Strafkompanie eingezogen zu werden, nichts zu ändern (vgl. u.a. das vorzitierte Erkenntnis, Zl. 96/21/0879).
Der Beschwerdeführer verweist aber zu Recht darauf, daß sich die belangte Behörde mit seinem die Gefährdungssituation im Raum Dobrljen betreffenden Vorbringen nicht auseinandergesetzt hat:
Der Beschwerdeführer brachte vor, er habe als Angehöriger der moslemischen Bevölkerungsgruppe, insbesondere als moslemischer Soldat, im Fall seiner Abschiebung in dieses von der serbischen Bürgerkriegspartei kontrollierte Gebiet eine unmenschliche Behandlung zu befürchten. Es sei dem Verwaltungsakt zu entnehmen, daß mit einem "Erlaß des Innenministers" der Beschwerdeführer in dieses "serbisch besetzte Gebiet abgeschoben werden soll".
Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt geht hervor, daß die Behörde erster Instanz im Weg der belangten Behörde am 12. Jänner 1995 beim Bundesministerium für Inneres angefragt hatte, ob dieses der beabsichtigten Abschiebung des Beschwerdeführers nach Einlangen des von der bosnischen Botschaft angeforderten Heimreisezertifikates (aufgrund des über ihn verhängten Aufenthaltsverbots) zustimme. Mit Fax vom 24. Jänner 1995 übermittelte das Bundesministerium für Inneres der belangten Behörde den in der Beschwerde angesprochenen "Erlaß" vom 23. Jänner 1995, wonach der Abschiebung zugestimmt werde; die beabsichtigte Abschiebung sei mit der Bahn "via Budapest-Zagreb-Sisak nach Dobrljen" durchzuführen. Am 20. Jänner 1995 hatte der Beschwerdeführer zwischenzeitlich einen "Antrag gemäß § 54 Abs.2 FrG" eingebracht, in dem er im wesentlichen vorbrachte, er sei Deserteur und habe "die Grauenhaftigkeit des Krieges in Bosnien miterlebt" und befürchte, im Fall seiner Rückkehr "sofort in eine Strafkompanie versetzt und dort irgendwelchen militärischen Interessen geopfert zu werden". Unter Hinweis auf ihren Bescheid vom 2. Februar 1995, womit sie aussprach, es lägen keine Gründe für die Annahme vor, der Beschwerdeführer sei in der Republik Bosnien-Herzegowina gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht, seine Abschiebung dorthin sei somit zulässig, fragte die Behörde erster Instanz im Wege der belangten Behörde am 2. Februar 1995 (neuerlich) beim Bundesministerium für Inneres an, ob unter Berücksichtigung der "geänderten Verfahrenslage" die erteilte Zustimmung zur Abschiebung des Beschwerdeführers in die Republik Bosnien-Herzegowina (noch) aufrecht bleibe. Am 20. Februar 1995 langte bei der Behörde erster Instanz die an die belangte Behörde gerichtete Berufung gegen den Bescheid vom 2. Februar 1995 ein, worin der Beschwerdeführer geltend machte, er sei bei seiner Antragstellung davon ausgegangen, daß die "Fremdenbehörde (ihn) in den Machtbereich der Regierunsgruppen von Präsident Alia Izetbegovic abschieben würde". Nunmehr habe aber die Behörde erster Instanz die Zulässigkeit seiner Abschiebung in die Republik Bosnien-Herzegowina "uneingeschränkt für zulässig" erklärt. Er habe durch Akteneinsicht festgestellt, daß seine Abschiebungsroute nach Dobrjlen festgelegt worden sei. Dieser Ort stehe "gegenwärtig unter bosnisch-serbischer Kontrolle". Dort sei die Lage für Angehörige der moslemischen Bevölkerungsgruppe sehr kritisch, weshalb auch der UNHCR wieder Evakuierungen aus der Region vornehme. "Die Wahrung der Sicherheit und der Menschenwürde des Betroffenen" sei dort nicht gewährleistet. Da die Behörde seine Abschiebung somit in das "Hoheitsgebiet der bosnischen Serben" für zulässig halte, sei er im Fall seiner Abschiebung "als moslemischer Soldat dem Feind ausgeliefert". "Richtigerweise hätte daher der Spruch des Bescheides allenfalls lauten können:
Ihre Abschiebung in die von Regierungstruppen des Präsidenten Izetbegovic gehaltenen Gebiete der Republik Bosnien-Herzegowina ist somit zulässig".
Am 22. Februar 1995 teilte das Bundesministerium für Inneres der belangten Behörde mit, daß der Abschiebung des Beschwerdeführers "mit der Maßgabe zugestimmt (wird), daß der Bescheid (der Behörde erster Instanz) in Rechtskraft erwachsen ist".
Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde diesem Berufungsvorbringen (lediglich) entgegengehalten, daß "gemäß § 54 FrG nicht festgestellt (wird), ob die Abschiebung einer Person in ein 'bestimmtes Gebiet' seines Heimatstaates zulässig ist, sondern in seinen Heimatstaat überhaupt. Sie selbst haben in Ihrer Berufungsschrift festgehalten, daß es in Ihrem Heimatstaat UNO-Schutzzonen gibt, in welchen doch auch 'weitgehend' Schutz gewährt wird."
Damit hat die belangte Behörde zwar zutreffend darauf hingewiesen, daß sich die stichhaltigen Gründe im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG auf das gesamte Gebiet des genannten Staates beziehen müssen, um eine Bedrohung gemäß dieser Gesetzesstelle glaubhaft machen zu können. Kann nämlich eine Abschiebung des Fremden in ein (Teil-)Gebiet seines Heimatstaates bewerkstelligt werden, in dem er nicht im Sinn des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht ist (inländische Fluchtalternative), so bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer solchen Bedrohung in dem "vom Antrag erfaßten Staat" (§ 54 Abs. 1 FrG). Diese spruchmäßige Feststellung setzt allerdings im Fall einer räumlich begrenzten Gefährdungssituation des Fremden in dem vom Antrag erfaßten Staat voraus, daß die Abschiebung des Betroffenen in den für ihn sicheren Teil erfolgen kann und die Behörde eine Abschiebung auch (nur) dorthin beabsichtigt. Behauptet der Beschwerdeführer somit, in einem Teilgebiet des von seinem Antrag erfaßten Staates im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG gefährdet bzw. bedroht zu sein, und beabsichtigt die Behörde, ihn in dieses Teilgebiet abzuschieben, so darf sie die Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen nicht deshalb unterlassen, weil der Beschwerdeführer nicht in seinem gesamten Heimatstaat in diesem Sinn bedroht sei. Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer zutreffend aufgezeigt, daß die belangte Behörde bereits konkrete Maßnahmen dahin setzte, ihn ungeachtet der erhobenen Berufungseinwände betreffend die Gefahr seiner unmenschlichen Behandlung als moslemischer Soldat im "serbisch kontrollierten" Gebiet um Dobrjlen eben dorthin abzuschieben. Damit hätte die belangte Behörde sich aber mit der vom Beschwerdeführer behaupteten, dieses konkrete Gebiet betreffenden Bedrohungssituation auseinandersetzen müssen.
Indem sich die belangte Behörde auf den Hinweis beschränkte, der Beschwerdeführer sei nicht in seinem gesamten Heimatstaat bedroht, hat sie nach dem Gesagten die Rechtslage verkannt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 27. November 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995210344.X00Im RIS seit
05.04.2001