Entscheidungsdatum
24.01.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
G310 2173295-1/9E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Gaby WALTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, StA. Serbien, vertreten durch den Verein Menschrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.09.2017, Zl. XXXX, beschlossen:
A) Die Beschwerde wird wegen Beschwerdeverzichts als unzulässig
zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit dem oben im Spruch angeführtem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), die Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien festgestellt (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 7 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) sowie gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) in den Räumlichkeiten der Regionaldirektion Niederösterreich des BFA persönlich gegen Unterschriftleistung am 27.09.2017 ausgefolgt. Sowohl Spruch als auch die Rechtsmittelbelehrung weisen jeweils eine Übersetzung in die serbische Sprache auf. Im Bescheid wurde auch der Inhalt der niederschriftlichen Einvernahme in der Regionaldirektion Niederösterreich im Beisein eines Dolmetschers wiedergegeben und heißt es auf Seite 6 des Bescheides:
"LA: Sind Sie bereit einen Beschwerdeverzicht zu unterzeichnen?
A: Ja ich werde einen Beschwerdeverzicht unterzeichnen."
Diese Niederschrift liegt im Akt auf, wurde dem BF rückübersetzt und auf jeder Seite von ihm unterschrieben.
In weiterer Folge unterschrieb der BF am 27.09.2017 den im Akt aufliegenden Beschwerdeverzicht (AS 83-85). Diesem ist unter anderem folgender Wortlaut zu entnehmen:
"Ich habe die mir vorgetragene Belehrung verstanden und gebe dazu an, dass ich dennoch auf die Einbringung einer Beschwerde zu oa. Zahl verzichte! Mir ist bewusst, dass mein Verzicht zur sofortigen Rechtskraft des erstinstanzlichen Bescheides führt."
Dieser Beschwerdeverzicht enthält auch eine Übersetzung in die serbische Sprache.
Am 29.09.2017 langte beim BFA der Antrag des BF auf Gewährung einer Rückkehrhilfe ein. Der BF reiste noch am selben Tag freiwillig aus Österreich aus.
Mit Schriftsatz des bevollmächtigten Rechtsvertreters vom 05.10.2017 wurde Beschwerde gegen den im Spruch angeführten Bescheid erhoben.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) vorgelegt und langten am 13.10.2017 beim BVwG ein.
Mittels Schriftsatz vom 12.12.2018 wurde der RV über den im Akt aufliegenden Rechtsmittelverzicht informiert und aufgefordert dazu Stellung zu nehmen.
Die Stellungnahme langte am 19.12.2018 beim BVwG ein und geht daraus hervor, dass mit dem BF am 29.09.2017 ein Rechtsberatungsgespräch in seiner Muttersprache geführt worden sei. Er habe erklärt, dass er mit der Rückkehrentscheidung einverstanden sei und freiwillig ausreisen möchte. Jedoch wolle er gegen das Einreiseverbot eine Beschwerde erheben. Dem RV sei bis zum 12.12.2018 nicht bekannt gewesen, dass der BF einen Rechtsmittelverzicht unterschrieben habe.
Dazu sei aber Folgendes zu sagen: Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einem Rechtsmittelverzicht keine Wirkung zu, wenn dieser Willensäußerung jene allgemeinen Erfordernisse fehlen, die für das Zustandekommen einer rechtsverbindlichen Willenserklärung gelten. Ein Irrtum iSd § 871 ABGB schließt die Wirksamkeit eines Rechtsmittelverzichtes aus. Nach dieser Bestimmung besteht für den Erklärenden ua dann keine Verbindlichkeit, falls er in einem wesentlichen Irrtum befangen und dieser durch den anderen Teil veranlasst war. Veranlassen umfasst in diesem Zusammenhang jedes für die Entstehung des Irrtums ursächliche Verhalten des anderen. Die Irreführung muss weder vorsätzlich noch fahrlässig erfolgen (vgl. beispielsweise die Erkenntnisse vom 3. Juni 1953, 213/51, Slg Nr 774/F und vom 26. Juni 1975, 1268/74, Slg Nr 8860/A). Im vorliegenden Fall könne nicht mit Sicherheit angenommen werden, dass dem BF bewusst gewesen sei, dass er einen Rechtsmittelverzicht unterschrieben habe.
Bei der Abgabe des Rechtsmittelverzichtes lagen keine Willensmängel vor.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsakts des BVwG.
Gegen einen Irrtum über die Tragweite einer Unterzeichnung des Beschwerdeverzichtes sprechen die Tatsachen, dass der BF bereits im Rahmen der Einvernahme im Beisein eines Dolmetschers angegeben hat, auf eine Beschwerde zu verzichten, obwohl er zuvor darüber in Kenntnis gesetzt wurde, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot beabsichtigt ist, und dass er nach persönlicher Übernahme des Bescheides schriftlich (in serbischer Sprache) über den Beschwerdeverzicht und die damit verbundenen Folgen informiert und dieser von ihm in weiterer Folge unterschrieben wurde.
Der BF wurde somit sowohl mündlich als auch schriftlich in seiner Muttersprache zu einem Rechtsmittelverzicht befragt bzw. darüber informiert. Hinweise auf Verständigungsprobleme konnten dem bisherigen Verwaltungsverfahren nicht entnommen werden und ist daher davon auszugehen, dass diese Erklärung dem Willen des BF entspricht.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Gemäß § 7 Abs. 2 VwGVG ist eine Beschwerde nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.
Auch wenn sich die Erläuterungen zu § 7 Abs. 2 VwGVG insofern nicht explizit auf § 63 Abs. 4 AVG beziehen, hat der Gesetzgeber doch offenkundig auch die darin enthaltene Regelung auf die Beschwerde an die Verwaltungsgerichte übertragen, womit auch die näheren Bedingungen für einen wirksamen Verzicht grundsätzlich sinngemäß übernommen wurden (vgl. Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 7 VwGVG Rz 40 (Stand 15.02.2017, rdb.at)).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (im Folgenden: VwGH) ist der Beschwerdeverzicht eine von der Partei vorgenommene Prozesshandlung, der die Wirkung anhaftet, dass eine von der Partei eingebrachte Beschwerde einer meritorischen Erledigung nicht zugeführt werden darf. Ein einmal ausgesprochener Beschwerdeverzicht kann auch nicht mehr zurückgenommen werden. Das Vorliegen eines Beschwerdeverzichtes ist besonders streng zu prüfen und es ist ein anlässlich der Abgabe eines Beschwerdeverzichts vorliegender Willensmangel zu Gunsten der Partei zu beachten. Voraussetzung für einen gültigen Beschwerdeverzicht ist weiters, dass er ohne Druck und in Kenntnis seiner Rechtsfolgen abgegeben wird (vgl. VwGH vom 12.05.2005, 2005/02/0049).
Für den Beschwerdeverzicht bestehen keine besonderen Formvorschriften, jedoch muss dieser ausdrücklich und zweifelsfrei erklärt werden und frei von Willensmängeln sein; liegt ein Willensmangel vor, ist der Verzicht unwirksam. Die Rechtsprechung wendet dabei sinngemäß die Regeln des Zivilrechts über den Irrtum, insbesondere § 871 ABGB, an. Demnach kommt eine rechtsverbindliche Willenserklärung der verzichtenden Partei unter anderem dann nicht zustande, wenn sie in einem wesentlichen Irrtum befangen und dieser "durch den anderen Teil", dh. durch den Organwalter der Behörde, "veranlasst war". "Veranlassen umfasst in diesem Zusammenhang jedes für die die Entstehung des Irrtums ursächliche Verhalten des Organwalters, wobei nicht gefordert ist, dass die Irreführung schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig, herbeigeführt wurde. Ein Willensmangel liegt aber beispielsweise auch dann vor, wenn die Partei durch eine irreführende oder unvollständige Rechtsbelehrung falsche Vorstellungen über die Folgen und Möglichkeiten einer Beschwerde bekommen hat. Neben der Kenntnis seiner Rechtsfolgen ist Voraussetzung für einen gültigen Beschwerdeverzicht auch, dass die Partei nicht von der Behörde in rechtswidriger Weise durch Druck, Zwang oder Drohung zur Abgabe bestimmt wurde. Abgesehen davon kommt es aber auf die Absichten, Motive und Beweggründe, welche die Partei zum Verzicht veranlasst haben, nicht an (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 63 Rz 75-76 (Stand 01.07.2007, rdb.at)).
Ein Beschwerdeverzicht eines Fremden ist ohne Beiziehung eines Dolmetschers nur dann wirksam, wenn feststeht, dass der Fremde im Zeitpunkt der Abgabe des Beschwerdeverzichtes der deutschen Sprache hinlänglich mächtig war, um sich der Tragweite seines Verzichtes bewusst zu sein und ein Willensmangel ausgeschlossen werden kann (vgl. VwGH vom 27.04.2016, Ra 2015/10/0111).
Ein Beschwerdeverzicht kann - und zwar durch ausdrückliche Erklärung - erst nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides und während der Rechtsmittelfrist erfolgen (vgl. VwGH vom 16.11.2016, Ra 2016/02/0227).
Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind an einen wirksamen Beschwerdeverzicht strenge Maßstäbe anzulegen, um einen Willensmangel bei seiner Abgabe ausschließen zu können. Dieser strenge Beurteilungsmaßstab erfordert eine hinreichende Ermittlung der Umstände, unter welchen der Verzicht abgegeben wurde, um dessen Wirksamkeit beurteilen zu können. Die Rückkehrvorbereitung durch einen Rechtsberater kann die gesetzlich zwingend vorgesehene Rechtsberatung durch den dazu bestellten Rechtsberater nicht ersetzen. Zweck der Rechtsberatung ist es, den Asylwerber im Verwaltungsverfahren und im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zu beraten, was die Beratung darüber einschließt, ob eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden soll. Damit hat sich die Rechtsberatung aber jedenfalls auf all jene Rechtshandlungen zu beziehen, die diese Fragen in irgendeiner Weise endgültig entscheiden. Die Abgabe eines Rechtsmittelverzichtes zählt jedenfalls dazu (VfGH vom 12.03.2014, U 1286/2013; vom 26.02.2014, U 489/2013).
Im gegenständlichen Fall hat der BF nach der an ihn durch persönliche Übergabe am 27.09.2017 bewirkten Zustellung des nunmehr angefochtenen Bescheides nach entsprechender Manuduktion durch die belangte Behörde schriftlich einen Rechtsmittelverzicht abgegeben.
Die Rechtsfolge des Rechtsmittelverzichtes ist dem BF ausdrücklich erklärt worden, sodass ein Irrtum ausgeschlossen werden kann.
Der nunmehrige bevollmächtigte Rechtsvertreter des BF vermochte nicht dazulegen, weswegen nicht von einem rechtswirksamen Rechtsmittelverzicht ausgehen ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde gemäß § 7 Abs. 2 VwGVG als unzulässig zurückzuweisen, weshalb auch nicht näher auf die inhaltlichen Beschwerdegründe einzugehen war.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Beschwerdeverzicht, RechtswirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G310.2173295.1.00Zuletzt aktualisiert am
16.07.2019