TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/6 W202 1426768-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.06.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

06.06.2019

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG-DV 2005 §4
AsylG-DV 2005 §8
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §53

Spruch

W202 1426768-3/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHLAFFER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2018, Zl. IFA 820506910/VZ:151110222, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.06.2019 zu Recht erkannt:

A)

1.) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG behoben.

2.) Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz gem. § 53 VwGVG wird zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Indien, stellte am 26.04.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.05.2012, Zl. 12 05.069-BAT, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF., abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zuerkannt. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.08.2014, Zahl W160 1426768-1/3E, wurde die dagegen erhobene Beschwerde gemäß den §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF. als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.) sowie der Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides aufgehoben und gemäß § 75 Abs. 20 Ziffer 1. und 1. Satz AsylG 2005 idgF. das Verfahren insoweit zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen (Spruchpunkt II.).

Am 26.08.2014 stellte der Beschwerdeführer einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG.

Am 15.01.2015 erging seitens des BFA eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme. In der darauf erfolgten Stellungnahme seitens des Beschwerdeführers legte dieser weitere Urkunden zum Nachweis seiner Integration vor.

Mit Bescheid des BFA vom 14.04.2015 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 26.08.2014 gemäß § 55 AsylG zurückgewiesen, gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen, weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig ist.

Am 16.07.2015 wurde der Beschwerdeführer seitens des BFA betreffend Ausreiseverpflichtung einvernommen, wobei er angab, dass er nicht nach Indien zurück wolle, er sei bereit das Formblatt auszufüllen und sich erkennungsdienstlich behandeln zu lassen. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Seine Schwester lebe in Österreich und die restliche Familie in Indien. Seinen Lebensunterhalt bestreite er durch ein Transportunternehmen, das er selbstständig betreibe. Er sei in 1140 Wien wohnhaft und behördlich gemeldet.

Am 17.08.2015 stellte der Beschwerdeführer einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gemäß § 56 Abs. 1 AsylG. Dem Antrag legte der Beschwerdeführer in Kopie einen Meldezettel, eine Geburtsurkunde, einen indischen Führerschein, eine E-Card, ein Sprachzertifikat Deutsch des Österreichischen Integrationsfonds Niveau Stufe A2 des Europarats, einen Versicherungsdatenauszug, einen Mietvertrag, einen Auszug aus einem Sparbuch, einen Auszug aus dem Gewerberegister, eine Jahresaufstellung betreffend die aufgrund eines Werkvertrages erhaltenen Beträge, eine Abrechnung betreffend den Lieferservice von 01.04.2015 bis 30.06.2015, ein Nachweis über das Zustellhonorar im Zeitraum 01.01.2015 bis 31.01.2015, 01.02.2015 bis 28.02.2015 sowie 01.06.2015 bis 30.06.2015, einen Zustelldienstvertrag, einen Meldezettel sowie eine Rot-Weiß-Rot - Karte plus betreffend den Schwager des Beschwerdeführers sowie dessen Reisepass, Geburtsurkunde und Lohngehaltsabrechnungen Mai und Juni 2015, einen Meldezettel betreffend die Schwester des Beschwerdeführers sowie deren Rot-Weiß-Rot - Karte plus, Heirats- und Geburtsurkunde, den Meldezettel sowie die Rot-Weiß-Rot - Karte plus, den indischen Reisepass sowie die Geburtsurkunde betreffend den Neffen des Beschwerdeführers, bei.

Am 03.09.2015 erfolgte seitens des BFA eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, wonach beabsichtigt sei, seinen Antrag auf Aufenthaltstitel abzulehnen und neuerlich eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

Mit Schriftsatz vom 21.09.2015 gab der Beschwerdeführer über seinen rechtsfreundlichen Vertreter eine Stellungnahme ab, wobei er im Wesentlichen Folgendes vorbrachte:

Die richtige Schreibweise seines Vornamens laute XXXX . Er sei erstmals am 26.04.2012 in das Bundesgebiet eingereist, sodass er bis zur Erlassung des Erkenntnisses vom 28.08.2014 jedenfalls rechtmäßig aufhältig gewesen sei. Die dem entgegenstehenden Behauptungen im Bescheid vom 14.04.2015 seien unrichtig. Gegen den Bescheid des BFA vom 14.04.2015 hätte ein Rechtsmittel ergriffen werden müssen. Entgegen den bisherigen Behauptungen der Behörde verfüge er im Bundesgebiet über ein Privat- und Familienleben.

In seiner Heimat werde seine Familie von einer anderen Familie fortwährend mit falschen Behauptungen bei der Polizei angezeigt. Eine Bestätigung des Bürgermeisters sowie seines Vaters lege er vor, aus welchen sich insbesondere ergebe, dass im Jahr 2012 zum Zeitpunkt ihrer Ausreise nur noch die Eltern in der Heimat gelebt hätten, da eine Schwester längst nach Kanada übersiedelt sei und eine andere Schwester bereits im Bundesgebiet mit Aufenthaltstitel verfestigt gewesen sei. Sein gesamtes Privat- und Familienleben ereigne sich somit innerhalb des Bundesgebietes, er sei im Bundesgebiet voll integriert, sei strafrechtlich und verwaltungsstrafrechtlich unbescholten, es gebe keine Verstöße gegen die öffentliche Ordnung und man könne durchaus von verzögerten Verfahrensabläufen sprechen, wenn das Erkenntnis des BVwG erst mehr als zwei Jahre nach Einbringung der Beschwerde erlassen worden sei und sich die Behörde mit ihrer Entscheidung zu Punkt III. des Asylbescheides wiederum acht Monate Zeit gelassen habe.

Er halte sich seit 26.04.2012, rechtmäßig bis 29.08.2014, im Bundesgebebiet auf. Seine Schwester, sein Neffe und sein Schwager sowie sein Bruder hielten sich im Bundesgebiet auf, weiters verwies der Beschwerdeführer auf eine österreichische Staatsbürgerin, die sein Schutzengel in jeder Hinsicht sei, ihm Deutschunterricht gebe, ihm bei Behördenwegen behilflich sei, sodass zu ihr tatsächlich ein echtes Sohn-Mutter-Verhältnis bestehe, welches dadurch noch intensiviert werde, dass sie durch ihre seinerzeitige Ehe mit einem indischen Staatsbürger teilweise Punjabi beherrsche. Mit den genannten Personen gebe es täglich Kontakte, sodass tatsächlich ein ausgeprägtes Privat- und Familienleben bestehe.

Während der Nachtzeit sei er als Zeitungszusteller mit Gewerbeschein tätig, während der Tageszeit als Speisenzusteller, wobei er auf die beiliegenden Unterlagen verweise. Die Wohnung werde von ihm und seinem Bruder in Untermiete bewohnt. Er könne keine Asylgründe geltend machen, doch wäre sein Leben bei einer Rückkehr dennoch gefährdet, weil eine Familie nach wie vor mit allen nur erdenklichen Attacken gegen seine Eltern vorgehe und zusätzlich bei korrupten Polizeibeamten deren Einsätze im elterlichen Wohnhaus organisiere, sodass die Führung eines normalen Lebens ausgeschlossen sei.

Er sei im Bundesgebiet voll integriert, habe sich die österreichischen Lebensgewohnheiten angeeignet, habe die Prüfung für das A2 Zeugnis innerhalb kürzester Zeit seines Aufenthaltes im Bundesgebiet positiv abgeschlossen und bestehe ein besonders inniges Verhältnis zu seinen Angehörigen sowie zu Frau XXXX , sodass es gilt, sein Privatleben zu schützen. Zusammenfassend stehe deshalb fest, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen ihn sowohl auf Dauer als auch vorübergehend wegen seines Privat- und Familienlebens im Bundesgebiet absolut unzulässig wäre, weshalb ihm bei vollständiger Abwägung der Fakten auch der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen sein werde. Auch wenn sich ein Großteil der Unterlagen bereits im Akt befinde, lege er die Unterlagen in Kopie (nochmals) vor. Der beantragte Reisepass sei ihm bis dato nicht ausgestellt worden, weil notorischerweise Reisepässe erst nach Erteilung des Aufenthaltstitels ausgestellt würden, weshalb er hiermit auch den Antrag gemäß § 4 AsylG -DV stelle. Er stelle daher die Anträge auf Abstandnahme von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung und stattdessen Bewilligung seines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Schutz seines Privat- und Familienlebens in eventu Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durch Einvernahme der Zeugen XXXX und XXXX sowie seiner Einvernahme, Einsichtnahme in die vorgelegten Urkunden und in weiterer Folge Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels, Beachtung der Bestimmung des § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV mit dem Hinweis darauf, dass er den Reisepass nach Erhalt des Aufenthaltstitels sofort nachreichen werde, sobald er ihm ausgestellt worden sei.

Mit Bescheid vom 30.10.2015 wies das BFA den "Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 30.04.2015" gemäß § 55 AsylG zurück, erließ gemäß § 10 Abs. 3 AsylG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG sowie stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig ist.

Gegen den genannten Bescheid des BFA erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.01.2017, Zahl W202 1426768-2/3E, wurde der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben, da der BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen" gemäß § 56 Abs. 1 AsylG gestellt habe, wogegen im angefochtenen Bescheid ein "Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 30.04.2015" sich dem Akteninhalt nicht entnehmen lässt.

Am 21.03.2017 wurde der BF seitens des BFA einvernommen, wobei der BF den Antrag gemäß § 56 AsylG gemäß § 58 Abs. 6 AsylG auf einen Antrag gemäß § 55 Abs. 1 AsylG abänderte. Diesen Antrag begründe er damit, dass er sich seit 5 Jahren in Österreich aufhalte. In Österreich lebten seine Schwester, sein Schwager, sein Neffe und sein Bruder. Diese seien alle in Besitz eines Aufenthaltstitels. In Indien habe er keine familiären Bindungen und Beziehungen mehr. Er sei in Österreich als Zeitungszusteller beschäftigt und habe er daher ein regelmäßiges Einkommen. Er sei in Besitz eines Sprachzertifikates Deutsch auf A2 Niveau, außerdem habe er auch eine Einstellungszusage. Weiters lege er eine Mietrechtsvereinbarung vor. Er könne derzeit noch keinen Reisepass vorlegen, da ihm bei der indischen Botschaft gesagt worden sei, dass er hiefür zumindest die Zusage für einen Aufenthaltstitel benötige. Er habe außer dem Reisepass alle erforderlichen Unterlagen im Original vorgelegt.

Der BF legte in der Folge Schreiben der indischen Botschaft vom 21. März 2017, vom 1. Mai 2017, vom 22. Jänner 2018, vom 23. Februar 2018 sowie vom 11. April 2018 alle betreffend das Verfahren zur Ausstellung eines Reisepasses für den BF vor.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid des BFA vom 12.07.2018, Zl. IFA 820506910/VZ:151110222, wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Absatz 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 3 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt II.) und wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III.). Weiters wurde der Antrag des BF vom 21.11.2017 auf Heilung eines Mangels nach § 8 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG-DV gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 und 3 und Abs. 2 AsylG-DV abgewiesen (Spruchpunkt IV.).

Begründend zu Spruchpunkt IV. führte das BFA aus, dass der BF bis dato keinerlei Beweise seiner Identität eingebracht habe. Trotz mehrerer Möglichkeiten und Aufforderungen seien von ihm keinerlei Unterlagen oder Beweise seiner Identität nachgereicht worden und habe er bis heute nicht belegen können, dass seine Identitätsangaben der Wahrheit entsprächen. Es bestehe seitens der Behörde der Verdacht, dass der BF unrichtige Angaben zu seiner Person gemacht haben könnte, um seine Identität zu verschleiern und so eine allfällige Außerlandesbringung zu vereiteln bzw. dass der BF sich einen Aufenthaltstitel erzwingen wolle. Daher sei sein Mängelheilungsantrag abzuweisen gewesen.

Zu Spruchpunkt I. führte das BFA aus, dass der BF der Behörde bis dato seine Identität nicht nachgewiesen habe, obwohl er zur Vorlage entsprechender Unterlagen aufgefordert worden sei. Er habe keinerlei Dokumente vorgelegt, die ansatzweise seine Angaben zu seiner behaupteten Identität untermauerten. Es seien von ihm lediglich Bestätigungen der indischen Botschaft über die Einreichung zur Ausstellung eines Reisepasses vorgelegt worden.

Dagegen wurde seitens des BF fristgerecht Beschwerde erhoben und vorgebracht, dass nach herrschender Lehre und Judikatur Anträge nur dann zurückgewiesen werden dürften, solange noch kein Ermittlungsverfahren stattgefunden habe, wovon bei einer Verfahrensdauer von drei Jahren keine Rede sein könne. Bezüglich eines Reisepasses sei auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes verwiesen, wonach es absolut unzulässig sei, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG trotz Vorliegens der hiefür erforderlichen Voraussetzungen wegen Nichtvorlage von Identitätsdokumenten zurückzuweisen. Von der indischen Botschaft würden Reisepässe nicht innerhalb kürzester Zeit ausgestellt, die Ausstellung derselben wäre grundsätzlich an die Vorlage eines Aufenthaltstitels geknüpft und man könne die Ausstellung nicht erzwingen, wodurch ihm alleine aus diesem Grund der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen gewesen wäre. Der BF stellte die Anträge, ihm den beantragten Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG zu erteilen, in eventu den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und der belangten Behörde unter Vorgabe der Rechtsanschauung des angerufenen Gerichts die Abführung eines gesetzeskonformen Verfahrens vorzugeben, in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und nach Ergänzung des Ermittlungserfahrens in merito neu in Richtung Antragsbewilligung zu entscheiden, eine Beschwerdeverhandlung durchzuführen, die Frist für die freiwillige Ausreise bis 31.07.2020 zu verlängern, seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter von sämtlichen gerichtlichen Verfügungen und Ermittlungsergebnissen in Kenntnis zu setzen sowie die belangte Behörde gemäß § 53 VwGVG schuldig zu erkennen, ihm die Kosten für das Beschwerdeverfahren wegen ihres absolut rechtswidrigen Verhaltens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu Handen des Beschwerdeführervertreters zu bezahlen.

Mit Schreiben des rechtsfreundlichen Vertreters vom 10.09.2018 gab der BF bekannt, dass ihm nunmehr von der Botschaft ein Reisepass mit Gültigkeit bis 23.08.2020 erteilt worden sei, welchen er unter einem hiemit unter nochmaligem Hinweis auf die ausdrückliche Zusage der Behörde vom 01.03.2017 vorlege. Unter Hinweis auf all seine Dokumente, ausgenommen die korrigierte Geburtsurkunde, sein Vorname mit W geschrieben worden sei und werde, lege er hiezu die Matrikulationsprüfung vom Juni 2002 sowie seinen Meldezettel vor und stelle dementsprechend den Vornamen so, wie von ihm immer behauptet, richtig auf XXXX . Beigelegt wurden in Kopie ein Meldezettel, eine "Matrikulationsprüfung" in Deutsch und in Punjabi bzw. Englisch, ein Reisepass ausgestellt am 24.08.2018 in Wien mit einer Gültigkeit bis 23.08.2020.

In der Folge brachte der BF beim Verwaltungsgerichtshof einen Fristsetzungsantrag ein, und wurde dem Bundesverwaltungsgericht mit verfahrensleitender Anordnung des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.03.2019, eingelangt am 26.03.2019, aufgetragen, binnen 3 Monaten die Entscheidung zu erlassen und eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie derselben sowie eine Kopie des Nachweises über die Zustellung der Entscheidung an die antragstellende Partei dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege.

Am 04.06.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in gegenständlicher Sache eine öffentlich mündliche Verhandlung durch, in der der BF sowie die beantragten Zeuginnen einvernommen wurden.

II. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich unzweifelhaft aus den Verwaltungs- und Gerichtsakten.

III. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i. d. F. BGBl I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. I 1961/194, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. I 1950/173, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl I 1984/29, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA VG, BGBl I 2012/87 i. d. F. BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und 8 Abs. 7 BFA VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu Spruchteil A 1.):

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist gemäß § 58 Abs. 11 AsylG 2005 das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen (Z 1) oder der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen (Z 2). Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

Gemäß § 8 Abs. 1 der AsylG-DV sind folgende Urkunden und Nachweise - unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise nach den Abs. 2 und 3 leg. cit. - im amtswegigen Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 3) beizubringen oder dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels (§ 3) anzuschließen:

1. gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG);

2. Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument;

3. Lichtbild des Antragstellers gemäß § 5;

4. erforderlichenfalls Heiratsurkunde, Urkunde über die Ehescheidung, Partnerschafts-urkunde, Urkunde über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, Urkunde über die Annahme an Kindesstatt, Nachweis oder Urkunde über das Verwandtschaftsverhältnis, Sterbeurkunde."

Gemäß § 4 Abs. 1 AsylG-DV kann die Behörde auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG 2005 zulassen:

1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls,

2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK oder

3. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs. 1 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber gemäß Abs. 2 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Gemäß 28 Abs.1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß Abs. 2 leg.cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß Abs. 5 leg.cit. sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs darf ein Verwaltungsgericht auf Grund einer gegen eine Zurückweisung erhobenen Beschwerde nur über die Rechtmäßigkeit des Zurückweisungsbescheides, nicht hingegen über den Antrag selbst entscheiden. (vgl. dazu etwa VwGH 12.10.2015, Zl. Ra 2015/22/0115, mit Verweis auf VwGH 29.04.2015, Zl. 2013/08/013627.01.2010).

"Sache" im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG und demnach Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht ist im vorliegenden Fall die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK vom 15.06.2016 durch das BFA (vgl. VwGH 12.10.2015, Zl. Ra 2015/22/0115, mit Verweis auf VwGH 18.12.2014, Zl. Ra 2014/07/0002, 0003; VwGH 23.06.2015, Zl. Ra 2015/22/0040; VwGH 16.09.2015, Zl. Ra 2015/22/0082 bis 0084).

Soweit die Behörde in Bezug auf die Nichtzulassung der Heilung eines Mangels nach § 8 AsylG-DV ausführt, dass der BF keinerlei Beweise für seine Identität eingebracht habe, so ist dem entgegen zu halten, dass der BF eine Geburtsurkunde vorgelegt hat und die Behörde hinsichtlich der Nichtvorlage des Reisepasses im Rahmen des Verfahrens nach § 4 Abs. 1 AsylG-DV vollkommen übergeht, dass der BF mehrere Schreiben der indischen Botschaft vorgelegt hat, denen zu entnehmen ist, dass sich der BF laufend um die Ausstellung eines Reisepasses bei der indischen Botschaft in Wien bemühte, sodass dem BF eine Heilung im Sinne des § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV zuzugestehen gewesen wäre, zumal das BFA im angefochtenen Bescheid die Authentizität dieser Schreiben nicht in Zweifel zog. Zudem wurde dem BF mittlerweile seitens der indischen Botschaft in Wien ein Reisepass ausgestellt, weshalb es einer diesbezüglichen Heilung nicht mehr bedarf.

Weiters ist darauf hinzuweisen, dass der BF schon im Verfahren vor der Behörde unter anderem die Einvernahme der Schwester des BF beantragt hatte, sodass die Ansicht der Behörde, der BF habe bis dato keinerlei Beweise seiner Identität eingebracht, unzutreffend ist, da die Schwester des BF dessen Identität hätte bezeugen können.

Es ist daher nicht haltbar, dass das BFA den Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK mit der Begründung zurückgewiesen hat, dass der BF der Behörde bis dato seine Identität nicht nachgewiesen habe, obwohl er zur Vorlage entsprechender Unterlagen aufgefordert worden sei. Insgesamt betrachtet kann daher entgegen den Ausführungen der Behörde nicht erkannt werden, dass der BF seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nachgekommen sei. Dass aber kein geänderter Sachverhalt seit der letztmaligen Rückkehrentscheidung vorliege, wurde vom BFA nicht dargetan und ist schon im Hinblick darauf, dass bereits mehrere Jahre seit der letzten Rückkehrentscheidung vergangen sind, nicht zu erkennen.

Da die übrigen Spruchpunkte an die Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG anknüpfen, war der angefochtene Bescheid insgesamt zu beheben, sodass der gegenständliche Antrag seitens der Behörde neu zu entscheiden sein wird.

Zu Spruchteil A 2.):

Aus Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG folgt, dass die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über Verhaltensbeschwerden nicht bereits aufgrund der Verfassung besteht, sondern durch Landes- oder Bundesgesetz erst begründet werden muss. Zu einer solchen Regelung wird der Gesetzgeber durch Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG ermächtigt, aber nicht verpflichtet.

Worin der BF eine Regelung des Gesetzgebers erblickt, die es ihm im gegenständlichen Fall erlaubte, eine Verhaltensbeschwerde einzubringen, tut dieser nicht dar. Vielmehr handelt es sich beim gegenständlichen Verfahren um eine Bescheidbeschwerde, nicht jedoch um eine Verhaltensbeschwerde. Im Rahmen der gegenständlichen Bescheidbeschwerde findet aber nach den einschlägigen Bestimmungen ein Kostenersatz nicht statt. Der Antrag auf Kostenersatz war daher zurückzuweisen.

Zum Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK, Behebung der
Entscheidung, Heilung, Identität, Kostenersatz, Mitwirkungspflicht,
Reisedokument, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W202.1426768.3.00

Zuletzt aktualisiert am

26.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten