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L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerden 1. des AM,
2. der JM und 3. des MM, alle in I und alle vertreten durch D, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 19. September 1994, Zl. MD/Präs.Abt.II-3073/1994, betreffend Nachbareinwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: T Ges.m.b.H. in I), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Innsbruck hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.930,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde über Berufung der mitbeteiligten Partei gegen die Abweisung ihres Bauansuchens durch die Behörde erster Instanz der mitbeteiligten Partei die Baubewilligung zur Errichtung einer Einfriedungsmauer an der Südseite und an der Ostseite ihres Grundstückes in einer maximalen Höhe von 2,0 m, gemessen von der Oberkante des anschließenden Nachbarsockelmauerwerkes erteilt.
Die Beschwerdeführer sind Eigentümer der an der Ostgrenze des Grundstückes der mitbeteiligten Partei anschließenden Liegenschaft. Die im angefochtenen Bescheid im Spruch genannte Nachbarsockelmauer, von deren Oberkante die zulässige Höhe der bewilligten Mauer nach dem Spruch zu berechnen wäre, ist die auf dem Grundstück der Beschwerdeführer vor rund 30 Jahren errichtete Stützmauer, die die Terrasse auf dem Grundstück der Beschwerdeführer stützt.
Südlich des auf dem Grundstück der Beschwerdeführer errichteten Wohnhauses war vor 30 Jahren durch Aufschüttung des Geländes entlang der Grundstücksgrenze zur mitbeteiligten Partei eine Terrasse errichtet worden. An der Grundstücksgrenze zur mitbeteiligten Partei wurde im Einvernehmen mit dem Rechtsvorgänger der mitbeteiligten Partei eine Stützmauer errichtet, die für die Aufschüttung der Terrasse notwendig war.
Das Ansuchen der mitbeteiligten Partei wurde in erster Instanz abgewiesen, da die Stützmauer ein Bauwerk darstelle und bei der Berechnung der Höhe der beantragten Einfriedungsmauer gemäß § 7 Abs. 6 lit. b der Tiroler Bauordnung 1989 nicht von der Oberkante dieser Mauer ausgegangen werden könnte.
Die mitbeteiligte Partei erhob Berufung; mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung Folge gegeben und die Baubewilligung erteilt. Die maximale Höhe der Mauer, gemessen von der Oberkante der anschließenden Nachbarsockelmauer, wurde mit 2,0 m festgelegt. Die belangte Behörde ging dabei davon aus, dass die Oberkante des anschließenden Nachbarsockelmauerwerkes (der Mauer auf dem Grundstück der Beschwerdeführer) das Gelände darstelle, von dem aus die Höhe im Sinne des § 7 Abs. 6 Tiroler Bauordnung 1989 zu messen sei.
Den Ausführungen in der Berufung der mitbeteiligten Partei gegen die Abweisung ihres Bauansuchens wurde im wesentlichen beigepflichtet. Nach § 7 Abs. 6 lit. b TBO 1989 dürften in den Abstandsflächen, die sich aus den Mindestabständen von 3 oder 4 m nach Abs. 1 dieser Gesetzesstelle ergäben, Einfriedungen und Stützmauern bis zu einer Höhe von 2 m, im Gewerbe- und Industriegebiet bis zu einer Höhe von 2,80 m, jeweils vom höheren anschließenden Gelände gemessen, errichtet werden.
Entgegen der von den Beschwerdeführern im Verwaltungsverfahren vertretenen Auffassung, dass die auf ihrem Grundstück erfolgte Terrassenaufschüttung als bauliche Anlage zu qualifizieren sei und damit keine Niveauveränderung im Geländeverlauf stattgefunden habe, sei davon auszugehen, dass durch die vor 30 Jahren erfolgte Geländeaufschüttung unter gleichzeitiger (nicht bewilligter) Errichtung einer entsprechenden Hangstützmauer sich der Geländeverlauf sehr wohl verändert habe, auch wenn das nunmehrige erhöhte Gelände als (seinerzeit nicht bewilligungspflichtige) Terrasse genützt werde. Die Beurteilung des Sachverhaltes im Sinne der Beschwerdeführer hätte zur Folge, dass keiner der Nachbarn an der gemeinsamen Grundgrenze eine Einfriedung bewilligt erhalten könnte, da das durch die Aufschüttung erzielte Niveau ca. 2 m über dem natürlichen Gelände läge und sohin jede Art von Einfriedung die zulässige Höhe von 2,0 m überschreiten würde. Eine derartige Ansicht könne nicht im Sinne der anzuwendenden Bestimmung des § 7 Abs. 6 lit. b TBO 1989 gelegen sein, sodass davon auszugehen sei, dass die vor 30 Jahren erfolgte Geländeaufschüttung auf dem Nachbargrundstück der Beschwerdeführer zu einer Erhöhung des Niveaus des natürlichen Geländes geführt habe, sodass bei einem Ansuchen zur Errichtung einer Einfriedungsmauer an dieser Geländekante entsprechend § 7 Abs. 6 lit. b TBO 1989 vom höheren anschließenden Gelände auszugehen gewesen sei. Der Berufung sei sohin Folge zu geben und die Baubewilligung zu erteilen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung im Recht auf Unterlassung der Errichtung einer Grenzmauer innerhalb der Abstandsfläche, die eine Höhe von 2,0 m gemessen vom natürlichen Geländeverlauf aus überschreite, geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 7 Abs. 6 der Tiroler Bauordnung 1989, LGBl. Nr. 33, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 7/1994, lautet:
"(6) In den Abstandsflächen, die sich aus den Mindestabständen von drei oder vier Metern nach Abs. 1 ergeben, dürfen folgende bauliche Anlagen errichtet werden:
a) oberirdische bauliche Anlagen, wenn die Höhe der der Grundstücksgrenze zugekehrten Wand 2,80 Meter, bei baulichen Anlagen im Gewerbe- und Industriebetrieb sowie bei Glashäusern für gärtnerische Zwecke 3,50 Meter nicht übersteigt,
b) Einfriedungen und Stützmauern bis zu einer Höhe von zwei Metern, im Gewerbe- und Industriebetrieb bis zu einer Höhe von 2,80 Metern, jeweils vom höheren anschließenden Gelände gemessen, außer der betroffene Nachbar stimmt einer größeren Höhe ausdrücklich zu, und
c) unterirdische bauliche Anlagen."
Strittig ist im Beschwerdefall, ob die Berechnung der Wandhöhe für die beantragte Einfriedungsmauer vom Niveau der auf dem Grundstück der Beschwerdeführer vor 30 Jahren errichteten Terrasse zu berechnen ist, oder ob - wie die Beschwerdeführer meinen - der entsprechende Bezugspunkt auf der Höhe des Geländes auf dem Grundstück der Beschwerdeführer anzunehmen ist.
Zunächst ist festzustellen, dass die Annahme der belangten Behörde, dass die Aufschüttung auf dem Grundstück der Beschwerdeführer in den sechziger Jahren nach der Tiroler Landesbauordnung, LGBl. Nr. 1/1901, wiederverlautbart mit Verordnung LGBl. Nr. 12/1928, bewilligungsfrei gewesen sei, unzutreffend ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1964, Zl. 1650/63, zur Errichtung einer "Terrassenmauer (einer die Terrasse tragenden Mauer)", welche gemäß § 45 Abs. 1 Tiroler Landesbauordnung als bewilligungspflichtig qualifiziert wurde).
Es kann insofern nicht davon ausgegangen werden, dass die Aufschüttung eine ohne Bewilligung zulässige Maßnahme darstellte, die insoferne auch die Schaffung eines "anschließenden Geländes" im Sinne des § 7 Abs. 6 lit. b TBO 1989 bewirkt hätte.
Zur Frage, von welchem Niveau man bei der Berechnung nach § 7 Abs. 6 TBO auszugehen hat, ist vielmehr auf folgendes zu verweisen:
Ein Vergleich mit der in § 7 Abs. 2 TBO für die Berechnung von Wandhöhen allgemein verankerten Regelung, der zufolge für die Berechnung der Wandhöhe nicht auf den projektierten, sondern auf den ursprünglichen Geländeverlauf abzustellen ist, spricht dafür, dass auch im Rahmen des § 7 Abs. 6 TBO vom ursprünglichen Gelände auszugehen ist. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. November 1997, Zl. 97/06/0167, ausgeführt hat, ist dann, wenn die Veränderung der Höhenlage des Geländes im Zusammenhang mit einer bereits erfolgten (und bewilligten) Bauführung durchgeführt wurde, auch im Falle eines weiteren Bauvorhabens von der Höhenlage vor der ersten Veränderung des Geländes auszugehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat schließlich Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 94/06/0203, diese allgemeine Regelung auch im Falle des § 7 Abs. 6 TBO angewendet.
Damit ergibt sich, dass die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, wenn sie für die Berechnung der Höhe der Einfriedungsmauer der mitbeteiligten Partei vom Niveau der Oberkante der Stützmauer auf dem Grundstück der Beschwerdeführer ausgegangen ist.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des Antrages auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 17. Dezember 1998
Schlagworte
Baubewilligung BauRallg6 Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1994060223.X00Im RIS seit
23.05.2001