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19/05 Menschenrechte;Norm
AufG 1992 §6 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des 1946 geborenen T I in Wien, vertreten durch Dr. H K, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. Juli 1997, Zl. 122.299/2-III/11/97, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte durch seinen Rechtsvertreter mit Schreiben vom 18. Dezember 1996 einen als "Verlängerungsantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 16. Jänner 1997 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Als derzeitigen Wohnsitz gab der Beschwerdeführer auf dem Antragsformular eine Adresse im 4. Wiener Gemeindebezirk an. Im Begleitschreiben des Rechtsvertreters wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei im Herbst 1990 nach Österreich eingereist und habe um politisches Asyl angesucht. In einem ihm als Ausländer nicht gänzlich verständlichen Bescheid sei ihm mitgeteilt worden, er habe seinen Asylantrag verspätet gestellt, es werde ihm aber dennoch eine "Aufenthaltsbewilligung" erteilt, um ihm Gelegenheit zu geben, den Ausgang des Feststellungsverfahrens abwarten zu können. Seitdem habe der Beschwerdeführer zu seinem Asylantrag nichts mehr gehört. Im Verwaltungsakt erliegt (vgl. OZ. 17) eine Kopie eines Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 15. November 1990, derzufolge dem Beschwerdeführer gemäß § 2 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 1954 eine Aufenthaltsberechtigung für das Bundesgebiet bis zum 15. Mai 1991 erteilt wird.
Mit Bescheid vom 16. April 1997 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag mangels einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer hätte als abgewiesener Asylwerber einen Antrag nach dem Aufenthaltsgesetz vor einer weiteren Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen gehabt.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, es sei ihm "kürzlich" im Rahmen von Erhebungen der Fremdenpolizei mitgeteilt worden, es sei am 25. Oktober 1991 ein negativer Bescheid über seinen Asylantrag ergangen. Dies sei dem Beschwerdeführer aber nicht bekannt gewesen. Die Behörde erster Instanz habe § 6 Abs. 2 AufG zu Unrecht herangezogen, da zum Zeitpunkt seiner Einreise nach Österreich diese Bestimmung noch gar nicht bestanden hätte.
Die Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 31. Juli 1997 gemäß § 6 Abs. 2 und § 13 AufG sowie § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer habe aufgrund seines Asylverfahrens nachweislich bis zum 15. Mai 1991 die Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich gehabt. § 13 Abs. 1 AufG sei jedoch zufolge § 13 Abs. 2 AufG nicht für die im § 1 Abs. 3 AufG genannten Ansuchen von Fremden heranzuziehen. Der Antrag des Beschwerdeführers sei daher als "Erstantrag" zu werten gewesen. Der Antrag wäre daher vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen gewesen. Eine Antragstellung aus dem Inland sei nur im Falle des Verlustes (der Aberkennung) des Asyls oder in anderen gesetzlich exakt geregelten Fällen zulässig, von denen allerdings keiner vorliege. Aufgrund des "jahrelangen andauernden illegalen" Aufenthaltes des Beschwerdeführers sah der Bundesminister für Inneres überdies den Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG verwirklicht.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 30. September 1997, B 2369/97-3, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof ab. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 4. August 1997) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 201/1996 maßgeblich.
Die §§ 6 Abs. 2 und 13 Abs. 1 und 2 AufG lauteten:
"§ 6. ...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszweckes kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden.
...
§ 13. (1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer der Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen.
(2) Abs. 1 findet auf die in § 1 Abs. 3 und Abs. 4 genannten Fremden keine Anwendung. Für diese kommt eine Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung nur nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 in Betracht."
Da der Beschwerdeführer weder nach seinem Vorbringen noch nach der Aktenlage jemals über eine Aufenthaltsbewilligung im Sinne des § 1 Abs. 1 AufG verfügte, wertete die belangte Behörde seinen Antrag zu Recht nicht als Verlängerungsantrag.
Für den Beschwerdeführer schied allerdings auch die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften im Sinne des § 13 AufG aus. Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob über den Asylantrag des Beschwerdeführers bereits (rechtskräftig) entschieden wurde oder nicht. Nach der unbestrittenen Bescheidfeststellung hatte der Beschwerdeführer zwar eine Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich bis zum 15. Mai 1991 aufgrund des oben erwähnten Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Baden. Daß er danach über eine weitere Aufenthaltsberechtigung verfügt hätte, wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Die "Verlängerung" einer Aufenthaltsberechtigung im Sinne des § 13 Abs. 1 AufG mußte daher für den Beschwerdeführer schon deshalb ausscheiden, weil er sich nach dem bisher Gesagten am 1. Juni 1993, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des AufG, nicht rechtmäßig im Österreich aufgehalten hatte.
Daraus folgt zunächst, daß der angefochtene Bescheid nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten ist.
Weiters folgt daraus, daß die belangte Behörde zu Recht § 6 Abs. 2 AufG angewendet hat.
Unbestritten ist im vorliegenden Fall, daß der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom Inland aus gestellt hat und sich weiterhin in Österreich aufhält. Da nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes das in § 6 Abs. 2 AufG normierte Erfordernis, einen Antrag vom Ausland aus zu stellen (und die Entscheidung über diesen Antrag auch vom Ausland aus abzuwarten), nicht als bloße Formvorschrift zu werten ist, sondern als Erfolgsvoraussetzung, deren Nichterfüllung die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010, sowie Zl. 95/95/0895), wäre die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde nur dann zu Unrecht erfolgt, wenn der Beschwerdeführer zu jenem Personenkreis zählte, der aufgrund des § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG oder einer darauf beruhenden Verordnung der Bundesregierung ausnahmsweise zur Antragstellung im Inland berechtigt gewesen wäre. Weder aus dem Beschwerdevorbringen noch aus dem Akteninhalt ergeben sich jedoch Hinweise darauf, daß der Beschwerdeführer zu diesem Personenkreis zählte.
Soweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, § 6 Abs. 2 (erster Satz) AufG dürfe in seinem Fall nicht herangezogen werden, weil seine Einreise nach Österreich bereits im Jahr 1990 erfolgt sei, verkennt er die Bedeutung des § 6 Abs. 2 AufG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es ausschließlich darauf an, ob im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides, mit dem über einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abgesprochen wird, die erwähnten Erfolgsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 AufG erfüllt sind (vgl. ua. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 95/19/1475).
Zählte der Beschwerdeführer aber nach dem bisher Gesagten nicht zu dem Personenkreis, für den ausnahmsweise eine Antragstellung aus dem Inland zulässig war, kann die Abweisung seines entgegen § 6 Abs. 2 erster Satz AufG gestellten Antrages durch die belangte Behörde nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ergibt sich auch nicht aus dem vom Beschwerdeführer hervorgehobenen Umstand, daß er während seines Aufenthaltes in Österreich regelmäßig durch Leistung von Abgaben und Sozialversicherungsbeiträgen zur österreichischen Volkswirtschaft beitrage, weil die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften durch in Österreich aufhältige Personen ohnehin erwartet werden muß.
Dieses Ergebnis erweist sich auch im Hinblick auf Art. 8 MRK nicht als rechtswidrig. Der Gesetzgeber der Novelle zum AufG BGBl. Nr. 351/1995 hat in § 6 Abs. 2 AufG bereits auf die während eines berechtigten Aufenthaltes eines Asylwerbers begründeten privaten und familiären Interessen im Inland Bedacht genommen und sich dafür entschieden, die Antragstellung vom Inland aus nur im Falle des Verlustes des Asyls zu erlauben. Eine weitere Bedachtnahme auf Art. 8 MRK durch die Behörde kommt daher nicht in Betracht. Verfassungsmäßige Bedenken dagegen, daß der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang die Antragstellung vom Inland aus auf Fälle des Verlustes von Asyl beschränkt hat, sind beim Verwaltungsgerichtshof auch aus Anlaß des vorliegenden Falles nicht entstanden. Die in den Erläuterungen zum Aufenthaltsgesetz (vgl. die RV 525 Blg.NR 18. GP) zum Ausdruck kommende Zielvorstellung des Gesetzes, die Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch die Stellung von Asylanträgen zu verhindern, welche zum Schutz der öffentlichen Ordnung auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt erscheint, verbietet es, nicht anerkannte Asylwerber in Ansehung ihrer privaten und familiären Interessen im Inland besser zu stellen als Fremde, die erstmals eine Aufenthaltsbewilligung beantragen (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1997, Zl. 95/19/0371). Eine Einschränkung des Art. 8 Abs. 1 MRK allenfalls geschützten Rechtes auf Neuzuwanderung zur Wahrung der durch einen Voraufenthalt begründeten persönlichen oder familiären Interessen durch § 6 Abs. 2 AufG ist - aus dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung und des damit verbundenen Rechtes des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung - durch Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt. Der Fall des Beschwerdeführers, der noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, sich aber seit dem Ablauf seiner Aufenthaltsberechtigung am 15. Mai 1991 weiterhin im Bundesgebiet aufhält, ist auch nicht mit jenen Konstellationen vergleichbar, die dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14148, sowie dem bereits erwähnten hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997 zugrunde lagen.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, ohne daß auf die Frage eingegangen zu werden brauchte, ob sich die belangte Behörde bei der Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers zu Recht auch auf § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gestützt hat.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 22. Jänner 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997191642.X00Im RIS seit
02.05.2001