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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art130 Abs4Betreff
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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte MMag. Maislinger sowie Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des A H in K in T, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 11. Dezember 2018, Zlen. LVwG- 2018/18/2233-3 und LVwG-2018/18/2282-3, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz und Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 27. Juni 2018 (zugestellt an den Revisionswerber) ordnete die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel die Beschlagnahme von zwei näher bezeichneten Glücksspielgeräten gemäß § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a Glücksspielgesetz (GSpG) an. 2 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 4. September 2018 wurde der Revisionswerber der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 iVm § 2 Abs. 2 und 4 und § 4 GSpG für schuldig erkannt und über ihn gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG eine Geldstrafe in Höhe von 3.000 EUR (und falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden) verhängt. 3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol die vom Revisionswerber gegen den Beschlagnahmebescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Das Landesverwaltungsgericht gab der vom Revisionswerber gegen das Straferkenntnis erhobenen Beschwerde insoweit Folge, als es die von der Behörde verhängte Geldstrafe zu dem in Punkt I. angeführten Glücksspielgerät auf 1.000 EUR (Ersatzfreiheitsstrafe: 7 Stunden) sowie die von der Behörde verhängte Geldstrafe zu dem in Punkt II. angeführten Glücksspielgerät auf 1.200 EUR (Ersatzfreiheitsstrafe: 9 Stunden) herabsetzte und den Spruch abänderte, sodass er wie folgt lautet:
" Zum Gerät zu Punkt I. wird die Tatzeit auf 25.12.2017 bis 02.02.2018, zum Gerät zu Punkt II. auf 01.12.2017 bis 02.02.2018, jeweils in diesen Zeiträumen während der Öffnungszeit des Lokales an den Wochenenden von Freitag bis einschließlich Sonntag eingeschränkt, es wird jeweils eine Verwaltungsübertretung nach § 52 Abs 1 Z 1, drittes Tatbild, iVm § 2 Abs 4 des Glücksspielgesetzes, BGBl Nr 620/1989 in der Fassung BGBl I Nr 118/2016, zur Last gelegt, und werden die Strafen jeweils nach § 52 Abs 2, erster Strafsatz, leg cit verhängt."
(Spruchpunkt 1.). Das Landesverwaltungsgericht bestimmte den Verfahrenskostenbeitrag in erster Instanz zu Punkt I. des Straferkenntnisses mit 100 EUR und zu Punkt II. mit 120 EUR. Außerdem sprach es aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei (Spruchpunkt 3.). 4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in
nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer
außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Zum Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C- 390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12. 9 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH u.a., C- 685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55; sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, Rn. 24 ff). 10 Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers steht das in § 14 Abs. 3 GSpG statuierte Erfordernis eines Sitzes im Inland bzw. der davon normierten Ausnahme, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft in ihrem Sitzstaat über eine vergleichbare Lotterienkonzession verfügt und einer vergleichbaren staatlichen Glücksspielaufsicht unterliegt, die im Sinne des § 19 GSpG der österreichischen Aufsicht erforderlichenfalls Kontrollauskünfte übermittelt und für sie Kontrollmaßnahmen vor Ort durchführt, nicht mit Unionsrecht im Widerspruch (vgl. näher VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, Rn. 34 ff). In diesem Zusammenhang stellt sich daher vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.
11 Mit dem Vorbringen, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Verbot der "reformatio in peius", vermag der Revisionswerber ebenfalls keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. 12 In Verwaltungsstrafsachen haben die Verwaltungsgerichte jedenfalls, also ohne dass die ausnahmsweise nach § 28 VwGVG bestehende Möglichkeit zur Aufhebung des Bescheids zum Tragen kommen könnte (vgl. dazu VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, und die daran anschließende Folgejudikatur), in der Sache selbst zu entscheiden (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist). Diese grundsätzliche Verpflichtung zu einer reformatorischen Entscheidung ist schon verfassungsgesetzlich vorgegeben (Art. 130 Abs. 4 erster Satz B-VG) und wird einfachgesetzlich in § 50 VwGVG wiederholt bzw. konkretisiert (vgl. VwGH 22.2.2018, Ra 2017/11/0066). 13 Das Verbot der "reformatio in peius" ("Verschlimmerungsverbot"), geregelt in § 42 VwGVG, normiert, dass auf Grund einer vom Beschuldigten oder auf Grund einer zu seinen Gunsten erhobenen Beschwerde in einem Erkenntnis oder in einer Beschwerdevorentscheidung keine höhere Strafe verhängt werden darf als im angefochtenen Bescheid.
14 Der genannte Grundsatz verlangt die Herabsetzung der Höhe der Strafe im Fall einer Einschränkung des Tatzeitraums oder einer sonstigen "qualitativen oder quantitativen Reduktion" des Tatvorwurfs, sofern nicht andere Strafbemessungsgründe heranzuziehen sind, die eine Beibehaltung der festgesetzten Strafhöhe dennoch rechtfertigen. Ein Verstoß gegen das Verbot der "reformatio in peius" liegt auch dann nicht vor, wenn das Verwaltungsgericht im Rahmen der vorzunehmenden eigenen Bewertung von Milderungs- und Erschwerungsgründen trotz Wegfalls eines von der Verwaltungsstrafbehörde für die Bemessung der Strafe herangezogenen Erschwerungsgrundes die verhängte Strafe nicht herabsetzt, wenn andere Umstände vorlagen, die es rechtfertigen, das Ausmaß der verhängten Strafe für angemessen zu halten (vgl. VwGH 22.2.2018, Ra 2017/11/0066).
15 Bei der Strafbemessung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Vom Verwaltungsgerichtshof ist daher (bloß) zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, das heißt, ob die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Strafbemessungsgründe vertretbar erscheint (vgl. VwGH 19.12.2018, Ra 2018/15/0106, mwN).
16 Diesen Anforderungen ist das Landesverwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis nachgekommen. Das Landesverwaltungsgericht begründete die Aufteilung und Herabsetzung der gegenüber dem Revisionswerber verhängten Geldstrafen bezüglich des ersten Glücksspielgerätes auf 1.000 EUR (samt Reduzierung der Ersatzfreiheitsstrafe auf 7 Stunden) und bezüglich des zweiten Glücksspielgerätes auf 1.200 EUR (samt Festsetzen der Ersatzfreiheitsstrafe auf 9 Stunden) damit, dass "der Beschuldigte unbescholten ist und damit dieser gewichtige Milderungsgrund gegeben ist". Als erschwerend zog das Landesverwaltungsgericht keine Gründe heran.
17 Das Landesverwaltungsgericht hat demnach eine neue, den Vorgaben der §§ 19, 22 VStG und § 42 VwGVG Rechnung tragende Strafbemessung vorgenommen und somit nicht gegen das Verbot der "reformatio in peius" verstoßen.
18 Dadurch, dass das Landesverwaltungsgericht die von der Behörde verhängte Gesamtstrafe auf zwei Strafen aufteilte und insgesamt verringerte, wurde der Revisionswerber nicht in seinen Rechten verletzt.
19 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 28. Mai 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019150019.L00Im RIS seit
23.08.2019Zuletzt aktualisiert am
30.08.2019