TE Vwgh Erkenntnis 1999/2/9 97/18/0556

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Veröffentlicht am 09.02.1999
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Index

25/04 Sonstiges Strafprozessrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

ARHG §10;
AVG §68 Abs2;
FrG 1993 §18;
FrG 1993 §22;
FrG 1993 §23 Abs1;
FrG 1993 §26;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hofbauer, über die Beschwerde des FM, (geb. 13.11.1960), vertreten durch Dr. Richard Soyer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. April 1997, Zl. SD 177/97, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde das mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 12. Dezember 1995 gegen den Beschwerdeführer, einen slowenischen Staatsangehörigen, für die Dauer von zehn Jahren erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 68 Abs. 2 AVG aufgehoben. Nach Ausweis des Aktes gründet dieses Aufenthaltsverbot auf dem Fehlverhalten, das dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29. Juni 1995 zugrundelag, mit dem der Beschwerdeführer zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden war, weil er das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB als Beteiligter gemäß § 12, zweite Alternative, StGB, das Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 und 2 StGB und das Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB als Beteiligter gemäß § 12, zweiter Alternative, StGB, begangen hatte (vgl dieses Urteil, Aktenblatt 67 ff.).

Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung geltend gemacht, daß die Voraussetzungen des § 68 Abs. 2 AVG zur Aufhebung des besagten Aufenthaltsverbotes nicht vorgelegen wären. Es würde nämlich nicht zutreffen, daß aus dem Bescheid, mit dem das Aufenthaltsverbot gegen ihn erlassen worden sei, niemanden ein Recht erwachse. Tatsächlich wäre der Republik Österreich und ihren Einwohnern das Recht erwachsen, vom Beschwerdeführer geschützt zu werden. Mit diesem Vorbringen übersehe der Beschwerdeführer, daß § 68 Abs. 2 leg.cit. nur auf Rechtsansprüche abstelle, die sich unmittelbar aus dem Bescheid ergäben. Aus einem im Einparteienverfahren ergangenen Bescheid, mit dem der Partei (nur) eine Verpflichtung auferlegt werde, erwachse niemand anderem, gemeint: keiner anderen Partei, ein Recht. Daß damit nicht das Recht der Republik Österreich auf Erlassung des Bescheides gemeint sei, ergebe sich schon daraus, daß mit jedem Bescheid, der eine Partei belaste, das Recht der Gebietskörperschaft auf Erlassung dieses Bescheides verbunden sei, und daß, würde man der Auslegung des Beschwerdeführers folgen, aus jedem Bescheid jemandem ein Recht erwüchse. Eben diese Überlegung gelte in gleicher Weise auch für das "Recht" der Allgemeinheit aller im Bundesgebiet lebenden Menschen auf Erlassung eines solchen Bescheides. Dementsprechend könne der von einem Bescheid Belastete nicht die Rechte des Belastenden für sich in Anspruch nehmen.

Der Beschwerdeführer behaupte aber auch, daß durch die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes in seine eigenen Rechte eingegriffen würde. Er habe nämlich nach Verlassen des Bundesgebietes beantragt, die Freiheitsstrafe aus Gründen der Resozialisierung in seiner Heimat Slowenien verbüßen zu dürfen. Damit übersehe er aber, daß ihm durch das Aufenthaltsverbot keineswegs das von ihm beantragte Recht eingeräumt worden sei. Die Strafe hätte jedenfalls trotz Aufenthaltsverbotes im Inland vollzogen werden können. Im übrigen sei auch "offensichtlich seinem Antrag nicht stattgegeben und ihm das Recht nicht erteilt worden". Ebensowenig könne von einem Eingriff in die Souveränität Sloweniens die Rede sein, wenn der österreichische Staat eine Strafe vollziehen wolle. Keinesfalls greife ein Bescheid, der es dem Beschwerdeführer ermögliche, wieder ins Inland einzureisen (um die Strafe hier zu verbüßen) in die Souveränität eines fremden Staates ein.

Ebensowenig wie ein Fremder die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen sich beantragen und auf die Erlassung des Aufenthaltsverbotes bestehen könne, könne er der Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes mit der Begründung entgegentreten, daß die Behörde verpflichtet wäre, das Aufenthaltsverbot in materieller Hinsicht aufrecht zu erhalten. Dies ergebe sich schon aus den obigen Ausführungen, wonach der Fremde, wenn ihm aus dem Bescheid kein Recht erwachsen sei, nicht das Recht oder die Pflicht des Staates auf Erlassung dieses Bescheides geltend machen könne. Ob und aus welchen Gründen die Behörde bei der Interessenabwägung von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes absehe oder ein Aufenthaltsverbot aufhebe, sei für den Betroffenen kein tauglicher Anfechtungsgrund. Wie die Behörde die Interessenkollission zwischen der Verpflichtung zum Antritt der Freiheitsstrafe und der Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes löse, könne sich der Beschwerdeführer jedenfalls nicht selbst aussuchen.

Auf die materielle Rechtskraft bzw. die Unwiderrufbarkeit des Bescheides könne sich der Beschwerdeführer jedenfalls in Ansehung des § 68 Abs. 2 AVG nicht berufen. Die Frage der Wirkung der nunmehrigen Aufhebung des Aufenthaltsverbotes sei im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtete der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese - nach Ablehnung ihrer Behandlung - dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluß vom 6. Oktober 1997, B 1438/97). Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer erachtet sich - unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit - durch den angefochtenen Bescheid "in dem ihm durch .. § 68 Abs. 2 AVG gewährleisteten Recht, daß nur Bescheide, aus denen niemanden ein Recht erwachsen ist, von Amts wegen aufgehoben oder abgeändert werden können", verletzt. Bei einer Aufhebung nach § 68 Abs. 2 AVG komme es nicht darauf an, ob aus einem Bescheid jemandem ein Recht oder lediglich eine Pflicht erwachsen sei, wesentlich sei vielmehr, daß die durch einen rechtskräftigen Bescheid begründete Rechtsstellung einer Partei nicht verschlechtert werden dürfe. Durch die mit dem angefochtenen Bescheid bewirkte Aufhebung des Aufenthaltsverbotes werde aber die Rechtsstellung des Beschwerdeführers verschlechtert, weil er dadurch die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe nicht in seinem Heimatstaat Slowenien verbüßen könne. Die Auffassung der belangten Behörde, daß diese Freiheitsstrafe trotz bestehenden Aufenthaltsverbotes auch im Inland hätte vollzogen werden können, sei verfehlt. Die belangte Behörde habe daher von dem ihr durch § 68 Abs. 2 AVG eingeräumten Ermessen in rechtswidriger Weise Gebrauch gemacht.

1.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Gemäß § 68 Abs. 2 AVG können von Amts wegen Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde oder vom unabhängigen Verwaltungssenat, die oder der den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechts von der sachlichen in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

Mit dem nach dem Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, erlassenen - unbestritten - rechtskräftigen Aufenthaltsverbot entstand nach dem FrG (lediglich) die Verpflichtung des Beschwerdeführers, unverzüglich nach Eintritt der Rechtskraft auszureisen (§ 22 FrG) und während der Gültigkeitsdauer dieses Aufenthaltsverbotes - abgesehen vom Fall der Erteilung einer dafür erforderlichen besonderen Bewilligung - nicht wieder nach Österreich einzureisen (§ 23 Abs. 1 FrG). Aus dem Aufenthaltsverbots-Bescheid ist aber - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - niemandem, auch nicht dem Beschwerdeführer, ein Recht erwachsen. Entgegen der Beschwerde kann daher aus dem seinerzeit verhängten Aufenthaltsverbot auch kein Recht des Beschwerdeführers abgeleitet werden, die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe nicht in Österreich, sondern in einem anderen Staat zu verbüßen. Weiters ist dem Beschwerdeführer auch nach dem Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, BGBl. Nr. 529/1979, kein Anspruch eingeräumt, seine Auslieferung an einen anderen Staat zur Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe zu begehren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1987, Zl. 86/01/0255). Der vom Beschwerdeführer aus dem Aufenthaltsverbot gezogene Schluß, seine Freiheitsstrafe in seinem Heimatstaat verbüßen zu können, stellt auf eine mit dem Aufenthaltsverbot - allenfalls - verbundene bloße Reflexwirkung ab; ob eine solche Reflexwirkung tatsächlich gegeben ist, kann vorliegend dahinstehen. Somit ist die vom Beschwerdeführer behauptete Verschlechterung seiner Rechtsposition durch die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Aufhebung des Aufenthaltsverbotes nicht eingetreten. Von daher kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht erkennen, daß die belangte Behörde von ihrem Ermessen nach § 68 Abs. 2 AVG nicht im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht habe.

1.3. Entgegen der Beschwerde kann auch die von § 68 Abs. 2 AVG vorgesehene Möglichkeit zur Aufhebung oder Abänderung eines Bescheides insofern neben der mit § 26 FrG gegebenen Möglichkeit zur Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes bestehen, als die Regelung des § 68 Abs. 2 AVG über § 26 FrG hinsichtlich des Umfanges der damit normierten Zuständigkeiten, ihrer Voraussetzungen und auch des Kreises der zur Handhabung der besagten Regelung zuständigen Behörden hinausgeht; es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn vorliegend in einer dem § 68 Abs. 2 AVG entsprechenden Weise vorgegangen wurde.

1.4. Vor dem Hintergrund des Gesagten liegt die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vor.

2. Auf dem Boden der obigen Ausführungen sind auch die Verfahrensrügen, die belangte Behörde habe mit Blick auf § 68 Abs. 2 AVG den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt und den angefochtenen Bescheid nicht ausreichend begründet, nicht zielführend.

3. Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 9. Februar 1999

Schlagworte

Verhältnis zu anderen Normen und Materien

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997180556.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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