TE Vwgh Erkenntnis 1999/2/9 97/11/0307

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Veröffentlicht am 09.02.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §66 Abs2 lite;
StVO 1960 §5 Abs1 impl;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde der R in L, vertreten durch Mag. Alexander Piermayr, Rechtsanwalt in Linz, Stelzhamerstraße 12, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 8. September 1997, Zl. VerkR-392.447/2-1997/Vie, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B gemäß § 74 Abs. 1 iVm § 73 Abs. 3 KFG 1967 für vier Wochen, gerechnet ab Abnahme des Führerscheines am 23. Dezember 1995, vorübergehend entzogen.

In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; sie beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 (idF vor der 19. KFG-Novelle, BGBl. I Nr. 103/1997) hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 zu gelten, wenn jemand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 SPG zu beurteilen ist.

Die bekämpfte Maßnahme beruht auf der Annahme, die Beschwerdeführerin habe am 23. Dezember 1995 ein näher bezeichnetes Kraftfahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr gelenkt und in der Folge durch Verweigerung der Untersuchung ihrer Atemluft auf Alkoholgehalt eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960 begangen. Damit liege eine bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 vor. Die Beschwerdeführerin sei wegen dieses Alkoholdeliktes mit Erkenntnis des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 1. August 1997 rechtskräftig bestraft worden. In Bindung daran habe die belangte Behörde von der Begehung der Tat durch die Beschwerdeführerin auszugehen; eine eigenständige Beurteilung dieser Vorfrage sei ihr verwehrt.

Die Beschwerdeführerin bestreitet das Vorliegen einer bestimmten Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967. Nicht sie, sondern ihr Ehegatte habe das betreffende Kraftfahrzeug gelenkt. Der bloße Verdacht des Lenkens des Kraftfahrzeuges durch sie genüge nicht. Die belangte Behörde habe sich zu Unrecht auf ihre Bindung an die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates in der strittigen Frage des Lenkens des Kraftfahrzeuges berufen.

Die Auffassung der belangten Behörde, aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung der Strafbehörde stehe bindend fest, daß die Beschwerdeführerin am 23. Dezember 1995 ein Kraftfahrzeug gelenkt hat, ist verfehlt. Tatsächlich wurde mit dem Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 1. August 1997 der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, in dem es hieß, daß die Beschwerdeführerin das betreffende Kraftfahrzeug gelenkt habe, dahin geändert, daß die Beschwerdeführerin verdächtig sei, das Kraftfahrzeug gelenkt zu haben. Auf das tatsächliche Lenken des Kraftfahrzeuges durch sie komme es in diesem Fall nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht an (Hinweis auf das Erkenntnis vom 23. Februar 1996, Zl. 95/02/0567). Die belangte Behörde ist demnach zu Unrecht von einer bindenden Entscheidung der Strafbehörde in Ansehung der - auch im Entziehungsverfahren durchgehend strittig gewesenen - Frage des Lenkens (oder zumindest der Inbetriebnahme) des betreffenden Kraftfahrzeuges durch die Beschwerdeführerin ausgegangen. Anders als bei der strafrechtlichen Beurteilung der Verweigerung der Atemluftuntersuchung (siehe das vorhin genannte Erkenntnis vom 23. Februar 1996, Zl. 95/02/0567) kommt es für das Vorliegen einer bestimmten Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 entscheidend auf das tatsächliche Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges durch die betreffende Person an (arg. "gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei"). Der bloße Verdacht des Lenkens oder der Inbetriebnahme genügt nach dem insoweit klaren Wortlaut nicht.

Offensichtlich aufgrund ihrer verfehlten Annahme, eine rechtskräftige Bestrafung nach § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960 stelle jedenfalls eine bestimmte Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 dar, hat die belangte Behörde die beim gegebenen Sachverhalt unabdingbare eigenständige vorfrageweise Beurteilung der strittigen Frage des Lenkens (der Inbetriebnahme) des Kraftfahrzeuges durch die Beschwerdeführerin unterlassen. Der angefochtene Bescheid leidet insoweit an einem wesentlichen Verfahrensmangel, weil die belangte Behörde bei dessen Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 9. Februar 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997110307.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

27.11.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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